TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/13 L502 2167893-1

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Veröffentlicht am 13.07.2018
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Entscheidungsdatum

13.07.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

L502 2167893-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER über die Beschwerde von XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Kurt Jelinek, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2017, FZ. XXXX, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 11.10.2017 und 19.01.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe abgewiesen,

I. dass Spruchpunkt I. zu lauten hat:

Gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

II. dass Spruchpunkt II. zu lauten hat:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wird Ihnen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF), ein türkischer Staatsangehöriger, der im Jahr 1991 legal nach Österreich einreiste und zuletzt einen bis 2021 gültigen Aufenthaltstitel für das österr. Bundesgebiet erhalten hatte, wurde - im Gefolge mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen in den Jahren 2006, 2007, 2009, 2013 und 2015 - neuerlich 2017 strafgerichtlich verurteilt.

2. Im Gefolge der jüngsten Verurteilung wurde dem BF mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 09.05.2017, der sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befand, eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Hinblick auf die Absicht der Behörde, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu erlassen, übermittelt und wurde er unter einem zur Abgabe einer Stellungnahme anhand eines Fragenkatalogs aufgefordert.

3. Mit Schreiben vom 24.05.2017 legte der BF eine handschriftliche Stellungnahme einschließlich verschiedener Beweismittel (Kopie eines ungültigen türkischen Reisepasses, österr. Schulnachrichten, Bestätigung für ein Lehrverhältnis, Lehrvertrag, Beschäftigungsbestätigungen samt Wiedereinstellungszusage für den Zeitraum nach der Haft, Gehaltsabrechnung, Versicherungsdatenauszug, Geburtsurkunden seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter, Staatsbürgerschaftsnachweis der Lebensgefährtin) vor.

4. Das BFA holte schriftliche Urteilsausfertigungen sowie Auszüge aus dem Versicherungsdatenverzeichnis, dem Strafregister, dem kriminalpolizeilichen Aktenindex und den verwaltungspolizeilichen Vormerkungen des BF ein.

5. Mit Bescheid des BFA vom 21.07.2016 (richtig: 2017) wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gem. § 70 Abs. 3 FPG wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gem. § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III).

6. Mit Verfahrensanordnung vom 24.07.2017 wurde dem BF von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beigegeben.

7. Gegen diesen dem BF am 25.07.2017 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 04.08.2017 fristgerecht Beschwerde erhoben.

Beantragt wurde die ersatzlose Behebung des Bescheides, in eventu die Herabsetzung des Aufenthaltsverbotes, die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Als neues Beweismittel wurde eine Arbeitsbestätigung des aktuellen Dienstgebers vorgelegt.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 21.08.2017 beim BVwG in der Außenstelle Linz ein.

9. Dem Ersuchen des BVwG an den Magistrat der Stadt Salzburg um Übermittlung des Fremdenaktes des BF folgend wurde lediglich der Akt über den letzten Verlängerungsantrag aus 2016 seinen Aufenthaltstitel betreffend übermittelt, die Verfahrensakten der Eltern wurden als skartiert bezeichnet.

10. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 02.10.2017 wurde festgehalten, dass der BF nach vorzeitiger Haftentlassung in das PAZ Salzburg eingeliefert wurde, da seine Abschiebung mit 01.10.2017 geplant war, die Festnahme aber am 29.09.2017 nach Ablegung eines Gelöbnisses aufgehoben wurde, nachdem sein Reisepass nicht auffindbar war.

11. Am 03.10.2017 langte beim BVwG eine Mitteilung seines Vertreters ein, dass er wieder in einem aufrechten Dienstverhältnis stehe.

12. Mit Beschluss des BVwG vom 04.10.2017 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. Am 11.10.2017 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in seiner Sache durch, in der seine Lebensgefährtin im Beisein seines Vertreters als Zeugin einvernommen wurde.

Als weitere Beweismittel vorgelegt wurden Beschäftigungsbestätigungen des aktuellen Arbeitgebers des BF, ein Zwischenbericht der Bewährungshilfe vom 06.10.2017 und ein Konvolut an Unterlagen zum Nachweis des bestehenden Familienlebens des BF in Österreich.

14. Mit Schreiben des BVwG vom 17.10.2017 wurde seine Vertretung aufgefordert, Angaben zu einem Schuldenregulierungsverfahren des BF zu machen, Nachweise für behauptete Unterhaltszahlungen an seine Kinder in der Türkei vorzulegen und eine zusammenfassende Darstellung des Lebenswandels der Angehörigen in der Türkei zu übermitteln.

15. Am 20.10.2017 langten beim BVwG die bei der JA Salzburg angeforderte Besuchsliste und die Vollzugsinformation den BF betreffend ein.

16. Am 29.11.2017 langten dem BVwG die angeforderte Darstellung des Lebenswandels der Angehörigen des BF, eine Übersicht über dessen Schuldenregulierungsverfahren, Überweisungsbestätigungen und Gehaltszetteln ein.

17. Am 06.12.2017 langten beim BVwG die bei der JA Salzburg angeforderten Strafakten des BF ein.

18. Am 19.01.2018 führte das BVwG eine weitere mündliche Verhandlung in der Sache des BF in dessen Beisein durch, in der er persönlich gehört wurde.

19. Am 02.02.2018 langte beim BVwG eine weitere Stellungnahme seines Vertreters samt Urkundenvorlage (Kopien von Zahlungsbestätigungen, Lohnzetteln, Testament der Großmutter der Lebensgefährtin, Leistungsaufstellung des Vertreters, Schreiben samt Fotos zum Familienleben des BF in Österreich) ein.

20. Am 14.02.2018 langte beim BVwG die vom Vertreter beigeschaffte Besuchsliste während seiner Haft in der JA Salzburg ein.

21. Der Aufforderung des BVwG folgend legte sein Vertreter mit Schreiben vom 15.05.2018 eine aktuelle Beschäftigungsbestätigung seines Arbeitgebers samt Lohnzettel vor.

22. Mit Schreiben vom 21.06.2018 kündigte der BF durch seinen Vertreter dem BVwG an zur Abwicklung der Scheidung von seiner Ehegattin in die Türkei reisen zu wollen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der in der Türkei geborene und die türkische Staatsangehörigkeit innehabende BF reiste im Jahr 1991 im Alter von ca. 16 Jahren nach Österreich ein, wo er sich in der Folge bei seinen bereits in Österreich aufhältigen Eltern niederließ und seither legal aufhältig war. Ihm wurde zuletzt am 06.04.2016 ein bis 05.04.2021 gültiger Aufenthaltstitel, Daueraufenthalt - EU mit freiem Zugang zum Arbeitsmarkt, erteilt.

Er besuchte für neun Jahre die Schule in der Türkei, danach für zwei Jahre in Österreich und begann im Anschluss eine Lehre als Koch/Kellner. Weder die Schule noch die Lehre schloss er erfolgreich ab. Von 1994 bis 2014 ging er verschiedenen Beschäftigungen als Arbeiter und als Angestellter von Sicherheitsfirmen nach. Seit 2015 ist er - mit Unterbrechungen wegen seiner Haftaufenthalte oder aus saisonalen Gründen - bis dato als Dachdecker bei demselben Arbeitgeber beschäftigt und verdient durchschnittlich ca. 2000 EUR netto monatlich.

Im Zusammenhang mit einem von ihm vormals selbständig betriebenen Transportunternehmen wurde 2015 ein Insolvenzverfahren gegen ihn beim BG Salzburg eröffnet und gab es zu diesem Zeitpunkt Außenstände iHv ca. 110.000 EURO, ein Zahlungsplan im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens sieht eine Quote iHv 20 % mit Zahlungen iHv ca. 300 EUR monatlich bis 2023 vor.

Er hält sich seit 1991, mit kurzzeitigen Unterbrechungen - zuletzt im Jahr 2007 - zu Urlaubsaufenthalten in der Türkei für wenige Wochen, in Österreich auf. Seit 08.06.2017 hat er seinen ordentlichen Wohnsitz wieder im Haus der mittlerweile verstorbenen Großmutter seiner österreichischen Lebensgefährtin, wo er bereits auch von 03.01.2007 bis 03.03.2014 gemeldet war. Aus dieser seit ca. zwölf Jahren bestehenden Beziehung mit seiner Lebensgefährtin stammt eine gemeinsame im Jahr 2011 geborene Tochter, welche ebenfalls die österreichische Staatsbürgerschaft innehat und die Volksschule besucht. Seine Lebensgefährtin hat die Handelsschule absolviert und im Anschluss daran in verschiedenen Berufen gearbeitet. Aktuell bezieht sie Notstandshilfe und Familienbeihilfe und wird auch vom BF finanziell unterstützt. Sie hat außer einem Onkel, der gemeinsam mit dem BF angeklagt und strafgerichtlich verurteilt wurde und aktuell in Haft ist, keine weiteren Verwandten mehr in Österreich. Der BF spricht fließend Deutsch und Türkisch, seine Lebensgefährtin und die gemeinsame Tochter Deutsch und kein Türkisch.

Seine türkische Ehegattin und drei zwischen 1997 und 2002 in Österreich geborene Kinder aus dieser Ehe leben seit 2005 wieder in der Türkei bei seiner Mutter. Sein Vater ist verstorben, eine Schwester lebt ebenfalls in der Türkei. Er selbst bzw. vormals seine Lebensgefährtin leisteten regelmäßige Unterhaltszahlungen an seine Angehörigen in der Türkei. Er steht mit seinen Kindern über das Internet in regelmäßigem Kontakt. Ihm wurde zuletzt am 25.02.2015 ein bis 02.01. 2022 gültiger türkischer Reisepass ausgestellt.

1.2. Der BF wurde mit 20.11.2006 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und eines Verstoßes nach § 50 WaffenG verurteilt.

Mit 04.04.2007 wurde gegen ihn zum vorgenannten Urteil eine Zusatzstrafe von 60 Tagessätzen wegen des Vergehens der Körperverletzung verhängt.

Mit 09.10.2009 wurde gegen ihn eine bedingte Freiheitsstrafe von drei Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren wegen des Vergehens der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach § 161 Abs. 1 und § 159 Abs. 2 StGB verhängt.

Mit 13.08.2013 wurde er wegen der Vergehen des unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition sowie des Raufhandels gemäß § 50 Abs. 1 Z 3 und § 91 Abs. 2 1. Fall StGB zu einer Geldstrafe von 90 TS verurteilt.

Mit 06.05.2015 wurde er wegen der Vergehen der Körperverletzung und der Nötigung sowie des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 83 Abs. 1, § 105 Abs. 1 StGB und § 12. 3 Fall, §§ 127, 130 1. Fall iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 10 Monate bedingt mit einer Probezeit von zwei Jahren, verurteilt. 2016 wurde der Rest der Freiheitsstrafe vorerst mit einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, jedoch wurde die Probezeit in weiterer Folge auf fünf Jahre verlängert.

Mit 19.04.2017 wurde er wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 StGB und wegen des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch oder Waffen nach §§ 127 und 129 Abs. 1 Z 2 iVm § 12

3. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

1.3. Den BF betreffend sind zwölf verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen aktenkundig, dies wegen Verstoßes gegen § 9 StVO (Verhalten bei Bodenmarkierungen), wegen Nichtabgebens des Zulassungsscheines und des Kennzeichens nach Aufhebung der Zulassung, wegen Nichtanzeigens der Änderung von Umständen im Zusammenhang mit Zulassungen (§ 44 Abs. 4 KFG sowie § 42 Abs. 1 KFG), wegen Übertretens einer Geschwindigkeitsbeschränkung (§ 52 lit. a Z 10 a StVO), wegen Überschreitens der Geschwindigkeit in einer Zone (§ 52 lit. a Z 11a StVO) und wegen des Umstands, dass von ihm der Führerschein trotz Entziehung nicht rechtzeitig abgegeben wurde (§ 37 Abs. 1 iVm §29 Abs. 3 FSG), wobei Verwaltungsstrafen zwischen 40 und 365 EUR verhängt wurden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt des BFA, die Beschwerde des BF und die Schriftsätze sowie Urkundenvorlagen seines Vertreters im Beschwerdeverfahren, die Durchführung von zwei mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG mit zeugenschaftlicher Befragung der Lebensgefährtin des BF sowie Einvernahme des BF selbst.

2.2. Die Identität des BF konnte aufgrund der im Akt einliegenden Kopien seiner Personaldokumente festgestellt werden.

Die Feststellungen zur Einreise und zum bisherigen legalen Aufenthalt des BF in Österreich, zu seinen früheren wie aktuellen persönlichen und familiären Verhältnissen hierorts und in der Türkei, seiner Schulbildung und seinem bisherigen Berufsleben, den Lebensumständen seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter stützen sich auf die Angaben des BF sowie die seiner Lebensgefährtin und die dazu vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen und den verwaltungsbehördlichen Sanktionen gegen den BF resultierten aus den dazu eingeholten bzw. im Akt einliegenden Datenbankabfragen.

Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme stellen sich die Feststellungen oben als unstrittig dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des 7., 8. und 11. Hauptstücks des Fremdenpolizeigesetzes (FPG) 2005.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1.1. Am 12. September 1963 schlossen die damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Rat der Europäischen Gemeinschaften mit der Türkei ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation (Assoziierungsabkommen). Am 23. November 1970 verabschiedeten die Vertragsparteien das "Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation" (im Folgenden: ZP), das am 1. Januar 1973 in Kraft trat. In weiterer Folge wurde am 19.09.1980 durch den Assoziationsrat (dem durch das ZP Normsetzungskompetenz übertragen wurde) der Beschluss Nr. 1/80 über die Entwicklung der Assoziation (kurz: ARB 1/80) gefasst, welcher den vorangegangenen Beschluss Nr. 2/76 weitgehend ablöste.

In Art. 6 ARB 1/80 werden die Rechte türkischer Staatsangehöriger geregelt, welche je nach Beschäftigungsdauer in Österreich bestimmte Ansprüche im Hinblick auf ihre Weiterbeschäftigung und letztlich ihren Aufenthalt ableiten können. Demgegenüber regelt Art. 7 ARB 1/80 die Rechtsstellung der Familienangehörigen dieser Arbeitnehmer.

1.2. Die belangte Behörde ging zutreffend davon aus, dass der BF der Anwendbarkeit des Assoziierungsabkommens unterliegt und damit gegen ihn die Erlassung eines Aufenthaltsverbots - und nicht einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot - in Betracht zu ziehen war.

Im gg. Fall war zum einen Art. 7 ARB 1/80 maßgeblich, da er 1991 als Jugendlicher legal zu seinen türkischen, in Österreich bereits als sogen. Gastarbeiter aufhältigen Familienangehörigen nach Österreich nachgezogen war. Ebenso war Art. 6 ARB 1/80 durch seine im Anschluss ausgeübten Beschäftigungen erfüllt. Auch aktuell arbeitet der BF wieder bei demselben Arbeitgeber wie vor seiner Haft.

Sind Rechte aus dem ARB 1/80 erst einmal entstanden, kann der türkische Staatsangehörige sie nur noch unter zwei Voraussetzungen wieder verlieren. Entweder er verlässt den Aufnahmemitgliedstaat ohne berechtigte Gründe für einen nicht unerheblichen Zeitraum oder er stellt wegen seines persönlichen Verhaltens eine tatsächliche, schwerwiegende und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit, Ordnung oder Gesundheit gemäß Artikel 14 dar (VwGH 28. Februar 2006, 2002/21/0130).

Gemäß der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 20.12.2012, Zl. 2011/23/0170, verliert ein Fremder die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 ARB 1/80 infolge eines als Maßnahme nach Art. 14 ARB 1/80 zu verstehenden Aufenthaltsverbotes, welches gegen ihn erlassen worden ist (vgl. VwGH 17. März 2009, 2008/21/0206; VwGH 10. November 2009, 2008/22/0848).

Der EuGH hat sich in der Rechtssache Ziebell (Entscheidung vom 08.12.2011, C-371/08) ausführlich mit Art. 14 ARB und damit den Voraussetzungen für die Ausweisung assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger auseinandergesetzt. Bei der Bestimmung des Umfangs der in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 vorgesehenen Ausnahmen ist - so der EuGH - zu berücksichtigen, wie diese Ausnahmen im Bereich der Freizügigkeit von Unionsbürgern ausgelegt werden (EuGH im Fall "Nazli", Rn. 56, 10.02.2000, C-3401/97; Fall "Bozkurt II", Rn. 55, 06.06.1995, C-434/93). Dies sei umso mehr gerechtfertigt, als Artikel 14 Absatz 1 nahezu denselben Wortlaut wie Artikel 45 Absatz 3 AEUV habe. Daher seien die im Rahmen der Artikel 45 bis 47 AEUV (ex-Artikel 39 bis 41 EGV) geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die Assoziierungsberechtigten zu übertragen (EuGH im Fall "Polat", Rn. 29 m.w.N. vom 04.10.2007, C-349/06).

Es ist jedoch laut EuGH nicht möglich, die Regelung zum Schutz der Unionsbürger vor Ausweisung (Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie 2004/38/EG) auf die Garantien gegen die Ausweisung türkischer Staatsangehöriger zu übertragen ("Ziebell", Rn. 60). Für Unionsbürger würden zum Schutz vor Ausweisungsmaßnahmen viel stärkere Maßnahmen getroffen, die nicht auf - aus vorwiegend wirtschaftlichen Überlegungen - assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige übertragbar seien ("Ziebell", Rn. 70).

Für den Mindestschutz vor Ausweisungen sind stattdessen gemäß der Rechtsprechung des EuGH und entsprechend Artikel 12 der Richtlinie 2003/109/EG folgende Punkte bei der Ausweisung zu berücksichtigen ("Ziebell", Rn. 79):

-

Eine Gefahr im Sinne des Artikels 14 Absatz 1 muss gegenwärtig, tatsächlich und hinreichend schwer sein und überdies ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren ("Polat", Rn. 32 und 34). Darüber hinaus muss die in Rede stehende staatliche Maßnahme für die Wahrung dieses Grundinteresses unerlässlich sein ("Ziebell", Leitsatz).

-

Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefahr bedeutet, dass zum Beispiel bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung Tatsachen zu berücksichtigen sind, die nach der letzten Behördenentscheidung eingetreten sind und die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können, die das Verhalten des Betroffenen für die öffentliche Ordnung darstellen würde ("Cetinkaya", Rn. 47; "Ziebell", Rn. 84).

-

Eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen ist nicht zulässig. Maßgebend darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen sein. Dieses muss auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeuten. Der Umstand, dass mehrere strafrechtliche Verurteilungen vorliegen, ist hierbei für sich genommen ohne Bedeutung ("Polat", Rn. 35 f. m.w.N.; "Dogan", Rn. 24; "Nazli", Rn. 61, 63 f.; "Bozkurt II", Rn. 59). Dasselbe gilt für die Dauer einer Inhaftierung des Betroffenen ("Ziebell", Rn. 83).

-

Die Ausweisungsverfügung darf auch nicht auf wirtschaftlichen Überlegungen beruhen ("Ziebell", Rn. 80).

-

Die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats haben, bevor sie eine Ausweisungsverfügung erlassen, die Dauer des Aufenthalts der betreffenden Person im Hoheitsgebiet dieses Staates, ihr Alter, die Folgen einer Ausweisung für die betreffende Person und ihre Familienangehörigen sowie ihre Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlenden Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen ("Ziebell", Rn. 80).

-

Die Ausweisung ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit und als solche eng auszulegen ("Ziebell", Rn. 81). Erforderlich ist eine Einzelfallprüfung, bei der der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, zu wahren sind ("Ziebell", Rn. 82).

Wer Rechte aus Artikel 6 oder 7 ARB 1/80 geltend machen kann, darf damit nur ausgewiesen werden, wenn aufgrund seines persönlichen Verhaltens - außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt - eine gegenwärtige, tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt ("Nazli", Rn. 61).

1.3. Im Hinblick auf die angeführte Judikatur des EuGH sowie des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 29.11.2006, Zl. 2006/18/0339) ist festzuhalten, dass Art. 14 ARB 1/80 und die insoweit gebotene Gleichbehandlung von assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen mit EWR-Bürgern verlangt, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen türkischen Staatsangehörigen, dem die Rechte nach dem ARB 1/80 zukommen, nur unter den Voraussetzungen nach § 86 Abs. 1 FPG idF Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 erfolgen kann (VwGH 11.12.2007, 2006/18/0278; VwGH 9. 11. 2011, 2011/22/0264).

Hat der Fremde eine nach Art. 6 ARB 1/80 bzw. Art. 7 ARB 1/ 80 geschützte Rechtsposition erreicht, so zieht dies die Anwendbarkeit des § 66 bzw. § 67 Abs. 1 FPG 2005 idF FrÄG 2011 nach sich (VwGH 10.10.2012, Zl. 2012/18/0088).

Ein Vergleich des bisherigen § 86 Abs. 1 FPG 2005 mit der nunmehrigen Bestimmung des § 67 Abs. 1 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 zeigt, dass jene Kriterien, die erfüllt sein müssen, um davon ausgehen zu können, es liege nach diesen Bestimmungen eine maßgebliche vom Fremden ausgehende Gefahr vor, inhaltlich nahezu unverändert geblieben sind. Lediglich in § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG 2005 wird nunmehr nur noch auf die nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, nicht aber auch auf eine solche der öffentlichen Ordnung (so noch der bis zur Novellierung mit BGBl. I Nr. 122/2009 geltende § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG 2005) abgestellt. Demgemäß ist davon auszugehen, dass die bisherige zu § 86 Abs. 1 FPG 2005 ergangene Rechtsprechung im Wesentlichen - lediglich unter Bedachtnahme auf die Einschränkung in § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG 2005 - auf die Beurteilung, ob eine Gefährdung im Sinne des § 67 Abs. 1 FPG 2005 vorliegt, übertragbar ist. Darüber hinaus ergeben sich auch weitere Hinweise zur Auslegung betreffend das Vorliegen einer Gefährdung nach § 67 Abs. 1 FPG 2005 anhand des § 67 Abs. 3 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, weil in den dort genannten Fällen der Gesetzgeber festgelegt hat, dass das sonst mit einer Höchstdauer von zehn Jahren zu befristende Aufenthaltsverbot (§ 67 Abs. 2 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011) sogar auf unbestimmte Zeit ("unbefristet") ausgesprochen werden kann. Insoweit ist davon auszugehen, dass bei Erfüllen eines der in § 67 Abs. 3 FPG 2005 enthaltenen Tatbestände das Vorliegen einer Gefährdung im Sinn des § 67 Abs. 1 FPG 2005 indiziert ist (VwGH 9.11.2011, Zl. 2011/22/0264).

Bei der Beurteilung im Rahmen des § 67 FPG kann laut Verwaltungsgerichtshof auf den Katalog des § 60 FrPolG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden Der Verwaltungsgerichtshof hielt diesbezüglich zu § 60 FrPolG idF BGBl. 100/2005 in seiner Entscheidung vom 14.12.2006, 2006/18/0421 fest:

"Bei der Frage, ob gegen türkische Staatsangehörige, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB zukommt, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, ist § 60 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrPolG 2005 insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 60 Abs. 1 Z. 1 legcit genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 60 Abs. 2 legcit als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann. Für die Beantwortung, ob die in § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FrPolG 2005 iVm § 60 Abs. 1 Z. 1 legcit umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, ist zu prüfen, ob sich aus dem gesamten Fehlverhalten des Fremden ableiten lässt, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Ferner dürfen gemäß Art. 14 Abs. 1 ARB die einem türkischen Staatsangehörigen unmittelbar aus dem ARB zustehenden Rechte nur dann im Weg einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme abgesprochen werden, wenn diese Maßnahme dadurch gerechtfertigt ist, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nur zulässig, wenn auf Grund eines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. (VwGH 27. Juni 2006, 2006/18/0138)."

1.4.

§ 60 FPG lautet:

(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1.

von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.

mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, i.V.m. § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1a, 1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, oder gemäß den §§ 9 oder 14 in Verbindung mit § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

3.

im Inland wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

4.

im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

5.

Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat;

6.

gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise- oder die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen;

7.

den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;

8.

von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstelle oder der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen;

9.

eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat;

10.

an Kindes statt angenommen wurde und die Erlangung oder Beibehaltung der Aufenthaltsberechtigung ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat;

11.

binnen 12 Monaten nach Durchsetzbarkeit einer Ausweisung ohne die besondere Bewilligung nach § 73 wieder eingereist ist;

12.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme rechtfertigt, dass er einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat;

13.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme rechtfertigt, dass er durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

14.

öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

§ 67 FPG lautet:

(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1.

der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3.

auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4.

der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

§ 67 Abs. 1 FPG sieht sohin zwei unterschiedliche Gefährdungsmaßstäbe - als Bezugspunkt für die für jedes Aufenthaltsverbot Voraussetzung bildende Gefahrenprognose - vor. Einerseits (nach dem ersten und zweiten Satz) die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, wobei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührende Gefahr auf Grund eines persönlichen Verhaltens des betreffenden Fremden vorliegen muss, und andererseits (nach dem fünften Satz) - wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige seinen Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte - darüber hinausgehend eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet.

Der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 FPG fünfter Satz kommt also dann zur Anwendung kommt, wenn der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einen zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann, wobei im Lichte der hg. Judikatur diese "Privilegierung" - wiewohl diese Bestimmung in ihrem Wortlaut lediglich auf den (faktischen) Aufenthalt abstellt - nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn es sich diesbezüglich um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelt (vgl. VwGH 12.03.2013, 2012/18/0228).

Die im fünften Satz des Abs. 1 vorgenommene Reduktion der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots auf eine "nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich" folgt der Textierung des Art 28 Abs 3 der FreizügigkeitsRL. Hiebei handelt es sich um eine Konzentration auf Fälle schwerer Kriminalität. Dies wird noch deutlicher, wenn zur Interpretation dieses Begriffes der entsprechende Begriff der RL herangezogen wird, wonach es "zwingender Gründe der öffentlichen Sicherheit" bedarf. Der EuGH hat dazu (23. 11. 2010, C-145/09, Baden-Württemberg/Panagiotis Tsakouridis) den Rahmen abgesteckt.

Demnach

• sind von diesem Begriff sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst;

• handelt es sich um Sachverhalte, die die Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können;

• kann die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität ein solch zwingender Grund sei;

• setzt eine solche Maßnahme, wenn sie angesichts der außergewöhnlichen Schwere der Bedrohung für den Schutz der Interessen, die mit ihr gewahrt werden sollen, erforderlich ist, voraus, dass dieses Ziel unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer im Aufnahmemitgliedstaat des Unionsbürgers und insb der schweren negativen Folgen, die eine solche Maßnahme für Unionsbürger haben kann, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, nicht durch weniger strikte Maßnahmen erreicht werden kann;

• eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren kann nicht zu einer Ausweisungsverfügung führen, ohne dass die folgenden Umstände berücksichtigt werden: das persönliche Verhalten der betroffenen Person, die gegebenenfalls zu der Zeit zu beurteilen ist, zu der die Ausweisungsverfügung ergeht, und zwar nach Maßgabe der verwirkten und verhängten Strafen, des Grades der Beteiligung an der kriminellen Aktivität, des Umfangs des Schadens und gegebenenfalls der Rückfallneigung, ist gegen die Gefahr abzuwägen, die Resozialisierung des Unionsbürgers in dem Staat, in den er vollständig integriert ist, zu gefährden.

Hinsichtlich der Ermittlung des anzuwendenden Gefährdungsmaßstabs ist damit erforderlich festzustellen, ob ein zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliegt oder nicht. Bei einem Aufenthalt von länger als zehn Jahren im Bundesgebiet ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 16.01.2014, Rs C-400/12, wurde ausgeführt, dass der Aufenthaltszeitraum von zehn Jahren grundsätzlich ununterbrochen gewesen sein muss und vom Zeitpunkt der Verfügung der Ausweisung des Betroffenen an zurückzurechnen ist.

Diesbezüglich ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass bei der Frage nach dem anzuwendenden Gefährdungsmaßstab auch das zu Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) ergangene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 16. Jänner 2014, Rs C-400/12, zu berücksichtigen ist, weil § 67 Abs. 1 FPG insgesamt der Umsetzung von Art. 27 und 28 dieser Richtlinie - § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im Speziellen der Umsetzung ihres Art. 28 Abs. 3 lit. a - dient. Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der genannten Richtlinie bzw. dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss demnach grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind (VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079 mwN).

Angesichts des bereits über 10 Jahre andauernden rechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet kam daher im gegenständlichen Fall der erhöhte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG zur Anwendung.

1.5. Der VwGH hat in seiner umfangreichen Judikatur zu § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 mehrfach festgestellt, dass Gefährdungsprognosen auf Basis dieser Bestimmung möglich sind und auch vorgenommen werden müssen (vgl. zuletzt VwGH, Ra 2016/21/0035, 25.02.2016; mwH auf B 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0079; B 28. Jänner 2016, Ra 2016/21/0017; E 15. Oktober 2015, Ra 2015/21/0133).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH vom 19.02.2014, 2013/22/0309; vgl. auch E 20. August 2013, 2013/22/0070; E 31. Mai 2011, 2008/22/0831; E 27. Mai 2010, 2007/21/0297).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 4 FPG ist auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, somit insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH Ra 2016/21/0075, 24.05.2016).

Bei der in § 67 Abs. 1 FPG vorgesehenen Gefährdungsprognose ist nicht auf den Zeitpunkt der strafbaren Handlung oder der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung abzustellen, sondern soll beurteilt werden, ob im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides - mit Blick auf die Gegenwart und die Zukunft - das persönliche Verhalten (nach wie vor) eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (VwGH, 2012/18/0098, 07.11.2012)

Die fremdenpolizeiliche Beurteilung ist unabhängig und eigenständig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es obliegt dem erkennenden Gericht festzustellen, ob eine Gefährdung im Sinne des FPG vorliegt oder nicht. Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Aus dem Status als "Freigänger" während der Strafhaft lässt sich aber keine maßgebliche Minderung der sich aus dem strafbaren Vorverhalten ergebenden Gefährdung ableiten (VwGH vom 25.02.2016, Zl. RA 2016/21/0051; vgl. E 12. Oktober 2010, 2010/21/0335).

1.6. Der ständigen Judikatur des VwGH zufolge ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug der Freiheitsstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. VwGH vom 25.01.2018, Ra. 2018/21/0004 sowie VwGH vom 19. April 2012, Zl. 2010/21/0507, und vom 25. April 2013, Zl. 2013/18/0056, jeweils mwN). Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Entscheidung nur nach Einzelfallbeurteilung erfolgen kann, weshalb insoweit die abstrakte allgemeine Festlegung eines Wohlverhaltenszeitraumes nicht in Betracht kommt. Dass es aber grundsätzlich eines Zeitraums des Wohlverhaltens - regelmäßig in Freiheit - bedarf, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können, was grundsätzlich Voraussetzung für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist, kann nicht mit Erfolg in Zweifel gezogen werden (VwGH vom 17.11.2016, Ra 2016/21/0193; vgl. auch VwGH vom 22. Jänner 2013, 2012/18/0185 und vom 22. Mai 2013, 2013/18/0041); ebenso wenig, dass dieser Zeitraum üblicherweise umso länger anzusetzen sein wird, je nachdrücklicher sich die für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gefährlichkeit manifestiert hat (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0009; 28.01.2016, Ra 20015/21/0013). Wenn sich die Gefährdung über einen - beginnend mit der Haftentlassung - Zeitraum von mehr als 8 Jahren nicht erfüllt, kann die diesem Aufenthaltsverbot zugrundeliegende Zukunftsprognose grundsätzlich nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl. VwGH vom 09.09.2013, 2013/22/0117).

Bei der im Verfahren betreffend Aufenthaltsverbot gebotenen Prognosebeurteilung kommt es nicht (nur) auf die strafgerichtlichen Verurteilungen als solche an (vgl. VwGH vom 20. November 2008, 2008/21/0603). Es ist vielmehr eine - aktuelle - Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Fremden vorzunehmen und die Frage zu beantworten, ob sich daraus (weiterhin) eine maßgebliche Gefährdung ableiten lässt (VwGH vom 25.04.2013, Zl. 2012/18/0072).

Gemäß der Entscheidung des VwGH vom 13.10.2000, Zl. 2000/18/0013 kann nicht von triftigen Gründen gesprochen werden, wenn der Fremde zwar durch die Begehung zahlreicher Taten (hier schwere Diebstähle bzw. Diebstähle durch Einbruch) ein Verhalten gesetzt hat, das eine nicht unerhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherhe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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