Entscheidungsdatum
19.07.2018Norm
AVG §71 Abs1Spruch
I411 2181988-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ägypten, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 04.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.07.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit dem Bescheid vom 20.07.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt zwei Wochen (Spruchpunkt IV.)
3. Nachdem der Beschwerdeführer an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig war und die belangte Behörde die aktuelle Abgabestelle des Beschwerdeführers nicht ohne Schwierigkeiten feststellen konnte, verfügte sie mit Beurkundung vom 21.07.2017 "gemäß § 23 Abs 2 ZustellG" die Hinterlegung des Bescheides im Akt.
4. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 02.10.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am selben Tag, beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhob zugleich Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.07.2017. Begründend führte er aus, dass ein unabwendbares und unvorhersehbares Ereignis vorliege, nämlich die fehlerhafte bzw. nicht erfolgte Zustellung des Bescheides. Er habe zwar ca. einen Monat lang keinen Meldezettel in Österreich gehabt, aber habe die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise versucht, seinen Aufenthaltsort zu eruieren. Dies erwecke den Eindruck, dass sein Fall nicht objektiv beurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe, nachdem er das Grundversorgungsquartier verlassen habe, so schnell wie möglich einen Meldezettel erstellt und sich keineswegs dem Verfahren entzogen. Auch wenn ein geringfügiges Versäumen der Mitwirkungspflicht beim Einschreiter vorliege, erreiche dieses nicht jenes Ausmaß, dass sein Recht auf einen gesetzlichen Richter und seine Recht auf die Führung eines ordentlichen Verfahrens übersteige. Die Vorgehensweise der belangten Behörde sei willkürlich.
5. Mit gegenständlichem Bescheid vom 04.12.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gemäß § 71 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF" ab.
6. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 02.01.2018, eingelangt bei der belangten Behörde am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 04.12.2017. Begründend führt er aus, dass die belangte Behörde bei der Abweisung seines Antrages lediglich auf die Rechtsmittelfristen, nicht jedoch auf die von ihm vorgebrachten Argumente eingegangen sei.
7. Mit Schreiben vom 03.01.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 05.06.2018, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum 02.07.2017 bis 10.07.2017 im Flüchtlingsquartier XXXX (XXXX), HXXXX in XXXX gemeldet. Ab 10.08.2017 bis 20.11.2017 war der Beschwerdeführer als Obdachlos gemeldet.
Mit Verfahrensanordnung vom 21.07.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte als juristische Person amtswegig zur Seite gestellt.
Die Zustellung des Bescheides der belangten Behörde vom 20.07.2017, Zl. XXXX erfolgte am 21.07.2017 - ohne vorhergehenden Zustellversuch - aufgrund einer von der belangten Behörde verfügten Hinterlegung im Akt gemäß § 23 Abs 2 ZustellG. Der Bescheid der belangten Behörde vom 20.07.2017 erwuchs am 19.08.2017 in Rechtskraft.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde fristgerecht eingebracht.
Der Beschwerdeführer brachte kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vor, das ihn an der fristgerechten Erhebung eines Rechtsmittels gehindert hätte.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen erheben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und einer Abfrage des Zentralen Melderegisters vom 08.01.2018.
Zur Feststellung, wonach der Beschwerdeführer kein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis vorgebracht hat, das ihn der fristgerechten Erhebung seines Rechtsmittels gehindert hätte, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer nicht bestreitet, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung, ein Monat lang, über keine aufrechte Meldeadresse verfügte. Dies, obwohl er bereits bei seiner Antragstellung am 02.07.2017 nachweislich schriftlich auf seine Melde- und Mitwirkungspflichten hingewiesen wurde und den Erhalt des Merkblattes Pflichten und Rechte von Asylwerbern mit seiner Unterschrift bestätigte. Weitere Gründe, die zum Versäumen der Frist geführt haben, brachte der Beschwerdeführer in seinen Schriftsätzen nicht vor, sondern beschränkten sich seine Ausführungen darauf, zu bestätigen, dass er nicht aufrecht gemeldet war sowie der belangten Behörde zu unterstellen, dass sei es nicht einmal versucht habe, seinen Aufenthaltsort, zu eruieren.
3. Rechtliche Beurteilung: Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8 und 23 ZustellG und § 71 Abs. 1 Ziffer 1 AVG lauten:
Änderung der Abgabestelle
§ 8. (1) Eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, hat dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.
(2) Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist, soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Hinterlegung ohne Zustellversuch
§ 23. (1) Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, daß ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.
(2) Die Hinterlegung ist von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.
(3) Soweit dies zweckmäßig ist, ist der Empfänger durch eine an die angegebene inländische Abgabestelle zuzustellende schriftliche Verständigung oder durch mündliche Mitteilung an Personen, von denen der Zusteller annehmen kann, daß sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Hinterlegung zu unterrichten.
(4) Das so hinterlegte Dokument gilt mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. ..."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis iSd § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).
Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, d.h. die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.).
Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wurde (VwGH 22.02.2001, 2000/20/0534; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280). Grundgedanke der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, dass über die Zulässigkeit der Nachholung der versäumten Prozesshandlung unverzüglich entschieden werden soll (vgl. etwa VwGH 26.01.1998, 96/17/0302). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Wiedereinsetzungswerber daher alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen; eine Auswechslung des Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig. Daraus folgt, dass mündliche Ergänzungen oder Erläuterungen des Antrages - selbst wenn sie innerhalb der Frist erfolgen - jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Akt keinen (inhaltlichen) schriftlichen Niederschlag gefunden haben (VwGH 25.02.2003, 2002/10/0223; VwGH 07.10.2005, 2003/17/0280).
Nachdem der Beschwerdeführer mit 10.07.2017 von seiner Unterkunft im Flüchtlingsquartier XXXX (XXXX), XXXXin XXXX abgemeldet wurde und sodann unbekannten Aufenthalts war, wurde der Bescheid ohne Zustellversuch hinterlegt und erfolgte diese Hinterlegung ohne Zustellversuch rechtmäßig.
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, wurde der Beschwerdeführer bereits bei seiner Antragstellung am 02.07.2017 zu seinen Mitwirkungs- und Meldepflichten manuduziert und bestätigte er den Erhalt des Merkblattes Pflichten und Rechte von Asylwerbern mit seiner Unterschrift. Konkret wurde er unter anderem verpflichtet, sich für den Fall, dass er die Grundversorgungsleistungen nicht in Anspruch nehmen wolle, binnen 72 Stunden bei der Meldebehörde anzumelden. Nachdem der Beschwerdeführer mit 10.07.2017 von seiner Unterkunft im Flüchtlingsquartier XXXX abgemeldet wurde, war er bis 10.08.2017, somit ein Monat lang, unbekannten Aufenthalts. Es liegt in der Verantwortung und im eigenen Verschulden des erwachsenen und volljährigen Beschwerdeführers, sich um eine neue Melde- bzw. Postanschrift zu bemühen, zumal er über die Relevanz einer aktuellen Zustelladresse belehrt wurde und ihm daher auch bewusst sein musste, dass er mit Schreiben der belangten Behörde zurechnen hat. Den Beschwerdeführer treffen im Asylverfahren nämlich Mitwirkungspflichten, über die er auch aufgeklärt wurde, welche er aber augenscheinlich nicht erfüllt hat. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellt sich als sorglos dar und kann darin weder ein unvorhergesehenes noch unabwendbares Ereignis gesehen werden, das ihn daran gehindert hätte, die Beschwerdefrist fristgerecht einzuhalten. Die Vorgehensweise des Beschwerdeführers ist auch unter Zugrundelegung der nicht einfachen Situation eines in einem fremden Land und Kulturkreis befindlichen Asylwerbers nicht geeignet darzulegen, dass ein Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 71 Abs. 1 AVG vorliegt. Damit war der diesbezügliche Antrag abzuweisen und hat die belangte Behörde daher folgerichtig entschieden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zur Unterlassung einer mündlichen Verhandlung
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und eine initiative Darlegung für die Entscheidungsfindung relevanten Umstände, die durch die weitere Hinterfragung zu klären gewesen wären, nicht erforderlich war. Insbesondere ist zu betonen, dass auf der Sachverhaltsebene keine Fragen offengeblieben sind, sondern diese vielmehr aus den Verwaltungsakten eindeutig und zweifelsfrei beantwortet werden konnten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Fristversäumung, Mitwirkungspflicht, Wiedereinsetzung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I411.2181988.1.00Zuletzt aktualisiert am
31.08.2018