Entscheidungsdatum
13.06.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L521 2153670-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias KOPF, LL.M. über die Beschwerde von XXXX Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch Dr. Lennart Binder, LL.M., Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12, sowie MigrantInnenverein St. Marx, 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2/R1, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017, Zl. 1085061207-151230848, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 31.08.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am Tag der Antragstellung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Thörl-Maglern AGM gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXXzu führen und Staatsangehöriger des Irak zu sein. Er sei XXXX im Gouvernement Babil geboren und habe dort zuletzt auch im Distrikt al-Musayab gelebt, Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung sowie ledig. Er habe im Distrikt al-Musayab acht Jahre die Grundschule besucht. Zuletzt sei er als Elektriker tätig gewesen. Seine Eltern seien im Irak oder einem anderen Drittstaat aufhältig.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, den Irak am 09.08.2015 legal mit dem Flugzeug von Bagdad ausgehend nach Istanbul verlassen zu haben, von wo er sich am 10.08.2015 mit einem Bus nach Izmir begeben habe. Er sei schlepperunterstützt am Seeweg nach Griechenland gelangt. Von Athen ausgehend sei er unter Verwendung von verschiedenen Transportmitteln sowie zu Fuß über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt.
Zu den Gründen seiner Flucht aus dem Heimatland befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er Sunnit sei und in einem von Schiiten besetzten Gebiet gelebt habe. Er habe unter Todesangst gelitten, weil die Miliz des Islamischen Staates einen Stützpunkt in der Nähe seines Wohnortes gehabt habe. Im Falle der Rückkehr fürchte er getötet zu werden.
2. Am 28.09.2015 wurde bezüglich des Beschwerdeführers ein Informationsersuchen gemäß Artikel 34 der Dublin-III-Verordnung an Ungarn gerichtet.
Das Informationsersuchen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der Dublin-III-Verordnung an die ungarischen Asylbehörden ergab keine Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des Schutzbegehrens des Beschwerdeführers.
3. Nach Zulassung des Verfahrens am 29.11.2015 wurde der Beschwerdeführer am 08.02.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland, im Beisein einer Vertrauensperson und eines geeigneten Dolmetschers in arabischer Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen. Zuvor wurde mit dem Beschwerdeführer ein Datenblatt ausgefüllt.
Zur Person und den Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen. Er sei XXXX im Gouvernement Babil geboren, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, sunnitischen Glaubens und ledig. Er habe vor seiner Ausreise im Distrikt al-Musayab im Gouvernement Babil gelebt. Seine Eltern und seine drei Geschwister befänden sich in Bagdad und leben dort in einem Haus. Vier Onkel und fünf Tanten seien in Babil aufhältig. Er stehe mit seiner Kernfamilie zweimal im Monat in Kontakt. Er habe im Distrikt al-Musayab im Gouvernement Babil etwa sechs Jahre die Grund- und etwa drei Jahre die Hauptschule besucht. Vor seiner Ausreise sei er als Elektriker beruflich tätig gewesen.
In der Folge bestätigte der Beschwerdeführer, bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben getätigt zu haben. Allerdings habe er den Dolmetscher teilweise nicht gut verstanden und sei ihm die Niederschrift lediglich teilweise rückübersetzt worden. Eine Kopie der Niederschrift habe er erst später - auf Verlangen - erhalten. Was Fehler in dieser Niederschrift betrifft, so beschränkte sich der Beschwerdeführer auf Ausführungen, wonach in der Niederschrift etwas über ein Fahrzeug angeführt worden sei. Er hätte aber hievon nichts erzählt.
Des Weiteren wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine bisherigen Angaben zum Reiseweg.
Die Fragen, ob er je Kontakt zu extremistischen oder terroristischen Gruppierungen gehabt oder je für eine der Kriegsparteien gekämpft habe, er schon einmal - sei es in Österreich, im Herkunftsstaat oder anderswo - mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei oder er je Kriegsverbrechen begangen habe, verneinte der Beschwerdeführer.
Ferner wurden dem Beschwerdeführer auch Fragen bezüglich seiner Integration in Österreich gestellt.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg erläuterte der Beschwerdeführer mit seinem Reisepass auf dem Flugweg von Bagdad ausgehend in die Türkei ausgereist zu sein. Er sei dort nicht streng kontrolliert worden. Bagdad sei sehr groß und habe er dort keine Probleme, da ihn in dieser Stadt niemand kenne. Er habe damals aufgrund der Bedrohungssituation nicht mit seiner Familie nach Bagdad gehen können. Er habe Angst gehabt, dass er von diesen Personen in Bagdad gefunden werde.
Zum Ausreisegrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass in einer schiitischen Ortschaft der Stadt Babil in al-Musayab eine bürgerkriegsähnliche Situation zwischen Sunniten und Schiiten geherrscht habe. In dieser Ortschaft seien 98 % Schiiten und 2 % Sunniten gewesen. Er sei Sunnit und die Schiiten hätten eine - ungefähr 200 m von seinem Haus entfernt befindliche - sunnitische Moschee bombardiert. Zur gleichen Zeit sei eine schiitische Moschee bombardiert worden. Die Sunniten seien gezwungen worden, die Ortschaft innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Er habe sich dann mit seiner Familie in Bagdad niedergelassen. Nach einem zweitägigen Aufenthalt habe er sich entschieden, den Irak zu verlassen.
Im Hinblick auf seine Arbeit hielt der Beschwerdeführer fest, dass dies eine sunnitische Firma gewesen sei. Er habe öfters das Dienstfahrzeug der Firma benutzt, um Sachen zu kaufen. Mitte 2015 sei er zum Zwecke des Einkaufes wieder mit dem Dienstfahrzeug für die Firma unterwegs gewesen und hiebei von der Terroristengruppe Asa'ib Ahl al-Haqq angehalten worden. Diese habe erfahren, dass er Sunnit sei und es sich bei dem Unternehmen um eine sunnitische Firma handle. Man habe ihm das Fahrzeug mit dem gesamten Inhalt weggenommen und ihn auch bedroht. Die Firma habe von ihm Ersatz für den Diebstahl verlangt. Er habe dies aber nicht zurückzahlen können, woraufhin die Firma eine Anzeige gegen ihn erstattet habe. Die Anzeige sei bereits bei Gericht. Es sei aber nichts passiert. Die Terrorgruppe habe hievon Kenntnis erlangt und er würde vermuten, dass das Gericht und die Gruppe zusammenarbeiten.
Nachgefragt zu Details gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass die Terroristengruppe von ihm die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt habe, andernfalls er getötet werden würde. Nach Herausgabe des Fahrzeugs und der Sachen habe man ihn einfach gehen lassen. Die Firma habe ihn informiert, dass er die volle Verantwortlichkeit für das Fahrzeug getragen habe. Da er nicht gezahlt hätte, würde er vermuten, dass die Firma eine Anzeige gegen ihn erstattet habe. Er wisse es nicht genau. Er habe seinem Vorgesetzten zwar von den Geschehnissen erzählt, aber trotzdem dafür bezahlen müssen. Er wisse nicht genau, ob diese Firma noch existiere. Nach diesem Vorfall - ungefähr Juli 2015 - hätte er im August das Land verlassen. Er habe sein Heimatland verlassen, weil er das Geld nicht zurückzahlen habe können und die Sunniten zum Verlassen der Ortschaft gezwungen worden seien. Bei einer Rückkehr in die Ortschaft würde er von der Terroristengruppe bedroht werden. Er sei dort nicht persönlich bedroht worden, aber die Lage sei instabil gewesen.
Bei einer Rückkehr in den Irak habe er Angst vor dem Tod.
Der gegenständlich relevante Teil der Einvernahme gestaltete sich ausweislich der Niederschrift wie folgt:
" [...]
F: Sie sind bei der Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat kontrolliert worden?
A: Ich wurde dort nicht streng kontrolliert. Ich bin von Bagdad weggeflogen, Bagdad ist sehr groß, ich hatte dort keine Probleme, weil mich dort auch niemand kennt.
F: Warum gingen Sie damals nicht mit Ihrer Familie nach Bagdad?
A: Ich konnte das nicht weil ich bedroht war und ich hatte Angst, dass mich diese Leute in Bagdad finden.
V: Gerade sagten Sie das Bagdad sehr groß ist und Sie dort niemand kennt!
A: Das heißt dass es dort so viele Parteien gibt und die größte Partei in Bagdad gehört zu einer Person mit dem namens Badr. Diese Partei gehört dem Staat und der Name von ihm war nicht eingetragen oder registriert das ich was schlimmes getan oder gemacht habe deshalb hatte ich keine Probleme am Flughafen.
F: Wie viel haben Sie für die Reise bezahlt? Woher hatten Sie das Geld für die Reise?
A: Ca. $ 3 500,--, ich hatte das Geld von meinen Ersparnissen.
F: Warum haben Sie nun einen Asylantrag gestellt? Was ist geschehen, dass Sie sich zu Ausreise entschlossen? Schildern Sie alle Vorfälle dazu genau und detailliert!
A: In der Stadt Babel in Almusaib ist eine schiitische Ortschaft und im Jahr 2014 war dort fast wie ein Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten. In dieser Ortschaft waren 98% Schiiten und 2% Sunniten, ich bin Sunnit und die Schiiten haben eine sunnitische Moschee bombardiert und diese ist ungefähr 200 m von meinem Haus entfernt gewesen. Zur gleichen Zeit wurde eine schiitische Moschee bombardiert. Die Sunniten wurde gezwungen die Ortschaft zu verlassen innerhalb von 24 Stunden. Dann habe ich mit meiner Familie die Ortschaft verlassen und wir haben uns XXXX in Bagdad niedergelassen. 2 Tage blieben wir dort, dann habe ich mich entschieden den Irak zu verlassen.
Im Bezug auf meine Arbeit in der Firma XXXX, dies war eine sunnitische Firma und ich habe das Dienstauto der Firma öfter benutzt um die Sachen zu kaufen die die Firma oder ich brauche. Mitte 2015 wollte ich etwas kaufen gehen für die Firma und ich war wieder mit dem Dienstauto unterwegs, ich wurde von einer Terroristengruppe Asaib Ahl El Hak angehalten. Sie haben erfahren dass ich Sunnit bin und dass die Firma eine sunnitische Firma ist und sie haben das Auto weggenommen mit dem gesamten Inhalt. Diese terroristische Gruppe hat mich auch bedroht. Und die Firma hat von mir verlangt dass ich alles zahlen muss weil die Sachen und das Auto gestohlen wurden. Ich konnte dies aber nicht zurückzahlen. Die Firma hat eine Anzeige gegen mich erstattet und ich habe erfahren dass die Anzeige schon bei Gericht ist es ist aber nichts passiert. Die Terrorgruppe hatte dies erfahren und ich glaube dass das Gericht und die Gruppe zusammenarbeiten. Das waren meine Hauptgründe dass ich den Irak verlassen musste.
F: Wie wurden Sie von der Terroristengruppe bedroht, wie meinen Sie das?
A: Sie wollten mich umbringen.
V: Erzählen Sie genauer!
A: Ich wurde bedroht wenn ich das Fahrzeug nicht hergebe dann werden sie mich töten. Entweder ich gebe das Fahrzeug her oder ich werde sterben. Ich gab das Fahrzeug her.
F: Was passierte danach?
A: Ich habe die Sachen hergegeben und ich bin weggegangen. Sie ließen mich einfach gehen.
V: Die Firma hat eine Anzeige gegen Sie erstattet? Wieso das? Erzählen Sie genauer!
A: Die Firma hat mich informiert dass ich die volle Verantwortlichkeit für das Auto hatte und ich musste dafür zahlen. Ich habe nicht dafür gezahlt und sie haben eine Anzeige erstattet. Ich vermute dass die Firma eine Anzeige gegen mich erstattet hat, ich weiß nicht genau.
F: Erzählten Sie Ihren Vorgesetzten nicht was passiert ist?
A: Doch aber ich musste trotzdem dafür bezahlen.
F: Gibt es diese Elektrik Firma noch?
A: Ich weiß es nicht genau aber ich glaube es gibt Sie noch.
F: Waren Sie nach diesem Vorfall immer noch arbeiten?
A: Nach diesem Vorfall habe ich die Firma verlassen.
V: Sie sagten Sie haben die Firma verlassen als Sie ausreisten!
A: Der Vorfall war ungefähr Juli 2015 und im August habe ich das Land verlassen.
V: Aus Ihrem Vorbringen geht nicht hervor dass Sie persönlich bedroht wurden! Ich verstehe nicht warum Sie nicht mit Ihren Eltern in Bagdad geblieben sind! Es hört sich so an als wären Sie geflüchtet weil Sie das Geld nicht bezahlen konnten und deshalb Ihr Heimatland verlassen haben!
A: Erstens weil ich das Geld nicht zurückzahlen konnte und weil die Sunniten gezwungen wurde dass wir die Ortschaft verlassen sollen und wir haben dort unser Haus gelassen, wenn ich dorthin zurückkehre dann werde ich dort von der Terroristen Gruppe bedroht.
Anmerkung: Die Frage wird zum vierten Mal gestellt.
A: Ich war dort nicht persönlich bedroht aber die Lage dort war instabil. Hätte meine Familie sich das finanzieren können die Ausreise aus dem Irak, hätte meine Familie das auch gemacht.
V: Weiters erscheint nicht ganz klar warum Sie nichts von alle dem in Ihrer Erstbefragung angegeben haben! In Ihrer Erstbefragung gaben Sie etwas über einen Stützpunkt des IS an!
A: Ich habe den Dolmetscher damals nicht verstanden.
V: Sie gaben vorhin an das alles stimmte außer etwas mit einem Auto, dass Sie nicht gesagt hätten!
A: Ich habe das nicht im Detail erwähnt und er hat auch nicht gefragt.
V: Von dem IS haben Sie heute überhaupt nichts angegeben! Das scheint nicht nachvollziehbar!
A: Das stimmt schon, dass es einen Stützpunkt der IS gab, ungefähr 35 km von meinem Haus entfernt.
F: Gibt es besondere private Gründe, dass Sie ausgerechnet nach Österreich gekommen sind? Haben Sie hier besondere Bindungen? Warum haben Sie nicht in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt? Sie waren ja bereits, bevor Sie nach Österreich kamen vorher in mehreren anderen Ländern, zum Beispiel in der Türkei oder in Griechenland, Mazedonien und Serbien und Ungarn somit vor Ihrer "Verfolgung", die wie sich herausstellte keine Verfolgung ist, sicher!
A: In Bezug auf die Türkei konnte ich dort nicht leben weil es in der Nähe vom Irak ist, in Griechenland wurden alle schlecht behandelt. In Mazedonien, Serbien und Ungarn wurden wir auch nicht gut behandelt, aber als ich nach Österreich kam hatte ich ein gutes Gefühl, Österreich war mein Zielland.
F: Sind das alle Gründe oder gibt es davon unabhängig noch weitere oder andere Ausreisegründe?
A: Das sind alle Gründe, andere oder weiterer Gründe habe ich nicht.
F: Was würde eintreten, wenn Sie heute in Ihren Herkunftsstaat zurückreisen?
A: Ich habe Angst vor dem Tod.
[...]"
Abschließend wurde dem Beschwerdeführer in der Einvernahme angeboten, zu den bei der belangten Behörde aufliegenden Länderinformationsblättern der Staatendokumentation zum Herkunftsstaat eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer lehnte dies dankend ab.
Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer einen irakischen Personalausweis im Original, einen irakischen Führerschein im Original und einen irakischen Staatsbürgerschaftsnachweis im Original sowie Unterlagen bezüglich seiner Integration in Österreich (Deutschkursbestätigung und Bestätigung über die Verrichtung gemeinnütziger Tätigkeit) in Vorlage.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Absatz 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte die belangte Behörde nach der Wiedergabe der Einvernahme des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person aus, es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung in seiner Heimat von staatlicher Seite verfolgt worden sei. Die vom Beschwerdeführer zur Begründung des Asylantrages vorgebrachten Fluchtgründe hätten nicht als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Des Weiteren wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in den Irak möglich und zumutbar sei, zumal keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einer Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder des § 8 AsylG ausgesetzt sei. Was das Privat- und Familienleben betrifft, so wurde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit 31.08.2015 in Österreich aufhalte und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Seinem Aufenthalt in Österreich liege eine illegale Einreise zugrunde. Er habe in Österreich keine Angehörigen und sei der Aufenthalt des Beschwerdeführers einzig und allein aufgrund der Asylantragstellung legalisiert. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über - sonstige - schützenswerte private/ soziale Anknüpfungspunkte in Österreich verfüge. Er befinde sich in der Grundversorgung und finanziere seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus der staatlichen Unterstützung. Es hätten keine Umstände festgestellt werden können, die einer Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak entgegenstünden bzw. diese als unverhältnismäßig erscheinen lassen würden. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung ferner Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zugrunde (vgl. die Seiten 15 bis 36 des angefochtenen Bescheides).
Beweiswürdigend erwog die belangte Behörde bezüglich der Bedrohung durch die Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq, dass der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme keine gegen ihn gerichtete konkrete persönliche Bedrohung bzw. Verfolgung nachvollziehbar darlegen habe können. Des Weiteren habe der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde in wesentlichen Punkten widersprüchliche Ausführungen getroffen, was für dessen Unglaubwürdigkeit spreche. Ferner wurde bezüglich einer Bedrohung durch die schiitische Mehrheitsbevölkerung in der Ortschaft des Beschwerdeführers im Rahmen einer Eventualbegründung ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer bei Glaubhaftunterstellung seines Vorbringens die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen stünde. Schließlich spreche es gegen eine tatsächliche Verfolgung im Irak, dass es der Beschwerdeführer unterlassen habe, vor seiner Einreise nach Österreich in anderen Ländern, in denen er bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da er unter Berücksichtigung seiner Erwerbsfähigkeit im Irak in der Lage sei, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, er über genügend (familiäre) Anknüpfungspunkte verfüge und keine reale Gefahr einer Verletzung in elementaren Rechten sowie keine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohe. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen.
5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und der Beschwerdeführer ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.03.2017 gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
6. Gegen den dem Beschwerdeführer am 30.03.2017 persönlich zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die im Wege der zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird beantragt, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 zu erteilen, darüber hinaus die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung nach Irak aufzuheben und eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuberaumen.
Nach Wiederholung des bisherigen Verfahrensganges schildert der Beschwerdeführer in der Sache im Wesentlichen erneut das bisherige Vorbringen bezüglich einer Bedrohung durch die schiitische Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq und der Vertreibung der Sunniten aus seinem Heimatort.
Des Weiteren wird unter auszugsweise Zitierung der von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen bzw. des Länderinformationsblattes bezüglich der Aktivitäten der schiitischen Milizen angemerkt, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers mit den dort geschilderten Umständen decke. Er sei der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig und würden die schiitischen Milizen allgemein gegen die sunnitische Bevölkerung vor- und Menschenrechtsverletzungen an dieser begehen. Die irakische Regierung kooperiere mit den schiitischen Milizen.
Der Konflikt im Irak sei weiterhin der zweittödlichste weltweit und geprägt durch zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, die durch den Islamischen Staat, die Sicherheitskräfte der Regierung und regierungstreue Milizen durchgeführt werden würden. Der irakische Staat sei nicht schutzfähig. Ferner bestehe aufgrund der wiederkehrenden Anschläge und mangels eines sozialen oder familiären Netzwerks keine innerstaatliche Fluchtalternative.
7. Die Beschwerdevorlage langte am 21.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.
8. Am 25.04.2017 langte die Vollmachtsbekanntgabe der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.
9. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.05.2018 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen Länderdokumentationsunterlagen zum Irak zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.
Der Beschwerdeführer ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.
10. In einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 09.05.2018 wird vorab festgehalten, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers massiv widersprüchlich sei und diese Widersprüche auch im Zuge der Einvernahme vor der belangten Behörde ausführlich gewürdigt worden seien. Daher sei die Einbringung von aktualisierten Länderfeststellungen oder Gutachten nicht relevant, da das vorgebrachte Geschehen aufgrund der persönlichen Angaben schon als unglaubhaft zu beurteilen sei.
Generell sei anzuführen, dass es sich bei den Quellen des Bundesverwaltungsgerichts um Berichte des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) handle. Auch wenn sich ACCORD auferlegt haben wolle, unabhängig und neutral zu recherchieren, so sei schon darauf hinzuweisen, dass diese Organisation dem Roten Kreuz unterstehe, dessen primäre Aufgabe es sei, Hilfeleistungen jeglicher Art anzubieten. Naturgemäß könne daher nicht von einer tatsächlichen Objektivität einer solchen Quellenrecherche bzw. deren Auswahl ausgegangen werden, da zudem auch Asylwerber in ihrem Asyl- bzw. Einreiseverfahren durch das Rote Kreuz vertreten werden würden und auch aufgrund des hehren Auftrages des Roten Kreuzes zumindest der bloße Anschein einer Parteilichkeit bei der Auswahl der Quellen nicht von der Hand zu weisen sei.
In diesem Sinne sei anzumerken, dass sich die darin herangezogenen Erkenntnisse etwa im Bericht vom 30.11.2017 - abgesehen von einer Quelle aus Mai 2017 - auf die Situation seit 2013 bis dato beziehen und die darin aufgelisteten Quellen sich auf Sachverhalte im Mai 2013, Juni 2013, Juni 2014 und Juli 2014 beziehen und somit jeglicher Aktualität entbehren würden. Selbiges gelte für den ACCORD-Bericht vom 20.02.2017, wonach auch die darin aufgelisteten Sachverhalte mangels zeitlicher Aktualität bzw. mangels Ortsbezogenheit nur äußerst untergeordnet zur Beweisfindung herangezogen werden könnten.
Die im ACCORD-Bericht vom 27.03.2017 zitierten Quellen, etwa von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) oder Human Rights Watch (HRW), wonach sich in Bagdad zunehmend eine ethnisch-religiöse Aufspaltung in von jeweiligen Kräften beherrschte Stadtbezirke entwickelt habe und in den schiitischen Vierteln die Milizen eine nicht unwesentliche Rolle spielen würden, würden nicht bestritten werden. Aus dem Bericht von United Nations Assistance Mission for Iraq (UNAMI) würden keine Details oder Hintergründe zu den aufgefundenen Leichen hervorgehen und beziehe er sich nicht auf ein Beweisthema, bestätige aber unter anderem auch die nichtvorliegende Unparteilichkeit bei der Auswahl der Quellen durch ACCORD.
In seiner Gesamtheit fänden sich in den Berichten keine Quellen, wonach Schiiten in schiitisch bzw. von solchen Milizen kontrollierten Gebieten verfolgt werden würden. In keiner der übermittelten Quellen fänden sich Hinweise darauf, dass es etwa Schiiten aus gemischten Familien nicht möglich wäre, sich in sunnitischen Stadtteilen dauerhaft aufzuhalten und werde dies auch durch die Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung vom 28.11.2017 zum Verbleib seiner Familie beim Schwager bestätigt. Dazu sei auch auszuführen, dass der Beschwerdeführer trotz dahingehender Fragestellung durch den Richter keine Verfolgungsbehauptungen oder Schwierigkeiten aufgestellt habe bzw. der dahingehenden Fragestellung ausgewichen sei und es hätten sich auch sonst im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, dass deswegen Befürchtungen zu hegen wären.
Abschließend wird auf die einschlägige österreichische Rechtsprechung verwiesen, wonach jedenfalls nicht von einer Gefährdung von Sunniten oder einer derart vagen Sicherheitslage im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention für den Fall einer Rückkehr nach Bagdad auszugehen sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Verfahrensbestimmungen
Gemäß § 27 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I Nr. 138/2017, hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
2. Feststellungen:
2.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angegebenen Namen, ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung. Er wurde am XXXX im Gouvernement Babil geboren und lebte dort zuletzt - abgesehen von einem kurzen Aufenthalt in Bagdad kurz vor seiner Ausreise - im Distrikt al-Musayab. Seine Eltern und drei Geschwister leben weiterhin in einem Haus in Bagdad. Vier Onkel und fünf Tanten sind noch im Gouvernement Babil aufhältig. Der Beschwerdeführer ist ledig.
Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Jahre die Grund- und Hauptschule in Babil. Anschließend war er bis zu seiner Ausreise als Elektriker beruflich tätig.
Der Beschwerdeführer verließ den Irak am 09.08.2015 legal im Luftweg von Bagdad ausgehend nach Istanbul und reiste in weiterer Folge schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 31.08.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
2.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise von Mitgliedern der schiitischen Miliz Asa'ib Ahl al-Haqq zur Übergabe eines Firmenfahrzeugs samt Ladung aufgefordert und hiebei bedroht wurde.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat einer individuellen Gefährdung oder Verfolgung in seinem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung des Beschwerdeführers festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie kriegerische Ereignisse oder extremistische Anschläge im Irak.
2.3. Der Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeitsfähiger Mensch mit Berufserfahrung sowie mit bestehenden Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.
Der Beschwerdeführer verfügt über ein irakisches Ausweisdokument und eine Wohnmöglichkeit im Familienverband.
2.4. Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa Ende August 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtswidrig in Österreich ein, ist seither Asylwerber und verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Er ist strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer bezieht seit der Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er ist als voll erwerbsfähig anzusehen, etwaige gesundheitliche Einschränkungen des Beschwerdeführers sind nicht aktenkundig. Er ist nicht legal erwerbstätig, verrichtet(e) jedoch gemeinnützige Arbeiten bei der "Pannonischen Tafel".
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und pflegt im Übrigen normale soziale Kontakte. Eine Vertreterin der "Pannonischen Tafel" attestiert dem Beschwerdeführer Verlässlichkeit, Fürsorglichkeit, Besonnenheit und ein guter Teamplayer zu sein. Zudem wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer - wenn zeitlich möglich - am Deutschunterricht dieser Organisation teilnimmt.
Der Beschwerdeführer ist für keine Person im Bundesgebiet sorgepflichtig.
Der Beschwerdeführer hat von 26.07.2016 bis 13.09.2016 einen Deutschkurs der burgenländischen Volkshochschulen besucht, er hat jedoch keine Prüfungen absolviert. Anderweitige Integrationsschritte hat der Beschwerdeführer nicht ergriffen.
2.5. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitieren und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:
1. Politische Lage
Im März 2003 kam es zum Einmarsch von Truppen einer Koalition, die von den USA angeführt wurde (BBC 12.7.2017). Als Grund hierfür wurden Massenvernichtungswaffen angegeben, deren Existenz jedoch nie bestätigt werden konnte. Nach dem im März 2003 erfolgten Sturz von Saddam Hussein, einem Angehörigen der sunnitischen Minderheit, wurden die Regierungen von Vertretern der schiitischen Mehrheitsbevölkerung geführt (BPB 9.11.2015). Mit 2003 begann der Aufstieg von [vorwiegend] irantreuen bzw. dem Iran nahestehenden schiitischen Parteien/Milizen, denen die amerikanischen Invasoren erlaubten, aus dem iranischen Exil in ihre Heimat zurückzukehren (SWP 8.2016; vgl. Hiltermann 26.4.2017). Es konnte nach der Entmachtung Husseins weder eine umfassende Demokratisierung noch eine Stabilisierung erreicht werden, da die Strukturen des neuen politischen Systems das Land entlang ethnisch-konfessioneller Linien fragmentierten (BPB 9.11.2015). Die von der US-Besatzung beschlossene Auflösung der irakischen Armee sowie das Verbot der Baath-Partei ließen viele Sunniten, darunter erfahrene Militärs, radikalen islamistischen Gruppen zuströmen (Spiegel 18.4.2015). Die sunnitische Minderheit fühlte sich zunehmend diskriminiert und radikale Anführer konnten immer mehr Anhänger gewinnen (AI 28.5.2008). Zudem hatte die Demontage der irakischen Armee und irakischen Sicherheitskräfte durch die US-geführte Koalition ein Sicherheitsvakuum hinterlassen, das die schiitischen Milizen zu füllen versuchten, wodurch es zu einem sunnitischen Aufstand kam (Hiltermann 26.4.2017). Die US-Regierung (sowohl die Bush-, als auch die Obama-Regierung) arbeitete zum Teil mit diesen Kräften (Badr-Miliz) zusammen, und verschloss vor den Gewaltexzessen der schiitischen Milizen gegenüber der sunnitischen Bevölkerung die Augen (Reuters 14.12.2015). Während die Revolte der Sunniten gegen die US-Präsenz seit 2003 eher eine nationalistisch als eine religiös geprägte Bewegung war, entwickelte die Revolte zunehmend einen dominanten radikal-sunnitisch-islamistischen Zug. Der in der Folge entstehende konfessionelle Bürgerkrieg (ca. 2005 bis 2007) führte zu einer Änderung der US-Politik im Irak, die wiederum die Niederlage von Al-Qaida im Irak (AQI) herbeiführte. Doch dadurch, dass das Problem der Ausgrenzung der Sunniten weiter bestehen blieb, kam es zu weiteren Protesten in den sunnitischen Gebieten in den Jahren 2013 und 2014, daraufhin zu einer gewaltsamen Antwort von Seiten des Staates und danach zur Übernahme sunnitischer Gebiete durch eine noch radikalere Version von Al-Qaida - durch die Organisation "Islamischer Staat" [IS, auch ISIS oder ISIL, vormals ISI, arabisch Daesh] (Hiltermann 26.4.2017). Diese konnte in große Teile der sunnitischen Gebiete im Westen des Irak, in kurdische Gebiete im Norden des Irak und in Teile Syriens vordringen (ACCORD 12.2016). Als die nach der Entmachtung Saddam Husseins neu aufgestellte Armee vorübergehend "kollabierte", mobilisierten schiitische Führer in Notwehr ihre Gefolgschaft, wodurch die schiitischen Milizen (allen voran die Badr Organisation, Asaib Ahl al-Haq und Kataeb Hezbollah, mit Unterstützung des Irans) verstärkt auf den Plan traten und sich nordwärts in die sunnitischen Gebiete bewegten (Hiltermann 26.4.2017).
Das politische Geschehen ist trotz großer Erfolge bei der Rückeroberung von IS weiterhin vom Kampf gegen den IS geprägt (ÖB 12.2016). Seit Ende 2015 wird der IS mit einem Bündnis auf Zeit aus irakischem Militär, kurdischen Peschmerga, schiitischen Milizen und Luftschlägen der internationalen US-geführten Anti-IS-Koalition bekämpft (AA 7.2.2017).
Staatsform & Parteien
Der Irak ist formal-konstitutionell eine republikanische, demokratische, föderal organisierte und parlamentarische Republik. So sieht es die gültige Verfassung von 2005 vor. Sitz von Regierung und Parlament ist Bagdad. Staatspräsident ist seit dem 24.07.2014 der Kurde Fuad Massum, Angehöriger der irakisch-kurdischen Partei Patriotic Union of Kurdistan - PUK. Ein Teil des föderalen Staates ist auch das kurdische Autonomiegebiet, das im Nordosten des Iraks angesiedelt ist. Diese Föderale Region Kurdistan hat weitgehende Souveränität. Sie verfügt über eigene exekutive, legislative und judikative Organe und besitzt seit 2009 eine eigene Verfassung, sowie gesonderte Militäreinheiten, die Peschmerga (LIP 6.2015). Im Irak gibt es eine Vielzahl von Parteien (zu einer Anerkennung genügen laut Parteiengesetz 500 Unterschriften). Sie haben sich vor und nach den Wahlen zu Bündnissen zusammengeschlossen (AA 7.2.2017).
Wahlen & Premierminister
Die nationalen Wahlen, die im April 2014 stattfanden, hatte zwar abermals der zuvor amtierende Premierminister Nouri al-Maliki gewonnen, da es jedoch auf Grund seines autoritären und pro-schiitischen Regierungsstils massive Widerstände gegen ihn gab, trat er im August 2014 auf kurdischen, internationalen, aber auch auf innerparteilichen Druck hin zurück (GIZ 6.2015). Maliki wird unter anderem vorgeworfen, mit seiner sunnitenfeindlichen Politik (Ausgrenzung von sunnitischen Politikern, Niederschlagung sunnitischer Demonstrationen, etc.) deutlich zur Entstehung radikaler sunnitischer Gruppen, wie dem IS, beigetragen zu haben (Qantara 17.8.2015; vgl. auch Abschnitt "Sicherheitslage"). Infolge dessen wurde die schiitisch dominierte Regierung des Premierministers Nuri al-Maliki von einer nationalen Einheitsregierung mit Beteiligung von Sunniten und Kurden unter dem gemäßigteren Premierminister Haidar al-Abadi abgelöst (HRW 29.1.2015). Abadi ist ebenfalls Schiite und ein Parteikollege Malikis in der Da'wa-Partei. Er ist mit dem Versprechen angetreten, das ethno-religiöse Spektrum der irakischen Bevölkerung wieder stärker abzudecken (GIZ 6.2015), und zunächst konnten durch seine Ernennung zum irakischen Premierminister tatsächlich einige gesellschaftliche Gräben geschmälert werden. Von einer tatsächlichen Versöhnung zwischen den ethnischen und religiösen Gruppierungen ist jedoch nichts zu bemerken (ÖB 12.2016). Die Besetzung aller politischen Führungspositionen, so auch der Kabinettsposten, folgt seit Jahren einem Kalkül ethnisch/religiöser Balance. Die sunnitischen Regierungs- und Parlamentsmitglieder stehen unter Druck, da ihre Kooperation in Bagdad bislang kaum dazu beitrug, ihre Klientel zu schützen (ÖB 12.2016). Das irakische Parlament wählte den moderaten sunnitischen Politiker Salim al-Jabouri zum Parlamentspräsidenten (Al Arabiya 15.7.2014).
Abadis Reformen sind bislang nur oberflächlicher Natur oder harren noch ihrer Umsetzung. Unterstützt werden die Reformpläne der Regierung bislang immerhin durch die höchste geistliche Autorität der Schiiten, Großajatollah Al-Sistani (AA 7.2.2017). Insgesamt ist die Zentralregierung aber schwach, Premierminister Abadi kann gegen die internen Rivalitäten der schiitischen Parteien nicht viel ausrichten. Er ist von zahlreichen Herausforderern umgeben: Dem Ex-Premierminister Nouri al-Maliki, dem Oppositionsführer und populärer Priester Muqtada al-Sadr, sowie den anderen Anführern schiitischer Milizen (Stansfield 26.4.2017).
Das irakische Parlament hat am 29.01.2017 die neuen Minister für Verteidigung und Inneres bestätigt. Der Armeegeneral Erfan al-Hiyali von der sunnitischen Minderheit im Land wird künftig das Verteidigungsministerium führen. Kasim al-Aradschi von der schiitischen Badr-Organisation leitet das Ressort Inneres. Ministerpräsident Haider al-Abadi lobte die Entscheidung des Parlaments als "guten Fortschritt zu einer entscheidenden Zeit". Beide Posten waren monatelang unbesetzt (ORF, 30.01.2017).
Schiitische Milizen, Rolle des Ex-Premierminister Maliki und Einfluss des Iran
Abadi hat mit dem Iran-freundlichen Ex-Premierminister Maliki (nunmehr Vize-Premierminister und Vorsitzender der State of Law Coalition, sowie Da'wa-Parteiführer) einen starken Widersacher innerhalb seiner Partei. Ein Problem Abadis ist auch die Macht der schiitischen Milizen - einerseits unverzichtbar für Abadi im Kampf gegen den "Islamischen Staat" (Standard 5.11.2015), gleichzeitig wird deren Einsatz aber von der sunnitischen Bevölkerung als das "Austreiben des Teufels mit dem Beelzebub" gesehen. Das Vertrauen der sunnitischen Bevölkerung in die schiitisch dominierte Zentralregierung bleibt weiterhin minimal. Der Einsatz dieser Milizen im Kampf gegen den IS wird von Sunniten meist abgelehnt, sie fürchten ein ruchloses Vorgehen der Milizen und dulden daher oft die sunnitischen Extremisten in ihren Gebieten. Berichte zu Übergriffen der schiitischen Milizen konterkarieren die Versuche von Premierminister Haidar al-Abadi, den arabischen Sunniten wieder Vertrauen in den irakischen Staat einzuflößen (ÖB 12.2016). Bezüglich der schiitischen Milizen spielt auch der schiitisch dominierte Iran eine große Rolle, der insgesamt einen großen Einfluss auf den Irak ausübt. An den Schalthebeln der Macht in Bagdad werden selbst hochrangige irakische Kabinettsmitglieder von der iranischen Führung abgesegnet oder "hinauskomplementiert". Dadurch kommt es auch dazu, dass Gesetze verabschiedet werden, wie z. B. jenes vom November 2016, das die schiitischen Milizen effektiv zu einem permanenten Fixum der irakischen Sicherheitskräfte macht (NYTimes 15.7.2017), und sie im Rahmen der Dachorganisation PMF (auch PMU, Popular Mobilisation Forces/Units, Volksmobilisierung, arabisch Al-Hashd al-Shaabi) der irakischen Armee gleichstellt (Harrer 9.12.2016). Diese Integration der schiitischen Milizen in die Regierungskräfte, die von vielen sunnitischen Politikern bekämpft wurde (HRW 16.2.2017), ist mehr formeller Natur, um den äußeren Schein zu wahren. In der Realität gibt es im Irak keine offizielle Instanz (auch nicht die Regierung), die die Fähigkeit hat, die Milizen zu kontrollieren (Hiltermann 26.4.2017). Die Eingliederung der Milizen in die irakische Sicherheitsstruktur sichert ihnen einerseits eine Finanzierung durch den Irak, während die [effektive] Kontrolle über einige der mächtigsten Einheiten weiterhin dem Iran obliegt. Dem Iran geht es dabei nicht nur um die weitere Ausbreitung der Kontrolle über irakisches Gebiet, sondern auch darum, einen Korridor zu den Stellvertreterkräften in Syrien und im Libanon zu bilden. Was im März 2017 passierte, nämlich, dass Iran-gestützte schiitische Milizen zum ersten Mal den gesamten Weg westwärts bis zur syrisch-irakischen Grenze vorstoßen konnten, quer durch irakisches, vorwiegend sunnitisches Gebiet, veranschaulicht dieses Vorhaben (ICG 31.5.2017; vgl. NY Times 15.7.2017). Der ehemalige Premierminister Maliki, der sich bereits zu seiner Amtszeit stark in Richtung Iran gelehnt hatte, und der nach Ende seiner Amtszeit weiterhin massiv von der Zusammenarbeit mit dem Iran profitierte, spielt heute auf politischer Ebene in Bezug auf die PMF eine zentrale Rolle. Unter anderem aufgrund der Schwäche des Irakischen Staates, der Dominanz des Irans, sowie ganz besonders aufgrund der Hilfe, die der reguläre irakische Sicherheitsapparat für das Zurückschlagen des IS benötigt(e), blieb Abadi keine andere Wahl, als den PMF-Milizen zu noch weiterem Einfluss zu verhelfen - in Fortsetzung der bezüglich der Milizen vorangetriebenen Legitimierungspolitik Malikis. Die PMF sind somit einerseits eine vom Staat mittlerweile legitimierte und der Armee gleichgestellte Dachorganisation von - fast ausschließlich - schiitischen Milizen, gleichzeitig werden sie aber von nicht-staatlichen Anführern befehligt (Carnegie 28.4.2017). Maliki versucht, an die Spitze der irakischen Politik zurückzukehren, und hat als Verbündete dabei den Iran und "seine" neue Hausmacht, die schiitischen Milizen (Harrer 13.2.2017). Gegen dieses Vorhaben regt sich insbesondere auch im Süden verstärkter Widerstand: Die Anhänger der Sadr-Bewegung [Muqtada al-Sadr: Führer der Sadr-Bewegung, einer politischen Partei, sowie Führer der Saraya al-Salam] wollen mittels Demonstrationen die Hoffnung Malikis auf eine Rückkehr verhindern. Ein innerschiitischer Konflikt zwischen Sadristen und Maliki-Anhängern ist spürbar, auch wenn diesbezügliche militärische Auseinandersetzungen unwahrscheinlich sind (Al Monitor 26.1.2017). Zu solchen Auseinandersetzungen war es zwischen diesen beiden Lagern im Jahr 2008 in Basra gekommen (BBC 12.7.2017).
Die Sadr-Bewegung ist aber auch gegenüber Abadis Regierung kritisch eingestellt. Muqtada al-Sadr stilisiert sich als irakischer Nationalist, der gegen den konfessionell-ethnischen Proporz in der irakischen Politik ankämpft, der jedoch andererseits Abadis Reformen zum Teil sogar blockiert, wie z.B. Abadis Versuch, eine Technokratenregierung aufzustellen. Darüber hinaus führt die Sadr-Bewegung regierungskritische Demonstrationen durch, die - trotz Aufrufs Sadrs, friedlich zu protestieren - außer Kontrolle geraten können und zuletzt im Februar 2017 in Bagdad zur wiederholten Erstürmung der Grünen Zone führten. Die Proteste der Sadr-Bewegung spielen Maliki in die Hände und schwächen Abadi zusätzlich, der in der Schusslinie zwischen Sadr und Maliki steht (Harrer 13.2.2017). In Hinblick auf die Parlamentswahl im Jahr 2018 und einen möglichen Erfolg des pro-iranischen Maliki, näherte sich Premierminister Abadi einer Koalition einflussreicher schiitischer religiöser und politischer Führer (darunter auch besagter Muqtada al-Sadr) an, mit dem Ziel Maliki zu isolieren (IFK 9.6.2017).
Der gemeinsame Gegner IS schweißte 2014 das Land und teilweise auch die Bevölkerung etwas zusammen, doch die Bruchlinien bleiben insbesondere mit zunehmenden Erfolgen gegen den IS akut: Nicht nur zwischen Schiiten und Sunniten oder innerhalb der schiitischen Kräfte, sondern auch zwischen der KRI (Kurdische Region im Irak) und der Zentralregierung, innerhalb der kurdischen Gruppierungen sowie zwischen de facto allen Mehrheitsbevölkerungen und Religionen und den Minderheiten in ihrem Bereich. Mit zunehmenden Erfolgen gegen den IS gehen auch ein verstärkter Terrorismus, neue humanitäre Herausforderungen und wiederaufflammende Spannungen einher. Eine ethnisch-religiöse Aussöhnung hat nicht stattgefunden. Die Gefahr eines weiteren Zerfalls des Staates, samt bewaffneten Auseinandersetzungen ist nach wie vor nicht gebannt (ÖB 12.2016). Insbesondere ist auch unklar, ob die vom IS zurückeroberten sunnitischen Gebiete auf eine Weise verwaltet werden, die nicht erneuten Unfrieden und eine erneute Rebellion (unter dem Banner des IS oder einer anderen Organisation) provozieren wird (OA/EASO 2.2017). Die Islamisten genießen im Irak in der Bevölkerung nach wie vor Unterstützung, da sie sich als Beschützer der sunnitischen Gemeinschaft präsentieren. Der IS ist ja ursprünglich vorrangig eine irakische Organisation mit starken lokalen Wurzeln (Stansfield 26.4.2017), und selbst das Zurückschlagen des IS in Mossul vermag es nicht, die schiitisch-sunnitischen Spannungen zu lösen, die das Ergebnis einer mangelnden politischen Übereinkunft sind (USCIRF 26.4.2017). Die Gewalt, der die Sunniten seit der US-geführten Invasion im Irak von Seiten Iran-gestützter Regierungen und Milizen ausgesetzt waren [und sind], hat in der sunnitisch-arabischen Bevölkerung ein tiefgreifendes und gefährliches Gefühl der Viktimisierung bewirkt, das Rekrutierungsbemühungen von Jihadisten in die Hände spielt (ICG 22.3.2017). Die Rolle der internationalen Koalition gegen den IS ist zwiespältig. Während diese sich selbst als unparteiischen Akteur sehen mag (abgesehen vom Kampf gegen den IS), sehen das die irakischen Akteure anders, die die Koalition alleine schon auf Grund der Wahl ihrer Verbündeten als völlig parteiisch ansehen (ICG 31.5.2017).
2. Sicherheitslage
Hintergrund
Nachdem die irakische Armee im Sommer 2014 vorübergehend Auflösungserscheinungen zeigte und dem IS kampflos große Gebiete des Landes überließ (Spiegel 15.6.2014), veröffentlichte der schiitische Religionsführer im Irak, Großayatollah Ali al-Sistani einen Aufruf zur Mobilisierung gegen den IS, infolge dessen sich zahlreiche schiitische Milizen gründeten. Auch ältere schiitische Milizen aus der Zeit der religiös motivierten Gewalt von 2006 gewannen wieder an Einfluss. Mit Unterstützung des Irans konnten diese einen Angriff des IS auf die Hauptstadt verhindern und die Terrororganisation weiter nach Norden zurückdrängen. Seit Ende 2015 forciert Bagdad eine Regierungsoffensive gegen den IS, bei der mit Einsatz von schiitischen Milizen, sunnitischen Stammeskämpfern und Luftunterstützung der USA vorige IS-Hochburgen wie Ramadi und Fallujah zurückerobert werden konnten (ACCORD 12.2016). In den Jahren 2015 und 2016 wurden auch die Städte Tikrit, Hit, Rutba, sowie die Gegend um Sinjar, die sich unter der Kontrolle des IS befunden hatten, zurückerobert (ÖB 12.2016). Der bewaffnete Konflikt ging somit im Jahr 2016 unvermindert weiter (AI 31.12.2016), und mit Stand Dezember 2016 waren bereits 60 Prozent des Gebietes, das im Irak unter Kontrolle des IS stand, zurückerobert (ÖB 12.2016). Laut dem Irakexperten des "Institute for the Study of War", Patrick Martin, hat der IS im Irak mit Stand Juli 2017 nur noch etwa sieben Prozent des ursprünglichen IS-Gebietes unter seiner Kontrolle, gleichzeitig warnt er jedoch davor, den IS zu früh als mögliche weitere Bedrohung abzuschreiben (Daily Star 10.7.2017). Im Zuge der Rückeroberungen werden im Irak immer wieder zahlreiche Massengräber gefunden (Standard 11.5.2017; USDOS 3.3.2017, HRW 16.11.2016). Die Offensive zur Rückeroberung Mossuls startete im Oktober 2016 und am 9. Juli 2017 verkündete Premierminister Abadi (nach fast neun Monaten schwerer Kämpfe und fast einer Million Vertriebener) den erfolgreichen Abschluss derselben (OCHA 13.7.2017).
Im Irak leben ca. 36 Millionen Einwohner, wobei die diesbezüglichen Schätzungen unterschiedlich sind. Die letzte Volkszählung wurde 1997 durchgeführt. Im Gouvernement Bagdad leben ca. 7,6 Millionen Einwohner. Geschätzte 99% der Einwohner sind Moslems, wovon ca. 60%-65% der schiitischen und ca. 32%-37% der sunnitischen Glaubensrichtung angehören (CIA World Factbook 2014-2015, AA 10.5.2016).
Die Maps des The Gulf/2000 Project, das vom Nahostinstitut der Columbia University in New York finanziert wird, stellt die ethno-religiöse Zusammensetzung in Zentralirak im Jahr 2015 dar.
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gulf2000.columbia (2015): The Gulf/2000 Project, Maps, Central Iraq, Ethnic 2015,
http://gulf2000.columbia.edu/images/maps/Central_Iraq_Ethnic_2015_lg.png, Zugriff 5.12.2016
Der folgende Atlas, den das österreichische Bundesministerium für Inneres in Zusammenarbeit mit dem österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport im Jahr 2016 ausgearbeitet hat, stellt in der folgenden Karte religiöse und sektiererische Zusammensetzung in wichtigsten irakischen Ansiedlungen im Jahr 2014 dar.
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Austrian Federal Ministry of the Interior & Austrian Federal Ministry of Defence and Sports (2016): Landkarte: Atlas Syria & Iraq, Syria & Iraq: Religious and sectarian groups January 2014, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1471942452_bmi-bmlvs-atlas-syria-iraq-2016.pdf, Zugriff 5.12.2016
Aktuelle Sicherheitslage
Die Rückeroberung Tal-Afars verzögerte sich zunächst auf Grund der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen teilnehmenden Akteuren. Vom Iran gestützte schiitische Milizen drängten darauf, eine Rolle bei der Eroberung der Stadt zu spielen, was die Türkei und die USA, sowie auch Premierminister Abadi zu verhindern versuchten. Bei der am 20. August begonnenen Tal-Afar-Offensive nehmen die PMF-Milizen trotz vorangehender Konzessionen gegenüber Abadi nun doch teil (WI 22.8.2017; ISW 26.6.2017; AA 7.2.2017). Luftangriffe auf Tal-Afar werden schon seit längerer Zeit von der Anti-IS-Allianz und der irakischen Luftwaffe durchgeführt. Inzwischen gibt es erste Berichte, nach denen der IS Bewohner aus dem Bezirk Tal-Afar in die Stadt treibt, um sie als Schutzschilde zu verwenden, ähnlich wie er das auch bei der Mossul-Offensive betrieben hatte (Harrer 20.8.2017). Für die schiitischen Milizen ist Tal-Afar ein besonders wichtiges Ziel. Im Gegensatz zum sunnitisch-dominierten Mossul gab es dort vor der Eroberung durch den IS einen signifikanten schiitischen Bevölkerungsanteil und die Stadt war die nördlichste Hochburg der Milizen, die sie nun zurückerobern möchten, und sich darüber hinaus für die seit 2005 durch djihadistische sunnitische Gruppen verübten Verwüstungen rächen wollen (17.7.2017). Ebenso gab es Befürchtungen der Türkei (die weiterhin in der Nähe von Mossul mit Truppen präsent ist), denn Tal Afar ist zum Teil eine turkmenische Stadt (Harrer 20.8.2017). Die UNO warnt vor weiterer Gewalt an mutmaßlichen IS-Kollaborateuren, prangert die - insbesondere auch nach der Rückeroberung Mossuls - im ganzen Land stattfindenden Racheakte an und fordert den irakischen Regierungschef Abadi auf, dringend Maßnahmen zur Unterbindung der "Kollektivbestrafung" ganzer Familien zu ergreifen (Standard 17.7.2017).
Nachdem Premierminister Abadi am 31. August 2017 die gesamte Provinz Ninewah für vom IS zurückerobert erklärt hatte (Rudaw 31.8.2017), liegt der Focus nun auf den Provinzen Anbar und Kirkuk. Am 21. September 2017 startete die Operation zur Rückeroberung der in der Provinz Kirkuk/Tameem liegenden Stadt Hawija und deren Umgebung (BAMF 25.9.2017). Bei der Operation nehmen irakische Truppen, sowie schiitische Milizen teil, die kurdischen Peschmerga sind derzeit nicht beteiligt (Al-Jazeera 23.9.2017). Das Gebiet liegt jedoch im von den Kurden für sich beanspruchten Gebiet (Al-Jazeera 27.9.2017). Gleichzeitig findet eine Offensive zur Rückeroberung der Provinz Anbar statt, an der die irakischen Sicherheitskräfte, einschließlich Polizeieinheiten und schiitischer PMF-Milizen (PMF: Popular Mobilization Forces) teilnehmen (Al-Monitor 26.9.2017).
In der Provinz Anbar haben sich irakische Regierungstruppen westlich von Bagdad heftige Gefechte mit dem IS geliefert. Laut Angaben eines irakischen Generals vom 27.9.2017 waren IS-Kämpfer in die Ortschaft al-Tach südlich der Stadt Ramadi sowie in das "Kilometer Sieben" genannte Gebiet westlich davon vorgedrungen (Standard 27.9.2017).