TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/23 G305 2178150-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2178160-1/10E

G305 2178147-1/9E

G305 2178150-1/9E

G305 2178158-1/9E

G305 2178155-1/11E

G305 2178151-1/11E

G305 2178159-1/11E

G305 2178153-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die jeweils zum 23.11.2017 datierten Beschwerden 1.) XXXX, geb. am XXXX, StA. Irak, 2.) XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 3.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 4.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 5.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 6.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, 7.) des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak und 8.) der mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, alle vertreten durch XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, XXXX jeweils vom 06.11.2017, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V und VI. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstverfahren:

1.1. Die Beschwerdeführer, 1.) XXXX (im Folgenden: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1), 2.) XXXX (im Folgenden: Zweitbeschwerdeführerin oder kurz: BF2), 3.) mj. XXXX (im Folgenden: Drittbeschwerdeführer oder kurz: BF3), 4.) mj. XXXX (im Folgenden: Viertbeschwerdeführer oder kurz: BF4), 5.) mj. XXXX (im Folgenden: Fünftbeschwerdeführerin oder kurz: BF5), 6.) mj. XXXX (im Folgenden: Sechstbeschwerdeführer oder kurz: BF6), 7.) mj. XXXX(im Folgenden: Siebtbeschwerdeführer oder kurz: BF7) und mj. XXXX (im Folgenden: Achtbeschwerdeführerin oder kurz: BF8) sind Staatsangehörige der Republik Irak und stellten am 02.11.2015, um 13:35 Uhr, einen Antrag auf internationalen Schutz. Noch am selben Tag fand eine Erstbefragung des BF1 und der BF2 vor Organen der LPD XXXX statt.

Anlässlich dieser Erstbefragung sagte der BF1 im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er und die übrigen Beschwerdeführer im Februar 2015 illegal von XXXX (Irak) mit dem Bus nach ISTANBUL (Türkei) ausgereist sei [BF1, AS 29]. Von der Türkei aus sei er zu Fuß nach Bulgarien gelangt und von dort von einem nicht festgestellten Ort mit dem Bus in Richtung Serbien gefahren und habe er zu Fuß die Grenze nach Serbien überquert. Von einem nicht festgestellten Ort in Serbien sei er mit dem Bus in Richtung Kroatien gefahren und habe er die Grenze nach Kroatien zu Fuß überquert. Von einem nicht festgestellten Ort in Kroatien habe er die Fahrt mit dem Bus und mit der Bahn nach Slowenien fortgesetzt. Auch hier sei der Grenzübertritt zu Fuß erfolgt. Von einem nicht festgestellten, in Slowenien gelegenen Ort sei er mit dem Taxi bis nach XXXX gelangt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF1 an, dass XXXX von den Islamisten kontrolliert worden sei. Diese hätten die Kurden bedroht, sodass er und seine Familie (die BF2, der mj. BF3, der mj. BF4, die mj. BF5, der mj. BF6, die mj. BF7 und die mj. BF8) XXXX verlassen mussten. Deshalb seien sie in die Türkei ausgereist und anschließend nach Europa ausgewandert [BF1, AS 33]. Weitere Fluchtgründe nannte er nicht.

Zur Ausreise befragt, gab die BF2 an, dass sie und ihre Familie den Herkunftsstaat im November 2014 mit dem PKW verlassen hätten. Im Übrigen beschrieb sie die Reiseroute wie schon der BF1 [BF2, AS 29]. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab sie an, dass ihr Ehegatte von islamistischen Extremisten bedroht worden sei, da er Kurde sei. In XXXX seien die Kurden gezielt bedroht worden, um sie zu vertreiben. Ihr Bruder sei in XXXX von Islamisten getötet worden [BF2, AS 31]. Weitere Fluchtgründe nannte auch sie nicht.

Die minderjährigen Beschwerdeführer stützten ihre Fluchtgründe im Wesentlichen kurz zusammengefasst auf jene des BF1, nannten aber keine eigenen Fluchtgründe.

1.2. Anlässlich einer von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) am 20.01.2016 durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme sagte der BF1 aus, dass er und seine aus den genannten Beschwerdeführern bestehende Familie 25 Tage bis einen Monat in Bulgarien aufhältig gewesen seien, dort jedoch keinen Asylantrag gestellt hätten. Sie seien ins Gefängnis gesteckt worden und 10 Tage inhaftiert gewesen. Im Gefängnis hätten sie eine Hauterkrankung bekommen. Der BF1 behauptete auch, dass er in Bulgarien von der Polizei geschlagen worden sei. Er habe eine Ohrfeige bekommen und sei mit dem Fuß getreten worden [BF1, AS 103].

Auch die BF2 bestritt in der vor der belangten Behörde am 20.01.2016 durchgeführten Erstbefragung, dass sie in Bulgarien um Asyl angesucht habe [BF2, AS 191]. Wie schon der BF1 behauptete sie, in Bulgarien 10 Tage lang inhaftiert gewesen zu sein und dass ihre Kinder (die minderjährigen Beschwerdeführer BF3 bis BF8) keine Milch bekommen und geweint hätten. Sodann sei die Polizei gekommen und hätte sie geschlagen. In Bulgarien sei sie krank geworden und habe keine medizinische Behandlung erhalten. Erst nach ihrer Ankunft in Österreich habe sie Medikamente bekommen [BF2, AS 191].

1.3. In einer dem BFA am 11.02.2016 übermittelten, für alle Beschwerdeführer wort- und inhaltsgleichen Stellungnahme [BF1, AS 123 ff; BF 2, AS 221] führten diese im Wesentlichen kurz zusammengefasst aus, dass ihre Ausreise aus Bulgarien vor einem Zeitraum von mehr als drei Monaten erfolgt sei und ein allfällig dort eingeleitetes Asylverfahren zwischenzeitig negativ beendet worden sei. Mit seiner Ehefrau und den fünf minderjährigen Kindern sei der BF1 zweifellos den vulnerablen Personen zuzurechnen. Das UNHCR habe im Zusammenhang mit der Zulässigerklärung der Dublin-Rückführung festgehalten, dass diese für vulnerable Personen nicht gelte. Auch sei eine entsprechende Versorgung in Bulgarien nicht sichergestellt.

1.4. Mit den hier nicht verfahrensgegenständlichen, jeweils zum 17.02.2106 datierten Bescheiden, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführer (BF1 bis mj. BF8) auf Gewährung von internationalem Schutz vom 02.11.2015 als unzulässig zurück und sprach aus, dass für die Prüfung dieses Antrages gemäß Art. 20 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 Bulgarien zuständig sei (Spruchpunkt I.), erklärte die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Bulgarien gemäß § 61 abs. 2 FPG für zulässig und ordnete gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung an (Spruchpunkt II.).

1.5. Gegen die oben angeführten, den Beschwerdeführern jeweils am 19.02.2016 zugestellten Bescheide vom 17.02.2016 erhoben diese durch deren ausgewiesene Rechtsvertretung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, die sie mit den Anträgen verbanden, 1.) die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das Asylverfahren in Österreich zuzulassen, 2.) die gegen sie gemäß § 61 FPG ausgesprochene Außerlandesbringung aufzuheben und 3.) der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG zuzuerkennen, da ihrer Auffassung nach eine Überstellung nach Bulgarien eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 3 EMRK bedeuten würde.

1.6. Am 26.02.2016 reichten die Beschwerdeführer eine Beschwerdeergänzung nach, die sie mit dem Ersuchen verbanden, ihre gegen die obangeführten Bescheide des BFA gerichteten Beschwerden dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen.

1.7. Mit den zu Zlen. XXXX,XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX und XXXX gefassten Beschlüssen vom 10.03.2016 erkannte das Bundesverwaltungsgericht den gegen die Bescheide des BFA vom 17.02.2016, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX gerichteten Beschwerden die aufschiebende Wirkung zu.

1.8. Mit den zu Zl.en XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, XXXXund XXXX erlassenen Erkenntnissen gab das Bundesverwaltungsgericht den gegen die Bescheide des BFA vom 17.02.2016, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX, gerichteten Beschwerden der Beschwerdeführer Folge und hob die angefochtenen Bescheide auf. Gegen die angeführten Erledigungen des Bundesverwaltungsgerichtes erhoben weder die Beschwerdeführer noch das BFA ein Rechtsmittel, sodass die hg. Erledigungen in Rechtskraft erwuchsen.

2. Zweitverfahren:

2.1. Anlässlich einer am 23.05.2017 vor der belangten Behörde neuerlich durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF1 ergänzend an, dass sich im Bundesgebiet neben seiner (beschwerdeführenden) Familie auch dessen Schwester XXXXund deren Familie befänden. Vor seiner Ausreise aus dem Irak habe er mit seiner Familie in MOSSUL gelebt. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, gab er an, dass für ihn der Einmarsch des IS fluchtkausal gewesen sei; so hätten er und seine Familie (die BF2, der mj. BF3, der mj. BF4, die mj. BF5, der mj. BF6, die mj. BF7 und die mj. BF8) um ein Uhr nachts nach der Übernahme der Stadt MOSSUL durch den IS die Stadt verlassen und sei er allein zu Fuß nach XXXX in kurdisches Gebiet gegangen [BF1, AS 593]. Den Irak habe er am 10.06.2014 verlassen. Auch sei er schon davor bedroht worden, weil er Kurde sei. Darüber hinaus gab er an, dass seine Ehegattin, die BF2, Lehrerin gewesen sei. Sie habe schon vor dem Einmarsch des IS, als die Stimmung im Land immer schlechter wurde, teilweise nicht mehr arbeiten gehen können. Der IS habe auch seine in XXXX wohnhaft gewesenen Schwiegereltern bedroht, warum sie ihre Tochter mit ihm, einem Kurden, verheiratet hätten. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat würde der Tod auf ihn warten [BF1, AS 595].

Von der belangten Behörde niederschriftlich befragt gab die BF2 an, dass sie im Herkunftsstaat im Schwerpunkt Mathematik als Volksschullehrerin gearbeitet hätte [BF2, AS 629]. Sie und ihr Ehegatte hätten gut verdient und es sei ihnen gut gegangen [BF2, AS 631; vgl. auch die diesbezüglich bestätigenden Angaben des BF1, AS 591, wo dieser angab, täglich zwischen EUR 300 und EUR 400 verdient zu haben]. Zu ihren Fluchtgründen befragt, gab die BF2 an, dass sie den Herkunftsstaat deshalb verlassen hätte, weil ihr Leben auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit und der Konfession bedroht gewesen sei und sie ihren Beruf als Lehrerin wegen der fanatischen Moslems nicht mehr ausüben habe können. Auch sei sie bedroht worden, weil sie mit einem Kurden verheiratet ist; auch die Bekleidungsvorschriften seien rigoros [BF2, AS 633]. Darüberhinausgehende Fluchtgründe nannte sie nicht. Abschließend führte sie aus, dass die von ihr genannten Fluchtgründe auch für ihre Kinder, den mj. BF3, den mj. BF4, die mj. BF5, den mj. BF6, die mj. BF7 und die mj. BF8, gelten [BF2, AS 633].

2.2. Mit den nunmehr in Beschwerde gezogenen, jeweils zum 06.11.2017 datierten Bescheiden, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX, Zl. XXXX und Zl. XXXX, sprach die belangte Behörde aus, dass der Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen werde (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen die Beschwerdeführer erlassen werde (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde und dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

2.3. Gegen diese, den Beschwerdeführern am 07.11.2017 durch persönliche Ausfolgung direkt zugestellten Bescheide richteten sich deren zum 23.11.2017 datierten, am selben Tag im Wege ihrer Rechtsvertretung an die belangte Behörde zugestellten Beschwerden, die sie mit den Anträgen verbanden 1.) die angefochtenen Bescheide dahingehend abzuändern, dass ihren Anträgen auf Gewährung von internationalem Schutz vom 02.11.2015 und vom 02.05.2016 Folge gegeben und ihnen der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden möge, 2.) in eventu die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an die erste Instanz zurückzuverweisen, 3.) in eventu möge ihnen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten im Sinne des § 8 AsylG 2005 zuerkannt werden, 4.) allenfalls möge die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufgehoben, 5.) die Abschiebung für unzulässig erklärt und 6.) eine mündliche Verhandlung durchgeführt werden.

2.4. Am 29.11.2017 legte die belangte Behörde die gegen die vorbezeichneten Bescheide gerichteten Beschwerden, die angefochtenen Bescheide und die Bezug habenden, jeden einzelnen Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vor; hier wurden die Beschwerdesachen der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugewiesen.

2.5. Am 02.02.2018 wurde vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich der die Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen wurden.

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme legten die Beschwerdeführer einen aus zahlreichen Urkunden bestehenden Konvolut vor, darunter insbesondere eine am 27.12.2016 ausgestellte irakische Staatsangehörigkeitsurkunde, eine Geburtsurkunde des mj. BF8, ein zum 02.11.2004 ausgestellter Heiratsvertrag, ein Sicherheitsbericht zum Irak, einen Behandlungsschein des Landesklinikums XXXX vom 15.05.2016 über eine an der BF2 durchgeführte Behandlung, eine Aufenthaltsbestätigung des Landesklinikums XXXX vom 14.05.2016 und weitere, die BF2 und den mj. BF3 betreffende Arztbriefe, div. Empfehlungsschreiben sowie Schulnachrichten und Schulzeugnisse die schulpflichtigen minderjährigen Beschwerdeführer betreffend.

2.6. Mit hg. Verfahrensanordnung vom 02.02.2018 wurde eine ärztliche Stellungnahme des XXXXzur Frage eingeholt, ob die in den vorgelegten Arztbefunden diagnostizierten Leiden der BF2 und des mj. BF4, sowie der minderjährigen beschwerdeführenden Parteien BF5, BF6, BF7 und BF8 lebensbedrohlich sind und einen unmittelbaren Behandlungsbedarf im Bundesgebiet erfordern.

2.7. In seiner am 10.02.2018 erstellten gutachterlichen Stellungnahme führte der ärztliche Sachverständige, XXXX, aus, dass es sich bei den in den Arztbefunden diagnostizierten Leiden der in Punkt 2.6. genannten Beschwerdeführer nicht um lebensbedrohliche Erkrankungen handle, die einer unmittelbaren Behandlung im Bundesgebiet bedürften.

Die eingeholte ärztliche Stellungnahme wurde den beschwerdeführenden Parteien im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Letztere ließen die ihnen gesetzte Frist verstreichen, ohne sich dazu zu äußern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte BF1 (XXXX, geb. am XXXX) ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Er gehört der kurdischen Volksgruppe und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist Kurdisch-Sorani und er spricht auch die Landessprache arabisch.

Die im Spruch genannte BF2 (XXXX, geb. XXXX) ist ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Sie ist Araberin und bezeichnet sich als Angehörige der turkmenischen Volksgruppe. Sie ist Muslima sunnitischer Glaubensrichtung.

Der BF1 und die BF2 sind verheiratet und haben sie die Ehe am XXXX.11.2004 vor dem Personenstandsgericht in XXXX zur do. XXXX geschlossen.

Die minderjährigen Beschwerdeführer, mj. BF3 (XXXX, geb. XXXX), mj. BF4 (XXXX, geb. XXXX), mj. BF5 (XXXX, geb. XXXX), mj. BF6 (XXXX, geb. XXXX), mj. BF7 (XXXX, geb. XXXX) und mj. BF8 (XXXX, geb. XXXX) sind ebenfalls Staatsangehörige der Republik Irak. Sie sind, bis auf den im Bundesgebiet geborenen BF4 ebenfalls der arabischen Sprache mächtig und gehören der muslimischen Religionsgemeinschaft sunnitischer Glaubensrichtung an.

1.2. Zur Einreise der Beschwerdeführer ins Bundesgebiet und zu deren persönlichen Situation im Irak:

Der BF1, sowie die minderjährigen Beschwerdeführer BF3, BF5, BF6, BF7 und BF8 sind gesund und nehmen keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung. Bei der BF2 wurde im Jahr 2015 eine L02.3 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel am Gesäß diagnostiziert und stand sie deshalb am 14.05.2016 im Landesklinikum XXXX in stationärer Behandlung. Schon davor stand sie am 12.01.2016 im Universitätsklinikum XXXXin stationärer Behandlung. Beim mj. BF4 wurde am 24.11.2015 im Landesklinikum XXXXeine generalisierte Scabies (papulöser Ausschlag mit Kratzartefakten und Superinfektion, verbunden mit einem nächtlichen Juckreiz) diagnostiziert und ihm eine Cremetherapie empfohlen. Darüber hinaus besteht bei ihm eine Herzerkrankung, bei der es sich aus medizinischer Sicht um Ventrikelseptumdefekt (VSD) handelt, und bei dem es sich um einen angeborenen Herzfehler handelt. Dieser ist nach den vorliegenden Fachbefunden hämodynamisch nicht relevant, was bedeutet, dass in seinem Fall eine lebensbedrohliche Erkrankung, die einen besonderen Behandlungsbedarf erfordern würde, nicht vorliegt. Bei den minderjährigen Beschwerdeführern BF5, BF6, BF7 und BF8 liegen eine phobische Störung sowie eine posttraumatische Belastungsstörung vor, bei denen es sich aus medizinischer Sicht nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung handelt.

Der BF1 besuchte von 1977 bis 1982 die Grundschule in XXXXund verdiente er den Lebensunterhalt im Herkunftsstaat als selbständig erwerbstätiger Autohändler mit dem Handel von Neu- und Gebrauchtwagen. Er verdiente gut und lebte er mit seiner Familie in einem eigenen Haus in einem als sicher geltenden, von Kurden, Christen und Staatsbediensteten bewohnten Bezirk der Stadt XXXX [BF1, AS 591 und 593]. Die BF2 war im Herkunftsstaat, von 2002 bis 2014, als Volksschullehrerin mit Schwerpunkt Mathematik tätig und verdiente sie zuletzt ca. 500 US-Dollar [BF2, AS 631; Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 7].

Der BF1 und die BF2 sind grundsätzlich arbeitsfähig. Der die Altersvoraussetzungen erfüllende Teil der minderjährigen Beschwerdeführer ist schulpflichtig.

Der BF1, die BF2, der mj. BF3, die mj. BF5, der mj. BF6, die mj. BF7 und der mj. BF8 lebten bis zu ihrer, zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat in MOSSUL. Die Reiseroute führte sie in die Türkei, von wo aus sie am 12.10.2015 zu Fuß nach Bulgarien gelangten und einen Asylantrag stellten [BF1, AS 31; zum EURODAC-Treffer des BF1, AS 33; BF2, AS 29; zum EURODAC-Treffer der BF2, AS 31]. In Bulgarien hielten sie sich mehr als 25 Tage auf, bevor sie mit dem Bus in Richtung Serbien fuhren und in der Folge zu Fuß die Grenze nach Serbien überquerten [BF1, AS 31; BF2, AS 29]. Von einem nicht festgestellten Ort in Serbien fuhren sie mit dem Bus in Richtung Kroatien weiter; auch in diesem Fall überquerten sie zu Fuß die Grenze nach Kroatien. Von einem nicht festgestellten Ort in Kroatien setzten sie ihre Reise mit dem Bus und mit der Bahn in Richtung Slowenien fort. Der Grenzübertritt nach Slowenien erfolgte ebenfalls zu Fuß und setzten sie die Reise von einem nicht festgestellten Ort in Slowenien mit dem Taxi bis nach XXXX fort, wo sie zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt eintrafen [BF1, AS 31; BF2, AS 29].

Am 02.11.2015, 08:45 Uhr, stellten der BF1, die BF2, sowie die minderjährigen Beschwerdeführer (BF3, BF5, BF6, BF7 und BF8) vor einem Organ der LPD XXXX einen Asylantrag.

Der BF1 hat noch Verwandte im Irak, und zwar dessen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 1939 geborene Mutter, XXXX und dessen zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Jahr 1972 geborene Schwester, die beide in ERBIL leben. Diese Schwester des BF ist verheiratet und Mutter von sechs Kindern. Überdies leben seine vier Onkel väterlicherseits und seine zwei Onkel mütterlicherseits im Herkunftsstaat. Er steht mit seinen im Herkunftsstaat lebenden Verwandten telefonisch bzw. über die sozialen Medien in Kontakt (PV des BF1, Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 10f).

Die BF2 hat ebenfalls im Herkunftsstaat lebende Verwandte, und zwar ihre drei Brüder XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, und ihre sechs Schwestern XXXX, geb. XXXX (diese Schwester ist verheiratet), XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, sowie deren zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 1959 geborene Mutter XXXX. Neben diesen Angehörigen ihrer Kernfamilie hat die BF2 noch weitere, im Herkunftsstaat lebende Verwandte, und zwar eine Tante väterlicherseits, zwei Tanten mütterlicherseits und einen Onkel. Letzterer lebte eine Zeit lang in der Türkei und kehrte nach einiger Zeit wieder in den Irak zurück. Die BF2 hat zumindest mit den Angehörigen ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Kernfamilie Kontakt; so gratulierte sie am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ihrer am selben Tag geborenen Schwester XXXX via SMS zum Geburtstag. Mit den Angehörigen ihrer im Herkunftsstaat lebenden Angehörigen steht die BF2 ebenfalls telefonisch und über die sozialen Medien in Kontakt (PV der BF2, Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 10).

Die schulpflichtigen minderjährigen Beschwerdeführer besuchten im Herkunftsstaat die Schule.

1.3. Zur persönlichen Situation der beschwerdeführenden Parteien in Österreich:

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 eine Familienangehörige im Bundesgebiet hätte. Eine im Zentralen Melderegister in Reaktion auf die diesbezügliche Behauptung des BF1 erfolgte Meldeabfrage verlief ergebnislos (PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 11; vgl. die Aussage des BF1 in der Erstbefragung, BF1, AS 29).

Die BF2 hat - mit Ausnahme der den Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens bildenden Parteien - keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten (PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 11).

Sowohl der BF1, als auch die BF2 sind im Bundesgebiet ohne Beschäftigung und befinden sch die beschwerdeführenden Parteien in der Grundversorgung des Bundes (PV des BF1 und der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 12).

Die beschwerdeführenden Parteien sind - soweit ersichtlich - strafrechtlich unbescholten und weisen sie gegenwärtig eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4. Zur allgemeinen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat:

1.4.1. Am Dienstag, den 10.06.2014, eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt MOSSUL (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von MOSSUL gelegenen Provinz ANBAR konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In MOSSUL wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären

(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf) (Stand: 23.03.2018). Auch ist anlassbezogen nicht hervorgekommen, dass der BF, der zudem über die IS-Hochburg AL RAQQA ausgereist ist, einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS ausgesetzt gewesen wäre.

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die beschwerdeführenden Parteien einer asylrelevanten Bedrohung durch den IS nach der erfolgten Übernahme der Stadt am 10.06.2014 ausgesetzt gewesen wäre. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien - selbst bei Wahrunterstellung einer asylrelevanten Verfolgung - verwehrt gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018).

1.4.2. Zu innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Die beschwerdeführenden Parteien sind in genauer Kenntnis der Fluchtalternativen im Herkunftsstaat. Sie selbst kommen aus einem sunnitisch besiedelten (von der schiitischen Mehrheitsbevölkerung BAGDADS abgeschirmten) Stadtteil des Herkunftsstaates. Dor lebt auch ein Teil ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Verwandten. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es ihnen nicht möglich wäre, dort zu leben. Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit in anderen - ihnen bekannten - sunnitisch mehrheitlich bzw. ausschließlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter Provinzen in MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodass den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederlassen oder eine Arbeitsbewilligung zu können. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

1.4.3. Zur Lage von Frauen und Kindern im Irak

1.4.3.1. Zur Lage von Frauen, insbesondere im Hinblick auf Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit

In der Verfassung der Republik Irak ist die Gleichstellung der Geschlechter verankert und nach Art. 49 Abs. 4 der Verfassung im Irak eine Frauenquote von 25% im Parlament (Autonomieregion Kurdistan: 30%) vorgesehen. Dadurch sind im irakischen Parlament derzeit 82 von 328 Abgeordnete Frauen. Die irakische Verfassung spricht auch in der Präambel der Verfassung davon, den Rechten der Frauen besondere Aufmerksamkeit schenken zu wollen und Art. 22 Abs. 1 der irakischen Verfassung regelt das Recht auf Arbeit für alle irakischen Staatangehörigen.

Dennoch finden diese verfassungsgesetzlichen Garantien auf einfachgesetzlicher Ebene oftmals keine entsprechende Umsetzung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht. Die Diskriminierung von Frauen ist im Irak auch im sozialen und religiösen Kontext Alltag. Vor allem in schiitisch dominierten Bereichen herrschen oftmals islamische Regeln, die auch umgesetzt werden, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten und durch Unterdrückung eines "westlichen" bzw. "nicht konservativen" Lebens- und Kleidungsstils. Dadurch werden die Freizügigkeit der Frauen und somit auch deren Teilnahme am öffentlichen Leben eingeschränkt. Eine Reihe von AktivistInnenplattformen, NGO¿s und andere internationale Akteure, z. B. UN Women, Iraqi Women Network, Iraqi Women Journalist's Forum und Organization of Women's Freedom in Iraq, kämpfen im Irak gegen die soziale, religiöse und rechtliche Diskriminierung und Unterdrückung der Frauen an. So arbeitet z.B. das UN Women Nationalkomitee im Irak mit der irakischen Regierung zusammen um die Ziele des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDAF) für den Referenzzeitraum 2015 - 2019 zu erreichen, zu welchem auch die Miteinbeziehung und Förderungen von Frauen und Mädchen zählen. So hat die irakische Regierung gegenüber der UNDAF die Zusage zur Förderung von Frauen und Mädchen im politischen und wirtschaftlichen Bereich auch für den Zeitraum von 2015 bis 2019 wiederholt.

Im Jahr 2014 lag die Erwerbsquote von Frauen im Irak bei ca. 14%, stieg allerdings in den letzten Jahren an und lag im Jahr 2016 bei 17,8%. Die Anzahl möglicher Betätigungsfelder für Frauen im Irak steigt stetig an, so sind Frauen nicht nur im öffentlichen Sektor tätig sondern etablieren sich, trotz der nach wie vor vorherrschenden gesellschaftlichen Ressentiments und Widerständen, zunehmend als Unternehmerinnen bzw. Eigentümerinnen von Geschäftigen (z.B. Buchgeschäften oder Kaffeehäusern) etc.

In den Jahren 2014 und 2015 kam es immer wieder zu Anschlägen auf Cafés und Restaurants in BAGDAD und BASRA, wobei der Umstand, dass dort Frauen beschäftig werden bzw. waren, oftmals als Motiv genannt wurde, jedoch auch als Vorwand gesehen wird, ein unliebsames Lokal zu schließen. Gegen die Zahlung von Schutzgeld war es Lokalbesitzern in BASRA möglich, auch Kellnerinnen einzustellen, die freizügiger angezogen waren. Grundsätzlich schützen die irakischen Gesetze Frauen, die in Kaffeehäusern oder Casinos arbeiten, es besteht seitens der irakischen Regierung ein Problembewusstsein für diese Thematik. Dennoch kommt es bei Frauen, die als Kellnerinnen arbeiten, oftmals zu Übergriffen.

Quellen:

Adnan Abu Zeed, Nightclubs, cafes still risky business for Iraqi women, 05.12.2017,

http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/12/nightclub-girls-club-baghdad-iraq-harassment.html#ixzz56XBcW5nl (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Ergänzende Informationen zu Vorschriften zur Frauenbekleidung durch Gesellschaft und Milizen sowie Ergänzungen zur Lage von Kellnerinnen, 13.11.2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1418160/5209_1511256710_irak-mr-sog-bekleidungsvorschriften-fuer-frauen-lage-von-kellnerinnen-ergaenzende-afb-2017-11-10ke.doc (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Mustafa Saadoun, Iraq's female booksellers turn the page on gender roles, 19.10.2017,

https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2017/10/iraqi-women-take-another-male-profession-in-bookstores.html (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

UN-Women, Humanitarian actors highlight women's role in recovery and peacebuilding in Iraq, 20.09.2017, http://www.unwomen.org/en/news/stories/2017/9/news-humanitarian-actors-highlight-womens-role-in-recovery-and-peacebuilding-in-iraq (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

UN-Women, Iraq [Stand: 2016],

http://arabstates.unwomen.org/en/countries/iraq (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

UN-Women, UN Women meets with Women Leaders and Civil Society Organizations in Baghdad [EN/AR/KU], 02.08.2017 https://reliefweb.int/report/iraq/un-women-meets-women-leaders-and-civil-society-organizations-baghdad-enarku (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

WKO Länderprofile, 10/2017,

http://wko.at/statistik/laenderprofile/lp-irak.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Zahra Ali, Women's rights are under threat in Iraq, 20.11.2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/11/20/womens-rights-are-under-threat-in-iraq/?utm_term=.781f3d0fb747, (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

1.4.3.2. Zur Lage von Kindern im Irak im Hinblick auf innerstaatlich Vertriebene

Kinder sind als Opfer der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage in den Krisengebieten des Irak betroffen. Sehr viele Kinder und Jugendliche sind entweder für sich genommen von Gewalt betroffen oder dadurch, dass ihre Familienmitglieder zu Opfern von Gewalt wurden. Vor allem Kinder und Jugendliche, die mit ihren Familien innerhalb des Iraks flüchten, sind von besonderer Vulnerabilität. Junge Männer laufen in Krisenherden zudem Gefahr, als Soldaten rekrutiert zu werden.

Im Irak ist ein Anstieg an Kinderehen, besonders bei Binnengeflüchteten und Binnenvertriebenen, zu beobachten, da Heirat oft als Möglichkeit gesehen wird, Frauen und Mädchen zu schützen. Obwohl die gesetzlichen Regelungen einer Eheschließung vor dem Erreichen des 15. Lebensjahres entgegenstehen, werden diese Normen oftmals vor allem ländlichen und in schiitisch dominierten Gebieten oftmals nicht durchgesetzt.

Die große Zahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im Nord- und Südirak haben die Kapazitäten der regionalen staatlichen Stellen und auch der vor Ort tätigen internationalen Hilfsorganisationen stark in Anspruch genommen und die Möglichkeiten der Unterbringung und Versorgung der Betroffenen stark beansprucht. Es gelingt diesen dennoch, wesentliche Aufgaben so zu erfüllen, dass die existentiellen Lebensbedürfnisse auch der hilfsbedürftigen Flüchtlinge befriedigt werden können. Zahlreiche Hilfsorganisationen leisten dabei vor Ort internationale Unterstützung und zeugen auch die zahlreichen Berichte internationaler staatlicher Quellen zur Lage von Binnenflüchtlingen und Binnenvertriebenen im Nord- und im Südirak von einem entsprechenden Problembewusstsein der Staatengemeinschaft in dieser Hinsicht.

Es kann festgestellt werden, dass immer mehr Binnenflüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückkehren, so wird berichtet, dass, obwohl nach wie vor ca. 2,6 Millionen irakische Staatsangehörige nach wie vor Schutz in anderen Teilen des Iraks suchen, Ende des Jahres 2017 ca. 3,2 Millionen Binnenvertriebene wieder in ihre früheren Wohnorte zurückgekehrt sind. Es ist auch festzustellen, dass sich in den Gebieten, die vom IS befreit wurden, das Leben auch für Kinder wieder langsam stabilisiert. Dass Kinder in Regionen, in denen derzeit keine Kriegshandlungen gesetzt werden, z.B. in BAGDAD, ERBIL oder BASRA, von einer über die allgemeine angespannte Sicherheitslage hinausgehenden humanitären Kriegs- oder Krisensituation ausgesetzt wären, konnte nicht festgestellt werden.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

IOM, Number of Returns Exceeds Number of Displaced Iraqis: UN Migration Agency, 12.01.2018,

https://www.iom.int/news/number-returns-exceeds-number-displaced-iraqis-un-migration-agency (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016-November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

1.4.4. Zur medizinischen Grundversorgung im Irak

Die medizinische Versorgungssituation bleibt angespannt, so ist im Irak zwar ein qualifiziertes Ärzte- und Krankenhauspersonal vorhanden, doch sind viele Ärzte und Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgrund der angespannten Sicherheitslage im Irak geflohen oder haben ihre Arbeit niedergelegt. Das Gesundheitsministerium ist der Hauptanbieter im Gesundheitsbereich, das öffentliche Gesundheitssystem basiert auf einem Kostenteilungsmodell, bei dem die Regierung einen Teil der Kosten medizinischer Leistungen übernimmt und den Patienten eine geringe Gebühr in Rechnung gestellt wird. Der Mangel an politischer Stabilität und Staatssicherheit im Irak macht es schwierig, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Neben der öffentlichen Gesundheitsversorgung existiert ein privater Gesundheitssektor, welcher ebenfalls heilmedizinische Leistungen anbietet, diese können jedoch, wenn weitere Leistungen nötig werden (z.B. MRT, Medikamente oder operative Eingriffe) durchaus kostspielig sein.

Einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad sind Untersuchungen und Behandlungen im öffentlichen Sektor kostenfrei verfügbar. Nach einem IOM-Bericht gibt es ebenso öffentliche Gesundheitszentren. Neben Krankenhäusern in ERBIL sind dazu das Ainkawa Health Care Center, das Pirzeen Health Care Center oder das Shaqlawa Hospital Safin Health Care Center. Ebenso gibt es in AL SULAYMANIYAH eine Reihe öffentlicher Krankenhäuser, sowie weitere Gesundheitszentren im Umland, die jedoch im Allgemeinen schlecht ausgestattet sind und oftmals nur die notwendigste Versorgung gewährleisten können, z.B. das Bakrajo Health Center, das Kakamand Health Center oder das Sarchnar Health Center. Medizinische Versorgung ist auch im Südirak gegeben, so sind neben den Krankenhäusern in BASRA in diesem Zusammenhang das Hay Al-Mohandesin Typical Healthcare Centre und das Haji Khudair Healthcare Centre, die jedoch ebenfalls schlecht ausgestaltet sind.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Verfügbarkeit und Zugang zu diversen Medikamenten und Behandlungen in Bagdad, 30. Jänner 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/1423351/5209_1517480519_irak-rf-mev-diverse-medikamente-und-behandlung-in-baghdad-2018-01-30-k.odt (Letzter Zugriff am 23.03.2018)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 20.02.2018)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf , (Letzter Zugriff am 08.02.2018)

1.5. Zur Lage der beschwerdeführenden Parteien im Herkunftsstaat in Zusammenhang mit den vorgebrachten Fluchtgründen:

Anlässlich seiner Erstbefragung brachte der BF1 vor, dass Islamisten den Kurden gedroht hätten, damit diese MOSSUL verlassen. Deswegen hätten er und seine Familie MOSSUL verlassen und seien in die Türkei ausgereist [BF1, AS 33]. Dass er selbst bedroht oder eine Verfolgung im Sinne der GFK erlitten hätte, brachte er nicht vor.

Dagegen sagte die BF2 anlässlich ihrer Erstbefragung aus, dass ihr Mann wegen seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe von islamischen Extremisten bedroht worden sei. Sodann gab sie an, dass "Kurden in MUSOL, wo die Islamisten die Übermacht hatten", gezielt Kurden bedroht hätten, um diese zu vertreiben. Dies seien ihre Fluchtgründe [BF2, AS 31]. Hinsichtlich des mj.BF3, des mj. BF4, des mj. BF5, der mj. BF6, der mj. BF7 und der mj. BF8 wurden keine eigenen Fluchtgründe behauptet.

Vor der belangten Behörde sagte der BF1 aus, dass er nach der Übernahme der Stadt MOSSUL durch den IS die Stadt verlassen habe und zu Fuß nach XXXX und in der Folge in die Türkei gegangen sei. Als fluchtkausal bezeichnete er den Einmarsch des IS und dessen Drohungen, "alle Kurden töten" zu wollen. Auch gab er an, dass seine Frau als Lehrerin noch vor dem Einmarsch des IS wegen der schlechter gewordenen Stimmung im Land "teilweise nicht mehr arbeiten gehen" konnte. Auch habe der IS seine Schwiegereltern bedroht, weil sie die BF2 mit einem Kurden (Anm.: dem BF1) verheiratet hätten [BF1, AS 593 f]. Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab die BF2 an, dass ihr Leben und das ihrer Familie auf Grund der Volksgruppenzugehörigkeit und der Konfession bedroht gewesen seien [BF2, AS 631]. Auch habe sie ihren Lehrerberuf nicht mehr ausüben können, da sie von fanatischen Moslems bedroht worden sei. Auch seien sie in XXXX zum Tragen von Kopftüchern gezwungen worden. Abermals gab sie an, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten [BF2, AS 633].

Anlässlich seiner PV vor dem Bundesverwaltungsgericht sagte der BF1 aus, dass er mehrmals Drohbriefe erhalten hätte, worin die Kurden bezichtigt wurden, nach dem Sturz des Regimes von Saddam HUSSEIN mit den Amerikanern kooperiert zu haben und worin es geheißen habe "wir werden Euch töten, egal wo Ihr seid". (PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 13 f). Die Drohschreiben seien ihm von den Angehörigen des IS persönlich zugestellt worden. Die BF2 bestätigte im Wesentlichen die Aussage des BF1, was die Existenz von Drohschreiben anlangt. Jedoch sagte sie aus, dass in den Drohschreiben gestanden habe "wir wollen Euer Blut" und dass diese Drohschreiben über die Mauer in den Garten bzw. in den Hof geworfen worden seien und dass auch ihre Nachbarn Drohschreiben dieser Art erhalten hätten (PV der BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 02.02.2018, S. 20).

1.6. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die beschwerdeführenden Parteien hatten mit den Behörden ihres Herkunftsstaates, der Republik Irak, weder auf Grund ihres Religionsbekenntnisses, noch auf Grund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 vor seiner unmittelbar nach der Übernahme der Stadt MOSSUL durch den IS mit dieser sunnitischen Gruppierung Probleme gehabt hätte, oder von ihr bedroht worden wäre.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass ihm von Angehörigen des IS Drohbriefe des Inhalts "wir werden Euch töten, egal wo Ihr seid" oder "wir wollen Euer Blut" erhalten hätte bzw. dass ihm persönlich Drohschreiben dieses Inhalts oder eines anderslautenden Inhalts zugestellt worden wären.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die BF2 ihrem Beruf als Volksschullehrerin aus ethnischen oder religiösen Gründen oder wegen ihrer Eigenschaft als Frau nicht nachgehen konnte bzw. dass sie wegen Drohungen von Extremisten ihrem Beruf nicht mehr nachgehen konnte.

Die minderjährigen Beschwerdeführer (mj. BF3, mj. BF4, mj. BF5, mj. BF6, mj. BF7 und mj. BF8) haben keine eigenen Fluchtgründe.

Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates durch den BF1, die BF2 und die minderjährigen Beschwerdeführer (mj. BF3, mj. BF5, mj. BF6, mj. BF7 und mj. BF8) konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass eine der beschwerdeführenden Parteien (hier besonders der BF1 und die BF2) vor deren Ausreise aus dem Herkunftsstaat einer individuellen Verfolgung aus den von ihnen genannten Gründen ausgesetzt gewesen wären oder im Falle ihrer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt sein könnten.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, der Religion, ihrer Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung ausgesetzt wären oder dass sonstige Gründe vorlägen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden. Nach den vorliegenden Länderberichten ist die Stadt MOSSUL vom irakischen Premierminister ABADI im Juli 2017 als vom IS befreit erklärt worden.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte oder sie als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung ihres Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 02.02.2018.

2.2. Zur Person und zu den Reisebewegungen der beschwerdeführenden Parteien:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staats- und Religionszugehörigkeit sowie zum Familienstand der beschwerdeführenden Parteien getroffen wurden, beruhen diese auf den eigenen Angaben des BF1 und der BF2 in der niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde vom 02.11.2015 u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten