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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art144 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic-Löffler, LL.M., 1. über den Antrag der P GmbH in G, vertreten durch die Divitschek Sieder Sauer Peter Rechtsanwälte GesbR in 8530 Deutschlandsberg, Raiffeisenstraße 3/2. Stock, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 28. Juli 2014, Zl. LVwG 52.28-3526/2014-2, betreffend Wiederbewaldungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), und 2. über die gegen das genannte Erkenntnis erhobene Revision, den Beschluss gefasst:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2018 beantragte die Revisionswerberin, ihr zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das angefochtene Erkenntnis die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, und führte die Revision unter einem aus.
2 Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, sie habe am 12. September 2014 fristgerecht eine Verfassungsgerichtshofsbeschwerde gegen das angefochtene Erkenntnis sowie einen Eventualantrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG "unter gleichzeitiger und eventualiter Ausführung der außerordentlichen Revision" beim Verwaltungsgericht eingebracht.
3 Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014, dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin am 31. Oktober 2014 zugestellt, sei die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten worden. Dieser Beschluss enthalte keine Rechtsmittelbelehrung dahingehend, dass die außerordentliche Revision binnen sechs Wochen ab Zustellung des Ablehnungs- und Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofs beim Verwaltungsgericht einzubringen sei und dass die außerordentliche Revision nicht von Amts wegen vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung übermittelt werde.
4 Die Revisionswerberin sei aufgrund des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014 davon ausgegangen, dass die von ihr bereits eventualiter ausgeführte außerordentliche Revision von Amts wegen vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung übermittelt werde.
5 Aufgrund eines Schreibens der Revisionswerberin an den Verwaltungsgerichtshof vom 19. April 2018 betreffend den Verfahrensstand habe die Revisionswerberin durch ein ihrem Rechtsvertreter am 14. Mai 2018 zugestelltes Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs (vom 2. Mai 2018, S 2018/0068-2) erstmals Kenntnis davon erlangt, dass im Zusammenhang mit dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014 ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht anhängig sei und die sechswöchige Frist für die Einbringung der außerordentlichen Revision beim zuständigen Verwaltungsgericht mit der Zustellung dieses Beschlusses am 31. Oktober 2014 neu zu laufen begonnen habe.
6 An der eingetretenen Fristversäumung treffe die Revisionswerberin "kein wie immer geartetes Verschulden". Es liege ein Fall des § 46 Abs. 2 VwGG vor; die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei zu bewilligen, weil der Ablehnungs- und Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014 keine Rechtsmittelbelehrung dahingehend enthalte, dass die außerordentliche Revision binnen sechs Wochen ab dessen Zustellung beim zuständigen Verwaltungsgericht einzubringen gewesen sei und die außerordentliche Revision nicht von Amts wegen vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof zur Behandlung übermittelt werde.
7 2. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch ein Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
8 2.1. Bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss sich die Partei das Verschulden des sie vertretenden Rechtsanwaltes zurechnen lassen. Ein Verschulden, das den Bevollmächtigten einer Partei trifft, ist so zu behandeln, als wenn es der Partei selbst unterlaufen wäre (vgl. etwa VwGH 20.1.2016, Ra 2015/04/0098, mwN). Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich dabei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. etwa VwGH 26.4.2018, Ra 2016/21/0030, mwN).
9 Nach der hg. Rechtsprechung stellt die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter keinen minderen Grad des Versehens (im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG) dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. etwa VwGH 30.7.2014, Ra 2014/08/0001, oder 11.8.2015, Ra 2015/10/0071, mwN).
10 2.2. Der im gegenständlichen Antrag als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemachte Umstand eines Rechtsirrtums des vertretenden Rechtsanwaltes über die Rechtslage betreffend die Einbringung einer Revision nach Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof kann dem Antrag somit nicht zum Erfolg verhelfen, zumal diese Rechtslage aus dem Gesetz ersichtlich ist (vgl. §§ 24 Abs. 1, 25a Abs. 5 und 26 Abs. 4 VwGG) und darüber hinaus zum Zeitpunkt der Erlassung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014 dazu bereits höchstgerichtliche Rechtsprechung vorlag (vgl. insbesondere VfGH 12.3.2014, E 30/2014, VfSlg. 19.867 (Punkt 2.2.)).
11 Der Hinweis der Revisionswerberin auf § 46 Abs. 2 zweite Alternative VwGG vermag daran nichts zu ändern, enthält doch das anzufechtende Erkenntnis eine Belehrung zur Erhebung einer Revision samt der Information, dass diese beim Verwaltungsgericht einzubringen ist.
12 3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 46 Abs. 4 VwGG abzuweisen.
13 Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 8. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018100105.L00Im RIS seit
31.08.2018Zuletzt aktualisiert am
13.09.2018