TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/22 L512 2123372-1

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Veröffentlicht am 22.06.2018
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Entscheidungsdatum

22.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2123372-1/23E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 03.02.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.09.2017, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, §§ 46, 55 FPG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III des bekämpften Bescheides zu lauten hat:

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, (in weiterer Folge "Bangladesch" genannt), stellte nach rechtmäßiger Einreise am 02.02.2013 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am 04.02.2013 Folgendes vor:

Er sei ledig, Sunnit und gehöre der Volksgruppe der Bengalen an. Er habe 10 Jahre lang die Schule in Bangladesch besucht. Der BF habe legal mit seinem Reisepass, wobei der Schlepper bei der Beantragung des Reisepasses geholfen habe, per Flugzeug Bangladesch verlassen.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an, er habe seine Heimat verlassen, um in XXXX zu arbeiten. Seine Familie habe finanzielle Probleme. Außerdem sei der BF von XXXX bis XXXX provisorisch XXXX der BNP gewesen. Nach der Abschlussprüfung der Hauptschule im XXXX, habe es einen Streit zwischen der Chatra Dal und Leuten der Shibir gegeben. Der BF sei Sympathisant der Chatra Dal gewesen. Ältere Studenten hätten Streit gehabt, worum es ging wisse der BF nicht. Die älteren Studenten haben eine Versammlung gehabt und hätten ein Komitee einrichten wollen. Der BF sei bei dieser Versammlung gewesen. An das Datum könne er sich nicht erinnern, aber es sei ca. Anfang XXXX gewesen. Dies seien alle Fluchtgründe gewesen. Probleme mit Behörden, der Polizei oder mit Gerichten in Bangladesch habe der BF nicht gehabt [Aktenseite (AS) 29 ff.].

Vor einem Organwalter des damals zuständigen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) gab der BF am 19.11.2015 unter anderem an, der BF habe Probleme mit Behörden in Bangladesch. Er wisse nicht, ob es einen Haftbefehl gegen seine Person geben würde. Es sei ihm damals gesagt worden, dass es eine Anzeige gegen den BF geben würde. Der BF sei wegen Betrug angezeigt worden. Ihm sei vorgeworfen worden Geld genommen, jedoch sein Versprechen nicht eingehalten zu haben. Er sei in Bangladesch politisch tätig gewesen. Er sei XXXX und XXXX der Chatra Dal eines Wahlsprengels gewesen. Der BF sei seit 2010 bis zu seiner Ausreise für die Partei tätig gewesen.

Zu Problemen mit heimatlichen Behörden befragt gab der BF an, dass ihm, als er noch in Bangladesch aufhältig war, von der Polizei gesagt worden wäre, dass er angezeigt wurde. Die Polizei habe den BF festnehmen wollen. Dem BF und seiner Familie sei damals nicht gesagt worden, warum eine Anzeige gegen den BF erstattet worden sei. Der Vater des BF habe danach auf dem Marktplatz erfahren, dass Mitglieder der Awami League (kurz: AL) und die Polizei den BF suchen würden. Eine Zeit lang habe sich der BF versteckt gehalten. Mehrmals sei nach dem BF gesucht worden Dann habe sein Vater die Ausreise des BF mit Hilfe eines Schleppers organisiert.

Nachdem der BF Bangladesch verlassen hatte, seien AL Leute zum Hause des BF gekommen und hätten Geld vom Vater des BF verlangt. Dieser habe Angst gehabt und habe zweimal Geld bezahlt. AL Leute hätten zudem Fische aus dem Teich der Familie des BF gefangen, 2 Grundstücke rechtswidrig in Besitz genommen und verhindert, dass die Schwester des BF die Abschlussprüfung in ihrer Schule machen konnte.

Der BF sei zu Hause von Mitgliedern der AL entführt und misshandelt worden. Danach hätten AL Mitglieder die Eltern des BF bedroht den Aufenthaltsort des BF bekannt zu geben (AS 137 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57, 55 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (AS 231 ff.).

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF aufgrund der vagen Angaben des BF als nicht glaubhaft, zudem sei das Handeln der Exekutive als rechtskonform anzusehen.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55, 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005) dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung Beschwerde erhoben (AS 347 ff.).

I.4. Für den 14.09.2017 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Verhandlung.

I.4.1. Mit Schreiben vom 16.08.2017 wurden den Verfahrensparteien aktuelle Länderberichte zur Lage in Bangladesch zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich bis zum Zeitpunkt der anberaumten Verhandlung schriftlich bzw. in der Verhandlung mündlich hierzu zu äußern.

I.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigte der BF seine Ausführungen zu seiner Identität und führte aus, dass er verhandlungsfähig sei. Zum Gesundheitszustand befragt erörterte der BF, dass er Schmerzen in der Wirbelsäule und in seinen Fußgelenken habe. Er besuche deshalb immer wieder einen Arzt. Er erhalte eine Salbe und Medikamente. In Österreich habe ihm ein Arzt mitgeteilt, dass er ein Hörgerät benötigen würde.

Der BF hatte die Möglichkeit zu seiner Integration, seinem Fluchtvorbringen und seiner Rückkehrsituation Stellung zu nehmen [Ordnungszahl (OZ)17].

I.6. Nach der mündlichen Verhandlung langten Unterlagen zur Integration des BF ein.

I.7. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, bengalischen Staatsbürger, welcher aus dem einem Dorf im Distrikt XXXX stammt, die Sprache Bengali spricht, die Sprachen Englisch, Urdu und Hindi ein wenig spricht. Der BF gehört der Volksgruppe der Bengalen und dem moslemisch/sunnitischen Glauben an.

Der BF ist somit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein lediger, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige des BF - seine Eltern und Geschwister - leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF. Der BF verfügt über eine mehrjährige Schulausbildung.

Der BF leider an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF lebt mit anderen Personen aus Bangladesch in einer Wohnung und zahlt Miete. Der BF führt Haushaltstätigkeiten in der Wohngemeinschaft durch. Der BF arbeitete als XXXX. Der BF war im Zeitraum vom 01.11.2013- 30.04.2014 im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung für eine geringfügige Beschäftigung für die berufliche Tätigkeit als XXXX. Der BF befindet sich zurzeit in Grundversorgung. Der BF ist im Besitz von Einstellzusagen. Der BF ist Mitglied bei den XXXX, im Verein XXXX, bei der XXXX und im XXXX. Der BF hat Deutschkurse besucht. Der BF hat die ÖSD A2 Prüfung bestanden. Der BF hat einen Erste-Hilfe-Grundkurs besucht. Der BF möchte in einem Altersheim Sozialarbeit leisten. Der BF ist unbescholten.

Die Identität des BF steht nicht

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Bangladesch

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 2.2016).

Das Parlament hat bei nur einer Gegenstimme, jedoch ohne Beteiligung der Bangladesh Nationalist Party (BNP) und ihrer Verbündeten an der Parlamentssitzung, am 30.7.2011 die 15. Verfassungsänderung verabschiedet. Im Mittelpunkt der Änderung steht die Abschaffung der Übergangsregierung, wie sie 1996 von der Awami League (AL) verlangt und durchgesetzt wurde und die sich nach Meinung von Wahlbeobachtern bei den folgenden Parlamentswahlen auch bewährte. Mit Überraschung wurde von Teilen der Zivilgesellschaft die Bestätigung des Islam als Staatsreligion aufgenommen, da angenommen worden war, dass die AL beabsichtige, möglichst nah an die ursprüngliche Verfassung von 1972 zu rücken. Allerdings wurde der Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteiischen Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 2.2016; vgl. AA 8.2015a).

Die großen Parteien, insbesondere AL und BNP, werden von zwei quasi-dynastischen Persönlichkeiten geführt: Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia. Beide Frauen sind Erben des politischen Vermächtnis' ihrer ermordeten Männer und genießen dank dieser Position eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei. Sie nehmen nicht nur großen Einfluss auf den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter, sondern geben insgesamt den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) mächtigen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 2.2016).

Am 5.1.2014 fanden die 10. Parlamentswahlen ohne Beteiligung der größten Oppositionspartei, die BNP, statt. Die AL konnte so ungefährdet eine komfortable Mehrheit erreichen. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Die Presse berichtete auch über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 2.2016; vgl. AA 8.2015a).

Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet; über 130 Wahllokale wurden in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks. In vielen Distrikten wurden über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v. a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 2.2016, vgl. AA 8.2015a). Trotz massiver Sicherheitsvorkehrungen - landesweit waren 270.000 Sicherheitskräften im Einsatz - kam es bei den Wahlen zu schweren Ausschreitungen, bei denen 18 Menschen starben. Anhänger der Opposition versuchten bis zuletzt, die Abstimmung mit Brandsätzen und Gewaltakten zu verhindern. Nach Angaben der Behörden zündeten Demonstranten mindestens 127 Wahllokale an und stürmten weitere. In 390 der mehr als 18.000 Wahllokale wurde die Abstimmung wegen der Gewaltausbrüche abgebrochen. Die Polizei setzte auch scharfe Munition ein. Viele der Getöteten waren Aktivisten der Jamaat-e-Islami. Diese islamistische Partei, Bündnispartner der BNP, durfte bei der Wahl nicht antreten, nachdem ein Gericht ihre Registrierung vor einigen Monaten für ungültig erklärt hatte (Zeitonline 5.1.2014).

Insgesamt wurden bei gewaltsamen Angriffen rund um die Wahlen im Jänner 2014 Hunderte verletzt und getötet. Sowohl die Regierungspartei von Bangladesch, als auch Oppositionsparteien waren für die Gewalt verantwortlich. Anhänger der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party und der Jamaat-e-Islami Partei (JI) warfen Benzinbomben, um Streiks und Wirtschaftsblockaden zu erzwingen. Vor und nach der Wahl verwüsteten Angreifer auch Häuser und Geschäfte von Mitgliedern der hinduistischen und christlichen Gemeinschaften. Als Reaktion griff die Regierung hart gegen Mitglieder der Opposition durch und Hunderte wurden verdächtigt, gewalttätige Übergriffe begangen zu haben (HRW 27.1.2016). Es wurden Personen verhaftet und TV Stationen geschlossen (WSJ 13.1.2014). Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden führten außergerichtlichen Hinrichtungen, willkürliche Verhaftungen und rechtswidrigen Zerstörung von Privateigentum durch und ließen Personen verschwinden (HRW 27.1.2016). Berichte von Gewalt durch die Opposition halten indes auch nach den Wahlen an, ebenso die harte Linie der Regierung - mit Verhaftungen von Führungspersonen der Opposition und tausenden Anzeigen unter dem Vorwurf der Teilnahme an Gewalt (NYT 11.1.2014). Bereits das Vorfeld der Wahlen war durch Gewaltausbrüche gezeichnet. Insgesamt sollen um die 100 Menschen im Zuge der Wahl getötet worden sein (NYT 11.1.2014). Am Wahltag führte die BNP außerdem einen 48 stündigen landesweiten Streik an (BBC 12.1.2014).

Die wichtigste Oppositionspartei, die Bangladesh Nationalist Party (BNP) unter Führung von Begum Khaleda Zia, verlangt unterdessen Neuwahlen (WSJ 13.1.2014). Die BNP hatte die Parlamentswahlen am 5.1.2014 boykottiert, nachdem ihrer Forderung, diese von einer neutralen Übergangsregierung durchführen zu lassen, nicht nachgekommen wurde (Zeitonline 5.1.2014). Insgesamt boykottierte eine Allianz von 18 Oppositionsparteien die Wahl (UPI 14.1.2014). Durch den Boykott stand weniger als die Hälfte der Parlamentssitze zur Wahl (BBC 6.1.2014). In 153 Wahlkreisen hatte es keine Gegenkandidaten gegeben, wodurch in nur 147 Wahlkreisen Wahlen durchgeführt werden mussten (Bangladesh Chronicle 12.1.2014). Mit einem Parlament, das sich nun ausschließlich aus der Awami League und ihren Koalitionspartner zusammensetzt, ist dies das erste Mal seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1991, dass keine Opposition im Parlament vertreten ist (WSJ 13.1.2014).

Premierministerin Sheikh Hasina, Parteiführerin der Awami League, und ihr Kabinett wurden am 12.1.2014 für eine weitere Amtszeit angelobt (BBC 12.1.2014). Es ist dies die insgesamt dritte Amtszeit Hasinas bzw. die zweite in Folge (Bangladesh Chronicle 12.1.2014).

Die aufgrund des Wahlboykottes der BNP fehlende wirksame parlamentarische Opposition führt dazu, dass die BNP statt im Parlament zu diskutieren auf den Straßen agiert und die Regierung unter Sheikh Hasina gegen freie Meinungsäußerung und die Zivilgesellschaft vorgeht. Die Regierung reagiert dagegen mit der Aufstellung von Truppen, um die Gewalt auf den Straßen zu bändigen sowie mit der Inhaftierung tausender Mitglieder der Opposition, beschränkte vor geplanten Protesten den Zugang der Führerin der BNP, Khaleda Zai zu ihrem Büro. Wichtige Oppositionsführer wurden unter dem Vorwand schwerer Vergehen verhaftet. Aus Angst vor Verhaftungen blieben viele untergetaucht (HRW 27.1.2016).

Politisches Machtzentrum in Bangladesch ist die Exekutive und hier v. a. das Kabinett unter Vorsitz des Premierministers. Es ist üblich, dass der Führer der stärksten Partei vom Präsidenten zum Premierminister ernannt und mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Dem Premierminister kommt nicht nur die Leitung der Kabinettsitzungen zu, er hat das Recht zur Regierungsumbildung und ihm obliegt die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten. Demgegenüber ist die Rolle des Präsidenten - wiewohl Staatsoberhaupt und formal Kopf der Exekutive - im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt. Er wird vom Parlament für fünf Jahre und maximal zwei Amtsperioden gewählt. Das Parteiensystem wird durch die Konkurrenz der beiden großen Parteien AL und BNP geprägt. Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit nur die JP (Jatiya Party - Ershad) und - bis zu den vorletzten Wahlen - die JI erzielt. Aufgrund des im Land geltenden Mehrheitswahlrechts spiegelt die Sitzverteilung im Parlament nicht die realen Stimmenanteile wider. Das Mehrheitswahlrecht verhindert zwar die politische Fragmentierung innerhalb der Jatiya Sangsad (= Parlament), begünstigt dadurch aber auch die Bipolarität zwischen AL und BNP. Zwar entscheidet das Parlament de jure über den Haushalt, beschließt zu erhebende Steuern, ratifiziert Verträge oder initiiert Verfassungsänderungen, infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 2.2016).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen, teilweise bereits verabschiedeten, Gesetzen zu Medien, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NRO aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, die Gräueltaten des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure. Viele von ihnen sind heute in führenden Positionen der islamischen Partei Jamaat-al-Islami aktiv. Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 8.2015a).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende Awami League (AL) als Siegerin hervorgegangen (NETZ 1.2.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

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The Bangladesh Chronicle (12.1.2014): Hasina embarks on her third string promising good governance, http://bangladeshchronicle.net/2014/01/hasina-embarks-on-her-third-string-promising-good-governance/, Zugriff 4.3.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (12.1.2014): Sheikh Hasina sworn in as Bangladesh PM,

http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-25705834, Zugriff 29.2.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (6.1.2014): Bangladesh's ruling Awami League wins boycotted poll, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-25618108, Zugriff 29.2.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/318374/457377_de.html, Zugriff 29.2.2016

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (1.2.2016): Bangladesch

Aktuell,http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 2.3.2016

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NYT - The New York Times (11.1.2014): Matriarchs' Duel for Power Threatens to Tilt Bangladesh Off Balance, http://www.nytimes.com/2014/01/12/world/asia/matriarchs-duel-for-power-threatens-to-tilt-bangladesh-off-balance.html?_r=0, Zugriff 29.2.2016

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UPI - United Press International (14.1.2014): Bangladesh's re-elected prime minister starts new term, http://www.upi.com/Top_News/Special/2014/01/14/Bangladeshs-re-elected-prime-minister-starts-new-term/UPI-77731389697260/, 29.2.2016

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WSJ - The Wall Street Journal (13.1.2014): Bangladesh's Largest Opposition Party Rejects New Cabinet http://online.wsj.com/news/articles/SB10001424052702304549504579318363501145346, Zugriff 29.2.2016

-

Zeitonline (5.1.2014): Wahl in Bangladesch endet im Chaos, http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-01/bangladesch-wahl-gewalt-tote-boykott, Zugriff 29.2.2016

Sicherheitslage

Die jeweiligen Oppositionsparteien versuchen, die dominierende Struktur der Regierungspartei durch vielfältige Protestmaßnahmen zu unterminieren, namentlich durch gewaltsame Demonstrationen auf der Straße. Die Grundform des Protestes heisst "hartal" und ist ein Generalstreik mit Blockierung der Verkehrswege, Fahrverbot für Motorfahrzeuge, Schließen von Geschäften usw.; Diese Maßnahmen werden von Aktivisten der jeweiligen Opposition angeordnet und arten oft in gewaltsame Straßenkämpfe mit Aktivisten der Regierungspartei aus, die von der Polizei unterstützt werden. Beide großen Parteien greifen mit demselben Eifer auf "hartal" zurück und sind unfähig, die Debatten im Parlament auszutragen. Zusätzlich breiten sich terroristische islamistische Parteien aus. Vor 2001 hatten 3 geheime islamistische Organisationen existiert, darunter die "Bewegung des islamischen Jihad" (Harkat-ul-Jihad-al-Islam, HUJI). Ende 2005 stieg ihre Zahl bereits auf 87 Gruppen an mit Tausenden von Kämpfern und vielen Ausbildungslagern. Bekannt sind etwa die "Organisation der Mujaheddin Bangladeschs" (Jama'atul Mujahideen Bangladesh, JMB), die den Taliban nahe stehende "Erwachten Muslimischen Massen von Bangladesch" (Jagrata Muslim Janata Bangladesh, JMJB) und die "Partei der Einheit Gottes" (Hizbut Tawhid). Seit 2007 werden die Gruppen islamistischer Terroristen stark unterdrückt. Sie profitieren aber weiterhin von einem weiten Netzwerk von Unterstützern in islamischen NGOs und Koranschulen sowie von Geldüberweisungen aus der Arabischen Halbinsel (DACH 3.2013).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien des Landes "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Politische Auseinandersetzungen werden häufig auf der Straße ausgetragen. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen. Aufgrund der Schwäche staatlicher Institutionen spielen Nichtregierungsorganisationen im sozialen Bereich (Bildung, Gesundheit, etc.) eine große Rolle. Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 8.2015a).

Zum ersten Jahrestag der Parlamentswahlen am 5.1.2015 rief die Opposition zu Straßenblockaden auf, die zu einer wochenlangen Gewalt mit Dutzenden von Todesopfern und unzähligen Verletzten und zu einer Vertiefung der politischen Krise im Land geführt hat. Bürger, sowie die Wirtschaft leiden weiter unter den Blockaden. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 2.2016). Sowohl AL, als auch BNP haben zum zweiten Jahrestag der Parlamteswahlen Kundgebungen vor ihren Parteizentralen abgehalten, wobei die BNP erneut Neuwahlen forderte. Befürchtungen, dass es, wie beim ersten Jahrestag, erneut zu massiven Ausschreitungen kommt, haben sich nicht bestätigt (NETZ 7.1.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

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D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013):

D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

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NETZ - Partenerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (7.1.2016): Bangladesch - Aktuell - Zweiter Jahrestag der Parlamentswahlen,

http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/zweiter-jahrestag-der-parlamentswahlen/cHash/c967223bcb83a8cdc94fb22a83f47899.html, Zugriff 3.3.2016

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Justizsystem in Bangladesch ist wie die übrige Verwaltung stark vom Erbe der britischen Kolonialverwaltung geprägt, hat aber zunehmend lokalen sozialen und religiösen Bedürfnissen Rechnung getragen. Gesetze und Urteile der höchsten Instanzen sind via Internet relativ gut zugänglich. Richter werden durch die Regierung ernannt und können nicht als unabhängig betrachtet werden. Auch die Polizei ist während juristischer Verfahren von der politischen Partei abhängig, die gerade an der Macht ist (D-A-CH 3.2013). Korruption und ein erheblicher Rückstand bei den Fällen behindern das Gerichtssystem und Gerichtsverfahren sind geprägt durch eine überlange Verfahrensdauer, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommen Zeugenbeeinflussung, Einschüchterung von Opfern und fehlende Beweise vor. Während die politische Zugehörigkeit in der Verhaftung und Strafverfolgung von Mitgliedern der Opposition eine Rolle spielt, wurde gegen keine Person nur aufgrund von politischen Gründen eine Strafverfolgung eingeleitet (USDOS 25.6.2015). Fälle erfundener und gefälschter Verfahren sind häufig. Beispielsweise wird ohne Basis Klage gegen jemanden erhoben, um einer Person Schaden zuzufügen oder sie zu zwingen, sich in ein teures Gerichtsverfahren zu begeben, was bis zur Aufgabe von Besitz gehen kann. Meistens geht es dabei um Grundbesitz. Manchmal sind aber auch Mitglieder einer Oppositionspartei betroffen. Dabei reicht es, dass der Name auf einem First Information Report der Polizei erscheint. Sobald die Oppositionspartei an die Macht kommt, stoppt sie alle Gerichtsverfahren gegen ihre Aktivisten (D-A-CH 3.2013).

Das Gesetz sieht das Recht auf ein faires Verfahren vor, aber infolge von Korruption und schwache personellen und institutionellen Kapazitäten kann die Justiz dieses Recht nicht immer gewährleisten. Für Beklagte gilt die Unschuldsvermutung, sie haben das Recht auf Berufung und unverzüglich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert zu werden. Das Gesetz gewährt Angeklagten das Recht auf einen Anwalt, das Belastungsmaterial zu begutachten, Zeugen namhaft zu machen und zu befragen sowie Berufung gegen Urteile einzulegen, jedoch werden diese Rechte von der Regierung häufig nicht respektiert. Einzelpersonen und Organisationen haben das Recht, zivile Rechtsmittel im Falle von Menschenrechtsverletzungen heranzuziehen, das Zivilrechtssystem ist aber langsam und schwerfällig, was viele davon abhielt, diesen Weg zu beschreiten. Korruption und Einflussnahme von außen sind Probleme im zivilen Rechtssystem. Es gibt alternative Verfahren zur Streitbeilegung wie z. B. Mediation. Laut Regierungsquellen beschleunigt die breitere Anwendung der Mediation in Zivilsachen die Rechtspflege, aber es gibt keine Bewertung der Fairness oder Unparteilichkeit (USDOS 25.6.2015). Die Justiz ist bürokratisch, überlastet und hat einen großen Rückstau an anhängigen Verfahren, eine geringe Anzahl an ausgebildeten Richtern und Anwälten, ist kostspielig und unterliegt der Korruption, Störungen und politischem Druck, vor allem auf unteren Ebenen (UK Home Office 2.2015).

Quellen:

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D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013):

D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 29.2.2016

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance, Bangladesh: Opposition to the government, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1424680865_bgd-cig-political-opponents-2015-02-20-v1-0.pdf, Zugriff 29.2.2016

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch bei einer Vielzahl von innerstaatlichen Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 25.6.2015). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln zur Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können. Die Verfassung verbietet willkürliche Verhaftung und Inhaftierung, aber das Gesetz erlaubt Behörden, Personen aufgrund eines Verdachts einer strafbaren Handlung ohne gerichtliche Anordnung oder Haftbefehl festzunehmen (USDOS 25.6.2015).

Die Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren. Das Rapid Action Batallion (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14). Diese Eliteeinheit ist u.a. für Terrorabwehr und Drogendelikte und andere schwere Verbrechen zuständig. Ihr werden schwere menschenrechtliche Verstöße wie z.B. extralegale Tötungen zugeschrieben (AA 14.1.2016).

Machtpolitisch bedeutsam ist auch das Militär, das aufgrund der Korruption und Ineffektivität der Polizei immer wieder Aufgaben im Rahmen der Sicherung oder (Wieder-) Herstellung der inneren Sicherheit übernehmen muss (GIZ 2.2106).

Trotz des Versprechens der regierenden Awami League, schwere Menschenrechtsverletzung nicht zu tolerieren, dauern derartige Missbräuche unvermindert an und haben in einigen Bereichen zugenommen. Sicherheitskräfte begehen ernste Missbräuche einschließlich willkürlicher Verhaftungen, Folter, zwangsweiser Verschleppungen und Mord. Nur in wenigen Fällen kam es deswegen zu Untersuchungen oder wurden verantwortliche Personen zur Verantwortung gezogen (HRW 27.1.2016). Betroffene, die gerade in Strafverfahren mit extrem langer Untersuchungshaft rechnen müssen, sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2016): Bangladesch, Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/bangladesch/geschichte-staat/,

Zugriff 29.2.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/295469/430500_de.html, Zugriff 29.2.2016

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh,

http://www.ecoi.net/local_link/306330/443605_de.html, Zugriff 29.1.2016

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl die Verfassung und die Gesetze Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung verbieten, gibt es Vorwürfe der Folter, körperlicher und psychischer Misshandlungen während Verhaftungen und Verhören durch Sicherheitskräfte, inklusive RAB und der Polizei. Die Sicherheitskräfte gingen mit Drohungen, Schlägen und Elektroschock vor. Gemäß der lokalen NGO Odhikar haben Sicherheitskräfte während der ersten neun Monate des Jahres 2014 10 Personen zu Tode gefoltert. Es kommt selten zu Anzeigen, Bestrafungen oder Verurteilungen der Verantwortlichen durch die Regierung (USDOS 25.6.2015).

Am 24.10.2013 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Folter in Gewahrsam kriminalisiert und als Mindeststrafe lebenslange Haft sowie Geldstrafen für Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden, Sicherheitsbehörden oder Regierungsbeamte vorsieht, die Folter und unmenschliche Behandlung von Häftlingen in Gewahrsam begangen haben oder dafür oder für den Tod der Häftlinge verantwortlich sind. Das Gesetz sieht auch vor, dass die Täter der Familie des Opfers 200.000.- Taka ($ 2.500.-) an Entschädigung zahlen. Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass sich Beamte, die der Folter, unmenschlicher Behandlung oder des Todes in Gewahrsam für schuldig befunden wurden, sich nicht durch Berufung auf außergewöhnliche Umstände, insbesondere Krieg, innenpolitische Stabilität, Ausnahmezustand oder den Auftrag eines Vorgesetzten oder einer Behörde rechtfertigen können. Das Gesetz erlaubt einem Richter, einen Verdächtigen in Untersuchungshaft zu nehmen, während der die Befragung des Verdächtigen ohne einen Anwalt erfolgen kann (USDOS 25.6.2015). Foltervorwürfe werden nicht mit der notwendigen Stringenz verfolgt, in Einzelfällen kam es aber zu Verurteilungen (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh,

http://www.ecoi.net/local_link/270654/400719_de.html, Zugriff 29.2.2016

Korruption

Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 14.1.2016). Im Korruptionswahrnehmungsindex 2015 von Transparency International belegt Bangladesch den 139. von 168 Plätzen (je niedriger desto besser) - im Vergleich zu Platz 145 von 175 im Jahr 2014 (TI 27.1.2016). Über 60% aller bangladeschischen Haushalte haben Korruption selbst erfahren. Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden sowie die Rechtspflege genannt. Versicherungen, Banken und NGOs genießen den besten Ruf. Transparency International bezeichnet die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC) als "zahnlosen Tiger". Eine im Jahr 2013 erlassene Gesetzesänderung führte dazu, dass die ACC der Korruption verdächtigte Behördenbeschäftigte nur noch mit Zustimmung der Regierung anklagen darf. Faktisch hat die ACC in den vergangenen Jahren lediglich eine Handvoll von Regierungsvertretern angeklagt (AA 14.1.2016).

Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen. Aufgrund der Schwäche staatlicher Institutionen spielen Nichtregierungsorganisationen im sozialen Bereich (Bildung, Gesundheit, etc.) eine große Rolle. Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 8.2015a). Der Kauf öffentlicher Ämter und politischer Posten ist üblich. Die großen Parteien übertragen ihre interne Praxis auch auf die Verwaltung: ihre Mitglieder werden für die Mühen belohnt mit Beförderungen und lukrativen Posten, während die anderen ausgeschlossen werden (D-A-CH 3.2013).

Das Gesetz sieht Strafen für korrupte Beamte vor, aber die Regierung hat das Gesetz nicht effektiv umgesetzt. Menschenrechtsgruppen, die Medien, die ACC und andere Institutionen berichteten im Verlauf des Jahres über Regierungskorruption. Beamte, die in korrupte Praktiken involviert sind bleiben ungestraft. Laut eines Berichts der Weltbank aus dem Jahr 2010 untergräbt die Regierung die Arbeit der ACC und hat die Verfolgung von Korruption behindert. Der Bericht stellt fest, dass die Regierung weit weniger Korruptionsfälle erfasste als die vorherige Übergangsregierung und dass eine Regierungskommission der ACC empfiehlt, tausende von Korruptionsfällen fallenzulassen. Stimmen aus der Zivilgesellschaft erklärten, dass die Regierung nicht ernsthaft gegen Korruption kämpft und sie die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung verwendet. Die Regierung unternahm Schritte der verbreiteten Korruption in der Polizei nachzugehen. Der Generalinspekteur der Polizei setzte die Antikorruptionsausbildung fort, um eine leistungsfähigere Polizei zu schaffen. Eine Beurteilung der Auswirkungen dieser Maßnahmen innerhalb der Polizei liegt nicht vor. Die Regierung setzte die Justiz politischem Druck aus und Fälle, in die Oppositionsführer verwickelt waren, wurden oft auf ordnungswidrige Art und Weise abgewickelt. In der Justiz bleibt Korruption ein ernstes Problem und ist ein Grund für langwierige Verzögerungen bei Verfahren, die Zeugenmanipulation und Einschüchterung der Opfer beinhalten. Mehrere Berichte von Menschenrechtsgruppierungen und Korruptionsüberwachungsgruppen haben auf die wachsende öffentliche Unzufriedenheit mit der wahrgenommenen Politisierung der Justiz hingewiesen (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (8.2015a): Bangladesch, Innenpolitik,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html,

Zugriff 29.2.2016

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D-A-CH - Asylkooperation Deutschland-Österreich-Schweiz (3.2013):

D-A-CH mit Frankreich, Fact Sheet - Bangladesch

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TI - Transparency International (27.1.2016): Corruption Perceptions Index 2015,

http://www.transparency.org/cpi2015/#downloads, Zugriff 4.3.2016

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/270654/400719_de.html,

Zugriff 29.2.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechte werden nach der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert. Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien sind festgeschrieben. Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Grund- und Menschenrechte ist nicht ausreichend. Grundsatz-urteile des Obersten Gerichtshofs zu Menschenrechtsgarantien werden von Regierung und Behörden nicht ausreichend umgesetzt (AA 14.1.2016).

Die bedeutendsten Menschenrechtsprobleme sind außergerichtliche Tötungen, gewaltsames Verschwindenlassen von Personen, einige Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Internet und der Presse sowie schlechte Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte. Weitere Menschenrechtsprobleme betreffen Folter und andere Formen der Gewaltausübung durch Sicherheitskräfte, weitverbreitete Korruption, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen, geringe justizielle Kapazitäten, geringe Unabhängigkeit der Justiz sowie langwierige Untersuchungshaft. Die Behörden haben Persönlichkeitsrechte der Bürger verletzt. Politisch motivierte Gewalt und innerparteilich Gewalt bleiben ernste Probleme. Einige NGOs sind rechtlichen und informellen Einschränkungen ihrer Tätigkeiten ausgesetzt. Frauen leiden an Ungleichbehandlung, Kinder- und Zwangsheiraten sind ein Problem und viele Kinder sind gezwungen zu arbeiten, vor allem in der Schattenwirtschaft. Die Gründe dafür sind wirtschaftliche Not oder weil sie Opfer von Menschenhandel sind. Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen bleibt ein Problem, vor allem für Kinder, die den Eintritt in eine öffentliche Schule anstreben. Fälle von gesellschaftlicher Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten bestehen fort, obgleich viele Führer der Regierung und auch der Zivilgesellschaft behaupten, dass diese Akte politische oder wirtschaftliche Motive hatten und nicht gänzlich der religiösen Überzeugungen oder Einstellung zuzuschreiben sind. Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung besteht weiter. Die schwach ausgeprägte Rechtsstaatlichkeit ermöglicht es nicht nur dem Einzelnen, darunter auch Regierungsbeamten, straflos Menschenrechtsverletzungen zu begehen, sie hält die Bürger auch davon ab, ihre Rechte einzufordern. Die Regierung unternahm nur wenig, um Fälle von Tötungen und Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen und zu verfolgen. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen kann in de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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