TE Bvwg Beschluss 2018/7/18 I412 2200936-1

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I412 2200936-1/3E

BESCHLUSS!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom 12.07.2018, Zl. 1101862201-180599381, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX alias XXXX, geb. XXXX StA. MAROKKO, beschlossen:

A)

Die nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes war nicht rechtswidrig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 12.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass es in seinem Herkunftsstaat keine Arbeit gäbe. Im Falle einer Rückkehr würde er Armut befürchten.

2. Mit Bescheid vom 16.02.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Zugleich wurde gemäß § 55 Abs. 1 a FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

3. Der Beschwerdeführer stellte am 25.06.2018 aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.06.2018 damit begründete, dass er nun seine wahre Identität preisgeben würde wollen. Er habe aus Angst falsche Daten angegeben und sich auch volljährig gemacht, um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können, sein - mittlerweile verstorbener Stiefvater habe ihn gehasst, geschlagen und vergewaltigt. Seine Mutter sei 2014 von einem Bus überfahren worden. Diese Gründe habe er immer schon gewusst, jedoch aus Angst verheimlicht. Anlässlich dieser Einvernahme gab er zudem an, an keinen Beschwerden oder Krankheiten zu leiden, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren beeinträchtigen könnten sowie keine Medikamente zu nehmen.

4. Am 12.07.2018 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde, in welcher der Beschwerdeführer angab, unter Druck, Stress und Angst zu leiden, er nehme Medikamente und habe Erinnerungsprobleme. Zu den Fluchtgründen befragt gab er an, sein Stiefvater habe ihn mehrmals vergewaltigt und geschlagen mit einem Kabel an den Händen und den Füßen gefesselt. Er habe ihn mit den Händen über Kreuz aufgehängt und ihn mit Salzwasser übergossen. Auch Stromstöße habe er bekommen. Weiter gab er an, er habe in seinem Herkunftsstaat keine Familie, das sei sein Problem.

5. In der Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer an keinen schweren, lebensbedrohlichen Krankheiten leide, volljährig ist und kein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich besteht. In der Beweiswürdigung wurde angeführt, dass weder der Beschwerdeführer vorbrachte, an einer lebensbedrohlichen Krankheit zu leiden noch sich Hinweise darauf aus den vorgelegten Befunden ergeben hätten. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben habe nicht festgestellt werden können, da die angegebene schwangere Ex-Freundin in allen zur Verfügung stehenden Datenbanken nicht aufscheine und ansonsten diesbezüglich nichts weiter vorgebracht worden sei. Der vom Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt betreffend seinen Stiefvater in Marokko habe bereits vor Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren bestanden. Der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft des letzten Asylverfahrens neu entstanden sei, vorgebracht habe. Bezüglich des Vorbringens des psychologischen Zustands wurde darauf hingewiesen, dass ein Zugang zu medizinischen Leistungen im Herkunftsstaat unbestritten bestehe und auch mittellose Personen Leistungen in Anspruch nehmen können.

Da sich die allgemeine Lage im Herkunftsland, der körperliche Zustand und die persönlichen Verhältnisse nicht entscheidungswesentlich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Verfolgung im Sinne der GFK nicht zu erwarten sei und es zu keiner entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes gekommen sei.

6. Im Anschluss an die mündliche Verkündung des Bescheids gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, Beschwerde dagegen zu erheben.

7. Am 16.07.2018 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I412 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Fremden

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, marokkanischer Staatsangehöriger und volljährig. Seine Identität steht nicht fest.

Er leidet an keinen schweren lebensbedrohlichen Erkrankungen und ist arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer wurde vom LG XXXX mit Urteil vom 19.06.2018, GZ XXXX, wegen versuchten Einbruchdiebstahles zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten als Zusatzstrafe zum Urteil des Amtsgerichtes XXXX vom 22.02.2017 verurteilt.

Der Beschwerdeführer weist kein schützenswertes Privat- oder Familienleben, keine Einkünfte und keine Mittel zu seinem Unterhalt im Bundesgebiet auf. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig.

Seit Jänner 2016 war der Beschwerdeführer insgesamt 7 Tage in Flüchtlingsunterkünften, 7 Tage in der Grenzpolizeiinspektion, 2 Monate an einer Obdachlosenadresse und 19 Tage in der Haftanstalt gemeldet. In der verbleibenden Zeit hatte er keine Meldeadresse im Inland. Aktuell befindet er sich seit 21.06.2018 im Anhaltezentrum in Schubhaft.

1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat

Im angefochtenen Bescheid wurden die aktuellen Länderinformationen zu Marokko zitiert.

Im Beschwerdeverfahren sind keine Änderungen dieser entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden. Im gegebenen Zusammenhang sind daher mangels sonstiger Bezüge zum Vorbringen die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:

Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert. Medizinische Dienste sind kostenpflichtig und werden bei bestehender gesetzlicher Krankenversicherung von dieser erstattet. Es gibt einen großen qualitativen Unterschied zwischen öffentlicher und (teurer) privater Krankenversorgung. Selbst modern gut ausgestattete medizinische Einrichtungen garantieren keine europäischen Standards. In den Medien finden sich regelmäßig Berichte über wenig motiviertes Personal insbesondere in den öffentlichen Krankenhäusern, das unter schwierigen Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung leidet. Eine Behandlung kann oft nur mit einem Eigenanteil sichergestellt werden. Insbesondere das Hilfspersonal ist oft unzureichend ausgebildet, Krankenwagen sind in der Regel ungenügend ausgestattet. Die Notfallversorgung ist wegen Überlastung der Notaufnahmen in den Städten nicht immer gewährleistet, auf dem Land ist sie insbesondere in den abgelegenen Bergregionen unzureichend (AA 10.3.2017).

Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch AIDS-Dauerbehandlungen lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung bisweilen zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist allerdings fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 10.3.2017).

Im Bereich der Basis-Gesundheitsversorgung wurde 2012 das Programm RAMED eingeführt und erstreckt sich auf 8,5 Mio. Einwohner der untersten Einkommensschichten bzw. vulnerable Personen, die bisher keinen Krankenversicherungsschutz genossen. Im Oktober 2012 waren bereits 1,2 Mio. Personen im RAMED erfasst (knapp 3 Prozent der Haushalte). RAMED wird vom Sozialversicherungsträger ANAM administriert, der auch die Pflichtkrankenversicherung AMO der unselbständig Beschäftigten verwaltet. Zugang haben Haushaltsvorstände und deren Haushaltsangehörige, die keiner anderen Pflicht-Krankenversicherung unterliegen. Die Teilnahme an RAMED ist gratis ("Carte RAMED"), lediglich vulnerable Personen zahlen einen geringen Beitrag (11 € pro Jahr pro Person). Ansprechbar sind die Leistungen im staatlichen Gesundheitssystem (Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung und Vorsorge sowie Krankenhäuser) im Bereich der Allgemein- und Fachmedizin, stationärer Behandlung, Röntgendiagnostik etc. Die Dichte und Bestückung der medizinischen Versorgung ist auf einer Website des Gesundheitsministeriums einsehbar (ÖB 9.2015). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine "Carte RAMED" erhalten. Bei Vorlage dieser Karte sind Behandlungen kostenfrei (AA 10.3.2017).

Auf 1.775 Einwohner entfällt ein Arzt. 141 öffentliche Krankenhäuser führen etwas mehr als 27.000 Betten (ein Spitalsbett auf ca. 1.200 Einwohner); daneben bestehen 2.689 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung. Inhaber der Carte RAMED können bei diesen Einrichtungen medizinische Leistungen kostenfrei ansprechen. Freilich ist anzumerken, dass dieser öffentliche Gesundheitssektor in seiner Ausstattung und Qualität und Hygiene überwiegend nicht mit europäischen Standards zu vergleichen ist. Lange Wartezeiten und Mangel an medizinischen Versorgungsgütern und Arzneien sind zu beobachten. Wer weder unter das RAMED-System fällt, noch aus einem Anstellungsverhältnis pflichtversichert ist, muss für medizinische Leistungen aus eigenem aufkommen (ÖB 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Rückkehr

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 10.3.2017).

Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)

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ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

1.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Das erste Asylverfahren wurde im Jahr 2016 rechtskräftig negativ abgeschlossen und waren seine damaligen Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates rein wirtschaftliche. Der Beschwerdeführer bringt mit dem jetzigen Vorbringen, wonach er an psychischen Problemen leiden würde, er noch nicht volljährig sei und vom Stiefvater misshandelt worden sei keine neuen Gründe vor. Diese Fluchtgründe haben allesamt bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden und hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, diese dort vorzubringen. Mit den genannten Darstellungen brachte er kein im Kern glaubhaftes neues Fluchtvorbringen vor. Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Marokko noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens mit Bescheid der belangten Behörde vom 16.02.2016 eine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten.

Auch eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens in Österreich liegt nicht vor. Die psychischen Probleme, weswegen die namentlich genannten Medikamente verabreicht wurde, bestehen schon sein ganzes Leben lang und waren somit auch schon zum Zeitpunkt der vorangegangenen Entscheidung bekannt.

Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, zumal Marokko nach § 1 Z. 9 HStV ein sicherer Herkunftsstaat ist.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung entgegenstünden.

Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Marokko ist seit der Entscheidung über den vorigen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz nicht eingetreten, insbesondere nicht auf sein Vorbringen bezogen.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich von der belangten Behörde zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1 Zur Person des Fremden

Dass der Beschwerdeführer bereits volljährig ist, ergibt sich aus den Feststellungen im Erstverfahren und blieben diese unbestritten. Auch wenn der Beschwerdeführer nunmehr angibt, im Jahr 2001 geboren zu sein, so muss dem entgegen gehalten werden, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitlich auch noch die Geburtsdaten XXXX1998, XXXX2002 und 01.01.1995 vor der belangten Behörde, dem Landesstrafgericht und dem erkennenden Gericht angegeben hat und dazu trat er bisher mit den weiteren Namen XXXX und XXXX in Erscheinung. Zudem wurde im gesamten Erstverfahren niemals moniert, dass er nicht volljährig sei und ist dem Vorbringen, er habe bisher seine Volljährigkeit angegeben, um Sozialleistungen zu erhalten, weil er seine Familie unterstützen wolle, keine Glaubhaftigkeit zuzumessen. Seine Mutter ist seinen Angaben zufolge (bereits im Jahr 2014 von einem Bus überfahren worden (AS 19). In der Einvernahme vom 06.07.2018 gab er in weiterer Folge an, keine Familie zu haben, dies sei sein Problem.

Die strafgerichtliche Verurteilung ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug vom 16.07.2018 und der Urteilsausfertigung zu

LGXXXX, XXXX.

Soweit sein Gesundheitszustand angesprochen wird, kann auf die ärztlichen Befunde (AS 59 und 113) vom 22.06.2018 und 09.07.2018 Bezug genommen werden, wonach der Beschwerdeführer voll orientiert ist, in Aufmerksamkeit und Gedächtnis ungetrübt ist, kein Hinweis auf Störung der Kritik- und Urteilsfähigkeit vorliegt und er affektiv stabil ist. Er ist aufgebracht, dysthym und hat starken Rededrang. Es treten Flashbacks und Intrusionen aus, Psychosen und Suizidalität werden verneint. Festgehalten wird auch ein Benzodiazepinabusus. Es wurden zwei verschiedene Medikationen vereinbart. Wie aus dem Länderbericht zu entnehmen ist, sind psychische Erkrankungen in Marokko behandelbar und haben auch Personen mit geringen Eigenmitteln im Rahmen des Sozialprogrammes "RAMED" Zugang zu medizinsicher Versorgung. Es ergibt sich daraus also keine schwere Erkrankung und kein längerfristiger Pflege- und Rehabilitationsbedarf.

Die Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus seinen Angaben, insbesondere betreffend den Wunsch, als Dolmetscher oder Schlosser zu arbeiten und dass er in Deutschland Ausbildungen und Zertifikate in den Berufen Dreher, Fräser, Schweißer gemacht hat (AS 21 und 117).

Auch insoweit ist daher von keiner Änderung zum Erstverfahren auszugehen, in dem ebenfalls von der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen wurde.

Die festgestellten bisherigen Wohnsitze ergeben sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Ein schützenswertes Privat- und Familienleben konnte nicht festgestellt werden, da die vom Beschwerdeführer namentlich angegebene Ex-Freundin weder an der von ihm genannten Adresse noch sonst in sämtlichen zur Verfügung stehenden Datenbanken aufscheint. Auch sonst hat der Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was für ein bestehendes schützenswertes Privatleben in Österreich spräche.

2.2 Zur Lage im Herkunftsland

Die oben wiedergegebenen Länderfeststellungen, welche der Entscheidung der belangten Behörde zu Grunde zu legen waren und dem Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt wurden, zeigen keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Marokko gegenüber der Zeit der vorangehenden Entscheidung auf.

Daher konnte eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation im Herkunftsstaat verneint werden. Demgemäß konnte eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen der GFK nicht festgestellt werden.

2.3 Zu den Fluchtmotiven des Fremden

Der Beschwerdeführer behauptet im vorliegenden Folgeverfahren eine Misshandlung durch den Stiefvater. Außerdem liege eine psychische Erkrankung vor. An dieser leider er schon sein ganzes Leben lang. Die vorgebrachten Gründe lagen jedenfalls bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens vor und hatte der Beschwerdeführer nicht nur einmal die Möglichkeit, alles Zweckdienliche für seinen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich vorzubringen. Die Abweisung des ersten Asylantrages wurde nicht bekämpft und erwuchs in Rechtskraft. Der fluchtauslösende Sachverhalt (wirtschaftliche Gründe) steht somit seit der rechtskräftigen Abweisung fest. Auch ist dem Vorbringen, er haben die Misshandlung durch den Stiefvater und seine wahre Identität nicht preisgeben wollen, damit er Sozialleistungen erhalte, nicht glaubhaft. Wie oben bereits ausgeführt, habe er damit seine Familie unterstützen wollen. Gleichzeitig gibt er aber an, in Marokko niemanden, außer dem Stiefvater und den Stiefbruder, mehr zu haben.

In seiner Ersteinvernahme gab er befragt, seit wann ihm die Änderungen der Situation bzw. der Fluchtgründe bekannt waren, zudem an: "Ich habe die Gründe immer gewusst, habe sie jedoch aus Angst verheimlicht."

Über alles flucht- und verfolgungsbezogene Vorbringen ist bereits rechtskräftig abgesprochen worden, ebenso über die gesundheitliche Versorgung. Es war daher nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Marokko eine reale Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung mit sich bringen würde.

Selbst dann, wenn die Behauptungen einen glaubhaften Kern aufwiesen, wäre dem Folgeantrag kein anderes Schicksal beschieden als die Zurückweisung, wie in der rechtlichen Beurteilung noch näher ausgeführt wird, weil damit keine nachträgliche Änderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage behauptet wurde. Somit konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Folgeantrag voraussichtlich zurückgewiesen werden wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes.

Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).

Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).

Die angeführte Rückkehrentscheidung ist seit 16.02.2016 rechtskräftig. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre.

Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich bei den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder um nachträglich eingetretene Änderungen noch um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung der belangten Behörde zu erwarten ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung in Marokko droht. Nach all dem wird der Folgeantrag des Beschwerdeführers voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Es gibt nämlich auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, keine Anhaltspunkte, zumal der Beschwerdeführer grundsätzlich ausreichend gesund für Arbeitstätigkeiten ist und daher erwerbsfähig ist.

Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, sei es mit der genannten Tätigkeit als Schlosser oder einer anderen. Zudem besteht ganz allgemein in Marokko keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Er war bisher ausschließlich in Flüchtlingsunterkünften, Anhaltezentren, Haftanstalten oder obdachlos gemeldet.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung war gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mit Beschluss zu treffen. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, mangelnder Anknüpfungspunkt, Vorbringen,
Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I412.2200936.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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