TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/24 W233 1262429-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2018
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Entscheidungsdatum

24.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2 Z2
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

W233 1262429-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kirgisistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.06.2018, Zahl:

654484702 - 160492370 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Kirgisischen Republik, stellte am 06.04.2016 ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

1.2. Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte die Beschwerdeführerin bereits am 07.11.2004. Diesem Antrag wurde im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.12.2010, Zl.: D4 262429-1/2008/12E, aufgrund des Umstandes stattgegeben, da dem seinerzeit in Österreich aufhältigem minderjährigen Sohn der Beschwerdeführerin der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist, und der Beschwerdeführerin somit im Rahmen eines Familienverfahrens, derselbe Schutz zu gewähren war. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 04.07.2014, Zl.: 654 484 702 - 14083810 wurde der Beschwerdeführerin der Status einer Asylberechtigten aberkannt, da sie am 27.11.2013 freiwillig mit ihren beiden Söhnen in ihren Heimatstaat, die Kirgisische Republik, zurückgekehrt ist.

1.3. Anlässlich des gegenständlichen Asylverfahrens gab die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer Ersteinvernahme am 06.04.2016 vor einem Organ der Landespolizeidirektion Wien zu ihrer Fluchtroute befragt an, dass sie unter Verwendung ihres kirgisischen Reisepasses und eines damals gültigen Schengen-Visums, ausgestellt von der polnischen Botschaft in Almati/Kasachstan, über die Russische Föderation, Polen und die Tschechische Republik bis nach Österreich gereist sei, wo sie am 24.01.2015 angekommen wäre.

Als Asylgrund gab sie an, dass sie nachdem sie im November 2013 mit ihren beiden Kindern wieder nach Kirgisistan zurückgekehrt sei, ihr ehemaliger Lebensgefährte in Österreich Unterlagen über ihren Asylantrag an den Kirgisischen Staat weitergeleitet hätte. Anlässlich einer Reise von Istanbul in ihren Heimatstaat hätte sie von ihrem Vater am Telefon erfahren, dass die kirgisische Polizei nach ihr suche, weshalb sie sich entschlossen hätte, nicht zu ihrer Mutter, sondern zu einer Cousine zu fahren, wo sie sich ca. einen Monat lang aufgehalten hätte. Am 22.01.2015 sei sie dann ohne ihre Kinder von Bischkek nach Moskau und von dort nach Warschau geflogen. Am 23.01.2015 sei sie dann mit einem Autobus von Warschau nach Wien gereist. Im Falle ihrer Rückkehr nach Kirgisistan fürchte sie sich vor der dortigen Polizei, weil diese sie beschuldigen würden, eine Terroristin zu sein, weil ihr ehemaliger Lebensgefährte ein Tschetschene sei.

1.4. Am 08.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin von einem Organwalter des Bundesasylamtes im Beisein einer Dolmetscherin der Sprache Russisch einvernommen. Zusammengefasst führte sie zu ihren Fluchtgründen befragt aus, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Kirgistan in die Türkei gefahren sei, um dort Waren zu kaufen. In der Türkei hätte sie eine tschetschenische Freundin getroffen, die in Syrien hätte kämpfen wollen. Sie habe davon ihrem ehemaligen Lebensgefährten erzählt, der über diesen Umstand die kirgisische Botschaft in Wien unterrichtet hätte. Als sie eines Tages in der Türkei gelandet wäre, hätte sie ihr Vater am Telefon angerufen und ihr erzählt, dass die Polizei nach ihr suchen würde. Deshalb wäre sie nach ihrer Rückkehr nach Kirgisistan nicht nach Hause gefahren, sondern hätte sich bei einer Cousine versteckt.

1.5. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesasylamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 06.06.2018 den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kirgisistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab und erteile ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Zif. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Zif. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kirgisistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), wobei ihr gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 2 Zif. 2 und Zif. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Darüber hinaus hat das Bundesamt festgestellt, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 2 Zif. 2 AsylG 2005 ab dem 31.01.2017 ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und gegen sie gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 3 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.)

Im Wesentlichen lässt sich dem Bescheid entnehmen, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, die von ihr angebenden Gründe für das Verlassen ihres Herkunftsstaates glaubhaft zu machen. Ferner wurde ausgeführt, dass in ihrem gegenständlichen Fall eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention für den Fall ihrer Rückkehr nach Kirgisistan nicht erkannt werden könne. Auch seien keine Umstände amtsbekannt, dass in Kirgisistan aktuell eine derart extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehren würde, einer Gefährdung im Sinn der Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt sei. Des Weiteren führte das Bundesamt aus, dass keine besonders fortgeschrittene Integration der Beschwerdeführerin erkannt werden könne, da sie sich erst seit kurzer Zeit im österreichischen Bundesgebiet aufhalte und hier weder familiäre noch berufliche Bindungen vorhanden seien. Zudem sei die Beschwerdeführerin in Österreich straffällig geworden und von einem österreichischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von 5 Monaten bedingt wegen versuchtem Widerstandes gegen die Staatsgewalt und versuchtem Diebstahl unter der Auflage einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt worden. Da dieses Urteil mit 31.07.2017 rechtskräftig geworden sei, habe sie somit mit diesem Datum ihr Recht zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet verloren. Ihr Aufenthalt in Österreich stellte eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit dar, da sie das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz fremden Vermögens und Eigentums verletzt und weiters Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet habe.

1.6. Gegen diesen Bescheid wurde binnen offener Frist mit Schriftsatz vom 10.07.2018 Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie von Organwaltern des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Kirgisischen Republik. Ihre Identität steht fest.

Die Beschwerdeführerin hat 11 Jahre lang eine Schule in Kirgisistan besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Im Anschluss daran hat sie 5 Jahre als XXXX bzw. nach ihrer Rückkehr nach Kirgistan im November 2013 als XXXX gearbeitet.

Die Beschwerdeführerin verfügt in ihrem Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer dort aufhältigen minderjährigen Söhne, XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX sowie ihrer Eltern, ihres Bruders und ihrer Schwester, zu denen sie regelmäßig Kontakt unterhält.

Hingegen verfügt die Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet über keine im Sinne von Art. 8 EMRK relevanten familiären Bindungen oder ein schützenswertes Privatleben.

Die Beschwerdeführerin verfügt über einen Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem Niveau B1, ausgestellt am 17.12.2012 und über einen Nachweis über eine Ausbildung zum " XXXX ", ausgestellt am 20.11.2016.

Die Beschwerdeführerin ist gesund, da bei ihr keine Hinweise auf eine die Schwelle des Art. 3 EMRK überschreitende ernsthafte physische oder psychische Krankheit vorliegen.

Über die Beschwerdeführerin scheint im österreichischen Strafregister eine Verurteilung des Landesgerichts für Strafsachen XXXX , vom XXXX wegen der Vergehen nach §§ 15, 269 (1), 1. Fall StGB und §§ 15, 127 StGB auf, womit sie zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 5 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig seit XXXX , verteilt worden ist.

Die Beschwerdeführerin war in Kirgisistan nicht Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung und wurde in ihrem Herkunftsstaat weder aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Religion bedroht oder verfolgt und wurde dort auch weder jemals festgenommen, verurteilt oder in Haft genommen.

Die persönliche Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin ist bloß in sehr geringem Maß gegeben.

1.2. Zum Verfahrensverlauf:

Die Beschwerdeführerin stellte am 07.11.2004 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.12.2010 wurde der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Familienverfahrens der Status einer Asylberechtigten zuerkannt, welcher ihr mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2014 aberkannt worden ist. Dieser Bescheid ist am 25.07.2014 in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführerin reiste am 24.01.2015 erneut in das Bundesgebiet ein, wobei sie zu diesem Zeitpunkt im Besitz eines damals gültigen Schengen-Visums, ausgestellt von der Republik Polen, war. Am 04.06.2016 stellt die Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin:

Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtgrunde wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat, deshalb, da ihr ehemaliger Lebensgefährte in Österreich der kirgisischen Botschaft in Wien, Unterlagen aus ihrem ersten Asylverfahren übergeben habe und weil ihr ehemaliger Lebensgefährte die kirgisischen Botschaft davon unterrichtet hätte, dass sie sich in der Türkei mit einer tschetschenischen Freundin, die in den Kampf nach Syrien hätte ziehen wollen getroffen habe, von der kirgisischen Polizei gesucht werden würde und deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Kirgisistan Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine arbeitsfähige und gesunden Erwachsene, bei der die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Die Beschwerdeführerin hat eine 11-jährige Schulausbildung erfahren und in ihrem Herkunftsstaat fünf Jahre als XXXX und nach ihrer Rückkehr als XXXX gearbeitet und ist somit mit dem Arbeitsmarkt in Kirgisistan vertraut. Durch ihre vormalige Erwerbstätigkeit hat sie somit maßgebliche Vorteile bei der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit in Kirgisistan.

Somit wird festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Kirgisistan keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für die Beschwerdeführerin als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in der Kirgisischen Republik:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 06.06.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Kirgisistan, mit Stand vom 18.05.2018, wie folgt auszugsweise zitiert:

"Politische Lage

Während die Verfassung von 2007 dem Präsidenten weitreichende Befugnisse gab, enthält die in dem Referendum am 27.6.2010 angenommene Verfassung sowohl parlamentarische als auch präsidentielle Züge. Der direkt gewählte Staatspräsident besitzt eine Reihe wichtiger Vollmachten, beispielsweise hinsichtlich der Ernennung und Entlassung von Obersten Richtern und des Generalstaatsanwalts. Er ist ferner Oberkommandierender der Streitkräfte und Vorsitzender des Sicherheitsrates. Eine Präsidentschaft ist auf sechs Jahre beschränkt, die Wiederwahl laut Verfassung nicht möglich. In der Verfassung von 2010 ist der Grundrechtsschutz deutlich gestärkt worden. Die 2016 per Referendum beschlossenen Verfassungsänderungen sind nach der Präsidentschaftswahl 2017 voll umfänglich in Kraft getreten und haben unter anderem die Position des Premierministers gestärkt (AA 3.2018a).

Bei den Präsidentschaftswahlen am 15.10.2017 wählte die Nation den ehemaligen Premierminister und Mitglied der Regierungspartei Sooronbai Jeenbekov zum Nachfolger des scheidenden Präsidenten Almazbek Atambayev. (USDOS 20.4.2018).

Die Präsidentschaftswahlen vom 15.10.2017 trugen zur Stärkung der demokratischen Institutionen bei, indem sie einen geordneten Machtwechsel von einem gewählten Präsidenten zum anderen mit sich brachten. Die Wahlen waren kompetitiv, da die Wähler eine große Auswahl hatten und die Kandidaten im Allgemeinen frei wählen konnten, obwohl Fälle von Missbrauch öffentlicher Mittel, Druck auf Wähler und Stimmenkauf weiterhin ein Problem darstellen. Während die im Fernsehen übertragenen Debatten zu mehr Pluralismus beitrugen, deuteten Selbstzensur und begrenzte redaktionelle Berichterstattung über die Kampagne Mängel in der Medienfreiheit an. Bei der Stimmenauszählung und den ersten Schritten der Ergebniserstellung wurden zahlreiche und erhebliche Verfahrensprobleme festgestellt (OSCE/ODHIR 8.3.2018).

Das Parlament besteht aus einem 120-köpfigen Einkammerparlament mit einer Frauenquote von 25%. Es wurde am 4.10.2015 neu gewählt. Die Partei der Sozialdemokraten SDPK, der auch der zu diesem Zeitpunkt regierende Präsident Almazbek Atambayev angehörte, konnte einen Stimmenzuwachs für sich verbuchen und ist mit 38 Sitzen die stärkste Partei im Parlament. Zweitstärkste Partei ist der Zusammenschluss der ehemals eigenständigen Parteien Respublika und Ata Jurt, die im Herbst 2014 fusionierten. Respublika-Ata Jurt sind mit 28 Abgeordneten vertreten. Die Sozialisten, Ata Meken, sind mit 11 Abgeordneten vertreten. Die Partei Ar Namys flog bei den Parlamentswahlen 2015 komplett aus dem Parlament. Dafür schafften es gleich drei neue Parteien ins Parlament: die "Kirgistan Partei" bekam 18 Sitze, die Partei Önügüü (Fortschritt) 13 Sitze und Bir bol (Einheit) 12. Politische Analysten schätzen alle im Parlament vertretenen Parteien als pro-russisch ein. Das Parlament wird im fünf-jährigen Rhythmus gewählt (GIZ 3.2018).

Die Verwaltungsstruktur des Landes: Die Republik ist in acht

Verwaltungsbereiche gegliedert, davon sieben Regionen: Tschui, Issyk-Kul, Talas, Naryn, Osch, Dschalalabat, Batken und die Hauptstadtregion Bischkek. Die Regionen untergliedern sich wiederum in 39 Landkreise, Bischkek in vier. Die Landkreise umfassen insgesamt 429 Lokalverwaltungen bzw. Gemeinden (AA 3.2018a).

Das kirgisische Parlament hat am 20.4.2018 Mukhammedkalyi Abylgaziyev als neuen Premierminister bestätigt, einen Tag nachdem Sapar Isakov, ein Verbündeter des ehemaligen Präsidenten Almazbek Atambayev entlassen wurde. Präsident Sooronbai Jeenbekov entließ Isakovs Regierung am 19.4.2018, Stunden nachdem das Parlament einen Misstrauensantrag als deutlichstes Zeichen eines Machtkampfes zwischen Präsident Jeenbekov und seinem Vorgänger Atambayev angenommen hatte (RFE/RL 20.4.2018). Isakovs Entlassung schien die Säuberung einer Reihe von Beamten abzuschließen, die vermeintlich Ex-Präsident Atambayev nahe standen. Damit wurde auch die Einschätzung vieler Kritiker in Frage gestellt, wonach Jeenbekov nach seiner Wahl zum Präsidenten nicht mehr als ein Handlanger seines Vorgängers Atambayev sein würde (bne 23.4.2018).

Sicherheitslage

Die ruhig verlaufenen Parlamentswahlen vom 4.10.2015 haben die politische Lage weiter stabilisiert, jedoch stellen Armut und soziale Spannungen das Land weiterhin vor große Herausforderungen. Als Folge der schwierigen Wirtschaftslage nimmt die Kriminalität zu. Bei Demonstrationen besteht die Gefahr von gewalttätigen Ausschreitungen. Auch Terroranschläge können nicht ausgeschlossen werden (SDA 24.4.2018).

Die Rückkehr islamistischer Kämpfer, die Zeit im Dienst des sogenannten Islamischen Staates verbrachten, stellt eine Herausforderung dar, wenn auch derzeit von marginaler Bedeutung. Allerdings trägt die begrenzte staatliche Kapazität Kirgisistans, genauere Informationen hierüber zu erlangen, zu Sicherheitsbedenken in bestimmten ländlichen Gebieten bei (BTI 1.2018).

Die Präsidenten Kirgisistans und Usbekistans kamen im Oktober 2017 zu einem bahnbrechenden Treffen zusammen, das zur Lösung von 85% der Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Ländern führte und eine verstärkte Zusammenarbeit an vielen Fronten verspricht. So wurde kürzlich der Grenzübergang bei Dostyk wieder geöffnet, wodurch sich durch die Grenze getrennte Familien ohne mühsamen bürokratischen Prozess sehen können. Diese Entwicklung folgte auf den Tod des usbekischen Präsidenten Islam Karimow 2016 und die Machtübernahme seines reformorientierten Nachfolgers (Al Jazeera 14.11.2017).

Im April 2018 haben sich Grenzbeamte in Kirgisistan und Usbekistan darauf geeinigt, die Koordinierung anlässlich der Erschießung eines kirgisischen Bürgers durch usbekische Grenzschutzbeamte zu intensivieren. Nach einem Treffen in der usbekischen Stadt Namangan kamen Beamte beider Länder überein, den Einsatz von scharfer Munition gegen Zivilisten außer in Ausnahmefällen zu verbieten. Es ist geplant, eine gemeinsame Grenzkommission einzuberufen, um die Zusammenarbeit zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für richtiges Verhalten in Grenzgebieten, die Koordinierung von Patrouillen und die Entwicklung eines einheitlichen Verhaltenskodex für das Grenzpersonal zu erörtern (Eurasia.net 13.4.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz ist traditionell die schwächste der drei Gewalten. Trotz anhaltender Diskussionen über die Justizreform und das Versprechen der Unabhängigkeit der Justiz hat es die Führung Kirgisistans - insbesondere der Präsident - versäumt, der Justiz echte Autonomie und Selbstverwaltung zu gewähren. Denn im Gegenteil hat sich entgegen der Reformrhetorik die Unterordnung der Justiz gegenüber der Regierung und insbesondere dem Präsidenten verstärkt. Für ein paar Jahre war die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofs die einzige bemerkenswerte Ausnahme von der gerichtlichen Unterwerfung. Viele der Entscheidungen der Verfassungskammer waren nicht zu Gunsten der Regierung und einige von ihnen widersprachen stark den Präferenzen des Präsidenten. Seit 2015 hat das Gremium jedoch durch die Entlassung eines Richters, der den Präsidenten kritisiert hatte, und die Ernennung von zwei dem Präsidenten treuen Richtern viel von seiner Unabhängigkeit verloren. Der Rest der Justiz ist nach wie vor weitgehend der politischen Kontrolle unterworfen, korrupt und institutionell abhängig. In allen jüngsten Meinungsumfragen wurden die Gerichte als eine der beiden korruptesten Institutionen wahrgenommen (die andere ist die Polizei). Es gibt viele Gründe für die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz. Das Budget der Justiz wird von der Regierung zugewiesen, wodurch die Justiz finanziell abhängig wird. Die juristische Ausbildung ist ein weiteres systematisches Problem, das eine kaum reformierte juristische Schule im sowjetischen Stil kultiviert, die an allen Universitäten als sehr korrupt empfunden wird. Ein Mechanismus zur Gewährleistung einer unparteiischen und leistungsorientierten Richterauswahl, der Nationale Rat zur Auswahl der Richter, wurde unmittelbar nach seiner Gründung in Streitigkeiten verwickelt und ist zu einem unbedeutenden Organ geworden (BTI 1.2018).

Wie in den vergangenen Jahren haben NGOs und Überwachungsorganisationen, darunter das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte und die OSZE, Beschwerden über willkürliche Verhaftungen registriert. Die allgemeine gesetzliche Beschränkung der Untersuchungsdauer beträgt 60 Tage. Politische Machenschaften, komplexe Gerichtsverfahren, schlechter Zugang zu Rechtsanwälten und begrenzte Ermittlungskapazitäten verlängern oft die Zeit der Angeklagten in Untersuchungshaft über die 60-Tage-Grenze hinaus, wobei einige der Betroffenen bis zu einem Jahr festgehalten wurden. Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Richter sind der Beeinflussung oder der Korruption ausgesetzt. Es gibt Fälle, in denen die Ergebnisse der Gerichtsverhandlungen vorherbestimmt erscheinen. Mehrere Quellen, darunter NGOs, Anwälte, Regierungsbeamte und Privatpersonen, behaupten, dass Richter Bestechungsgelder zahlten, um ihre berufliche Positionen zu erreichen. Etliche Anwälte behaupten, dass Bestechung unter Richtern allgegenwärtig sei. Zahlreiche NGOs beschreiben allgegenwärtige Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, einschließlich erzwungener Geständnisse, Anwendung von Folter, Verweigerung des Zugangs zu Rechtsbeistand und Verurteilungen in Ermangelung hinreichend schlüssiger Beweise oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalttaten gegen Angeklagte und Verteidiger innerhalb und außerhalb des Gerichtssaals sowie von Einschüchterungen von Prozessrichtern durch Angehörige und Freunde der Opfer. Die Sitten und Gebräuche der Justiz widersprechen weiterhin dem Grundsatz der Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen im Vorfeld des Verfahrens konzentrieren sich fast ausschließlich auf die Sammlung ausreichender Beweise zum Nachweis der Schuld. Verteidiger beschweren sich, dass Richter routinemäßig Fälle, wenn es nicht genügend Beweise gibt, an die Ermittler zurückgeben, um Schuld nachzuweisen, während dieser Zeit können Verdächtige in Haft bleiben. Richter verhängen für gewöhnlich zumindest eine bedingte Strafe (USDOS 20.4.2018).

Die Zahl der Fälle, in denen Beamte strafrechtlich verfolgt werden, hat in den letzten Jahren generell zugenommen. Es kommt häufiger vor, dass mittlere Steuerbeamte, Staatsanwälte, Polizisten und andere öffentliche Amtsträger wegen Amtsmissbrauchs, Korruption oder Unterschlagung angeklagt und verfolgt werden (BTI 1.2018).

Im Rule of Law Index 2017-18 des World Justice Project (WJP) rangiert Kirgisistan auf Platz 82 von 113 Ländern, was eine Verbesserung um einen Rang im Vergleich zu 2016 bedeutet. In der Subskala Ziviljustiz nimmt das Land den Rang 84 und in der Subskala Strafjustiz den Platz 101 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018).

In der öffentlichen Meinung hinsichtlich der Arbeit von kirgisischen und internationalen Institutionen nehmen die nationalen Gerichte mit Abstand den letzten Platz ein. 50% beurteilen laut einer Studie [n=1.500] des International Republican Institute Ende 2017 die Arbeit der Gerichte negativ, während 41% diese positiv bewerten (bei 8% Unentschlossenen bzw. Antwortverweigerern). Hinsichtlich der Korruption hielten 83% der Befragten die Gerichte als sehr oder teilweise korrupt, lediglich von der staatlichen Autoinspektionsbehörde übertroffen (IRI 5.2.2018).

Mindestens 200 Demonstranten haben sich Anfang März 2018 in der Innenstadt von Bischkek versammelt, um Justizreformen und die Entlassung von "korrupten Richtern" zu fordern. Die Demonstranten versammelten sich vor dem Obersten Gerichtshof und marschierten dann zu dem Gebäude, in dem sich das kirgisische Parlament und die Präsidialverwaltung befinden. Die Demonstranten hatten eine Liste mit mehr als 20 angeblich korrupten Richtern und forderten Präsident Sooronbai Jeenbekov auf, diese zu ersetzen. Sie forderten auch den Rücktritt des Chefs des Staatlichen Komitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbaev. Die Polizei hat sich nicht eingemischt (RFE/RL 5.3.2018).

Sicherheitsbehörden

Die Untersuchung allgemeiner und lokaler Verbrechen fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums, während Verbrechen auf nationaler Ebene in die Zuständigkeit des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB) fallen, welches auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten kontrolliert. Die Generalstaatsanwaltschaft verfolgt sowohl lokale als auch nationale Verbrechen. Sowohl lokale als auch internationale Beobachter sagen, dass die GKNB und Strafverfolgungsbehörden in weit verbreitete willkürliche Verhaftungen verwickelt sind, darunter einige, die angeblich politisch motiviert sind, sowie in Misshandlung von Häftlingen und Erpressung, insbesondere im südlichen Teil des Landes. Die Behörden haben die meisten Verfahren wegen Korruption oder Amtsmissbrauch gegen Beamte des Innenministeriums abgewiesen. NGOs und andere Rechtsbeobachter stellen routinemäßig den Mangel an Frauen und ethnischen Minderheiten in der Polizei und in allen Regierungspositionen fest. Offiziell machen Frauen und Angehörige ethnischer Minderheiten etwa 6 bzw. 4% der Polizeikräfte aus. Nach UN-Statistiken machen ethnische Minderheiten jedoch etwa 27% der Bevölkerung aus (USDOS 20.4.2018).

Wenn die Regierung Reformen durchführt, hat sie oft auf den Widerstand der bestehenden Kader, die von den Veränderungen betroffen sind. Dies war zum Beispiel bei der Reform des Polizeisystems der Fall. Der Konservatismus des Systems hat bei jedem Reformprogramm zum gleichen Ergebnis geführt, nämlich dass die einzigen wesentlichen Änderungen neue Namen waren. Der Umstand ist mit der Korruption und der Politisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden. Die Korruptionspyramide im Polizeidienst hat zu einer institutionellen Stagnation geführt, und das Fortbestehen der alten Strukturen und Muster bewirkt (BTI 1.2018).

Anfang April entließ Präsident Jeenbekov den Chef des Staatskomitees für Nationale Sicherheit, Abdil Segizbayev, und Generalstaatsanwältin Indira Joldubayeva, die als Verbündete von Ex-Präsident Atambayev galten und welche seit langem für das Vorgehen gegen Oppositionspolitiker und unabhängige Journalisten kritisiert wurden (RFE/RL 11.4.2018 u. 20.4.2018).

Korruption

Kirgisistan ist seit langem eines der korruptesten Länder der Welt. Jeder neue Präsident oder jede neue Regierung hebt die Korruption als ein großes Problem hervor, das angegangen werden muss. Trotz politischer Rhetorik bleibt die Korruptionsbekämpfung jedoch auf die selektive Bestrafung von politisch illoyalen Persönlichkeiten beschränkt. Im Jahr 2017 wurden mehrere hochkarätige Strafverfahren eingeleitet, bei denen die Angeklagten unter Anwendung des bisher selten applizierten Artikels 303 ("Korruption") des Strafgesetzbuches angeklagt wurden. Diese wurden jedoch weithin als politisch motivierte Schritte angesehen, die den selektiven Charakter der Korruptionsbekämpfung in Kirgisistan belegen. So waren alle Urteile gegen die oberste Führung der Oppositionspartei Ata Meken wegen Korruptionsvorwürfen in den Jahren 2010 oder 2011. Diese Fälle wurden als übereilte und politisch motivierte Verfolgung offener Kritiker des Präsidenten beschrieben (FH 11.4.2018).

Während das Gesetz strafrechtliche Sanktionen gegen Beamte vorsieht, die wegen Korruption verurteilt wurden, hat die Regierung das Gesetz nicht wirksam umgesetzt. Nach Angaben von Transparency International wurden offizielle Korruptionsfälle selektiv untersucht und verfolgt. Die Zahlung von Bestechungsgeldern zur Vermeidung von Ermittlungen oder Strafverfolgung war ein großes Problem auf allen Ebenen der Strafverfolgung. Strafverfolgungsbeamte, insbesondere im Süden des Landes, setzten häufig willkürliche Festnahmen, Folter und die Androhung von Strafverfolgung als Mittel zur Erpressung von Bargeldzahlungen von Bürgern ein. Die einzige Regierungsstelle, die befugt war, Korruption zu untersuchen, war die Antikorruptionsabteilung des Staatskomitees für nationale Sicherheit (GKNB). Dieses ist keine unabhängige staatliche Einrichtung, und ihr Haushalt verblieb im Rahmen des Funktionshaushalts des GKNB. Die Zusammenarbeit der Agentur mit der Zivilgesellschaft war begrenzt, und ihre Untersuchungen führten zu sehr wenigen Fällen, die vor Gericht gestellt wurden (USDOS 20.4.2018).

Kirgisistan belegt auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2017 Platz 135 von 180 Ländern (2016: Rang 136 von 176 Staaten) (TI 2018). In der Unterskala "Abwesenheit von Korruption" des World Justice Project nimmt Kirgisistan Rang 104 von 113 Staaten ein (WJP 31.1.2018). Im World Competitive Index 2017/18 des Weltwirtschaftsforums nimmt Kirgisistan im Segment "illegale Zahlungen und Bestechungen" Rang 122 von 137 Staaten ein (WEF 26.12.2017).

In einer Umfrage des IRI vom November 2017 sahen 95% der KirgisInnen die Korruption als ein sehr großes oder großes Problem an (74% "sehr großes Problem, 21% "großes Problem". 20% meinten, dass die Regierung ausreichend Maßnahmen ergreift, um die Korruption zu bekämpfen. Zu den drei korruptesten Institutionen zählen, in den Augen der Öffentlichkeit, die staatliche Automobilinspektion (86% sehr oder teilweise korrupt), die Gerichte (83%) und die Polizei (83%). Bei keiner Institution überwog in Summe die Einschätzung von "wenig" oder "gar nicht korrupt" (IRI 5.2.2018).

NGOs und Menschrechtsaktvisten

Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan ist einer der am stärksten ausgeprägten in Zentralasien. Vertreter der Zivilgesellschaft wirken durch zahlreiche öffentliche Beratungsgremien in Ministerien und Behörden auf nationaler und lokaler Ebene mit. Derzeit sind mehr als 15.655 NGOs bzw. zivilgesellschaftliche Organisationen registriert, wobei jedoch nur

5.200 aktiv sind und in vielen Bereichen wie etwa Menschenrechten, einschließlich der Unterstützung gefährdeter Gruppen, Kultur, Kunst, Gesundheit, Umweltschutz etc. agieren (ICNL 24.3.2018).

NGOs, Gewerkschaften und kulturelle Vereine müssen sich beim Justizministerium registrieren lassen. NGOs müssen mindestens drei Mitglieder haben. Das Justizministerium verweigerte keiner heimischen NGO die Registrierung. Das Gesetz verbietet aus dem Ausland finanzierten NGOs, einschließlich ihrer Vertretungen und Niederlassungen, politische Ziele zu verfolgen. Zahlreiche nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen waren im Land aktiv. Dennoch behinderten staatliche Maßnahmen zuweilen ihre Fähigkeit, frei zu agieren. Regierungsbeamte waren selten kooperativ und reagierten nicht auf deren Ansinnen (USDOS 20.4.2018).

Gelegentlich hat die öffentliche Rhetorik verschiedener Entscheidungsträger und insbesondere des Präsidenten NGOs in ein negatives Licht gerückt, indem sie NGOs oft beschuldigt haben, von ausländischen Gebern, deren Wünsche sie umsetzen, finanziert zu werden. Doch hatte eine solche Rhetorik keine praktischen Auswirkungen. Eine neue Tendenz ist die Zunahme von Gruppen, die nationale, kulturelle oder religiöse Werte widerspiegeln, die eher konservativ und anfällig für Konfrontationen untereinander oder mit eher liberal orientierten Gruppen sind. Es gibt eine Tendenz, dass eine große Zahl von NGOs auf externe Finanzierung angewiesen ist, was dazu führt, dass der Bereich ihrer Tätigkeit einem gewissen Mainstream folgt, um damit ein kontinuierliches Einkommen und das institutionelle Überleben zu gewährleisten (BTI 1.2018).

Ombudsperson

Das Büro der Ombudsperson agierte als unabhängiger Anwalt für Menschenrechte im Namen von Privatpersonen und NGOs und war befugt, Fälle zur gerichtlichen Überprüfung zu empfehlen. Die Regierung richtete 2002 das Büro des Ombudsmannes und 2012 das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter ein. Menschenrechtsvertreter arbeiteten mit dem National Center zusammen und führten routinemäßige und unangekündigte Besuche in Gefängnissen durch. Obwohl das Büro der Ombudsperson teilweise dazu dient, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und die Beschwerden zur Untersuchung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, stellten sowohl nationale als auch internationale Beobachter die Effizienz des Büros in Frage (USDOS 20.4.2018).

Das Parlament hat im April 2017 in erster Lesung einen Gesetzentwurf des Bürgerbeauftragten angenommen, der darauf abzielt, die Institution in Einklang mit den Pariser Grundsätzen zu bringen, den internationalen Standards, die die nationalen Menschenrechtsinstitutionen bestimmen und leiten (HRW 18.1.2018).

Allgemeine Menschenrechtslage

Das einst als "Insel für Demokratie und Freiheit" bekannte Kirgisistan macht seit einigen Jahren Rückschläge im Bereich der Menschenrechte durch. Obwohl die kirgisische Verfassung in Artikel 16 vorschreibt, dass alle in Kirgisistan lebenden Menschen vor dem Gesetz gleich sind und dass kein Mensch aufgrund von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Glauben, politischer Überzeugung, Ausbildung oder Behinderung diskriminiert werden darf, sieht die Realität häufig anders aus. Die jüngsten Verhaftungen in der politischen Landschaft Kirgisistans sind besorgniserregend. Nicht nur Politiker, sondern auch regierungskritische Journalisten und gesellschaftliche Aktivisten sind Zielscheibe der Justiz (GIZ 3.2018).

Die Behörden beschränkten das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung, insbesondere im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen. LGBTI-Personen waren weiterhin mit Diskriminierung und Gewalt durch staatliche und nichtstaatliche Akteure konfrontiert. Anfällige Gruppen, einschließlich Menschen mit Behinderungen, hatten zusätzliche Schwierigkeiten beim Zugang zur Gesundheitsversorgung (AI 22.2.2018).

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören die Anwendung von Folter und willkürliche Verhaftungen durch Beamte der Strafverfolgungs- und Sicherheitsdienste, der zunehmende Druck auf unabhängige Medien, die Schikanierung von Journalisten, selektive und politisch motivierte Strafverfolgungsmaßnahmen, allgegenwärtige Korruption, Zwangsarbeit sowie Übergriffe, Drohungen und systematische Erpressung sexueller und ethnischer Minderheiten durch die Polizei. Die offizielle Straflosigkeit war ein großes Problem. Während die Behörden Berichte über offiziellen Missbrauch in den Sicherheitsdiensten und anderswo untersuchten, verfolgten und bestraften sie nur selten Beamte, die wegen Menschenrechtsverletzungen oder Mittäterschaft am Menschenhandel angeklagt waren (USDOS 20.4.2018).

Religionsfreiheit

Seit der Unabhängigkeit gilt Religionsfreiheit als gesetzlich verbrieftes Recht, das je nach religiöser Gruppe eine relativ offene Religionsausübung ermöglicht (GIZ 7.2017a).

Die Verfassung garantiert die Gewissens- und Religionsfreiheit, das Recht, eine Religion einzeln oder gemeinsam mit anderen Personen auszuüben oder nicht auszuüben, und das Recht auf Verweigerung der Darstellung seiner/ihrerdie eigenen religiösen Ansichten zu bekunden. Die Verfassung verbietet Handlungen, die zum religiösem Hass aufstacheln. Die Verfassung legt die Trennung von Religion und Staat fest. Sie verbietet die Gründung religiös begründeter politischer Parteien und die Verfolgung politischer Ziele durch religiöse Gruppen. Die Verfassung verbietet die Etablierung einer Religion als Staats- oder Pflichtreligion. Das Gesetz besagt, dass alle Religionen und religiösen Gruppen gleich sind. Sie verbietet die Beteiligung von Minderjährigen an organisierten, religiösen Gruppen, die Proselytismus betreiben, d.h. beharrlich versuchen, andere zu bekehren, oder illegale missionarische Tätigkeiten. Dies liegt vor, wenn eine missionierende Gruppe nicht bei der Staatlichen Kommission für religiöse Angelegenheiten (SCRA) registriert ist. Das Gesetz schreibt vor, dass sich alle religiösen Gruppen und religiöse Schulen bei der SCRA, die für die Überwachung der Umsetzung der Bestimmungen des Gesetzes über die Religion zuständig ist, anmelden müssen. Das Wirken nicht registrierter religiöser Gruppen ist verboten (USDOS 15.8.2017).

Religiöse Gruppen berichten weiterhin, dass der SCRA-Registrierungsprozess umständlich ist und zwischen einen Monat bis zu mehreren Jahren dauern kann. Nicht registrierte Gruppen berichten, dass sie in der Lage waren, regelmäßige Gottesdienste ohne staatliche Einmischung abzuhalten, insbesondere wenn sie in der Vergangenheit registriert waren und ihr jährlicher Antrag auf Neuregistrierung anhängig war. Laut Forum 18 gaben evangelische Pastoren an, dass es viele neue Gemeinden im Land gäbe, die sich registrieren lassen wollen, aber nicht die nötigen 200 Gründungsmitglieder hätten, die für die Registrierung erforderlich sind (USDOS 15.8.2017).

75% der Bevölkerung bekennen sich formal zum Islam und circa 20% zur russisch-orthodoxen Kirche. Laut der "Staatlichen Agentur für religiöse Angelegenheiten" gibt es heute 1.648 Moscheen und 46 orthodoxe Kirchen. Neben muslimischen und orthodoxen Glaubensgemeinschaften existieren weitere religiöse Gruppen, wie protestantische, katholische und jüdische Glaubensgemeinschaften, sowie eine kleine buddhistische Gruppe. Ungefähr 1.800 islamische und 300 christliche Organisationen sind in Kirgisistan aktiv. Radikal-islamische Organisationen wie Hizb-ut-Tahrir oder die Islamische Bewegung Usbekistans (IMU) sind verboten und agieren im Untergrund. Parallel zum Moscheenbau und der zunehmenden Islamisierung begann nach der Unabhängigkeit eine sehr aktive Missionierungsbewegung verschiedenerer christlicher Gruppen, wie etwa durch die Baptisten und verschiedenen neupfingstlerischen Kirchen, die als die erfolgreichste christliche Gruppe in Kirgisistan gelten. Besonders im ländlichen Kirgisistan führt die Anwesenheit kleiner christlicher Gemeinden in einem mehrheitlich muslimischen Umfeld heute zu Konflikten. So gibt es zum Beispiel Auseinandersetzungen darüber, ob Kirgisen, die zum Christentum konvertiert sind, auf dem Dorffriedhof bestattet werden dürfen, wo bisher nur Bestattungen nach muslimischem Ritual durchgeführt wurden (GIZ 7.2017a).

Kirgisistan gilt laut Einschätzung mancher Experten als das Land in Zentralasien, in dem die Islamisierung am schnellsten voranschreitet. Noch gibt es ein gelassenes Nebeneinander der verschiedenen Lebensstile. Neben jungen Mädchen in Miniröcken sieht man immer mehr Frauen, die den Hijab tragen, der Haar und Hals vollständig bedeckt. Es gibt verschiedene Stimmen, sowohl internationaler Beobachter als auch aus der Zivilgesellschaft in Kirgisistan, die vor einer religiösen Radikalisierung warnen. Schon heute gehen Experten von ungefähr 35.000 Mitgliedern illegaler religiöser Gruppen in Kirgisistan aus, die sich vor allem im Süden des Landes, im kirgisischen Teil des Ferghanatals konzentrieren. Man nimmt an, dass vier Fünftel davon auf die Hizb Ut-Tahrir, die revolutionäre Partei der Befreiung Kirgisistans entfallen (GIZ 7.2017).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Vergewaltigung, auch innerhalb der Ehe, ist illegal, aber wie in den vergangenen Jahren hat die Regierung es versäumt, das Gesetz wirksam durchzusetzen, und Vergewaltigungsfälle wurden kaum angezeigt. Die Strafen für die Verurteilung wegen sexueller Übergriffe reichen von drei bis acht Jahren Haft. Staatsanwälte haben Vergewaltigungsfälle selten vor Gericht gebracht. Die Polizei betrachtete eheliche Vergewaltigung im Allgemeinen als ein Verwaltungsvergehen und nicht als Straftat. Während das Gesetz häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen ausdrücklich verbietet, ist Gewalt gegen Frauen und Mädchen nach wie vor ein erhebliches, aber selten zur Anzeige gebrachtes Delikt. Die Strafen für Verurteilungen wegen häuslicher Gewalt reichen von Geldstrafen bis hin zu 15 Jahren Haft, letztere bei Missbrauch mit Todesfolge. Viele Verbrechen gegen Frauen wurden aufgrund von psychologischem Druck, wirtschaftlicher Abhängigkeit, kulturellen Traditionen, Angst vor Stigmatisierung und Apathie bei den Strafverfolgungsbeamten nicht gemeldet. Es gab auch Berichte über Vergeltungsmaßnahmen von Ehepartnern gegen Frauen, die über Missbrauch berichteten. Organisationen, die misshandelten Frauen helfen, haben sich erfolgreich dafür eingesetzt, das Verfahren zur Erlangung von Schutzbefehlen zu straffen. Die Regierung stellte dem Krisenzentrum "Sezim" Büros für Opfer von häuslichem Missbrauch zur Verfügung und übernahm die Kosten (USDOS 20.4.2018).

Im April 2018 wurde ein neues Gesetz über die Verhütung und den Schutz vor familiärer Gewalt verabschiedet, das die Polizei verpflichtet, jede Beschwerde wegen häuslichen Missbrauchs anzuzeigen und physischen und psychischen Missbrauch sowie "wirtschaftliche Gewalt", was die Beschränkung des Zugangs zu und der Nutzung von finanziellen Ressourcen oder anderen Vermögenswerten einschließt, anzuerkennen. Das Gesetz schreibt das Vorgehen der Justiz und der Polizei bei häuslicher Gewalt vor und gewährleistet den Zugang der Opfer zu Unterkünften, psychosozialer Unterstützung und Rechtsbeistand. Einige Bestimmungen des Gesetzes sind nicht spezifisch und bieten keinen Schutz für die Überlebenden. Trotz positiver Gesetzesänderungen ist häusliche Gewalt nach wie vor weit verbreitet. Der Druck, Familien zusammen zu halten, Stigmatisierung, wirtschaftliche Abhängigkeit und Angst vor Repressalien durch Täter oder die begrenzte Unterstützung und Feindseligkeit seitens der Polizei sowie deren Untätigkeit hindern Opfer daran, Hilfe zu suchen oder Zugang zu Schutz oder Gerechtigkeit zu erhalten (HRW 18.1.2018).

Kirgisistan gehört zu den wenigen Staaten der Welt in denen Brautraub aktiv praktiziert wird. "Ala katschuu" wie die Praxis des Brautraubs auf Kirgisisch genannt wird, ist die Entführung von jungen Frauen durch junge Männer zum Zweck der Heirat. Die Entführungen sind manchmal zwischen den jungen Paaren abgesprochen, oft finden sie jedoch gewaltsam, gegen den Willen des Mädchens statt. Laut einer Studie des Kyz Korgon Instituts, wurden im Jahr 2010 und 2011 ungefähr 45% aller Ehen in der kirgisischen Stadt Karakol und Umgebung durch Brautraub, gegen den Willen der Braut, geschlossen. Manche Menschenrechtsgruppen sprechen gar von 65%-75% aller Ehen, die in Kirgisistan durch Brautraub zustande kommen sollen. Besonders seit dem Ende der Sowjetunion und der Unabhängigkeit Kirgistans im Jahr 1991 hat die Entführung von jungen Frauen eine Renaissance erfahren. Bis Januar 2013 drohten laut Gesetz für Brautraub bis zu drei Jahre Haft, doch in den letzten 20 Jahren wurde in Kirgistan kaum jemand dafür verurteilt. Die Stimmen kirgisischer Menschenrechtsgruppen, die Brautraub seit Jahren als Menschenrechtsverletzung brandmarken, blieben lange ungehört und es herrschte ein gesellschaftlicher Konsens, dass Brautraub eine kirgisische Tradition sei, die in Kirgistan einfach dazu gehöre. Laut einer Umfrage der NGO Open Line im Jahr 2010, unter 268 Betroffenen, wussten 77% der Frauen nicht, dass sie sich im Falle ihrer Entführung, um Hilfe an die Polizei oder andere Hilfsorganisation hätten wenden können (GIZ 7.2017a).

Obwohl gesetzlich verboten, wurde die Praxis der Entführung von Frauen und Mädchen zum Zwecke der Zwangsheirat fortgesetzt. Die Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa schätzt, dass jedes Jahr 12.000 junge Frauen in Zwangsehen entführt und 20% vergewaltigt werden. Entführte Bräute sind eher Opfer von häuslichem Missbrauch und sind in ihrem Streben nach Bildung und Beschäftigung eingeschränkt. Der negative Effekt der Praxis erstreckte sich auch auf Kinder entführter Bräute. Einige Opfer von Brautentführungen gingen zur örtlichen Polizei, um Schutz zu erhalten, aber die Behörden setzten Anweisungen zum Opferschutz oft mangelhaft durch. Obwohl die Regierung im Jahr 2013 die Strafe für die Verurteilung von Brautentführungen auf maximal 10 Jahre im Gefängnis verschärft hat, meldeten die NGOs weiterhin keine Zunahme der Anzeigen oder Verfolgung des Verbrechens (USDOS 20.4.2018).

Kinder

Kirgisistan ist ein junges Land und 2,1 Millionen Kinder machen 36,5% der Bevölkerung aus. Kinderarmut ist ein ernstes Problem. Die Armut nimmt zu (32,1%), wobei Kinder in der Armutsstatistik überrepräsentiert sind (40,5% im Jahr 2015). Fast 900.000 Kinder in Kirgisistan leben in Armut und sind weiterhin von Armut betroffen. Kinder, die in Armut leben, versäumen die Vorschul- und Schulbildung sowie die Gesundheitsversorgung und sind der Unterernährung ausgesetzt. Die ärmsten Kinder leben hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Süden des Landes. Viele gehören Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit arbeitslosen Erwachsenen an. Fast 73% der Kinder berichten von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Familie. Es gibt jedoch einige Verbesserungen, um Kinder, die mit dem Gesetz in Berührung kommen, zu schützen. Mittlerweile wurde die Zahl der gegen Jugendliche verhängten Haftstrafen um 84% reduziert (UNICEF o.D.).

Nach Berichten von NGOs und der UNO waren Kindesmissbrauch, einschließlich Prügel, Kinderarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen, ein Problem. Kinder im Alter von 16 und 17 Jahren können mit Zustimmung der örtlichen Behörden legal heiraten, aber das Gesetz verbietet unter allen Umständen standesamtliche Ehen vor dem 16. Lebensjahr. Obwohl illegal, ging die Praxis der Brautentführung weiter. Die Nationale Statistikkommission schätzte, dass 15% der verheirateten Frauen zwischen 25 und 49 Jahren vor dem Alter von 18 Jahren und 1% unter 15 Jahren heiraten (USDOS 20.4.2018).

Wie in den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die Vernachlässigung von Kindern aufgrund mangelnder Ressourcen der Eltern, und eine große Zahl von Kindern lebte in Heimen, bei Pflegefamilien oder auf der Straße. Etwa 80% der Straßenkinder waren interne Migranten. Straßenkinder hatten Schwierigkeiten beim Zugang zu Bildungs- und medizinischen Diensten. Die Polizei nahm Straßenkinder fest und schickte sie nach Hause, wenn eine Adresse bekannt war oder in ein Rehabilitationszentrum oder Waisenhaus. Staatliche Waisenhäuser und Pflegeheime waren nicht in der Lage, eine angemessene Betreuung zu gewährleisten, was zum Beispiel dazu führte, dass ältere Kinder in psychiatrische Einrichtungen verlegt wurden, auch wenn sie keine psychischen Probleme hatten (USDOS 20.4.2018).

Prostitution ist eine Praxis, die in Kirgisistan immer häufiger vorkommt. Viele Kinder, oft junge Mädchen, arbeiten in der Sexindustrie. In Bischkek sind mehr als 20% der Prostituierten junge Mädchen. Die meisten dieser Prostitutionsringe werden von weiblichen Zuhältern kontrolliert. Auch immer mehr Jungen im Alter von zwölf bis 16 Jahren werden ausgebeutet. Die Kunden, vor allem Geschäftsleute, kennen die Orte, an denen sie sexuelle Dienstleistungen von Schülerinnen für weniger als einen Dollar bekommen können. Viele Begleitservices sind in den großen Städten entstanden. Außerdem ist eine neue Praxis im Land aufgekommen: Junge Mädchen, meist zwischen elf und zwölf Jahren, fahren auf den Hauptbahnstrecken, um sich zu prostituieren. Sobald sie an der Endstation angekommen sind, werden diese Mädchen von ihren Kunden verlassen und bleiben ein oder zwei Tage auf der Straße, während sie auf einen neuen Reisenden warten (Humanium o.D.).

Bewegungsfreiheit

Gemäß dem Gesetz zur internen Migration wird die Bewegungsfreiheit garantiert. Die Regierung respektierte das Gesetz gemeinhin, und die Bürger konnten sich innerhalb des Landes frei bewegen. Jedoch beschränken bestimmte Richtlinien die interne Migration, Wiederansiedlung und Auslandsreisen. Bürger die Zugang zu vertraulichen Staatsgeheimnissen hatten, dürfen nicht ins Ausland reisen, solange die Informationen nicht freigegeben werden (USDOS 20.4.2018).

Zwischen Kirgisistan und Tadschikistan bzw. zwischen Kirgisistan und Usbekistan bestehen Differenzen über den genauen Grenzverlauf. In den Grenzgebieten der Region (Oblast) Batken ist es deshalb wiederholt zu Demonstrationen gekommen sowie zu Schusswechseln zwischen kirgisischen und tadschikischen bzw. usbekischen Sicherheitskräften. Die Grenzübergänge zwischen Kirgisistan und Usbekistan resp. Tadschikistan sind zeitweise geschlossen (SDA 7.5.2018).

Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge

Die Regierung arbeitete mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, staatenlosen Personen und anderen hilfsbedürftigen Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren. Im Oktober 2017 berichtete das UNHCR von 343 Flüchtlingen im Land. Es gab weiterhin Berichte über usbekische Flüchtlinge, die aus Angst vor Verfolgung durch die usbekische Regierung den Flüchtlingsstatus anstreben. UN-mandatierte Flüchtlinge und Asylsuchende ohne offiziellen Status hatten keinen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen. Flüchtlinge mit offiziellem Status im Land haben Zugang zur Grundversorgung (USDOS 20.4.2018).

Die Bereitstellung von Hilfe für Binnenvertriebene, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Wohnraum, ist ein wichtiger Faktor für die Stabilisierung der Lage im Land. Im Jahr 2015 hat das Ministerium für Arbeit und soziale Entwicklung in der Provinz Jalalabad 5.735 Personen Arbeit gegeben. In der Provinz Osch wurden im gleichen Zeitraum 6.839 Personen in die Arbeitswelt eingegliedert. Im Rahmen des Programms für die Rehabilitation und Entwicklung der Städte Osch und Jalalabad wurden 251 Wohnungen gebaut und den Familien der bei Massenunruhen im Juni 2010 Getöteten und jenen, die zu Invaliden oder schwer verletzten wurden, in der Provinz Osch zugewiesen (GoK 20.1.2017).

Wirtschaft/ Grundversorgung

Kirgisistan rangiert im Doing Business 2017-Index der Weltbank auf Platz 75 von 190 Ländern und schneidet bei allen Kriterien für eine einfache Geschäftsabwicklung im Mittelfeld ab. Die Regierung verfolgt eine Politik zur Verbesserung der Marktbedingungen, wie z. B. den Abbau der zahlreichen bürokratischen Kontrollen. Einige systematische Herausforderungen wie Korruption und illegale Angriffe auf Eigentumsrechte bleiben jedoch bestehen, während einige Herausforderungen durch die Wirtschaftskrise in der Region noch verschärft werden. Die Währungsstabilität ist nach wie vor weitgehend gegeben. Es soll immer noch eine große informelle Wirtschaft geben, der die Regierung durch Erleichterung von Regulierung und Inspektionen beizukommen versucht. Es gibt keine verlässliche Schätzung der Größe der informellen Wirtschaft, obwohl verschiedene Quellen vermuten lassen, dass sie etwa 25% des BIP betragen könnte (BTI 1.2018).

Laut einer Umfrage aus 2017 sehen 52% der Kirgisen und Kirgisinnen Arbeitslosigkeit als das größte wirtschaftliche Problem des Landes an. Demgegenüber wirkt die offizielle Arbeitslosenzahl nicht sonderlich hoch. 2016 betrug der Anteil der arbeitslosen Menschen in Kirgisistan 8% der arbeitsfähigen Bevölkerung. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lande hat das Nationale Statistik-Büro im Februar 2018 ein stabiles Wirtschaftswachstum festgestellt. Inflation trübt die Freude über positiven Entwicklungen für 2018, denn die Preise für Lebensmittel in Kirgisistan wachsen ständig. Zwei Drittel der Bevölkerung Kirgisistan leben in ländlichen Gebieten und betreiben vor allem landwirtschaftliche Subsistenzwirtschaft, produzieren also nur für den Eigenbedarf. Die Viehzucht, die schon in sowjetischer Zeit die Versorgung der Familie sicherte, nimmt auch heute noch einen hohen Stellenwert ein. Viele Familien haben ihr Leben zwischen Dorf und Stadt arrangiert. Ein Teil der Familie lebt auf dem Dorf, ein Teil in der Stadt. Oft hat die städtische Verwandtschaft dabei einen Teil ihres Besitzes in Vieh angelegt. Die Verwandten auf dem Dorf kümmern sich um die Herden der Verwandten und dürfen dafür in der Regel die Produkte der Tiere nutzen (GIZ 7.2017b).

Die kirgisische Wirtschaft hat sich von den externen Schocks 2014-15 erholt. Das Wachstum beschleunigte sich von 3,8% 2016 auf 4,5% im Jahr 2017, unterstützt durch weitere Verbesserungen in der russischen und kasachischen Wirtschaft und durch eine expansive makro-ökonomische Politik. Die Armutsquote (unter 3,2 US$ pro Tag im Jahr 2011) wird auf 19% im Jahr 2016 geschätzt. Niedriges Verbraucherpreiswachstum und höhere Überweisungszuflüsse stützten den Konsum der Haushalte. Gleichzeitig dämpfte das moderate Wachstum im Dienstleistungssektor und in der Landwirtschaft, in der etwa 50% der unteren 40% beschäftigt sind, das reale Arbeitseinkommenswachstum für die Armen (WB 2018).

Kirgisistan ist ein Wohlfahrtsstaat im Sinne der Verfassung und verfügt über ein System sozialer Sicherheitsgarantien, was weitgehend ein sowjetisches Erbe ist, einschließlich Kinderbetreuungsgeld, Mutterschaftsurlaub (oder Vaterschaft, selten genutzt, aber verfügbar), Arbeitslosengeld und Invaliditätsleistungen. Alle diese Zahlungen sind jedoch extrem niedrig und werden von den anspruchsberechtigten Bürgern häufig abgelehnt. Die meisten Ausgaben für diese Leistungen werden durch Steuereinnahmen gedeckt oder durch private Arbeitgeber, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben sind (BTI 1.2018).

Sozialbeihilfen

Arbeitslosengeld:

Voraussetzungen:

Man muss bei einem Arbeitsamt angemeldet sein, arbeitsfähig und arbeitswillig sein. Die Leistung kann gekürzt, ausgesetzt oder beendet werden, wenn der Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen die Arbeitsdisziplin entlassen wird, das Arbeitsverhältnis ohne triftigen Grund verlässt, die Bedingungen für eine Arbeitsvermittlung oder Berufsausbildung verletzt oder betrügerische Absichten festgestellt werden. Auch an Studierende, die sich in den zwölf Monaten nach Abschluss des Studiums als arbeitslos melden, haben einen Anspruch.

Arbeitslosengeld:

250 bis 500 Som werden monatlich für bis zu sechs Kalendermonate ausbezahlt. Ergänzung: 10% des Arbeitslosengeldes werden für jeden Angehörigen gezahlt.

Familienzulagen:

Voraussetzungen: Kinder von Alleinerziehenden oder unverheirateten Müttern; Schüler unter 18 Jahren mit behinderten oder arbeitslosen Eltern.

Familienzulagen (Einkommensprüfung): 100% des garantierten Mindestlebensstandards (GM) werden monatlich für eine Mutter gezahlt, die ein Kind unter 18 Monaten oder zwei Kinder unter drei Jahren betreut; 150% des GM, wenn drei Kinder unter 16 Jahren betreut werden. Die GM ist 900 Som pro Monat (Oktober 2016).

Sozialhilfe: 810 Som wird jährlich gezahlt (Oktober 2016).

Geburtsbeihilfe:

Für jedes Neugeborene wird ein Pauschalbetrag von 300% des GM gezahlt.

Alterspension (Sozialversicherung, fiktive Beitragszusage [NDC] und obligatorisches Einzelkonto): Alter 63 mit mindestens 25 Beschäftigungsjahren bei Männer bzw. Alter 58 mit mindestens 20 Beschäftigungsjahren bei Frauen. Als Beschäftigungsjahre gelten Studienzeiten, Mutterschaftsurlaub, Betreuung von Menschen mit Behinderungen, registrierte Arbeitslosigkeit und andere durch Sonderverordnung genehmigte Urlaubszeiten. Die Anspruchsvoraussetzungen werden für Vollzeitarbeit unter Tage, Vollzeitarbeit unter gefährlichen Bedingungen, Arbeit im Zusammenhang mit der Tschernobyl-Katastrophe, für Mütter mit fünf oder mehr Kindern oder mindestens einem Kind mit einer Behinderung und für kleine Menschen reduziert.

Teilpension: Ausbezahlt bei weniger als den erforderlichen Beitragsjahren für eine volle Alterspension.

Zuschlag zur Altersrente: Ausbezahlt an Personen ab 80 Jahren, Veteranen des Zweiten Weltkriegs, Katastrophenhelfer von Tschernobyl, Personen mit einer Behinderung der Gruppe I (erfordert ständige Anwesenheit), Betreuer von Personen mit einer Behinderung der Gruppe II (vollständig behindert mit einem Mobilitätsverlu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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