Entscheidungsdatum
26.02.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §18Text
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Dr. Hason über die Beschwerde der T., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei …, vom 01.12.2016, Aktenzahl …, betreffend Bauordnung für Wien, ÜW Baubestand (vorschriftswidrige Baulichkeit), den
BESCHLUSS
gefasst:
Die Beschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG (mangels rechtswirksam erlassenen Bescheides) als unzulässig zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
Mit Bescheid vom 01.12.2016, Zl. … wurde der Eigentümerin des Gebäudes der Liegenschaft S.-gasse ONr. 5, EZ … der Kat. Gemeinde … gemäß § 129 Abs. 10 in Verbindung mit § 94 Abs. 4 (vormals § 101 Abs. 3) BO für Wien binnen 6 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides, aufgetragen:
„I.) Die Baubewilligungen …/4/79 vom 20.5.1980, …/2/70 vom 17.12.1970, …/1/67 vom 2.6.1967 und …/1610/93 vom 5.11.1993 zur Herstellung von Fensteröffnungen in der zur Liegenschaft S.-gasse 3 gerichteten Feuermauer werden hinsichtlich der Bewilligung zur Herstellung der Feuermaueröffnungen entsprechend Punkt 1 des Bescheides widerrufen.
II.) Die nunmehr konsenslosen Öffnungen in der zur Liegenschaft S.-gasse 3 gerichteten Feuermauer sind in voller Mauerstärke zu verschließen.“
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine umfangreiche Beschwerde und machte neben falscher rechtlicher Beurteilung, die Nichtigkeit des Bescheides aufgrund unvollständiger Zustellung geltend.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 02.05.2017, GZ: VGW-211/005/389/2017A-5 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe einer Spruchkorrektur bestätigt.
Dagegen wurde seitens der Beschwerdeführerin außerordentliche Revision an den VwGH erhoben, der mit Erkenntnis vom 12.12.2017, Zl. Ra 2017/05/0105-9, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes aufhob und ausführte:
„Ein Widerruf bezüglich der Feuermaueröffnungen ist nicht mehr vorgesehen. Eine Übergangsbestimmung in Bezug auf Öffnungen in Feuermauern, die im Geltungsbereich des § 101 Abs. 3 BO in der Fassung vor der Techniknovelle 2007 bewilligt worden waren, enthält die Techniknovelle 2007 nicht.
Es kann aber vorliegendenfalls dahingestellt bleiben, ob bzw. wieweit auf Grund der neuen Rechtslage ein Widerruf der Bewilligung von Öffnungen in Feuermauern seit dem Inkrafttreten der Techniknovelle 2007 ausscheidet und ob damit allenfalls verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf die Rechtsstellung des Nachbarn verbunden wären. Im vorliegenden Fall ist es nämlich so, dass die gegenständlichen Öffnungen in der Feuermauer bescheidmäßig ausdrücklich nur auf Widerruf bewilligt wurden. Die normative Bedeutung dieser rechtskräftigen Bescheidsprüche wurde durch keine Regelung der Techniknovelle 2007 verändert, insbesondere lässt sich der Techniknovelle 2007 nicht entnehmen, dass rechtskräftige Widerrufsbewilligungen in definitive Bewilligungen umgewandelt worden sind. Dies bedeutet, dass die gegenständlichen Öffnungen in der Feuermauer auf Grund der Bescheidsprüche ihrer Bewilligungen widerrufen werden können.
Das Revisionsvorbringen, dass nach dem Inkrafttreten der Techniknovelle 2007 ein Widerruf ausscheidet, führt daher nicht zum Erfolg. Insbesondere geht auch die Argumentation, dass der Widerruf in dem Fall, dass der Eigentümer der Nachbarliegenschaft seine Zustimmung widerrufe, nicht mehr in Frage komme, ins Leere, weil in den gegenständlichen Bescheidsprüchen einerseits von einer jederzeitigen Widerrufbarkeit durch die Baubehörde ohne nähere Einschränkung die Rede ist und andererseits auf § 101 Abs. 3 BO (in der Fassung vor der Techniknovelle 2007) verwiesen wird, wobei nach dieser Bestimmung dem Widerruf des Nachbarn Bedeutung zukam. Ein Antrag des Nachbarn an die Behörde wie im vorliegenden Fall, einen Auftrag zur Zumauerung der Feuermauer zu erlassen, kann nicht anders als ein Widerruf der ursprünglichen Nachbarzustimmung verstanden werden.
Ein behördlicher Widerruf auf der Grundlage von im Geltungsbereich des § 101 Abs. 3 BO in der Fassung vor der Techniknovelle 2007 erlassenen Bescheiden kann schließlich auch nicht unsachlich sein, wenn er im Gefolge eines Widerrufes durch den Nachbarn erfolgt, weil einerseits im Hinblick auf die Nachbarinteressen (insbesondere bezüglich Brandschutz) die Zustimmung des Nachbarn für die Bewilligung erforderlich war, und weil andererseits dem Nachbarn in diesem Zusammenhang sowie auch im Hinblick auf seine künftige Bebauung bzw. Nutzung der Nachbarliegenschaft gesetzlich zugesichert war, seine Zustimmung jederzeit zurückziehen zu können mit der Konsequenz des darauf zwingend folgenden baubehördlichen Widerrufes der Bewilligung.
Im Übrigen ist eingangs des Bescheides vom 1. Dezember 2016 (links oben) ausdrücklich die Liegenschaft S.-Gasse 5, EZ …, KG …, Grundstück Nr. … genannt (wenn auch nicht mit der Überschrift „Betreff“). Spruchgemäß wurde der Auftrag der „Eigentümerin der im Betreff genannten Liegenschaft“ erteilt. Als „Verpflichtete zur Schließung der Feuermaueröffnungen“ wurde in der Zustellverfügung ausdrücklich die Revisionswerberin angeführt.
Entgegen der Auffassung der Revision ist, auch wenn das Wort „Betreff“ fehlt, schon angesichts des Umstandes, dass ein Betreff stets eingangs eines Schriftstückes steht, daher davon auszugehen, dass die spruchgemäß zunächst abstrakte Bezeichnung der Verpflichteten durch die namentliche Bezeichnung in der Zustellverfügung die notwendige Individualisierung des bescheidmäßigen Auftrages herbeigeführt hat (vgl. VwGH 16.2.2017, Ro 2014/05/0018, mwN). Es ist damit aber auch eine zweifelsfreie Bezeichnung jener Person, an die sich der Bescheid richtet, gegeben (vgl. VwGH 12.11.2002, 2002/05/0758).
Zielführend ist allerdings das Revisionsvorbringen, dass das Verwaltungsgericht hätte klären müssen, ob der Revisionswerberin eine vollständige Ausfertigung des Bescheides vom 1. Dezember 2016 zugestellt worden ist.
29 § 18 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 lautet auzugsweise:
„Erledigungen
§ 18. ...
(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt....“
§ 19 E-Governement-Gesetz, BGBl. I Nr. 10/2004, in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2016, lautet:
„Amtssignatur
§ 19. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.
(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesen unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihnen erzeugten Dokumente verwendet werden.
(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Auftraggeber des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.“
Sollte hinsichtlich des Bescheides vom 1. Dezember 2016 der Partei keine Ausfertigung in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke zugekommen sein, würde es sich um eine „sonstige Ausfertigung“ im Sinne des § 18 Abs. 4 dritter Satz AVG handeln, die dementsprechend zu unterschreiben oder zu beglaubigen ist. Es wäre sohin auf Grund des Beschwerdevorbringens zu prüfen gewesen, ob gegenüber der Revisionswerberin der Bescheid vom 1. Dezember 2016 überhaupt wirksam geworden ist (vgl. VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102). Allenfalls hätte mangels eines Bescheides keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes bestanden, über die Beschwerde in der Sache abzusprechen (vgl. VwGH 19.3.2015, 2012/06/0145).
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.“
Aufgrund des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes tritt das Verfahren in das Stadium vor Erledigung der Sache durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 02.05.2017, GZ: VGW-211/005/389/2017A-5, zurück. Es ist unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes eine neue Entscheidung zu treffen.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichts Wien übermittelte die Beschwerdeführerin eine Kopie des gegenständlichen am 06.12.2016 eingegangen Bescheides. Es handelt sich dabei um die ersten drei Seiten des Bescheides samt Zustellverfügung, die dem Bescheid beigeschlossenen Kopien der Baubewilligungen wie auch die Amtssignatur fehlen. Des Weiteren wurde die Zustimmungserklärung vom 02.02.2018 der Frau G., als Eigentümerin der Liegenschaft EZ …, KG …, S.-gasse ONr. 3, übermittelt, mit welcher die unwiderrufliche Zustimmung für die gegenständlichen fünf Feuermaueröffnungen erteilt wurde.
Weiters wurde die belangte Behörde aufgefordert den Nachweis zu erbringen, dass der Bescheid der Beschwerdeführerin vollständig zugestellt wurde. Dem Schreiben der Behörde vom 24.01.2018 ist jedoch lediglich zu entnehmen, dass mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ davon auszugehen ist, dass der Bescheid vollständig übermittelt wurde.
Da somit kein Nachweis erbracht werden konnte, dass der gegenständliche Bescheid der Beschwerdeführerin vollständig samt Amtssignatur zugestellt wurde, ist von keinem wirksam erlassenen Bescheid gegenüber der Beschwerdeführerin auszugehen. Es kommt daher der Beschwerde keine Berechtigung zu, da das Vorliegen eines wirksam erlassenen Bescheides Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit der Einbringung eines dagegen gerichteten Rechtsmittels ist und war die vorliegende Beschwerde daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Baupolizeilicher Auftrag; Bescheid; Ausfertigung, unvollständig; Fehlen der AmtssignaturEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.211.005.317.2018.EZuletzt aktualisiert am
28.08.2018