Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Florian P***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 17. April 2018, GZ 7 Hv 24/18s-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Florian P***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 201 Abs 1 StGB (I./) sowie des Vergehens der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er am 1. Jänner 2018 in W***** Sandra P*****
I./ mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er zu ihr mehrmals sinngemäß sagte, dass er sie umbringen würde, wenn sie nicht sofort mit ihm schläft, und er jetzt ihr Meister sei, weshalb sie machen müsse, was er sage, sowie dass sie seine Hure sein müsse, wobei er diese Äußerungen dadurch untermauerte, dass er sie würgte, sie wiederholt auf den Boden und gegen einen Zaun stieß, ihr die Jacke vom Oberkörper riss und ihren Kopf gegen den Boden und die Hausmauer stieß;
II./ mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zumindest mit weiteren Körperverletzungen zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung hinsichtlich der in Punkt I./ angeführten Tat zu nötigen versucht, indem er zu ihr wiederholt sinngemäß sagte, dass er ihr das Leben zur Hölle machen werde, wenn sie die Polizei verständigt, und diese Äußerungen dadurch untermauerte, dass er sie weiterhin umherstieß und auch würgte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 9 lit a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt:
Mit dem Einwand, die Konstatierung des Erstgerichts, wonach der Angeklagte Sandra P***** sinngemäß in Aussicht stellte, sie umzubringen, wenn sie nicht sofort mit ihm schläft (US 3; Schuldspruch I./), sei
unter Außerachtlassung der Aussage der Zeugin Sandra P*****, wonach er gesagt habe, entweder sie gehe jetzt mit ihm „aufi“ und schlafe mit ihm, oder er bringe sie um (ON 18 S 8, vgl auch US 13), unvollständig begründet, übergeht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) die ausdrückliche Erörterung der darauf bezogenen Schilderungen des Opfers im Urteil (US 8 f).
Die weitere Kritik einer „unvollständigen Feststellung hinsichtlich des Ortes, an dem die versuchte Tathandlung hätte begangen werden sollen“, bleibt unter dem Aspekt der Z 5 ohne Belang (RIS-Justiz RS0099575 [T5]). Als materielle Urteilskritik verstanden macht die Beschwerde hingegen nicht klar, inwieweit über den konstatierten Sachverhalt (US 3 ff, wonach der Angeklagte auf dem Parkplatz vor der Wohnung der Sandra P***** in W***** Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben in der Absicht einsetzte, hiedurch sein Opfer zur unmittelbar bevorstehenden [arg: „sofort“] Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen) hinausgehende Feststellungen zu den Örtlichkeiten des Geschehens für die rechtsrichtige Beurteilung der Tat erforderlich sein sollten.
Der Einwand der (zu II./ erhobenen) Rechtsrüge (Z 9 lit a), die tatrichterlichen Feststellungen (US 4 f) ließen nicht erkennen, ob der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, dass seine Drohung „als ernst gemeint empfunden wird“, orientiert sich nicht am Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit (RIS-Justiz
RS0099810), wonach vorliegend (auch) die – rechtlich gleichwertige und daher allein bereits den Tatbestand verwirklichende – Begehungsform der „Gewalt“, nämlich durch Herumstoßen und Würgen, angenommen wurde (US 5; vgl RIS-Justiz RS0116655&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">RS0116655, RS0093521; Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 10; Seiler SbgK § 105 Rz 4).
Die einen Schuldspruch „nach § 83 Abs 1 StGB iVm §§ 15, 105 StGB“ anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) reklamiert zu I./ fehlende Feststellungen zu einer „Art von geschlechtlicher/unsittlicher Berührung, die eine Beischlafswertigkeit darstellt“ und „am Parkplatz vorgenommen“ wurde, und behauptet, die Handlungen des Angeklagten seien „nicht einmal ansatzweise in die versuchte Ausführung des Tatbestands übergegangen“.
Weshalb die – solcherart bezweifelte – rechtliche Annahme des Erreichens des Versuchsstadiums beim Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB nicht schon bei Einsatz des Nötigungsmittels (vorliegend mit der Gewaltanwendung und mit der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben; US 3), sondern erst mit einer Verhaltensweise beginnen sollte, die dem Erreichen des Nötigungsziels (nämlich dem Beischlaf oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) unmittelbar vorangeht (vgl dazu: Philipp in WK² StGB § 201 Rz 40 f; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 201 Rz 24; Hinterhofer, SbgK § 201 Rz 71 f), entbehrt einer methodengerechten Ableitung aus dem Gesetz (RIS-Justiz RS0116565). Dass § 201 Abs 1 StGB ein besonderes zeitliches oder räumliches Naheverhältnis zwischen der Anwendung des Nötigungsmittels und der (damit bezweckten) Vornahme oder Duldung des Beischlafs (bzw einer diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung) verlangen sollte, vermag die Rüge ebenfalls nicht darzustellen (vgl dazu: RIS-Justiz RS0090063 [T1 und T2]; Hinterhofer SbgK § 201 Rz 73; Kienapfel/Schmoller StudB BT III² §§ 201–202 RN 43).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122539European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00076.18W.0823.000Im RIS seit
31.08.2018Zuletzt aktualisiert am
31.08.2018