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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §55;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des M P in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 2018, W163 1411680-2/9E, betreffend Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG und Rückkehrentscheidung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, hält sich seit September 2008 im Bundesgebiet auf, wobei sein Aufenthalt bis Juni 2010 aufgrund eines Asylverfahrens vorläufig rechtmäßig war; danach wurde er insgesamt elfmal wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts angezeigt. Seit Februar 2009 ist der Revisionswerber durchgehend als Zeitungszusteller tätig, verfügt über eine Versicherung und ein Sprachzertifikat auf dem Niveau A 2. Im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) darüber hinaus zwei Einstellungszusagen, die Straffreiheit des Revisionswerbers, seine sozialen Bindungen und sein kirchliches Engagement; dem stünden laut BVwG starke Bindungen zum Herkunftsland (Einreise nach Österreich erst im Alter von 30 Jahren, zu Mutter und Bruder habe bis vor einem Jahr regelmäßig Kontakt bestanden, zu Ehefrau und Sohn sei der Kontakt abgerissen), fehlende familiäre Beziehungen in Österreich, die Missachtung einer rechtskräftigen Ausweisung, die Angabe falscher Daten (Geburtsdatum und Vorname) betreffend die Erlangung eines Heimreisezertifikates und das Zurückhalten einer Kopie des Reisepasses und einer Abschrift aus dem Geburtenbuch bis 2015, was die Effektuierung der Ausweisungsentscheidung gehindert habe, entgegen.
5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision zunächst eine "mehr als differente Judikatur zwischen den Senaten 21 und 22 des angerufenen Gerichtshofes", ohne dies konkret auszuführen. Soweit die Revision damit die Interessenabwägung anhand der Kriterien des Art. 8 EMRK meint, ist ihr zu entgegnen, dass es sich dabei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Einzelfallentscheidung handelt, welche grundsätzlich - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze erfolgte - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0234, mwN).
6 Weiter bringt die Revision vor, eine Antragstellung gemäß § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) setze zwangsläufig einen unrechtmäßigen Aufenthalt voraus, und verweist auf § 58 Abs. 10 AsylG 2005, wonach das Privat- und Familienleben erst ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung samt dreijähriger "Wartefrist" zu prüfen sei, sodass dem Revisionswerber nicht die gesamte Dauer seines unrechtmäßigen Aufenthalts vorgeworfen werden dürfe.
Mit dem Hinweis auf § 58 Abs. 10 leg. cit. verkennt die Revision, dass diese Bestimmung die Zulässigkeit einer Zurückweisung eines Antrages gemäß § 55 AsylG 2005 regelt, was fallbezogen nicht zu beurteilen ist, weil der Antrag des Revisionswerbers abgewiesen wurde. Auf das weitere (im Übrigen nicht nachvollziehbare) Vorbringen zu § 58 Abs. 10 leg. cit. war daher nicht einzugehen. Das BVwG berücksichtigte somit im Rahmen der Interessenabwägung zu Recht den langen unrechtmäßigen Aufenthalt des Revisionswerbers von sieben Jahren und neun Monaten und wies zutreffend darauf hin, dass er durch elf Anzeigen wegen seines unrechtmäßigen Aufenthalts wiederholt auf diesen Umstand hingewiesen wurde, ihn jedoch beharrlich ignorierte. Dabei ist - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht entscheidungsrelevant, ob der Revisionswerber auch bestraft wurde oder ob es sich bei dem andauernden unrechtmäßigen Aufenthalt um ein Dauerdelikt (wobei auch die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustandes pönalisiert ist, vgl. VwGH 20.9.1999, 98/21/0137) handelt.
7 Inwiefern fallbezogen ein Familienleben mit einer aufenthaltsberechtigten Person, einem EU-Bürger oder einem österreichischen Staatsbürger von Bedeutung sein könnte, lässt die Revision offen. Dass der Revisionswerber - laut Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis - "keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich" habe, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht bestritten.
8 Fallbezogen berief sich das BVwG keinesfalls auf Vorkommnisse, "welche knapp zehn Jahre" zurückliegen. Die Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes des Revisionswerbers und die Missachtung der Ausreiseverpflichtung liegen noch immer vor. Weiter hielt das BVwG dem Revisionswerber unter anderem vor, er habe bis 2015 eine Kopie seines Reisepasses und eine Abschrift aus dem Geburtenbuch zurückgehalten und sei zuletzt 2013 wegen rechtswidrigen Aufenthalts angezeigt worden. Wenn das BVwG unter Berücksichtigung der falschen Personenangaben des Revisionswerbers, wodurch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates vereitelt wurde, und die familiären Bindungen im Herkunftsstaat im Rahmen der Interessenabwägung zu dem Ergebnis gelangte, dass die Erlassung der Entscheidung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei, kann dies jedenfalls nicht als unvertretbar abgesehen werden. Dass der Revisionswerber seinen Reisepass im Original nicht vorlegte, war dabei nicht entscheidungsrelevant.
9 Soweit die Revision nur allgemein das Verfahren vor der Behörde rügt, zeigt sie damit schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich Entscheidungen (oder das Unterlassen von Entscheidungen) von Verwaltungsgerichten, nicht jedoch von Behörden, sein können.
10 In den Ausführungen zum Kostenersatzanspruch wird nicht dargelegt, inwiefern der Revisionswerber dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden könnte.
11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018220108.L00.1Im RIS seit
31.08.2018Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018