Index
E3R E03304000;Norm
31992R3887 gemeinschaftliche Beihilferegelungen DV Art9 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. G und Dr. P, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Juli 1999, Zl. 17.314/187-I A 7/99, betreffend Kulturpflanzenausgleichszahlung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Eingabe vom 17. April 1997 für Ölleinflächen von insgesamt 23,35 ha die Preisausgleichszahlung für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen.
Mit Bescheid vom 23. Oktober 1997 gab der Vorstand für den Geschäftsbereich II der AMA dem Antrag der Beschwerdeführerin teilweise statt und gewährte aus den Mitteln der Europäischen Union einen Kulturpflanzenausgleich in der Höhe von S 114.534,27. Das Mehrbegehren wurde abgelehnt.
Mit Bescheid vom 7. Mai 1999 änderte der Vorstand für den Geschäftsbereich II der AMA den Bescheid vom 23. Oktober 1997 ab, gab dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Preisausgleichszahlungen für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen teilweise statt und gewährte aus den Mitteln der Europäischen Union einen Kulturpflanzenausgleich in der Höhe von S 20.767,18. Das Mehrbegehren wurde abgelehnt. Aus der Begründung des Bescheides ergibt sich aus der Gegenüberstellung der beantragten und der berücksichtigten Flächen und der Wiedergabe der EU-Bestimmungen, dass für Öllein keine Auszahlung wegen der über 20 %igen Abweichung von der beantragten Fläche erfolge.
In der Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, der Betrieb könne die "Kaufbestätigung von 975 kg Öllein" nachweisen. Diese Saatmenge reiche bei einer Aussaatstärke von 30 kg pro Hektar für 32,5 ha. Die Kontrolle sei am 13. August 1997 zu einem Zeitpunkt, als der Mindestpflegezeitraum für Öllein bereits überschritten gewesen sei, erfolgt. Die hohe Niederschlagsmenge Ende Juli/Anfang August habe eine zeitgerechte Ernte verhindert bzw. keine weiteren Pflanzenschutzmaßnahmen erlaubt. Eine derartige Situation trete nicht nur bei Öllein, sondern mitunter auch bei Mais und Getreide auf, welche jedoch eine Ernte keinesfalls ausschließe. Die von der Kontrolle festgestellte Verunkrautung zu einem derart späten Zeitpunkt stelle keinen Anlassfall zu einer Aberkennung der Prämie dar.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab und führte aus, Kulturpflanzen seien jedenfalls bis zu Beginn des Blühzeitpunktes, Ölsaaten wenigstens bis zum 30. Juni zu pflegen, außer sie würden vor diesem Zeitpunkt im Vollreifezustand geerntet. Bleibe jedoch die Kultur über den 30. Juni bestehen, so sei sie bis zur Ernte nach ortsüblichen Normen zu pflegen. Zum Zeitpunkt der Vorortkontrolle sei die Kultur noch nicht geerntet gewesen. Auf Grund des Wortlautes der EU-Bestimmungen folge, dass auch zu diesem Zeitpunkt noch eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung gegeben sein müsse. Laut dem Ergebnis der Vorortkontrolle sei dieser Anforderung nicht entsprochen worden. Dem Argument, der Mindestpflegezeitraum für Öllein wäre längst überschritten, könne daher nicht gefolgt werden. Die beanstandeten Feldstücke 3 sowie Teile der Feldstücke 4 und 9 würden insgesamt eine beanstandete Fläche von 4,98 ha ergeben. Die bei der Kontrolle ermittelte Fläche betrage somit 18,37 ha. Daraus ergebe sich eine Differenz von mehr als 20 % zwischen der beantragten und der bei der Kontrolle ermittelten Fläche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Durchführung eines mängelfreien und vollständigen Verfahrens verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 658/96 der Kommission vom 9. April 1996 über die Voraussetzungen für die Ausgleichszahlungen im Rahmen Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen, Amtsblatt Nr. L 091 vom 12. April 1996, werden die Ausgleichszahlungen gemäß den Art. 4, 5, 6, 6a und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 nur für Flächen gewährt, auf denen die Kulturpflanzen nach anerkannten ortsüblichen Normen unter normalen Wachstumsbedingungen zumindest bis zum Beginn des Blühzeitpunkts in dieser Region gepflegt werden. Bei Ölsaaten, Eiweißpflanzen, Öllein und Hartweizen müssen die Pflanzen nach ortsüblichen Normen wenigstens bis zum 30. Juni vor dem betreffenden Wirtschaftsjahr gepflegt werden, es sei denn, sie werden vor diesem Datum im Vollreifezustand geerntet. Bei Eiweißpflanzen dürfen die Flächen erst nach dem Zeitpunkt der Milchreife geerntet werden.
In der Präambel dieser Verordnung ist festgehalten, es sei zu vermeiden, dass Flächen lediglich zwecks Inanspruchnahme der Ausgleichszahlung eingesät würden. Insbesondere für Ölsaaten, Eiweißpflanzen, Leinsamen und Hartweizen sollten bestimmte Bedingungen für Aussaat und Pflege der Kulturen festgelegt werden. Um die Vielfalt der Anbautechniken in der Gemeinschaft Rechnung zu tragen, sollten die ortsüblichen Normen eingehalten werden.
Nach dem Art. 3 Abs. 1 lit. c der genannten Verordnung müssen bei Ölsaaten die Pflanzen nach ortsüblichen Normen wenigstens bis zum 30. Juni vor dem betreffenden Wirtschaftsjahr gepflegt werden, es sei denn, sie werden vor diesem Datum im Vollreifezustand geerntet. Die Verordnung legt damit einen Stichtag fest, bis zu dem eine der Verordnung entsprechende Pflege der Ölsaaten zu erfolgen hat. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Pflanzen vor diesem Datum im Vollreifezustand geerntet werden. Die Verordnung normiert jedoch nicht, dass die Pflanzen jedenfalls bis zur Ernte, falls dieser Zeitpunkt nach dem 30. Juni liegt, auch nach dem 30. Juni nach den Regelungen der Verordnung gepflegt werden müssen, um die Ausgleichszahlung zu erhalten. Hätte der Verordnungsgeber eine verpflichtende Pflege bis zur Ernte anordnen wollen, ergibt die Normierung eines feststehenden Datums für die Pflege der Pflanzen und eine Ausnahmeregelung für Ernten vor dem 30. Juni keinen Sinn, wenn eine Pflege ohnehin auch nach dem 30. Juni bis zur Ernte Voraussetzung für die Gewährung der Ausgleichszahlung wäre. Vielmehr wäre bei einer verpflichtenden Pflege bis zur Ernte im Vollreifezustand dies auch - ohne nähere Zeitangabe oder auch für die Zeit nach dem 30. Juni - ausdrücklich angeordnet worden. Die Pflege der Kulturpflanzen nach den anerkannten ortsüblichen Normen unter normalen Wachstumsbedingungen hat somit bei den Ölsaaten bis zum 30. Juni - ausgenommen vorhergegangene Ernte - vorgenommen zu werden. Diese Rechtsauslegung deckt sich auch mit den Ausführungen in der Präambel der Verordnung hinsichtlich des Zieles der Vermeidung der Einsäung von Flächen nur zum Zweck der Inanspruchnahme der Ausgleichszahlung. Von einer solchen missbräuchlichen Inanspruchnahme kann bei einer Pflege bis zum 30. Juni jedoch nicht mehr ausgegangen werden.
Die Kontrolle der beantragten Flächen erfolgte am 13. August 1997. Anlässlich der Kontrolle wurde festgestellt, dass die mit Öllein bebauten Feldstücke 3, 4 und 9 verunkrautet gewesen seien, weil keine Pflegemaßnahmen gesetzt worden seien. Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, dass die Kultur bis zur Ernte nach ortsüblichen Normen zu pflegen sei. Mit dieser Auffassung verkannte die belangte Behörde die Rechtslage, weil - wie dargestellt - eine solche Pflege bei Ölsaaten - abgesehen von einer Ernte zu einem früheren Zeitpunkt - nur bis zum 30. Juni verpflichtend ist. Diese inhaltliche Rechtswidrigkeit geht den in der Beschwerde behaupteten und dem angefochtenen Bescheid anhaftenden Verfahrensmängeln vor. Zu Recht rügt nämlich die Beschwerdeführerin auch die Nichtangabe des Messverfahrens und die fehlende Begründung für das angenommene Ausmaß der Verunkrautung in den einzelnen Feldstücken. Weiters ist die belangte Behörde auf das Berufungsvorbringen inhaltlich nicht eingegangen. Insbesondere unterblieben Feststellungen, was unter einer Pflege nach ortsüblichen Normen im konkreten Fall zu verstehen sei. Es wurde im angefochtenen Bescheid zwar angeführt, dass "Verunkrautungen" gegeben gewesen seien, nicht aber welches Ausmaß diese hatten und ob sie bereits vor dem 30. Juni vorlagen oder - wie die Beschwerdeführerin in der Berufung vorbringt - durchaus kurz vor der Ernte nach einer langen Regenperiode üblich sind.
Soweit die Beschwerdeführerin - ausgehend von den von der belangten Behörde beanstandeten Flächen - meint, es könne bei einer nur geringfügigen Überschreitung (1,3 %) der "Toleranzgrenze" von 20 % nicht zur gänzlichen Versagung der Förderung kommen, verkennt sie allerdings die Rechtslage.
Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1648/95 der Kommission vom 6. Juli 1995 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen lautet auszugsweise wie folgt:
"Art. 9
(1) Wird festgestellt, dass die tatsächlich ermittelte Fläche über der im Beihilfeantrag 'Flächen' angegebenen Fläche liegt, so wird bei der Berechnung des Beihilfebetrags die angegebene Fläche berücksichtigt.
(2) Wird festgestellt, dass die in einem Beihilfeantrag 'Flächen' angegebene Fläche über der ermittelten Fläche liegt, so wird der Beihilfeantrag auf der Grundlage der bei der Kontrolle tatsächlich ermittelten Fläche berechnet. Außer in Fällen höherer Gewalt wird die tatsächlich ermittelte Fläche jedoch wie folgt gekürzt: um das Doppelte der festgestellten Differenz, wenn diese über 3 % oder über 2 ha liegt und bis zu 20 % der ermittelten Fläche beträgt.
Liegt die festgestellte Differenz über 20 % der ermittelten Fläche, so wird keinerlei Beihilfe für Flächen gewährt."
Nach dieser Regelung ist zunächst die Differenz zwischen der beantragten und der ermittelten Fläche zu bilden. Ausgehend davon, ist festzustellen, ob die Differenz über 20 % der ermittelten Fläche liegt. Entscheidend ist nicht, ob die Differenz über 20 % der beantragten Fläche liegt. Ist der genannte Prozentsatz auch nur geringfügig überschritten, dann ist keine Beihilfe zu gewähren. Beträgt die Differenz 21,3 % der ermittelten Fläche, dann ist die Beihilfe zu versagen.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Auf Grund der Entscheidung in der Sache erübrigt sich die Entscheidung des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999170375.X00Im RIS seit
20.11.2000