Entscheidungsdatum
16.07.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L502 2197920-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2018, FZ. XXXX, zu Recht erkannt:
A) In Stattgebung der Beschwerde werden die Spruchpunkte IV, V und VI ersatzlos behoben.
B) Das Beschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I und II des Bescheides gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG eingestellt.
C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte, im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet, am 07.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Gefolge der Erstbefragung des BF am 08.09.2015 wurde das Verfahren zugelassen.
2. Am 25.01.2018 wurde der BF am Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Außenstelle Linz, niederschriftlich einvernommen.
3. Mit Bescheid des BFA vom 04.05.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen ((Spruchpunkt I). Zugleich wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Gemäß § 55 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI).
4. Gegen diese ihm am 11.05.2018 zugestellte Entscheidung des BFA erhob der BF durch seine zugleich bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hinsichtlich der Spruchpunkte I, II, IV, V und VI. Nicht bekämpft wurde der Spruchpunkt III.
5. Das Beschwerdeverfahren wurde in der Folge der nun zuständigen Gerichtsabteilung des BVwG zur Entscheidung zugewiesen.
6. Mit 20.06.2018 langte beim BVwG eine Abschrift des E-Mail-Verkehrs zwischen dem BFA und der zuständigen Niederlassungsbehörde ein.
7. Mit 21.06.2018 langte beim BVwG eine Kopie der österr. Heiratsurkunde des BF ein.
8. Mit Schreiben an das BVwG, eingelangt am 06.07.2018, zog die Vertretung des BF die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA hinsichtlich der Spruchpunkte I und II zurück.
9. Mit Urkundenvorlagen vom 12.07.2018 legte die Vertretung Integrationsnachweise des BF sowie eine Ablichtung der dem BF von der Niederlassungsbehörde ausgestellten Aufenthaltskarte vor.
10. Das BVwG erstellte abschließend einen Datenbankauszug des Informationssystems Zentrales Fremdenregister (IZR) den BF betreffend.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Verfahrensgang steht fest.
1.2. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger, der seit seiner Einreise in das Bundesgebiet am 07.09.2015 hierorts als Asylwerber aufhältig ist. Er schloss am 08.06.2018 vor dem Standesamt seines Wohnsitzes die Ehe mit einer in Österreich niedergelassenen deutschen Staatsangehörigen. Von der zuständigen Niederlassungsbehörde wurde ihm in der Folge ein Aufenthaltstitel für das österr. Bundesgebiet in Form einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers, gültig von 20.06.2018 bis 20.06.2013, ausgestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt des Bundesamtes und die von der Vertretung des BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften aus dem IZR den BF betreffend.
2.2. Verfahrensgang und Feststellungen ergaben sich in unstrittiger Weise aus den genannten Beweismitteln.
III. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF v. 04.08.2015, BGBl. I Nr. 84/2015, obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des AsylG 2005.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des BFA.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
1. § 52 Abs. 2 FPG lautet:
Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.
dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.
dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.
ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.
ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
2. Dem BF wurde, im Gefolge der erstinstanzlichen Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz in Verbindung mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn, von der zuständigen Niederlassungsbehörde ein Aufenthaltstitel gemäß § 54 Abs. 1 NAG erteilt. Ihm kommt sohin aktuell ein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz als dem AsylG zu. Eine Rückkehrentscheidung gegen ihn ist im Lichte dessen unzulässig bzw. eine solche bereits erlassene im Rechtsmittelweg aufzuheben.
3. Es waren daher in Stattgebung der Beschwerde die gegen ihn vom BFA gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassene Rückkehrentscheidung sowie die damit verbundenen Aussprüche gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG ersatzlos zu beheben.
Zu B)
1. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen. Voraussetzung für einen rechtswirksamen Beschwerdeverzicht ist, dass er frei von Willensmängeln und in Kenntnis seiner Rechtsfolgen abgegeben wurde. Besondere Formerfordernisse bestehen nicht. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht nur ein Verzicht auf die Einbringung einer Beschwerde, sondern auch ein nachträglicher Verzicht durch Zurücknahme einer Beschwerde wirksam. Der Beschwerdeverzicht ist unwiderruflich, hindert allerdings nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. Fister/Fuchs/Sachs: Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Kommentar; § 7 VwGVG, Anm. 8, mit Judikaturhinweisen).
Der im Hinblick auf § 17 VwGVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht anwendbare § 63 Abs. 4 AVG, an dessen Stelle der § 7 Abs. 2 VwGVG tritt, bestimmt in inhaltlich identer Weise, dass eine Berufung gegen einen Bescheid nicht mehr zulässig ist, wenn eine Partei - nach Zustellung oder Verkündung desselben - ausdrücklich auf die Berufung verzichtet hat. Der nachträgliche Berufungsverzicht in Form der Zurückziehung der Berufung ist, wenn auch gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen, nach der Rsp des VwGH gleichermaßen rechtswirksam. Auch eine Berufungszurückziehung bewirkt, dass die bereits eingebrachte Berufung nicht mehr meritorisch erledigt werden darf und der angefochtene Bescheid unwiderruflich und endgültig in formelle Rechtskraft erwächst. Einer bedingten Zurückziehung kommt wiederum keine Rechtswirkung zu. Besondere Formerfordernisse sind auch für die Zurückziehung der Berufung nicht vorgesehen, sie kann in jeder technischen Form geschehen, die eine Behörde zu empfangen in der Lage ist. Sie muss allerdings ausdrücklich und zweifelsfrei ausgesprochen werden, was besonders streng zu prüfen ist. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung darf diese nicht bloß aus dem Sinn einer Eingabe an die Behörde erschlossen werden. Sie muss jedenfalls frei von Willensmängeln erfolgen, so darf kein Irrtum auf Seiten der Partei vorliegen, der etwa durch ein, wenn auch nicht notwendiger Weise schuldhaftes, behördliches Verhalten veranlasst wurde, oder die Partei über behördlichen Druck oder Zwang agieren. Im Übrigen ist nur auf die Parteienerklärung als solche unabhängig von den Absichten und Beweggründen, welche die Partei zur Zurückziehung veranlasst haben, abzustellen (vgl. Hengstschläger/Leeb: Kommentar, § 63 AVG, Rz 73-76, mit Judikaturhinweisen).
2. Mit Schreiben an das BVwG einlangend am 06.07.2018 zog die Vertretung des BF die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.05.2018 hinsichtlich der Spruchpunkte I und II ausdrücklich zurück.
In Anwendung der oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze war sohin von einer ausdrücklichen und eindeutigen Willenserklärung des BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter im Sinne einer - unwiderruflichen - Zurückziehung seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid im genannten Umfang auszugehen. An diese Erklärung ist das erkennende Gericht angesichts nun nicht mehr bestehender Kompetenz zur Entscheidung in der Sache gebunden.
3. Folgerichtig war das Beschwerdeverfahren im genannten Umfang einzustellen, womit der bekämpfte Bescheid in den Spruchpunkten I und II auch in formelle Rechtskraft erwächst.
Zu C)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsrecht, Ehe, ersatzlose Behebung, EU-Bürger,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2197920.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018