TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/13 L508 2192573-1

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Veröffentlicht am 13.06.2018
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Entscheidungsdatum

13.06.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L508 2187128-1/9E

L508 2192573-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer, gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 und BF2 bezeichnet, sind Staatsangehörige aus Pakistan sowie der Volksgruppe der Paschtunen (BF1) bzw. Punjabi (BF2) und der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reisten im Dezember 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 12.12.2017 (BF1) bzw. am 11.12.2017 (BF2) jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um Brüder.

2. Am 12.12.2017 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des BF1 und des BF2 statt. Auf die Frage, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe (Fluchtgrund), gab der BF1 an, dass er im Jahr 2014 einen Verkehrsunfall erlitten habe. Hierbei sei er schwer verletzt worden. Er hätte sich bislang noch immer nicht von dem Unfall erholt. Er könne daher derzeit keiner schweren Arbeit nachgehen. In Pakistan sei es nicht möglich gewesen, eine Arbeit zu finden. Deshalb sei er nach Österreich gekommen, auch um sich hier untersuchen zu lassen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er Arbeitslosigkeit. Grund für das Verlassen seines Heimatlandes seien wirtschaftliche Gründe gewesen und befürchte er im Falle seiner Rückkehr Arbeitslosigkeit. Der BF2 schilderte auf die gleiche Frage, dass er im September 2017 von den deutschen Behörden nach Pakistan abgeschoben worden sei. Er habe sich dort einen Monat in einem Hotel in Islamabad aufgehalten. Im Jahr 2006 habe es wegen eines Stückes Ackerland eine große Auseinandersetzung zwischen seiner Familie und einer anderen Familie im Dorf gegeben. Dabei seien einige Personen beider Familien verletzt worden. Eine Person der gegnerischen Familie sei einige Monate später aufgrund der Verletzungen verstorben. Die gegnerische Familie habe ihn und seine Familie angezeigt. Er sei dann von der Polizei gesucht worden. Im Jahr 2008 hätte er Pakistan verlassen. In der Folge habe er in verschiedenen Ländern, wie Griechenland, Deutschland und Italien, gelebt. Nach der Rückkehr im September 2017 sei er von der Polizei festgenommen worden. Er habe Angst gehabt, weiter eingesperrt zu werden und sei gegen Bezahlung freigelassen worden. Bei einer Rückkehr habe er Angst von der Polizei eingesperrt bzw. von der gegnerischen Familie getötet zu werden. Sein Bruder, der in Griechenland lebe, sei im Jahr 2013 ebenfalls von der gegnerischen Familie angegriffen und schwer verletzt worden. Es habe sich um einen Mordversuch gehandelt und sei ihm dabei der Bauch aufgeschnitten worden.

3. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) vom 12.12.2017 wurden dem BF1 die aktuellen Länderdokumentationsunterlagen zu Pakistan zur Wahrung des Parteiengehörs ausgefolgt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu bis zum Einvernahmetermin, aber jedenfalls innerhalb einer Frist von drei Tagen ab Ausfolgung des Parteiengehörs und Vorlage der Länderinformation, Stellung zu nehmen.

4. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.12.2017 gab der BF1 zunächst ergänzend und neu zu Protokoll, dass es im Jahr 2006 zu einem Grundstücksstreit mit anderen Dorfbewohnern gekommen sei. Diese hätten ihre Landwirtschaft in Besitz nehmen wollen.

Zu seinen Ausreisegründen befragt legte der BF1 nun dar, dass es im Jahre 2006 zu einem Grundstücksstreit zwischen seiner Familie und einer anderen Familie gekommen sei. Im Zuge des Streites habe der BF2 einen Dorfbewohner schwer verletzt. Dieser sei ins Koma gefallen und einige Monate später an den Verletzungen verstorben. Sein Bruder sei in der Folge wegen des Todes dieser Person verfolgt worden und habe der BF2 deshalb im Jahre 2008 Pakistan verlassen. Er sei zu diesem Zeitpunkt sehr jung gewesen. Ein- bis zweimal sei es zu Streitereien mit der Familie des Verstorbenen gekommen. Im Jahr 2014 sei er gemeinsam mit den Kindern des Verstorbenen in die Schule gegangen. Im Zuge eines Streits hätten sie ihn geschlagen.

Nachgefragt zu Details gab der BF1 unter anderem zu Protokoll, dass sie ihn aus Rache umbringen hätten wollen. Er habe bei der Erstbefragung aus Angst vor einer Abschiebung nichts vom Grundstücksstreit erzählt.

In weiterer Folge legte der BF1 dar, dass er mit Verkehrsunfall jenen Vorfall gemeint habe, bei dem er geschlagen worden sei.

Der Verkehrsunfall habe sich im Jahre 2014 ereignet. Er sei auf dem Weg nach Hause gewesen und mit einem Motorrad gefahren. Sie hätten ihn angehalten und brutal geschlagen. Er sei schwer verletzt worden und etwa 17 Tage im Koma gelegen. Die Unterlagen befänden sich in Pakistan. Der Vorfall sei nicht bei der Polizei angezeigt worden.

Abschließend wurde dem BF1 die Möglichkeit eingeräumt, zu den ihm am 12.12.2017 vorgelegten bzw. ausgefolgten Länderfeststellungen zu Pakistan eine Stellungnahme abzugeben. Der BF1 gab hierzu wörtlich zu Protokoll: "Ich konnte die Länderfeststellungen nicht lesen."

5. Des Weiteren wurde der BF2 am 24.01.2018 zur Wahrung des Parteiengehörs vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Zunächst schilderte der BF2, dass sein Bruder wegen ihm in Pakistan Probleme gehabt habe. Drei bis vier Männer hätten seinen Bruder umbringen wollen. Man habe diesem den Bauch aufgeschnitten und ihn am Kopf schwer verletzt. Sein Bruder habe sich 18 Tage im Koma befunden und sei sechs Monate im Krankenhaus gewesen. Es gehe ihm immer noch nicht gut. Laut den Ausführungen des Arztes müsse er auf seinen Bruder aufpassen. Dieser sei immer wieder im Krankenhaus und nehme Medikamente wegen der Bauchschmerzen.

Sein Bruder - BF1 - lebe auch im Lager in Österreich. Dieser sei komplett pflegebedürftig. Er müsse die Kleider waschen und die Medizin besorgen. Auch beim Essen brauche ihn sein Bruder. Sein Bruder könne nichts alleine machen.

Er könne nicht nach Deutschland zurück, weil man ihn wieder nach Pakistan schicken würde. In Deutschland würde er wahrscheinlich aufgrund des Aufenthaltsverbotes im Gefängnis landen. Im Übrigen könne er wegen seines pflegebedürftigen Bruders nicht nach Deutschland zurück.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der BF2 eine Flugbuchungsbestätigung, ein von den deutschen Behörden ausgestelltes Aufenthaltsverbot und medizinische Unterlagen bezüglich des BF1 in Vorlage.

6. Konsultationen bezüglich des BF2 gemäß der Dublin III-VO mit der Bundesrepublik Deutschland blieben letztlich ergebnislos.

7. Am 08.02.2018 und am 27.02.2018 wurde der BF2 nochmals vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und legte der BF2 hierbei dar, dass er seinen Antrag aufgrund des Ackerlandstreites mit der anderen Familie stelle. Die Polizei würde ihn bei einer Rückkehr nach Pakistan sofort festnehmen. Er würde sich auf der "Black List" befinden. Der Streit der Familien sei 2012 vorbei gewesen. 2014 hätten sie seinen Bruder töten wollen. Dieser sei vom Nabel bis zur Brust mit einem Messer aufgeschnitten worden.

Nachgefragt zu Details gab der BF2 unter anderem zu Protokoll, dass sein Vater auch in diesem Dorf lebe und keine Probleme habe. Die jungen Personen der anderen Familie würden es aber nicht verstehen und die jungen Personen seiner Familie umbringen wollen. Der Vorfall mit seinem Bruder sei Anfang des Jahres 2014 gewesen. Dies sei auch der letzte Vorfall gewesen. Er sei bezüglich des Streits im April 2006 zur Polizei gegangen und hätte Anzeige erstattet. Diese Anzeige sei dann aber gelöscht worden, weil die andere Familie zuerst eine Anzeige erstattet habe. In Pakistan sei es so, dass immer die erste Anzeige zähle. Bei seiner Rückkehr nach Pakistan im September 2017 sei er sofort von der Polizei festgenommen worden. Sein Vater habe Geld bezahlt und sei er sofort wieder freigelassen worden.

Bei einer Rückkehr würde er auf der "Black List" stehen. Er würde für drei bis fünf Jahre ins Gefängnis gehen und bei seiner Freilassung mit der gegnerischen Familie dieselben Probleme wie jetzt haben. Es gebe überall in Pakistan Probleme. Er müsste versteckt leben. Es gebe überall Polizei und würde er auf der "Black List" stehen.

Ferner wurde dem BF2 die Möglichkeit eingeräumt, aktuelle Länderfeststellungen zu Pakistan ausgefolgt zu erhalten und hierzu binnen einer Woche eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der BF2 verzichtete auf diese Möglichkeit.

Im Übrigen legte der BF2 im Rahmen der Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.02.2018 in Kopie pakistanische Behördenunterlagen betreffend den Streit zwischen den Familien, konkret zwei FIRs und einen Haftbefehl, vor, welche von der belangten Behörde einer Übersetzung zugeführt wurden.

Der Rechtsberater beantragte die Überprüfung der vorgelegten Dokumente zum Beweis dafür, dass die geschilderten Geschehnisse der Wahrheit entsprechen.

8. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 20.12.2017 (BF1) und vom 16.03.2018 (BF2) wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der jeweilige Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf das BFA insbesondere Feststellungen zur Sicherheitslage, zur regionalen Verteilung der Gewalt, zum Rechtsschutz/ Justizwesen, zu den Sicherheitsbehörden, zur Korruption, zur Bewegungsfreiheit, zur Grundversorgung/Wirtschaft und zu Rückkehrfragen sowie zu den Haftbedingungen (bezüglich des BF2).

Dem Fluchtvorbringen wurde jeweils die Glaubwürdigkeit versagt und im Rahmen einer Eventualbegründung bezüglich des BF1 ausgeführt, dass dem BF1 bei Glaubhaftunterstellung seines Vorbringens die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative offen stünde und er staatlichen Schutz in Anspruch nehmen könne. Des Weiteren wurde begründend dargelegt, warum nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

9. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.01.2018 (BF1) und vom 20.03.2018 (BF2) wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und wurden sie gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

10. Am 18.01.2018 langte im Verfahren des BF1 eine bereits vom BF2 in dessen Verfahren vorgelegte Krankenhausaufenthaltsbestätigung vom 30.12.2017 bezüglich des BF1 beim BFA ein.

11. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der BF1 im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht mit Schriftsatz vom 12.02.2018 in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

11.1. Zunächst wurde der Verfahrensgang und das bisherige Vorbringen wiederholt und moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien.

Die Länderberichte des BFA würden keine aktuellen Informationen zur Blutrache enthalten. Lediglich auf Seite 29 des angefochtenen Bescheides werde kurz erwähnt, dass sich die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Axt XLV of 1860) fänden.

Hätte das BFA als Spezialbehörde, die ihm zugänglichen Quellen vollständig ausgewertet, wäre es zu einer anderen - dem Antrag des BF1 stattgebenden - Entscheidung gelangt.

In diesem Zusammenhang wurde auszugsweise auf verschiedene Länderberichte zu den Themenbereichen Blutrache in Pakistan und Grundstücksstreitigkeiten in Pakistan sowie zur Sicherheitslage (AS

205 - 235 im Verwaltungsakt des BF1) verwiesen.

11.2. Die belangte Behörde habe den Antrag des BF1 abgewiesen, weil sie ihn als unglaubwürdig erachte und davon ausgehe, dass das Vorbringen des BF1 nicht asylrelevant iSd § 3 AsylG sei. Diese Feststellung basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG.

Die belangte Behörde bezeichne das Vorbringen des BF1 unter anderem deshalb als unglaubwürdig, weil sich dieser während der Einvernahme nicht "adäquat" verhalten hätte und weder detailliert noch auf Einzelheiten eingehend erzählt hätte. Im Rahmen des Beschwerdegesprächs habe der BF1 einen sehr in sich zurückgezogenen Eindruck gemacht und auf seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen. Da davon auszugehen und aus der Niederschrift ersichtlich sei, dass der BF1 bei seiner Einvernahme ebenso in sich gekehrt und emotionslos erschienen sei, wäre von der Behörde sein psychischer Gesundheitszustand in Form einer medizinischen Untersuchung zu ermitteln gewesen.

Zum Beweis werde die Durchführung einer Untersuchung zur Erstellung eines Befundes in Bezug auf seinen psychischen Gesundheitszustand beantragt.

Die Art der Gefühlsbeteiligung beim Erzählen traumatischer Ereignisse könne gängigen Erwartungen von Gefühlsausdruck in Zusammenhang mit der Schwere des Erzählten zuwiderlaufen. Die Heranziehung des Gefühlsausdrucks zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit sei allgemein aus psychologischer Sicht nicht indiziert. Zu groß seien individuelle und kulturelle Unterschiede einzuschätzen.

Wenn die Behörde dem BF1 zudem unterstelle keine detaillierten Angaben machen zu können, sei auszuführen, dass das - zum Zeitpunkt der Ereignisse - sehr junge Alter des BF1 zu berücksichtigen gewesen wäre.

Die Blutrache in Bezug auf den BF1 sei erst relevant geworden, als er ein bestimmtes Alter erreicht gehabt habe. Die weiblichen Familienmitglieder seien von der Blutrache nicht betroffen. Wie durchwegs den Länderberichten zu entnehmen, würden Grundstücksstreitigkeiten und/oder Blutfehden primär mithilfe informeller Mechanismen und Institutionen gelöst werden. Vor dem Hintergrund der Länderberichte sei das Vorbringen des BF1 also durchaus plausibel und realistisch.

Der BF1 werde aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie aufgrund der Tat seines Bruders von privater Seite bedroht und verfolgt, wobei das ineffektive pakistanische Staatswesen aktuell nicht in der Lage sei, den BF1 vor dieser Bedrohung zu schützen.

Zudem gehe das BFA in ihren Feststellungen davon aus, dass der BF1 "gesund und arbeitsfähig" sei (Bescheid Seite 9 und Seite 47). Dies obwohl der BF1 in seiner Einvernahme angegeben habe, dass er von dem Unfall bleibende Schäden habe und daher nicht arbeitsfähig sei. Die Behörde lasse dabei unausgeführt, wie sie zu genau gegenteiliger Ansicht gelange.

11.3. Der BF1 wäre im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in eine Blutfehde verwickelt und dadurch mit dem Tode bedroht. Die Verfolgung, die dem BF1 bei einer Rückkehr nach Pakistan drohen würde, knüpfe damit an den GFK-Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie an. Der pakistanische Staat sei nicht in der Lage oder willens, dem BF1 wirksamen Schutz vor seiner Verfolgung zu gewähren.

11.4. Das BFA gehe davon aus, dass der BF1 in Pakistan keinem "real risk" ausgesetzt sei. Die Sicherheitslage in Pakistan sei unsicher und könne daher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem BF1 bei einer Rückkehr keine Art. 3 EMRK Verletzung drohe. Zudem hätte die Behörde den psychischen und physischen Zustand des BF1 ermitteln und bei ihrer Beurteilung eines "real risk" berücksichtigen müssen.

11.5. Das Ermittlungsverfahren des BFA sei mangelhaft gewesen, da im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht erhoben worden sei. Eine tatsächliche Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem Interesse des BF1 am Weiterverbleib in Österreich habe unter diesen Umständen nicht durchgeführt werden können. Die Beweiswürdigung sei in diesem Punkt nicht nachvollziehbar.

11.6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheine aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten.

11.7. Abschließend wurde beantragt,

-

die hier angefochtene Entscheidung zur Gänze zu beheben und dem BF1 Asyl zu gewähren;

-

hilfsweise für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages festzustellen, dass dem BF1 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukomme;

-

hilfsweise den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen

-

sowie festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei

-

sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

11.8. Der Beschwerde sind - jeweils in Kopie - die bereits vom BF2 in dessen Verfahren vorgelegten FIRs der gegnerischen Familie, der für die Person des BF2 ausgestellte Haftbefehl und die medizinischen Unterlagen den BF1 betreffend angeschlossen.

11.9. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

12. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der BF2 im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation fristgerecht mit Schriftsatz vom 11.04.2018 in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

12.1. Zunächst wurde der Verfahrensgang und das bisherige Vorbringen wiederholt und moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien.

Die Länderberichte des BFA würden keine aktuellen Informationen zur Blutrache enthalten. Lediglich auf Seite 29 des angefochtenen Bescheides werde kurz erwähnt, dass sich die Praktiken Diyat (Blutgeld) und Qisas (Vergeltung) als Strafen für Delikte gegen die körperliche Integrität im Pakistan Penal Code (Axt XLV of 1860) fänden.

Hätte das BFA als Spezialbehörde, die ihm zugänglichen Quellen vollständig ausgewertet, wäre es zu einer anderen - dem Antrag des BF2 stattgebenden - Entscheidung gelangt.

In diesem Zusammenhang wurde auszugsweise auf verschiedene Länderberichte zu den Themenbereichen Blutrache in Pakistan und Grundstücksstreitigkeiten in Pakistan sowie zur Sicherheitslage (AS

335 - 348 im Verwaltungsakt des BF2) verwiesen.

12.2. Die belangte Behörde habe den Antrag des BF2 abgewiesen, weil sie ihn als unglaubwürdig erachte. Diese Feststellung basiere auf einer unschlüssigen Beweiswürdigung und einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und verletze § 60 AVG.

Das BFA werfe dem BF2 in der Beweiswürdigung betreffend die Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates Unglaubwürdigkeit vor. Der BF2 habe jedoch glaubhaft geschildert, dass ihm bei einer etwaigen Rückkehr nach Pakistan aufgrund der Anzeigen und des Haftbefehls, der gegen ihn ausgestellt worden sei, asylrelevante Verfolgung drohe.

Das BFA führe des Weiteren aus, dass der BF2 den Vorfall im Jahr 2014 lediglich vom "Hörensagen" kennen würde. Aufgrund der schweren Verletzungen, die dieser Angriff nach sich gezogen habe, sei es nicht unbedingt notwendig gewesen, live dabei gewesen zu sein, um sich zu vergewissern, dass diese Attacke tatsächlich stattgefunden habe. Der BF1 verfüge auch über medizinische Befunde, welche in dessen Beschwerdeverfahren bereits vorgelegt worden seien. Darüber hinaus habe der BF2 danach zahlreiche Monate mit seinem Bruder in Österreich verbracht, in denen ausreichend Zeit gewesen sei, ihn genauer über dieses Ereignis in Kenntnis zu setzen.

Der BF2 habe sich im Jahr 2014 in Deutschland befunden. Erst im Jahr 2017 - nach seiner Rückkehr - sei die Verfolgung wieder schlagend geworden. Er habe sich, nachdem er zurückgebracht worden sei, nur einen Monat in einem Hotel aufgehalten und schnellstmöglich wieder die Flucht ergriffen. Gegen ihn sei seit dem Jahr 2007 ein Haftbefehl ausgestellt. Die Gefahr der Verfolgung sei daher nicht unterbrochen worden, diese sei auch während seines Aufenthaltes in Deutschland aktuell gewesen.

Aufgrund des gegen ihn ausgestellten Haftbefehls der Polizei und der zwei Anzeigen sei eine Verfolgung sehr wohl persönlich gegen ihn gerichtet. Auch der Angriff im Jahr 2014 gegen den BF1 zeige, dass die gegnerische Familie noch keinen Frieden mit der Vergangenheit geschlossen habe.

Die Behörde werfe dem BF2 vor, dem BFA keine Kopie seiner eigenen Anzeige gegen die gegnerische Familie vorlegen zu können, um ihm im nächsten Absatz zu unterstellen, dass die anderen Dokumente, die er in Kopie vorgelegt habe, voraussichtlich ge- oder verfälscht seien. Dazu sei festzuhalten, dass die vom BF2 vorgelegten Dokumente mit zahlreichen Stempeln verschiedener Polizeieinrichtungen versehen seien und mehrere Unterschriften aufweisen. Zu erwarten, dass bei der pakistanischen Polizei Originaldokumente ausgehändigt werden, sei lebensfremd.

Mit den Ausführungen des BF2, dass seine Anzeige "gelöscht" worden sei, da seine Feinde zeitlich früher eine Anzeige eingebracht hätten, habe er gemeint, dass es in Pakistan Usus sei, dass die Anzeige zähle, von welcher die Polizei zuerst Kenntnis erlange.

Insoweit dem BF2 vorgeworfen werde, sich bezüglich seiner Rückkehr in sein Heimatdorf in Widersprüche verwickelt zu haben, da er zuerst angegeben haben soll, dass seine Verwandten zu ihm ins Hotel gekommen wären, um danach anzugeben, dass er selbst ins Dorf gefahren wäre, um seine Verwandten zu besuchen, so werde dazu ausgeführt, dass sich bei genauerem Fragen leicht aufklären hätte lassen, dass beides der Fall gewesen sei. So habe sich der BF2 in einem Hotel in Islamabad versteckt, wo ihn seine Verwandten besuchen gekommen seien. Da es seinem Onkel und seinem Cousin gesundheitlich sehr schlecht ergangen sein, hätten diese nicht nach Islamabad kommen können. Da er seinen im Sterben liegenden Onkel ein letztes Mal sehen wollte, habe er das Risiko auf sich genommen und sei in der Nacht unter dem Schutz von zwei "Bewachern" in sein Heimatdorf gefahren. Der BF2 habe also nicht, wie es das BFA ausgeführt habe, sein Leben riskiert, nur um seine "Kumpels" im Heimatdorf zu besuchen.

Das BFA werfe dem BF2 darüber hinaus Unglaubwürdigkeit bezüglich seiner Angaben vor, da ihn die Polizei nach der Einreise sofort verhaftet habe und er aufgrund von Geldzahlungen seines Vaters wieder freigekommen sei. Hierzu müsse festgehalten werden, dass der Vater eine große Summe bezahlt habe und dies nur funktioniert habe, weil die Polizei die Festnahme nicht bereits bei Gericht gemeldet habe. Der BF2 gestehe im Zuge des Beschwerdegesprächs selbst zu, dass es unter Umständen erneut möglich wäre, ihn ein weiteres Mal durch Zahlungen großer Geldsummen durch seinen Vater freizubekommen. Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Gericht noch nicht involviert worden sei, da in solch einem Fall keine Schmiergeldzahlungen mehr möglich seien.

Die weiblichen Familienmitglieder seien von der Blutrache nicht betroffen. Der Vater des BF2 werde aufgrund seines bereits fortgeschrittenen Alters nicht bedroht. Der Fokus werde auf junge männliche Mitglieder der Familie gelegt. Die Tatsache, dass nur noch der Vater, die Mutter und drei Schwestern des BF2 in Pakistan leben würden, und seine Brüder und zahlreiche Cousins sich verstreut im Ausland aufhalten würden, untermauere die Ausführungen des BF2. Wie durchwegs den Länderberichten zu entnehmen, würden Grundstücksstreitigkeiten und/oder Blutfehden primär mithilfe informeller Mechanismen und Institutionen gelöst werden. Vor dem Hintergrund der Länderberichte sei das Vorbringen des BF2 also durchaus plausibel und realistisch.

Der BF2 werde aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie aufgrund der Taten seiner Familienmitglieder von privater Seite bedroht und verfolgt, wobei das ineffektive pakistanische Staatswesen aktuell nicht in der Lage sei, den BF2 vor dieser Bedrohung zu schützen.

12.3. Der BF2 wäre im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie in eine Blutfehde verwickelt und dadurch mit dem Tode bedroht. Die Verfolgung, die dem BF2 bei einer Rückkehr nach Pakistan drohen würde, knüpfe damit an den GFK-Grund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie an. Der pakistanische Staat sei nicht in der Lage oder willens, dem BF2 wirksamen Schutz vor einer Verfolgung zu gewähren. Dies umso weniger, da die Polizei selbst einen Haftbefehl gegen den BF2 ausgestellt habe und ihn ohne Überprüfung des Falles und Anhörung beider Seiten eines Verbrechens beschuldige. Der BF2 werde daher darüber hinaus von staatlicher Seite verfolgt.

12.4. Die Sicherheitslage in Pakistan sei unsicher und könne daher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass dem BF2 bei einer Rückkehr keine Art. 3 EMRK Verletzung drohe.

12.5. Das Ermittlungsverfahren des BFA sei mangelhaft gewesen, da im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht erhoben worden sei. Eine tatsächliche Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Außerlandesschaffung und dem Interesse des BF2 am Weiterverbleib in Österreich habe unter diesen Umständen nicht durchgeführt werden können.

12.6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erscheine aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwingend geboten.

12.7. Abschließend wurde beantragt,

-

die hier angefochtene Entscheidung zur Gänze zu beheben und dem BF2 Asyl zu gewähren;

-

hilfsweise für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages festzustellen, dass dem BF2 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukomme;

-

hilfsweise den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen

-

sowie festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei

-

und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

12.8. Der Beschwerde sind - jeweils in Kopie - die bereits vom BF2 in dessen Verfahren vorgelegten FIRs der gegnerischen Familie, der für die Person des BF2 ausgestellte Haftbefehl und das von den deutschen Behörden ausgestellte Einreise- und Aufenthaltsverbot den BF2 betreffend angeschlossen.

12.9. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

13. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in die jeweiligen Verwaltungsakte des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, des jeweiligen Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen die Bescheide des BFA jeweils erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, der bekämpften Bescheide sowie der Beschwerdeschriftsätze.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur jeweiligen Person der Beschwerdeführer und deren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführer sind pakistanische Staatsangehörige und sunnitischen Glaubens.

Ihre Volksgruppenzugehörigkeit konnte aufgrund ihrer divergierenden Angaben (BF1 behauptet der Volksgruppe der Paschtunen zugehörig zu sein, BF 2 gab an zur Volksgruppe der Punjabi zu gehören) und dem Umstand, dass es sich bei ihnen um Brüder handelt und es sohin als notorisch anzusehen ist, dass sie derselben Volksgruppe zugehörig sein müssen nicht festgestellt werden.

Aufgrund der Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Herkunftsstaat und ihrem Wohnort, sowie des Umstandes, dass die Antragsteller zwei für Pakistan gebräuchliche Sprache sprechen sowie aufgrund ihrer Kenntnisse über Pakistan ist festzustellen, dass es sich bei ihnen um pakistanische Staatsangehörigen handelt.

Ihre Eltern und mehrere Geschwister leben nach wie vor ohne erkennbare Schwierigkeiten in Pakistan.

Der von ihnen vorgebrachte Fluchtgrund (Grundstücksstreit mit einer gegnerischen Familie im Heimatdorf und ein in diesem Zusammenhang erlassener Haftbefehl gegen den BF2) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. deren Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr nach Pakistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer Gefahr liefen, in Pakistan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer in ihrem Heimatland festgestellt werden.

Selbst wenn man ihr gesamtes Vorbringen als wahr unterstellen und daher annehmen würde, dass die Beschwerdeführer wegen eines Grundstücksstreits von einer gegnerischen Familie im Heimatdorf bedroht und verfolgt worden waren, muss diesbezüglich festgestellt werden, dass ihr Vorbringen keine Asylrelevanz entfalten würde (siehe rechtliche Würdigung zur Schutzfähigkeit und -willigkeit des pakistanischen Staates und zur Möglichkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative), zumal die Beschwerdeführer bei einer Bedrohung der behaupteten Art durch Privatpersonen wirksamen Schutz bei den zuständigen Behörden des Herkunftsstaates in Anspruch nehmen könnten, wobei allfällige von den staatlichen Behörden vorgenommene Handlungen gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer lediglich der Aufklärung eines Straftatbestandes dienen. Ferner wäre dem BF1 und dem BF2 jedenfalls auch eine Rückkehr nach Islamabad möglich und zumutbar. Es wären dort die existentiellen Lebensgrundlagen der Beschwerdeführer angesichts einer finanziellen Unterstützung durch ihre in Pakistan lebenden Familienmitglieder (Eltern und Geschwister) - etwa durch Überweisungen - oder durch Aufnahme einer eigenen beruflichen Tätigkeit gesichert. In den Städten leben potentiell Verfolgte aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Lande. Selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. Auch besteht die Möglichkeit, in den Schutz der größeren Städte zu fliehen, falls es sich nicht um Personen handelt, die bereits überregional bekannt geworden sind. Dies wird auch von Vertretern unabhängiger pakistanischer Menschenrechtsorganisationen als Ausweichmöglichkeit gesehen (AA 30.5.2016). Die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher. Islamabad erlitt lediglich einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016), weshalb hier von einer stabilen Sicherheitslage auszugehen ist. Diese Stadt ist für die Beschwerdeführer auch direkt erreichbar.

Die Beschwerdeführer leiden weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Die medizinische Versorgung ist in Pakistan gewährleistet. Beim BF1 wurde in Österreich eine Antrumgastritis (nach einem Zustand nach einem perforierten Bauchtrauma 2014) diagnostiziert, die medikamentös behandelt wurde. Des Weiteren legte der BF1 dar, aufgrund von "Kreuzschmerzen" Medikamente erhalten zu haben. Im Übrigen suchte der BF1 mehrfach aufgrund von Schlafstörungen und schnell wechselnder Stimmung - wegen des Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) - Anfang 2018 mehrfach eine Psychologin auf. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, haben die Beschwerdeführer jedoch nunmehr nicht in Vorlage gebracht und wurde auch in der Beschwerde kein Vorbringen in Bezug auf den Gesundheitszustand des BF1 erstattet. Darüber hinaus wurde auch nicht behauptet, dass die medizinische Versorgung in Pakistan nicht gewährleistet wäre und wurde auch nicht behauptet, dass die Abschiebung des BF1 nach Pakistan aufgrund einer bei ihm bestehenden Erkrankung eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bedeuten würde bzw. unzulässig sei.

Die Beschwerdeführer absolvierten in Pakistan beide eine mehrjährige Schulausbildung. Sie lebten dort bis zu ihrer Ausreise im Distrikt Narowal im Nordosten der pakistanischen Provinz Punjab. Der BF1 hat seinen Lebensunterhalt vor seiner Ausreise durch Unterstützung seines Vaters bestritten. Der BF2 war zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland als Koch beruflich tätig. Ein Teil der engsten Angehörigen der Beschwerdeführer leben nach wie vor in Pakistan.

Die Beschwerdeführer verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine Verwandten des BF1 und des BF2 auf. Der BF1 befindet sich und der BF2 befand sich bis März 2018 in der Grundversorgung. Der BF1 lebt und der BF2 lebte bis März 2018 von staatlicher Unterstützung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beiden Beschwerdeführer mittlerweile selbsterhaltungsfähig sind. Der BF1 legte dar, kein Deutsch zu sprechen und der BF2 führte aus, die deutsche Sprache mittelmäßig zu beherrschen. Bislang wurden aber weder eine Bestätigung über einen Deutschkursbesuch, noch eine Bestätigung über eine diesbezüglich erfolgreich abgelegte Prüfung in Vorlage gebracht. Sie knüpften soziale Kontakte im Bundesgebiet. Unterstützungserklärungen wurden nicht vorgelegt. Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Die Beschwerdeführer haben mit Ausnahme ihres jeweiligen Aufenthalts in Europa ihr Leben zum überwiegenden Teil in Pakistan verbracht, wo sie sozialisiert wurden und wo sich nach wie vor ihre nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr wieder bei ihrer Familie wohnen werden können. Davon abgesehen sind die Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Die Beschwerdeführer sprechen Punjabi, Urdu und der BF2 mittelmäßig Deutsch.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Pakistan festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde in den bekämpften Bescheiden verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden. Insbesondere wurden nachstehende länderkundliche Feststellungen (unter Heranziehung der zitierten Quellen) getroffen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass die nachstehenden Ausführungen zum Themenbereich "Haftbedingungen" lediglich im Bescheid des Zweitbeschwerdeführers zu finden sind:

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12.2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12.2016a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12.2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12.2016a).

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12.2016a).

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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