Entscheidungsdatum
20.08.2018Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §35Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 27.03.2018, *****, betreffend der Verhängung einer Mutwillensstrafe, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mitte Juni 2016 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer auf dem Gst Nr **1, KG Z, unter anderem folgende Maßnahmen durchgeführt hat.
? Vornahme einer Geländeaufschüttung auf einer Teilfläche im Ausmaß von ca 264 m²,
? Errichtung einer Steinschlichtung auf dem erwähnten Grundstück entlang der Grundstücksgrenze zum Gst Nr **2, KG Z,
? Verlegung einer Leerverrohrung für Wasser und Strom im Bereich der oben angeführten Geländeaufschüttung.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 02.12.2016, Zl *****, wurde festgestellt, dass es sich bei der gegenständlichen Teilfläche um Wald im Sinne des Forstgesetz handelt und dem Beschwerdeführer die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf Gst Nr **1, KG Z, aufgetragen.
Innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist wurde vom Beschwerdeführer kein Rechtsmittel erhoben.
Mit Schreiben vom 20.04.2017 wurde vom Beschwerdeführer ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG gestellt.
Dies wurde zusammenfassend damit begründet, dass aufgrund der durch den derzeitigen „Juristenkurs“ zur Verfügung gestellten Forstrechtsunterlagen durchgeführten Recherchen im RIS (Rechtsinformationssystem) neue Tatsachen hervorgekommen seien.
Es gehe aus diesen Unterlagen eindeutig hervor, dass auch bestockte Flächen einer Eisenbahnanlage nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes zu gelten haben. Weiters könne die Behörde nicht eine Partei zu einer Aufforstung von Waldrandbereichen verpflichten wenn es die Verordnung zum „Naturschutzgebiet-Tschirgant Bergsturz“, LGBl Nr 20/2009, verbiete.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 29.05.2017, Zl *****, wurde der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die ursprünglich im Forstgesetz enthaltene Bestimmung, dass bestockte Flächen, die dem unmittelbaren Betrieb einer im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehenden Eisenbahn dienen, nicht als Wald im Sinne des Abs 1 ForstG 1975 gelten, mit der Novelle zum Forstgesetz 1975, BGBl I Nr 104/2013, gestrichen wurde.
Auf Grund dessen könne sich keine andere forstrechtliche Beurteilung des gegenständlich betroffenen Grundstücksteiles ergeben, als bisher seitens der Forstbehörde angenommen worden sei. In diesem Sinne wären keine neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allenfalls eine im Ergebnis des Verfahrens andere Entscheidung herbeigeführt hätten.
Gegen diesen Bescheid reichte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 29.06.2016 Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol ein.
Darin wird vorgebracht, dass zur Eisenbahnanlage auch der Gefährdungsbereich dazu zu zählen sei, auch wenn dieser nicht im Eigentum des Eisenbahnunternehmens stehe, und daher der gegenständliche Grundstücksteil, trotz Bestockung, nicht als Wald anzusehen sei.
Weiters wäre die gegenständliche Teilfläche von 264 m² nicht als Wald festgestellt worden und handle es sich, aufgrund einer Luftbilddokumentation, rechtlich nicht um Wald.
Am 14.09.2017 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht durchgeführt.
Darin wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Wiederaufnahmegrund von vornherein nur ein Umstand sein kann, der den Sachverhalt betrifft. Unrichtige rechtliche Beurteilungen seitens der Behörde oder Partei, das heißt neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, sind keine Tatsachen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen.
Mit Schreiben vom 01.11.2017 wurde vom Beschwerdeführer ein neuerlicher Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG bei der Bezirkshauptmannschaft X gestellt. Begründet wurde dies mit einer Rechtsauskunft des BMVIT, welche eine neue Tatsache darstelle die erst am 19.10.2017 hervorgekommen sei. Aus diesem Schreiben gehe eindeutig hervor, dass auch Flächen einer Eisenbahnanlage nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes zu gelten haben.
Weiters könne die Behörde nicht eine Partei zu einer Aufforstung von Waldrandbereichen verpflichten wenn es die Verordnung zum „Naturschutzgebiet-Tschirgant Bergsturz“, LGBl Nr 20/2009, verbiete.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 26.03.2018, Zl *****, wurde der Antrag auf Wideraufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das Bestehen der Bahnstromleitung samt Mast im östlichen Eckbereich des Gst Nr **1, KG Z, der Behörde bereits zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung bekannt gewesen sei. Auch dem Antragsteller musste das Vorhandensein der Bahnstromleitung samt Tragemast im östlichen Bereich des Grundstückes bekannt sein, da dieser das Grundstück Nr **1, KG Z, erst 2010 käuflich erworben hatte und die genannten Anlagen dort bereits bestanden haben.
Weiters diene die betroffene Grundstücksteilfläche nicht dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahnanlage. Lediglich der östliche Eckbereich des Grundstückes Nr **1, KG Z, wird von der ÖBB-Stromleitung überspannt und befinde sich dort ein Tragmast. Die verfahrensgegenständliche Grundstücksteilfläche sei davon nicht betroffen. Es wären keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allenfalls eine im Ergebnis andere Entscheidung herbeigeführt hätten.
Zum vorgebrachtem Verbot einer Aufforstung im Naturschutzgebiet Tschirgant-Bergsturz, wird ausgeführt, dass laut Verordnung die Vornahme von Neuaufforstungen verboten seien und nicht die Wiederaufforstung bestehender Waldflächen. Außerdem sei die genannte Naturschutzverordnung zum Zeitpunkt der gegenständlich bekämpften Entscheidung der Behörde bereits in Kraft gewesen, weshalb auch hier keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien.
Mit Schreiben vom 24.04.2018 wurde vom Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 26.03.2018 erhoben und darauf verwiesen, dass die betroffene Teilfläche Teil einer dem dauernden Betrieb einer Eisenbahnanlage dienenden Fläche, in diesem Fall dem Gefährdungsbereich der 110 kV Leitung W-V, sei. Auch könne es nicht sein, dass die Behörde es unterlasse, selbst Vermessungen über den Gefährdungsbereich zu veranlassen und immer wieder nur lapidar begründe, dass nur ein östlicher Teilbereich des Gst **1 von der Eisenbahnanlage betroffen wäre. Die Behörde habe es auch unterlassen, Einsicht in den eisenbahnrechtlichen Betriebsbewilligungsakt vom 14.04.1953 zu nehmen. Aus diesem Genehmigungsbescheid ergebe sich in Verbindung mit den damaligen in Geltung gewesenen eisenbahnrechtlichen Bestimmungen, dass sämtliche betroffenen rechtlichen Angelegenheiten als miterledigt gelten würden und somit auch die forstrechtliche Verfahrenskonzentrationsbestimmung.
Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 23.07.2018, Zl LVwG-2018/41/0969-4, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zusammenfassend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer inhaltlich den Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 2 AVG geltend machte, wonach neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.
Ein Wiederaufnahmegrund kann von vorneherein nur ein Umstand sein, der den Sachverhalt betrifft. Unrichtige rechtliche Beurteilungen seitens der Behörde oder der Partei, das heißt neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen sind keine Tatsachen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen (vgl VwGH 23.04.1998, 95/15/0108).
Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck, allfällige Versäumnisse einer Partei in einem Ermittlungsverfahren oder die Unterlassung der Erhebung eines Rechtsmittels im Wege über die Wiederaufnahme eines Verfahrens zu sanieren (VwGH 27.06.2002, 2002/07/0055).
Im beschwerdegegenständlichen Wiederaufnahmeantrag vom 01.11.2017 hat der nunmehrige Beschwerdeführer selber darauf hingewiesen, dass die von ihm vorgelegten Unterlagen der Behörde unter Aktenzahl ***** bereits seit August 2016 bekannt sind, womit er der belangten Behörde eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterstellt und selber eingeräumt hat, dass es sich bei den von ihm vorgelegten Schriftstücken um kein neues Beweismittel handelt.
Am 27.03.2018 verhängte die Bezirkshauptmannschaft X mit Bescheid, *****, wegen mutwilliger Inanspruchnahme der Behörde unter anderem durch mehrmaliges Einbringen von unbegründeten Wiederaufnahmeanträgen zum Verfahren der Bezirkshauptmannschaft X zu GZl *****, betreffend die Waldfeststellung sowie den Auftrag zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf der nordwestlichen Teilfläche des Gst Nr **1, KG Z, eine Mutwillensstrafe in Höhe von Euro 726,- über den Beschwerdeführer.
Begründet wurde dies damit, dass der Beschwerdeführer im Verfahren der Bezirkshauptmannschat X zu GZl ***** zumindest seit dem Abweisungsbescheid vom 29.05.2017, GZl *****, zum ersten Wiederaufnahmeantrag vollkommen bewusst sei, dass es sich bei der verfahrensbetroffenen Teilfläche dieses Grundstück um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handle und daran die Tatsache, dass sich in einem anderen Teilbereich dieses Grundstücks eine ÖBB-Bahnstromleitung samt Tragmast befinde, nichts ändere.
Im Zuge der neuerlichen Einbringung des Wiederaufnahmeantrages vom 02.11.2017 müsse dem Beschwerdeführer daher die Aussichtslosigkeit seines Anbringens aufgrund der vorangegangenen Entscheidungen bereits bekannt gewesen sein. Diese Aussichtslosigkeit wäre auch für jedermann erkennbar. Die Einbringung derart aussichtsloser Wiederaufnahmeanträge diene auch in keiner Weise einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch den Beschwerdeführer.
Mit Schreiben vom 24.04.2018 wurde vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 27.03.2018, *****, Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht eingebracht.
Darin wird zusammenfassend ausgeführt, dass der Beschwerdeführer herausgefunden habe, dass auch bestockte Flächen einer Eisenbahnanlage nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes gelten. Außerdem sei der Beschwerdeführer Techniker und nicht Jurist und sei daher aus seiner Sicht die Stellung des ersten Wiedereinsetzungsantrages nicht aussichtslos.
Auch beim zweiten Wiedereinsetzungsantrag sei durch die Stellungnahme des BMVIT eine neue Tatsache sowie ein neues Beweismittel im Sinne des § 69 Abs 1 Z 2 AVG hervorgekommen. Dieser Antrag sei jedenfalls von vorneherein nicht als aussichtslos zu qualifizieren.
Weiters werde im Bescheid der belangten Behörde pauschal behauptet, dass der Beschwerdeführer immer wieder Maßnahmen auf dem Grundstück vornehme, ohne vorher die erforderlichen Bewilligungen einzuholen. Zudem habe die belangte Behörde die Höchststrafe verhängt ohne dies zu begründen.
Der Beschwerdeführer habe zwei Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, beide im Glauben und der Überzeugung, dass es sich in beiden Fällen um neue Tatsachen bzw neue Beweise im Sinne des § 69 Abs 1 Z 2 AVG handle.
Am 06.06.2018 fand vor dem Landesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung zur Beschwerde über den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 27.03.2018, *****, im Beisein des Beschwerdeführers statt.
II. Sachverhalt:
Mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 02.12.2016, GZl *****, wurde zum einen festgestellt, dass es sich bei der in einer Plananlage A bezeichneten rot umrandeten Teilfläche im Ausmaß von ca 264 m² des Gst Nr **1, KG Z, um Wald im Sinne des Forstgesetzes 1975 handelt und zum anderen dem Beschwerdeführer als Eigentümer der genannten Waldflächen aufgetragen, die auf diesem Grundstück verlegten Leerverrohrungen für Wasser und Strom vollständig zu entfernen sowie die genannte (vorher widerrechtlich gerodete) Waldteilfläche wieder zu bewalden, wobei die zu verwendenden Baumarten, die Anzahl der Pflanzen, etc detailliert angeführt wurden.
Der am 21.04.2017 seitens des Beschwerdeführers hierzu eingebrachte Wiederaufnahmeantrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 29.05.2017, GZl *****, als unbegründet abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 17.10.2017, Zl LVwG-2017/44/1672-4, als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung wurde vom Richter darauf hingewiesen, dass ein Wiederaufnahmegrund von vornherein nur ein Umstand sein kann, der den Sachverhalt betrifft. Unrichtige rechtliche Beurteilungen seitens der Behörde oder der Partei, das heißt neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, sind keine Tatsachen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu rechtfertigen vermögen.
Mit Eingabe vom 02.11.2017 wurde seitens des Beschuldigten neuerlich ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingebracht, welcher mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 26.03.2018, GZl *****/22-2018, als unbegründet abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer vermeinte dabei, dass die Kenntnis der Rechtsauskunft des BMVIT vom 31.08.2016 bzw der eisenbahnrechtliche Betriebsbewilligungsbescheid vom 24.04.1953 eine neue Tatsache darstelle, weshalb der Wiedereinsetzungsantrag gerechtfertigt sei.
Am 27.03.2018 verhängte die Bezirkshauptmannschaft X mit Bescheid, *****, wegen mutwilliger Inanspruchnahme der Behörde unter anderem durch mehrmaliges Einbringen von unbegründeten Wiederaufnahmeanträgen zum Verfahren der Bezirkshauptmannschaft X zu GZl ***** betreffend die Waldfeststellung sowie den Auftrag zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes auf der nordwestlichen Teilfläche des Gst Nr **1, KG Z, eine Mutwillensstrafe in Höhe von Euro 726,- über den Beschwerdeführer.
Vom Landesverwaltungsgericht wurde eine Zusammenstellung jener Verfahren eingeholt, in denen der Beschwerdeführer in eigener Person beteiligt war. Daraus ergibt sich, dass sehr häufig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch genommen wurde bzw auch Verwaltungsstrafen auf Basis unterschiedlicher Sachverhalte verhängt wurden.
Die belangte Behörde sah sich im gegenständlichen Fall veranlasst, die aus ihrer Sicht mutwillige Inanspruchnahme der Behörde zu unterbinden um rationelle und ordnungsgemäße Verwaltungsverfahren zu gewährleisten.
III. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem vorliegenden Akt der Bezirkshauptmannschaft X, dem Beschwerdevorbringen und der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht.
Weiters wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer beruflich als öffentlich rechtlicher Bediensteter der Bezirkshauptmannschaft X, Gewerbereferat, als Techniker tätig ist. Im Zuge dieser Berufsausübung ist die Teilnahme an behördlichen Verhandlungen, Erstattung von Gutachten und Kenntnis über Verfahrensabläufe unabdingbar. Auch kann man von einem Beamten mit abgelegter Dienstprüfung ein Mindestmaß an Kenntnissen bezüglich Verwaltungsgesetze verlangen. Dieser Umstand belegt, dass für den Beschwerdeführer ein höherer Maßstab bei der Beurteilung der Rechtsunkundigkeit anzuwenden ist als bei einem behördlich unerfahrenen Laien.
Dennoch kann die Frage, in wie fern es sich beim Hervortreten einer Rechtsauskunft der obersten Behörde um eine für einen Antrag nach § 69 AVG relevanten Sachverhalt oder eben nur um eine rechtliche Bewertung desselben handelt, für einen nicht juristisch Versierten nicht geradezu offenkundig und mit Gewissheit beantwortet werden. Dazu wird auf die rechtlichen Erwägungen verwiesen.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 161/2013 maßgeblich und werden auszugsweise wiedergegeben:
„§ 34
(1) Das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, hat für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.
(2) Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, sind zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden.
(3) Die gleichen Ordnungsstrafen können von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
(4) Gegen öffentliche Organe und gegen Bevollmächtigte, die zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sind, ist, wenn sie einem Disziplinarrecht unterstehen, keine Ordnungsstrafe zu verhängen, sondern lediglich die Anzeige an die Disziplinarbehörde zu erstatten.
(5) Die Verhängung einer Ordnungsstrafe schließt die strafgerichtliche Verfolgung wegen derselben Handlung nicht aus.
§ 35
Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.
§ 36
Die Ordnungs- und Mutwillensstrafen fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat. Die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes über den Strafvollzug sind sinngemäß anzuwenden.
V. Erwägungen:
Gemäß § 35 AVG kann gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist. Dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist.
Mit der in § 35 AVG vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer "in welcher Weise immer" die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Mutwillesstrafe nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens handelt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe soll die Verwaltungsgerichte vor Behelligung und die Partei vor Verschleppung der Sache schützen (VwGH vom 23.12.2016, Ro 2016/03/0030).
Der Beschwerdeführer stellte im gegenständlichen Verfahren zweimal einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG. Diese Anträge wurden dahingehend begründet, dass neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen seien.
Bereits der erste Wiederaufnahmeantrag wurde von der belangten Behörde und in weiterer Folge vom Landesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht dahingehend belehrt, dass ein Wiederaufnahmegrund von vornherein nur ein Umstand sein kann, der den Sachverhalt betrifft und unrichtige rechtliche Beurteilungen seitens der Behörde keine Tatsachen darstellen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen.
Trotz dieser Belehrung des Beschwerdeführers wurde ein zweiter Wiederaufnahmeantrag gestellt. Auch dieser Antrag wurde damit begründet, dass neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen sind.
Weil es sich aber auch in diesem Fall um keine neuen Tatsachen oder Beweismittel handelte sondern wiederum um rechtliche Beurteilungen, wurde auch dieser Antrag von der belangten Behörde und in weiterer Folge vom Landesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen.
Der Tatbestand der Mutwillensstrafe kann auch durch Stellung von erstinstanzlichen Anträgen (vgl VwGH 8. 11. 2000, 97/21/0023) und sogar durch Erhebung von Rechtsmitteln verwirklicht werden (VwSlg 3410 A/1954; vgl auch VwSlg 15.245 A/1928; VwGH 24. 3. 1997, 95/19/1705; 18. 4. 1997, 95/19/1706). Gleiches hat auch für Einbringen auf Wiederaufnahme des Verfahrens als Rechtsbehelf zu gelten. Dabei ist aber zu bedenken, dass der Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht gehandhabt werden muss. Strafbarer Mutwille hat demnach das Bewusstsein der Grundlosigkeit des Rechtsmittels zur Voraussetzung, sodass dem Einschreiter nur Mutwille unterstellt werden kann, wenn er sich wissentlich auf einen unrichtigen „Tatbestand“ stützt oder es zweifellos und auch ihm bewusst ist, dass der vorliegende „Tatbestand“ keinen Grund für sein Rechtsmittel gibt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, RZ 3, Stand 1.1.2014, rdb.at).
Bei der Stellung des ersten Wiederaufnahmeantrages will der Beschwerdeführer herausgefunden haben, dass auch bestockte Flächen einer Eisenbahnanlage nicht als Wald im Sinne des Forstgesetzes gelten. Dieser Umstand war dem Beschwerdeführer vor Bescheiderlassung und während dem Ermittlungsverfahren nicht bekannt. Einem rechtsunkundigen Laien der zudem nicht rechtsfreundlich vertreten war, konnte somit nicht bewusst sein, dass es sich bei den vorgebrachten Argumenten im Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht um neue Tatsachen handelt sondern um eine rechtliche Beurteilung. Die Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs der Wiederaufnahme des Verfahrens war daher für den Beschwerdeführer auch unter Berücksichtigung seiner Erfahrungen in Behördenverfahren, nicht von vornherein aussichtslos und vorhersehbar.
Der zweite Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründet sich durch das Hervorkommen einer Stellungnahme des BMVIT bzw den eisenbahnrechtlichen Betriebsbewilligungsbescheid, welche für den Beschwerdeführer neue Tatsachen sowie neue Beweismittel darstellten.
Dem Beschwerdeführer konnte aufgrund seiner rechtlichen Unkenntnis nicht bewusst sein, dass es sich hier ebenfalls um eine rechtliche Beurteilung handelt und die Behörde diese Ausführungen in ihrer Entscheidung bereits berücksichtigt hat. Für den Beschwerdeführer stellte die im Bescheid enthaltene Tatsachenfeststellung eine neue Tatsache dar, die verfahrensrelevant sein könnte. Dass das Bekanntwerden dieser Stellungnahme keinen tragfähigen Grund für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens darstellt, musste dem Beschwerdeführer allerdings nicht Bekannt sein. Insbesondere bei einem juristischen Laien kann in diesem Zusammenhang daher noch nicht mit Gewissheit davon ausgegangen werden, dass ihm die Aussichtslosigkeit seines Antrages bewusst gewesen ist.
Es muss offenbar sein, dass mit dem Rechtsbehelf der erstrebte Zweck keinesfalls verwirklicht werden kann. Dies ist beim Beschwerdeführer gerade noch nicht der Fall. Die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurden im Glauben an neu aufgefundene Tatsachen gestellt. Auch wenn eine entsprechende Belehrung bereits stattgefunden hat, dass rein rechtliche Beurteilungen seitens der Behörde keine Tatsachen darstellen, so ist es dem unvertretenen Beschwerdeführer aufgrund seiner Rechtsunkenntnis gerade noch nicht vorwerfbar, dass er das Hervorkommen der Stellungnahme des BMVIT bzw des eisenbahnrechtlichen Betriebsbewilligungsbescheides als Tatsache und nicht als reine rechtliche Wertung verstanden hat.
Auch kann dem Beschwerdeführer nicht die Lust an der Behelligung der Behörde vorgeworfen werden, weil von ihm ein konkreter Zweck, nämlich die Nichtwaldfeststellung bzw Vermeidung der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, verfolgt wird. Dies stellt ein legitimes Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers dar.
Für die Verhängung einer Mutwillensstrafe genügt es jedenfalls nicht, dass die Partei ihren Rechtsstandpunkt in der Hoffnung, dabei erfolgreich zu sein, mit einer gewissen Hartnäckigkeit vertritt (Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, RZ 3, Stand 1.1.2014, rdb.at).
Trotz dem Gebot eines äußerst vorsichtigen Umgangs mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen, kann dadurch die permanente, an der Grenze zur Mutwilligkeit gelegene Inanspruchnahme von Behörden nicht legitimiert werden. Vielmehr ist auf die einzelnen Sachverhalte Rücksicht zu nehmen.
Wie bereits ausgeführt, stellen die vom Beschwerdeführer gestellten Wiederaufnahmeanträge derzeit noch keinen ausreichenden Tatbestand für die Verhängung einer Mutwillensstrafe dar. Sollten jedoch in weiterer Folge gleichartig gelagerte Fälle mit der Involvierung des Beschwerdeführers Gegenstand von Verwaltungsverfahren werden, ist eine neuerliche Beurteilung unter Zugrundelegung des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers unabdingbar.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Im vorliegenden Fall der Verhängung einer Mutwillensstrafe war keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu klären, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es war vielmehr zu klären, inwiefern die vom Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen für die Verhängung der Mutwillensstrafe vorliegen. Dabei handelt es sich um eine sachverhaltsbezogene Einzelfallbeurteilung und nicht um Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, weshalb die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig ist.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dünser
(Richter)
Schlagworte
Mutwillensstrafe;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.15.0995.2Zuletzt aktualisiert am
30.08.2018