Entscheidungsdatum
07.08.2018Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §21 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Schmied über die Beschwerde der Frau O. M., vertreten durch V., vom 9.4.2018, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 22.3.2018, Zl. MA35-..., mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 8.8.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 1 Z 2 u 4 iVm Abs. 5 NAG Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz idgF, abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass er sich auf § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz -NAG stützt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 22.3.2018 wurde der bei der Österreichischen Botschaft in Peking gestellte Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der Mongolei, auf Erteilung des Aufenthaltstitels für den Zweck „Studierender“ gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 2 Z 2 und 4 sowie mit § 11 Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführerin ein Rechtsanspruch betreffend den Zugriff auf ihr bestehendes Kontoguthaben zukomme und dass die auf dem Konto befindlichen Mittel aus legitimen Quellen stammten. Da die Herkunft der Unterhaltsmittel seitens der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar nachgewiesen worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 4 in Verbindung mit § 11 Abs. 5 NAG nicht vor. Außerdem habe die Beschwerdeführerin keinen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachweisen können, sodass auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG nicht vorliegen würden.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde bringt die vom V. vertretene Beschwerdeführerin vor, sie habe sämtliche Voraussetzungen für den beantragten Aufenthaltstitel erfüllt und auch die entsprechenden Nachweise vorgelegt. Sie verfüge über ausreichende finanzielle Mittel, eine entsprechende Krankenversicherung und eine entsprechende Unterkunftsmöglichkeit.
Mit Schriftsatz vom 14.5.2018 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie seit 1.5.2018 bis 30.8.2019 über einen Platz im Studentenheim (...) in Wien, ... verfüge und legte den entsprechenden Vertrag in Kopie vor.
Am 27.7.2018 führte das Verwaltungsgericht Wien in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durch. Zur Verhandlung sind die Beschwerdeführerin, eine Dolmetscherin für die mongolische Sprache sowie ein Vertreter des V. ladungsgemäß erschienen. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung ohne Angabe von Gründen fern.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Sachverhalt:
Aufgrund der insoweit unbestritten gebliebenen Aktenlage und der in der mündlichen Verhandlung aufgenommenen Beweise wird folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:
Die am ...1992 geborene Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Mongolei, stellte am 8.8.2017 bei der Österreichischen Botschaft in Peking einen Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsbewilligung Studierender“. Sie legte unter anderem den Bescheid der Universität Wien vom 5.7.2017 über ihren Antrag auf Zulassung zum Bachelorstudium ... inklusive Deutschkurs im VWU vor. Der Zulassungsbescheid enthält gleich mehrere Bedingungen, darunter die Vorlage von Originaldokumenten, die Absolvierung eines Aufnahmeverfahrens sowie das Bestehen von Ergänzungsprüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik.
Am 28.11.2018 reiste die Beschwerdeführerin mit einem bis 27.3.2018 gültigen Visum D in das Bundesgebiet ein und hält sich seither ohne Unterbrechung in Österreich auf. Seit 28.3.2018 gründet sich ihr Aufenthalt im Bundesgebiet auf keinen gültigen Aufenthaltstitel. Die Beschwerdeführerin hat keine Angehörigen in Österreich.
Die Beschwerdeführerin besucht seit 1.3.2018 den Vorstudienlehrgang Deutsch an der Universität Wien. Seit 5.2.2018 ist die Beschwerdeführerin bei der WGKK selbstversichert und verfügt somit über eine alle Risiken abdeckende Krankenversicherung. Ihr Bankkonto weist gegenwärtig ein Guthaben von 11.019,09 Euro auf. Das Geld stammt vom Stiefvater der Beschwerdeführerin, der in J. als Angestellter arbeitet. Die ebenfalls in J. aufhältige Mutter verfügt als Hausfrau über kein eigenes Einkommen. Seit 2.5.2018 ist die Beschwerdeführerin in einem Studentenwohnheim in Wien wohnhaft. Der Heimplatz steht ihr bis 31.8.2019 zur Verfügung.
Diese unbestritten gebliebenen Feststellungen gründen sich auf die Aktenlage und die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung erstatteten Aussagen sowie auf die von ihr vorgelegten Dokumente, insbesondere auf den im Original vorgelegten Reisepass samt dem mittlerweile abgelaufenen Visum D, die Kontoauszüge, die Tätigkeitsbescheinigung für ihren Stiefvater, die Versicherungsbestätigung, die Bestätigung des Studentenheims, und die Bestätigung über den Besuch des Vorstudienlehrgangs Deutsch.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 64 Abs. 1 NAG kann Drittstaatsangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie
1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.
Gemäß § 21 Abs. 1 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 24.2.2011, 2010/21/0460, ausgesprochen, dass ein Fremder, der einen Erstantrag vom Ausland aus stellt, dann mit einem Visum D in das Bundesgebiet einreist und hier die Entscheidung über seinen Erstantrag abwartet, gegen die sich aus § 21 Abs. 1 NAG ergebende Verpflichtung, die Entscheidung über den Erstantrag im Ausland abzuwarten, verstößt, sobald er die im Visum D ersichtliche höchstzulässige Aufenthaltsdauer überschreitet. Sollte bei Ablaufen der Gültigkeitsdauer des Visum D noch nicht über den Erstantrag abgesprochen worden sein, wäre die Behörde verpflichtet, den Fremden in einem solchen Fall in analoger Anwendung des § 11 Abs. 3 NAG über die nach dieser Rechtsvorschrift vorgesehene Möglichkeit, die Zulässigkeit der Antragstellung im Inland zu beantragen, zu belehren. Wurde jedoch über den Erstantrag bereits zu einem Zeitpunkt abgesprochen, zu dem sich der Fremde aufgrund des Visum D noch rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, kann das Erfordernis, ihn über die Möglichkeit einer Inlandsantragstellung zu belehren nicht schlagend werden, weil die erstinstanzliche Entscheidung zu einem Zeitpunkt erging, zu dem die Zulässigkeit der "Inlandsantragstellung" noch kein Thema war. Die aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK muss allerdings auch in einer derartigen Konstellation möglich sein.
Umgelegt auf den gegenständlich zu beurteilenden Fall bedeutet dies, dass die Beschwerdeführerin, indem sie nach Versagung des von ihr beantragten Aufenthaltstitels über die im Visum D angeführte höchstzulässige Aufenthaltsdauer hinaus im Bundesgebiet verblieben ist, gegen die Rechtsvorschrift des § 21 Abs. 1 NAG verstoßen hat. Da die negative behördliche Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Studierende“ bereits vor Ablauf der Gültigkeit ihres Visums D erlassen wurde, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, die Beschwerdeführerin über die Möglichkeit einer Inlandsantragstellung zu belehren.
Der Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels ist nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des VwGH allerdings erst dann wegen Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 NAG abzuweisen, wenn eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vorgenommen wurde. Diese Interessenabwägung fällt gegenständlich zu Lasten der Beschwerdeführerin aus, zumal diese im Bundesgebiet keine Angehörigen hat und in der kurzen Zeit, während der sie sich hier aufgehalten hat, noch über keine derart intensiven Bindungen verfügt, die geeignet wären, das öffentliche Interesse an einem geordneten und gesetzeskonformen Zuzug Fremder in das Bundesgebiet zu überwiegen. Zwar kann der Beschwerdeführerin zu Gute gehalten werden, dass sie den Vorstudienlehrgang Deutsch im Sommersemester 2018 besucht hat, doch vermag dieser Umstand allein ihren unrechtsmäßigen Aufenthalt seit Ablauf ihres Visums nicht aufzuwiegen. Das Gericht verkennt in diesem Zusammenhang keineswegs den Umstand, dass das Verlassen des Bundesgebiets nach Ablauf des Visums D für die Beschwerdeführerin aufgrund der hohen Reisekosten für eine Rückkehr in die Mongolei mit erheblichen Unannehmlichkeiten sowie mit finanziellen Belastungen verbunden gewesen wäre, doch vermag auch dieser Umstand, ihren unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich nicht zu rechtfertigen. Sonstige nach Art. 8 EMRK berücksichtigenswerte Umstände wurden von der Beschwerdeführerin nicht ins Treffen geführt, sodass ihr der begehrte Aufenthaltstitel „ Studierende“ schon wegen Verstoßes gegen die in § 21 Abs. 1 NAG statuierte Verpflichtung, die Entscheidung über ihren Antrag im Ausland abzuwarten, zu versagen war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Auf die von der belangten Behörde für die Beschwerdeführerin negativ beschiedene Frage, ob ihr Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, musste vor diesem Hintergrund nicht mehr näher eingegangen werden. Es sei jedoch in diesem Zusammenhang angemerkt, dass die finanzielle Bestreitung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet ausschließlich von der Finanzierungsbereitschaft ihres in J. wohnhaften Stiefvaters, dem gegenüber kein Unterhaltsanspruch besteht, abhängt und die Mutter der Beschwerdeführerin selbst nicht erwerbstätig ist, sodass durchaus fraglich erscheint, ob es sich bei den am Konto der Beschwerdeführerin aufscheinenden Gutschriften um feste und regelmäßige eigene Einkünfte im Sinne des § 11 Abs. 5 NAG handelt, die ihr eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen.
Zur Unzulässigkeit der Revision:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffes „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" kann somit auch auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungs-gerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen hingegen ist der VwGH nicht zuständig (VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015). Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann der VwGH jedoch prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (VwGH 19.05.2014, Ra 2015/19/0091).
Da in Ansehung dieser von Judikatur und Literatur herausgearbeiteten Grundsätze im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt und sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerade auf die vorhandene und nicht als uneinheitlich zu qualifizierende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere VwGH vom 24.2.2011, 2010/21/0460) stützt, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.
Schlagworte
Erstantrag, Abwarten der Entscheidung im Ausland, Visum D, höchstzulässige Aufenthaltsdauer, InteressenabwägungAnmerkung
VwGH v. 31.01.2019, Ra 2018/22/0233; ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.151.046.4895.2018Zuletzt aktualisiert am
15.02.2019