TE Lvwg Erkenntnis 2018/7/11 LVwG-2017/43/1548-1

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Veröffentlicht am 11.07.2018
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Entscheidungsdatum

11.07.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

EGVG 2008 Art3 Abs1 Z2
VStG §45 Abs1 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Schmalzl über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.05.2017, Zl *****, betreffend eine Übertretung nach dem EGVG,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben als von der Verhängung einer Strafe abgesehen und eine Ermahnung erteilt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:

Tatzeit: 09.07.2016, 17:04 Uhr

Tatort:          Gemeinde Y, Adresse 2

Sie haben die Eisenbahn des Verkehrsbetriebes BB der Linie ** **** Wagen Nr. (letzter Waggon) in Fahrtrichtung X benutzt und sich dadurch die Beförderung durch eine dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung verschafft, ohne das nach den Tarifbestimmungen festgesetzte Entgelt zu entrichten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

Art III Abs 1 Z 2 EGVG“

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Beschwerdeführer gemäß Art III Abs 1 Schlusssatz EGVG eine Geldstrafe von € 80,00 verhängt. Weiters wurde dem Beschuldigten gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens in der Höhe von € 10,00 vorgeschrieben.

II.      Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer benutzte zu dem im angefochtenen Straferkenntnis angegebenen Zeitpunkt die nämliche Eisenbahn ohne über eine gültige Fahrkarte zu verfügen. Jedoch verfügte er über eine Fahrkarte für das von ihm mitgeführte Fahrrad. Zuvor war es dem Beschwerdeführer am Zustiegsbahnhof nicht gelungen, am Automaten eine Personen-Fahrkarte für sich selbst zu lösen. Daraufhin nahm er vor Einstieg in den Zug mit der Zugbegleiterin des nämlichen Zuges Kontakt auf und erklärte dieser, nur über eine Fahrkarte – nämlich für sein Fahrrad – zu verfügen. Deren Antwort verstand der Beschwerdeführer dahingehend, dass er die fehlende Personen-Fahrkarte auch im Zug lösen könne.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Behördenakt. Dass er ohne gültige Fahrkarte unterwegs war, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Die Darstellung des Beschwerdeführers, was seine Überzeugung anlangt, er könne eine Fahrkarte auch im Zug lösen, ist glaubwürdig. So entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es fallweise bei der Bedienung von Fahrkartenautomaten zu Schwierigkeiten kommen kann. Dies insbesondere dann, wenn entsprechender Zeitdruck dazu kommt. Ebenso ist nachvollziehbar, dass es in einem während des kurzen Aufenthalts eines Zuges im Bahnhof, neben der Wahrnehmung ihrer Verpflichtungen durch die Zugbegleiterin sowie des Verladens eines Fahrrads geführten Gespräch zu Missverständnissen kommen kann. Dies insbesondere zu der Frage, welche von 2 notwendigen Fahrkarten bereits vorliegt (im häufigeren Fall wird wohl auf die Fahrrad-Fahrkarte vergessen werden) und welche dieser Fahrkarten im Zug erworben werden kann.

IV.      Rechtslage:

Die hier relevante Bestimmung des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 (EGVG), BGBl I Nr 87/2008, idF BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

„Artikel III

(1) Wer

[…]

2. sich die Beförderung durch eine dem öffentlichen Verkehr dienende Einrichtung verschafft, ohne das nach den Tarifbestimmungen und Beförderungsbedingungen dieser Einrichtungen festgesetzte Entgelt ordnungsgemäß zu entrichten, oder

[…]

begeht, in den Fällen der Z 3 oder 4 dann, wenn die Tat nicht nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, in den Fällen der Z 2 und 4 für das Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, von der Landespolizeidirektion, in den Fällen der Z 1 und 2 mit einer Geldstrafe von bis zu 218 Euro, im Fall der Z 3 mit einer Geldstrafe von bis zu 1 090 Euro und im Fall der Z 4 mit einer Geldstrafe von bis zu 2 180 Euro zu bestrafen. Im Fall der Z 4 ist der Versuch strafbar und können Gegenstände, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde, für verfallen erklärt werden.“

Die hier relevante Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl Nr 52/1991, idF BGBl I Nr 120/2016, lautet wie folgt:

“§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(2) Wird die Einstellung verfügt, so genügt ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei gegen die Einstellung Beschwerde beim Verwaltungsgericht zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.“

V.       Erwägungen:

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der unter Strafe gestellter Sachverhalt mit der für die Bestrafung notwendigen Sicherheit als erwiesen feststehe. Die Verwaltungsübertretung sei von Beamten der PI Y dienstlich festgestellt worden, wobei keine Veranlassung bestehe, an deren Glaubwürdigkeit zweifeln. Selbst der Beschwerdeführer gestehe ein, er habe über keine gültige Fahrkarte verfügt, sondern lediglich eine Fahrkarte für sein Fahrrad gelöst. Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, es sei die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers mildernd zu werten; von einem beträchtlichen überwiegenden Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen im Sinne des § 20 VStG sei jedoch nicht auszugehen. Ebenso wenig liege ein „geringes Verschulden“ im Sinne des § 45 Abs 1 Z4 VStG vor. Der Beschwerdeführer hätte sich im Klaren sein müssen, dass er sich über Rechtsvorschriften hinwegsetzt. Die Strafhöhe liege im untersten Bereich, sodass auch bei ungünstigen Einkommens-, Vermögens-, und Familienverhältnissen diese als keineswegs erhöht und als unbedingt notwendig anzusehen sei, um der Beschuldigten von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

Der Beschwerdeführer hielt dem entgegen, eine inhaltliche Auseinandersetzung seiner Aussage mit der Aussage der seinerzeitigen Zugbegleitung habe nicht stattgefunden. Stattdessen werde nur formalistisch darauf eingegangen, dass die Meldungsleger im Falle wahrheitswidriger Angaben mit straf- und disziplinarrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hätten. Er bezieht sich auf ein kurzes Gespräch, welches er vor Abfahrt des Zuges mit der Zugbegleiterin geführt habe, wonach „sie zwar bereit gewesen wäre, mich ohne Fahrradkarte einsteigen zu lassen und mir diese nachträglich zu verkaufen, nicht aber ohne Fahrkarte“. Die Darstellung dieser Zugbegleiterin über den damaligen Vorfall sei ihm bis dato nicht zugänglich gemacht worden. Der Beschwerdeführer führte aus, er sei zu jedem Zeitpunkt bereit gewesen, für eine im Zug verkaufte Fahrkarte ein höheres Entgelt zu entrichten, wie es aus Deutschland kenne. Er sei jedoch nicht bereit, sich als Kriminellen behandeln zu lassen, der eine Beförderung erschleichen wolle. Der Beschwerdeführer ersuchte darum, seine Angaben mögen auf Plausibilität geprüft werden: „Steigt jemand ohne Fahrkarte in einen Zug ein, wenn er weiß, dass dieser von einem Kontrolldienst begleitet wird und man sich mit dem Kontrolldienst vor Einsteigen noch unterhalten hat? Setzt sich jemand ohne Fahrkarte in die unmittelbare Nähe des besagten Kontrollpersonals wie es hier der Fall war oder sucht er, wenn er böse Absichten hegt, nicht eher das entgegengesetzte Ende des Zuges auf? Warum wurde, als offensichtlich wurde, dass es sich doch nur um ein Missverständnis handeln kann, nicht einmal erwogen, die in dem Abteil anwesenden Personen zu befragen, die hätten bezeugen können, wie ich mich auf dem Bahnsteig um eine Fahrkarte bemüht hatte? Warum wurde nicht einmal erwogen, die Tatsache, dass sich etliche Fahrkarte mitführte, die sich auf meiner Reise angehäuft hatten, zu meinen Gunsten und als Ausweis meiner Bereitschaft zu deuten, für Beförderungsleistungen zu zahlen? Warum wurde die Tatsache dass ich aus dem Ausland komme, nicht dahingehend gewürdigt, dass ich die österreichischen Usancen nicht so genau kenne? Ich denke, dass der Zugbegleiterin an jenem Tag ohne weiteres möglich gewesen wäre, in dieser Situation ein angemessenes Entgegenkommen zu zeigen.“

Trotz der Verwendung des Wortes „kann“ ermächtigt Vorschrift des § 45 VStG die Behörde nicht zur Ermessungsübung. Sie ist vielmehr als eine Anordnung zu verstehen, die die Behörde im Rahmen gesetzlicher Gebundenheit ermächtigt, bei Zutreffen des im ersten Satz angeführten weiteren Kriteriums mit einer Ermahnung vorzugehen. Für die Annahme, dass der Behörde in Fällen, in denen die tatbestandsbezogenen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG (nunmehr: § 45 Abs 1 Z 4 VStG) erfüllt sind, eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Strafausspruch und dem Absehen von einer Strafe offen stehe, bleibt bei gebotener verfassungskonformer Auslegung kein Raum (VwGH 28.10.1980, 263, 264/80).

Der Beschuldigte hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch darauf, dass von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht wird.

Die Schuld des Beschuldigten ist dann geringfügig, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechtsund Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. VwGH 10.12.2001, 2001/10/0049), unabhängig von der Schuldform, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit (vgl. VwGH 20.9.1999, 98/10/0005).

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Folgen des gegenständlichen Delikts gering waren und der bisher unbescholtene Beschwerdeführer nachvollziehbarerweise auf die von einer den BB zugehörigen Person erteilte (allerdings falsch verstandene) Auskunft vertraute, er könne die notwendige Fahrkarte noch im Zug erwerben, sowie aufgrund seines glaubwürdigen Vorbringens (hierauf bezieht sich auch die seinerzeit eingeschrittene Beamtin der PI Y in ihrer Stellungnahme vom 14.09.2016), er verfüge über eine Mehrzahl ordnungsgemäß erworbener und bereits benutzter Fahrkarten – was darauf hinweist, dass der Beschwerdeführer sich Fahrdienstleistungen keineswegs zu erschleichen pflegt – war daher mit dem Ausspruch einer Ermahnung vorzugehen. Eine solche erscheint im Gegenstandsfall ausreichend, um den Beschwerdeführer in Zukunft von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Schmalzl

(Richterin)

Schlagworte

Kein gültiger Fahrschein; wollte Fahrschein im Zug erwerben;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.43.1548.1

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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