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21/01 Handelsrecht;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, in der Beschwerdesache des R in Gossau, vertreten durch Dr. Johannes Neumayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 16. April 1996, Zl. 1-0784/95/E5, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung der F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. in D. nach außen berufenes Organ dafür verantwortlich, dass am 4. Mai 1994 um 14.00 Uhr im Geschäftsraum des F.-Marktes in G. eine Fleischpackung zu 493 g (Probennummer 903 KLI 55/94) mit der Bezeichnung "Faschiertes gemischt", abgepackt in eine Kartonschale und eingewickelt in einer farblosen Schrumpffolie, in einer Kühlvitrine gewerbsmäßig feilgeboten wurde, obwohl diese zur Abgabe an Letztverbraucher bestimmte Fleischware nicht vorschriftsmäßig gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c LMKV 1973 gekennzeichnet war, weil die Deklaration der Firma und des Firmensitzes (§ 3 Z. 2 LMKV 1973) durch das Anbringen des EAN-Codes überdruckt und somit kaum lesbar war. Er habe hiedurch die Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 5 Z. 1 LMG iVm §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Z. 2 und 4 Abs. 1 Z. 1 lit. c LMKV 1973 begangen; es wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Zum Vorbringen der Berufung, die Bestellung des J.I. zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG für die FZ-Gesellschaft m.b.H & Co wirke auch in Ansehung der F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H., legte die belangte Behörde dar, die FZ Gesellschaft m.b.H. & Co sei am 21. September 1993 aufgelöst und gelöscht und ihr Vermögen gemäß § 142 HGB durch die F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. übernommen worden. Diese Übernahme habe zur Folge, dass die von Dkfm. M.Z. in seiner Eigenschaft als Organ der FZ Gesellschaft m.b.H. & Co erfolgten Bestellungen verantwortlicher Beauftragter keine Wirkung für die F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. hätten. Dass die Übernahme eine Gesamtrechtsnachfolge darstelle, ändere daran nichts, da diese lediglich die Vermögensrechte betreffe.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde trägt zunächst vor, die FZ Gesellschaft m.b.H. & Co sei gemäß § 142 HGB auf die
F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. mit der Wirkung umgegründet worden, dass Anwachsung und Gesamtrechtsnachfolge nach dieser Bestimmung und Übernahme des gesamten Vermögens und aller Betriebe, so auch des F.-Marktes in G., erfolgt sei. Die
F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. sei somit gemäß § 142 HGB Gesamtrechtsnachfolgerin der FZ Gesellschaft m.b.H. & Co. Die belangte Behörde habe verkannt, dass die Übernahme gemäß § 142 HGB den Übergang sämtlicher Rechtsverhältnisse bewirke. Auch das Verhältnis zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG sei nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen; die Gesamtrechtsnachfolge und der Übergang aller Rechtsverhältnisse ohne Liquidation umfasse auch das Verhältnis zum verantwortlichen Beauftragten, der nach wie vor seine "Befehlsgewalt" ausübe, dessen Arbeitsverhältnis auf Grund der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen sei und der im gleichen Betrieb dieselbe Funktion wie zuvor bekleide.
Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Strittig ist im Beschwerdefall allein, ob sich der Beschwerdeführer als Geschäftsführer der
F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H., in deren Betrieb die Verwaltungsübertretung begangen wurde, mit Erfolg auf die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten J.I. durch die FZ Gesellschaft m.b.H. & Co berufen kann. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass das Geschäft der FZ Gesellschaft m. b.H. & Co im Sinne des § 142 HGB mit Aktiven und Passiven ohne Liquidation von der F. Einzelhandelsgesellschaft m.b.H. übernommen wurde. Die Entscheidung hängt somit davon ab, ob die Übernahme des Geschäftes nach § 142 HGB zur Folge hatte, dass der durch die erstgenannte Gesellschaft bestellte verantwortliche Beauftragte kraft der "Gesamtrechtsnachfolge" ohne weiteren Bestellungsakt als verantwortlicher Beauftragter der letztgenannten Gesellschaft anzusehen war.
Dies ist, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, nicht der Fall. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG bewirkt einen Adressatenwechsel in Bezug auf Normen des Verwaltungsstrafrechtes vom Unternehmensinhaber bzw. von dem zur Vertretung nach außen Berufenen zu einem verantwortlichen Beauftragten. Die Wirksamkeit dieses Adressatenwechsels ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft, darunter an den internen Akt der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten und den Nachweis dieser Bestellung gegenüber der Behörde. Wird eine dieser Voraussetzungen aufgehoben, endet auch die Stellung als verantwortlicher Beauftragter (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. September 1994, Zl. 93/10/0064).
Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Verantwortlichkeit des für die übernommene Gesellschaft bestellten verantwortlichen Beauftragten. Diese Gesellschaft wurde mit der Übernahme aufgelöst und beendet (vgl. Koppensteiner in Straube, HGB I2, § 142, Rz 9 mwN). Durch diese Beendigung der rechtlichen Existenz eines der am Bestellungsvorgang Beteiligten war auch das besondere verwaltungsrechtliche Rechtsverhältnis, das durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten unter den in § 9 Abs. 2 bis 4 VStG normierten Voraussetzungen begründet wird, beendet; denn es trifft die Auffassung nicht zu, dass die Nachfolge des Übernehmers in Rechte und Pflichten des ausscheidenden Gesellschafters auch die Nachfolge in das den Adressatenwechsel in Bezug auf verwaltungsstrafrechtliche Normen umfassende Rechtsverhältnis zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und dem von diesem bestellten verantwortlichen Beauftragten bewirke. Die Übernahme nach § 142 HGB bewirkt in vermögensrechtlicher Hinsicht die Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers in Aktiven und Passiven des ausscheidenden Gesellschafters, und zwar im Wege der Anwachsung (vgl. Koppensteiner, aaO, Rz 10, mwN); die Gesamtrechtsnachfolge hat auch bestimmte prozessrechtliche Konsequenzen (vgl. Koppensteiner, aaO, Rz 11, mwN). Daraus ist aber nicht die Konsequenz einer Nachfolge in jede öffentlich-rechtliche Rechtsposition - zumal für den Bereich des (Verwaltungs-)Strafrechts - zu ziehen. Zwar können bestimmte Verwaltungsrechtsverhältnisse von Rechtsnachfolgetatbeständen erfasst werden (vgl. hiezu z.B. das Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, Zl. 96/10/0255, 0256 mwH, und Pauger, Der dingliche Bescheid, ZfV 1984, 93, 103 mwN); die durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG begründeten Rechtspositionen der Beteiligten zählen aber nicht zu jenen Rechtsverhältnissen, die im Hinblick auf ihre Beziehung zu vermögenswerten Rechten oder Verbindlichkeiten unter den Begriff der "Aktiva und Passiva", die nach § 142 Abs. 1 HGB übernommen werden, zu subsumieren wären.
Bei der durch die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG für den Bereich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit begründeten Rechtspositionen des verantwortlichen Beauftragten einerseits und des Unternehmers andererseits handelt es sich auch nicht um (wechselseitige) "Rechte und Pflichten" aus dem im Zeitpunkt der Entstehung eines Eintrittstatbestandes bestehenden Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 3 Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG). Unter diesen Rechten und Pflichten sind alle Ansprüche und Verpflichtungen "auf Grund eines Einzelvertrages" zu verstehen (Vgl. auch ErlRV 1077 BlgNR 18. GP 11). Zwar kann der Kreis dieser Rechte und Pflichten als nicht nur die unmittelbar aus dem Arnbeitsvertrag resultierenden, sondern auch als die mit diesem eng verbundenn Rechtsverhältnisse, etwa Auftrags- und Vollmachtsverhältnissse, umfassend angesehen werden (vgl. Holzer/Reissner, Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz 95 mwN). Als Teil des wechselseitigen Rechte-Pflichten-Komplexes, der anlässlich des Entstehens des Eintrittstatbestandes auf den Betriebsnachfolger übergeht, kann zwar die arbeitsvertraglich übernommene Verpflichtung eines Dienstnehmers angesehen werden, eine Bestellung zum verantwortlichen Beuaftragten anzunehmen; davon zu unterscheiden ist aber das durch die wirksame Bestellung geschaffene Rechtsverhältnis nach aussen. Letzteres gehört - als die strafrechtliche Verantwortlichkeit betreffend - nicht zum Kreis der durch § 3 Abs. 1 AVRAG angesprochenen, aus dem Arbeitsverhältnis stammenden wechselseitigen Rechte und Pflichten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber; es stellt aber auch kein solches mit dem Arbeitsverhältnis eng verbundenes Rechtsverhältnis zwischen diesen Beteiligten dar.
Eine besondere gesetzliche Regelung für den Bereich des Verwaltungsstrafrechtes, wonach der vom früheren Inhaber des Unternehmens bestellte verantwortliche Beauftragte kraft eines Nachfolge- bzw. Eintrittstatbestandes für die im übergegangenen Betrieb begangenen Verwaltungsübertretungen einzustehen hätte, besteht nicht.
Schließlich ist noch auf den Umstand Bedacht zu nehmen, dass der Eintritt des Adressatenwechsels unter anderem an den Nachweis der Bestellung des verantwortlichen Beauftragten gegenüber der Behörde geknüpft ist. Ohne in diese Richtung gehende gesetzliche Anordnung kann nicht gesagt werden, dass der vom früheren Inhaber des Unternehmens stammende Bestellungsakt, auf den sich der der Behörde vorliegende Nachweis bezieht, ohne weiteres die Entlastung des Übernehmers von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit kraft Vorliegens eines Eintrittstatbestandes bewirkte.
Es liegt aber auch kein Verwaltungsrechtsverhältnis vor, das wegen seiner "Dinglichkeit" im Wege der Rechtsnachfolge überginge; denn es handelt sich nicht um ein Rechtsverhältnis, das an einer bestimmten Sache haftet, sich auf eine Person als Zurechnungssubjekt von mit einer Sache verbundenen Rechten und Pflichten bezieht und (daher) durch einen Wechsel in der Person des Berechtigten oder Verpflichteten nicht berührt würde (vgl. auch hiezu das oben erwähnte Erkenntnis vom 27. Oktober 1997). Im Gegenteil handelt es sich um die durch § 9 Abs. 2 VStG ausnahmsweise ermöglichte Übernahme der typisch personenbezogenen Verantwortlichkeit für verwaltungsstrafrechtlich verpöntes Verhalten. Ebenso wenig besteht eine besondere gesetzliche Anordnung, wonach mit einer (vermögensrechtlichen) Gesamtrechtsnachfolge, insbesondere im Wege eines dem § 142 HGB zu subsumierenden Vorganges, auch der Übergang der Rechtsposition des verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG verbunden wäre.
Der Beschwerdeführer hat sich daher zu Unrecht darauf berufen, dass für die Gesellschaft, zu deren Vertretung nach außen er im Tatzeitpunkt berufen war, ein verantwortlicher Beauftragter einzustehen hätte. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Dezember 1999
Schlagworte
Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Person des Bescheidadressaten dingliche WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996100104.X00Im RIS seit
21.02.2002