Entscheidungsdatum
18.07.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
I419 2165219-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX </nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person>alias XXXX alias XXXX alias XXXX XXXX XXXX alias
XXXX</nichtanonym><anonym>XXXX</anonym></person> alias XXXX alias XXXX XXXX, geb. XXXX, StA. TUNESIEN alias Syrien alias staatenlos, vertreten durch VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 20.06.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheids werden aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte 2014 einen im selben Jahr rechtskräftig abgewiesenen Antrag und am 14.02.2017 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz.
Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I), erteilte keinen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Tunesien zulässig sei (Spruchpunkt II), wobei keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III).
Die Beschwerde bekämpft lediglich die beiden letzten Spruchpunkte, deren ersatzlose Behebung beantragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Der Beschwerdeführer ist seit 16.01.2017 mit einer Staatsangehörigen der Ungarischen Republik verheiratet. Diese hatte in Österreich seit 13.10.2016 einen Nebenwohnsitz und hat von 03.07.2017 bis 28.02.2018 unselbständig mit 30 Wochenstunden in Wien gearbeitet. Das Ehepaar ist seit 23.05.2017 gemeinsam mit anderen Fremden in einer Wohnung in Wien 20 mit Hauptwohnsitz gemeldet.
1.2 Beide Ehegatten sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Seine Gattin ist knapp 20 Jahre jünger als er zu sein angibt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakten und des Gerichtsakts. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Register der Sozialversicherungen, dem Fremdenregister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.
Die Ehe des Beschwerdeführers ist durch den Auszug aus dem Ehebuch des Standesamts Wien 1 (AS 249) und das Melderegister dokumentiert, die Staatsangehörigkeit und die Berufstätigkeit der Gattin aus den Registerabfragen und dem Arbeitsvertrag (AS 255 ff). Da der Beschwerdeführer den Behörden keine tauglichen Urkunden vorlegte, steht seine Identität nicht fest.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren noch am 17.03.2017 bestätigte, ledig zu sein (AS 91), allerdings liegen im Beschwerdeverfahren sowohl unbedenkliche Urkunden als auch übereinstimmendes Vorbringen zur Frage der aufrechten Ehe vor, wenngleich das BFA in Aktenvermerken seine Zweifel sowohl am beiderseitigen Ehewillen als auch an der Arbeitstätigkeit der Gattin festgehalten hat (AS 281 ff). Aus der Sicht des Gerichts ergeben sich keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Urkunden und Registerinhalte, zumal auch die vom BFA eingeschaltete Finanzpolizei eindeutig berichtete (AS 279).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Aufhebung der angefochtenen Spruchpunkte
Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer EWR-Bürgerin, der das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nach § 51 NAG zukommt. Damit erfüllt er die Voraussetzung des § 52 Abs. 1 Z. 1 NAG für das Aufenthaltsrecht als Angehöriger der EWR-Bürgerin. Diese Bestimmung ist ungeachtet des § 1 Abs. 2 Z. 1 NAG auch auf Asylwerber anwendbar, weil die dort festgelegte Nichtanwendbarkeit des NAG nur für Fälle gilt, in denen kein Freizügigkeitssachverhalt vorliegt (vgl. VwGH 26.02.2013, 2010/22/0129).
Er ist zudem im Sinne der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG "begünstigter Drittstaatsangehöriger", da seine Gattin ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat.
3.1 Zur Aufhebung von Spruchpunkt II:
Nach § 54 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen des 7. Hauptstücks ("Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen") nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Das BFA hatte demnach nicht die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach diesem Hauptstück zu prüfen, somit auch nicht eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, so die Bezeichnung des in § 57 AsylG 2005 vorgesehenen Rechtsinstituts, zu versagen.
Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Diese Bestimmung bildet in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 auch die Rechtsgrundlage für die Rückkehrentscheidung nach einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).
Wie § 52 Abs. 2 letzter Satz FPG festlegt, gilt das allerdings nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Für eine Rückkehrentscheidung fehlt demnach fallbezogen die Rechtsgrundlage. Demnach ist sie zu Unrecht ergangen. Mangels einer rechtskonformen Rückkehrentscheidung liegen auch nicht die Voraussetzungen für die Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung vor (§ 52 Abs. 9 FPG), sodass auch diese zu beheben war.
Damit entbehren alle Inhalte des Spruchpunkts II fallbezogen der erforderlichen rechtlichen Grundlagen. Dieser Spruchpunkt war demnach zu beheben.
3.2 Zur Aufhebung von Spruchpunkt III
Aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht besteht, was hier nach dem Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides der Fall ist.
Der Zusammenhang von § 55 Abs. 1 FPG und den folgenden Absätzen zeigt jedoch, dass sich die Ausreisefrist und - gegebenenfalls - deren Nichtbestehen auf die Befolgung der Rückkehrentscheidung beziehen. So ist in Abs. 1 vorgesehen, dass die Festlegung der Frist zugleich mit der Rückkehrentscheidung vorgenommen wird, in Abs. 2 die Abwägung besonderer Umstände bei der Regelung persönlicher Verhältnisse gegenüber den Gründen der Rückkehrentscheidung.
Die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise kommt fallbezogen daher ebenso wenig in Betracht, wie das Feststellen ihres Nichtbestehens, zumal keine Pflicht zur Ausreise besteht, deren Befolgung im Fall der Missachtung gemäß § 46 Abs. 1 Z. 2 FPG durchgesetzt werden könnte.
Demnach war der auf Spruchpunkt II aufbauende Spruchpunkt III wie dieser zu beheben. (Vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146 [Pkt. IV 1]).
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der innerstaatlichen Umsetzung der Freizügigkeitsrichtline und der Anwendung der Bestimmungen über die Abschiebung auf begünstigte Drittstaatsangehörige. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht uneinheitlich. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4. Zum Unterleiben einer Verhandlung:
Das Gericht hat dem inhaltlichen Beschwerdeantrag zur Gänze entsprochen. Das Gericht musste sich daher keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass für den Fremden kein günstigeres Ergebnis entsteht, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 mwH).
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs (VfGH 14.03.2012, U 466/11 und U 1836/11) zu verweisen, in denen er ausführte: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde." Diese Voraussetzungen liegen vor. Auch der Sachverhalt ist aktuell, wie die Registerabfragen zeigen.
Eine mündliche Verhandlung konnte daher in Übereinstimmung mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nach § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben.
Schlagworte
begünstigte Drittstaatsangehörige, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2165219.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018