Entscheidungsdatum
13.06.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L504 2122082-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL über den Antrag von XXXX StA. Irak, vertreten durch RAe Dr. Dellasega und Dr. Kapferer, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 22.11.2017, Zl. L504 2122082-1/12E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens beschlossen:
A)
Der Antrag auf Wiederaufnahme wird gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrenshergang
1. Die wiederaufnahmewerbende Partei (wP) stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es handelt sich dabei um einen irakischen Staatsangehörigen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit mit sunnitischem Glaubensbekenntnis.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. der niederschriftlichen Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gab die wP, befragt zu ihren Fluchtgründen, zusammengefasst an, dass sie von einem Mann namens DH beschuldigt werde, ein intimes Verhältnis mit dessen Ehegattin zu haben, weswegen sie von dessen Familie gesucht und mit dem Tode bedroht werde. Die wP sei deswegen auch angeklagt, aber freigesprochen worden. DH habe von der wP wegen dieser Geschichte überdies die Zahlung von USD 100.000,- verlangt. DH sei mehrmals zur wP gekommen und habe sie bedroht und teilweise auch eine Waffe mit sich geführt. DH sei in der Partei von Barzani und verfüge daher über viele Kontakte im Irak.
2. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom BFA gem. § 3 Abs. 1 AsylG mangels Glaubhaftmachung einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr abgewiesen. Auf Grund der allgemeinen Lage infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes wurde gem. § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 27.01.2017 erteilt.
3. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2017, L504 2122082-1/12E, gem. § 3 AsylG als unbegründet abgewiesen.
In der Beweiswürdigung stützte sich das Bundesverwaltungsgericht dabei im Wesentlichen auf die Begründung des BFA, die im Folgenden wiedergegeben wird:
"[...]
Glaubwürdig waren Ihre Angaben, dass Sie von staatlicher Seite niemals wegen Ihrer Rasse, Ihrer Religion, Ihrer Volksgruppe, Ihrer politischen Gesinnung und wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt wurden. Glaubwürdig waren Ihre Angaben, dass Sie nur einmal im Zuge einer Anzeige für sechs Tage verhaftet wurden, ansonsten aber keinerlei Probleme mit den Behörden hatten.
[...]
Sie brachten im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt vor, dass Sie von Hr. D.H. bezichtigt worden wären, einen intime Beziehung zu seiner Ehefrau K. S. zu führen. Weiter hätten Sie an Hr. D. US$ 100.000 für sein Stillschweigen bezahlen sollen.
Geglaubt wird Ihnen auch, Ihr Vorbringen am 02.02.2015 vor der Polizei und am 08.10.2015 vor dem BFA, dass die Sicherheitslage im Irak sehr schlecht ist.
Geglaubt wird Ihnen, dass Ihr Sohn M. große gesundheitliche Probleme hat.
[...]
Für die erkennende Behörde ergibt sich unter Berücksichtigung der derzeitigen Lage, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
[...]
Die Behörde in Ihrem Heimatland, hat wie in den Gerichtsurteilen die Sie vorlegten, mehrfach in Ihrer Sache geurteilt und Sie durch das Landesgericht XXXX mit der GZ XXXX vom XXXX2011 auf Grund von Beweismängeln freigesprochen. Es geht aus den Urteilen nicht hervor um welche Privatklagen es sich handelte. Bei dem Strafantrag des Landesgericht XXXX, GZ Nr. XXXX vom XXXX.2011 geht es um eine Todesdrohung durch Hr. D.. Der Richter entschied, dass der Beklagte Hr. Hr. D., aufgrund unterschiedlicher Zeugenaussagen auf freien Fuß zu entlassen sei.
Es wird damit festgestellt, dass Ihr Heimatstaat sehr wohl in der Lage war in Ihren Vorbringen und Anklagen jeweils Urteile zu erlassen. Wobei auch in Österreich bei unterschiedlicher Zeugenaussage kein anderes Urteil zu erwarten gewesen wäre. Sie haben über die weiteren Bedrohungen durch Hr. D. keine weitere Anzeigen bei den Behörden des Heimatlandes erstattet und haben somit nicht einmal den Versuch unternommen, sich unter den Schutz Ihres Heimatstaates zu stellen bzw. diesen Schutz für sich in Anspruch zu nehmen.
Wenn eine Behörde von einem bestimmten Ereignis keine Kenntnis hat bzw. erlangt, so kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen bzw. dem Staat von vorne herein unterstellen, dass er nicht in der Lage oder nicht willens sei, einem Staatsbürger Schutz vor Verfolgung durch Privatpersonen zu gewähren.
Die Behörde kann nicht nachvollziehen, dass Sie das Vertrauen in die Behörde verloren hätten, da die der Freispruch von Hr. D., aufgrund unterschiedlicher Zeugenaussagen vor Ihrem Freispruch geschah. Die Behörde hat auch Sie in dem von Ihnen angegeben Fall, der Bezichtigung des Ehebruchs, einen Freispruch für Sie erlassen. Somit kann Ihrer Aussage auch keinen Glauben beigemessen werden, dass Hr. D. Einfluss auf das Gericht gehabt hätte. Hätte er Einfluss gehabt, hätte er ein anderes Urteil gegen Sie erwirken können.
Das letzte Gerichtsurteil welches Sie in Vorlage brachten ist vom XXXX2011 und Sie lebten bis zum XXXX2015 in XXXX gelebt und sind am 20.01.2015 nach XXXX gezogen. Der 20.01.2015 war auch der Tag an dem Sie sich entschlossen haben Ihr Heimatland zu verlassen. Sie brachten vor, immer wieder von Hr. D. bedroht worden zu sein und konnten aber bis zu Ihrer ausreise unbehelligt in XXXX leben. Auf die Frage, in welcher Form Sie zwischen 2011 bis zum 15. Jänner 2015 bedroht worden wären, gaben Sie an: "Ich wurde telefonisch bedroht und über Bekannte und Verwandte wurde mir das ausgerichtet." Die Behörde geht davon aus, wenn eine Bedrohung konkret gewesen wäre, hätten Sie eine Anzeige bei den zuständigen Behörden machen könne, Sie haben aber keinen Vorfall zur Anzeige gebracht. Daher kann von keiner mangelnden Schutzfähigkeit des Staates gesprochen werden.
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird. Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht angewendet werden kann (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; VwGH 22.3.2000, 99/01/0256).
Nicht zuletzt ist darauf zu verweisen, dass bei Vorliegen einer nicht auf den Gründen der GFK beruhenden Verfolgung dahingestellt bleiben kann, ob die dem Asylwerber drohende Verfolgung vom Staat geduldet würde (vgl. Erk. d. VwGH vom 11.10.2000, Zahl 2000/01/0172).
Ihrem Vorbringen konnte eindeutig entnommen werden, dass die Bedrohung durch Hr. D. aus einem rein privaten Motiv heraus erfolgte und dies nicht aus einem Grund erfolgte, der unter die Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention zu subsumieren gewesen wäre."
In der rechtlichen Beurteilung dieses Erkenntnisses wurde vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend noch Folgendes ausgeführt:
"Selbst wenn man das Bedrohungsszenario hypothetisch für aktuell und glaubhaft erachten würde, handelt es sich bei D. um einen nichtstaatlichen Akteur und um ein asylfremdes, nämlich rein kriminelles "Verfolgungsmotiv", resultierend aus der behaupteten Affäre zwischen der bP (Anm. = wP) und der Gattin des D.".
4. Mit Schriftsatz vom 19.04.2018 hat die wP einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2017, Zl. L504 2122082-1/12E, abgeschlossenen Verfahrens über die Beschwerde betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.02.2015, eingebracht.
Darin wird vorgebracht, dass die wP, wie bereits dargelegt, im Irak von einer Person namens DH bedroht und verfolgt worden sei. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2017 sei im Wesentlichen damit begründet worden, dass die dargelegten Probleme mit DH keine glaubhafte Verfolgungsgefahr aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK darstellen und es sich bei DH nicht um einen staatlichen Akteur handeln würde.
Die wP sei nunmehr am 14.04.2018 auf Facebook zufällig auf das Profil ihres Verfolgers gestoßen. Wie auf den dort gefundenen und nunmehr vorgelegten Bildern ersichtlich sei, trage dieser teilweise eine militärische Uniform und sei nachweislich ein hoher Funktionär innerhalb der Barzani Partei, die den Staat Kurdistan lenke und leite. Da der Verfolger zur Führungsspitze der Barzani Partei gehöre, gehe von ihm eindeutig staatliche Verfolgung aus. Auch das vom Bundesverwaltungsgericht vermutete lediglich private Motiv der Verfolgung erscheine in Zusammenhang mit den nun vorliegenden Fotos nicht mehr nachvollziehbar. Wie die wP bereits geschildert habe, habe sie keine Affäre mit der Ehegattin des DH gehabt, sondern sei ihr dies nur unterstellt worden, um sie aus dem Weg zu räumen. Das Motiv hierfür finde sich in den aus den Länderfeststellungen hervorgehenden Parteistreitigkeiten in Kurdistan. Es liege nahe, dass potentielle Nachfolger des abgetretenen Präsidenten sich wegen der Nachfolgemachtkämpfe finanzielle Rücklagen sichern haben müssen und dies über ihre politischen Konkurrenten durchgesetzt hätten.
Die Bilder hätten in Zusammenhang mit dem inzwischen notorisch bekannten Rücktritt des Präsidenten und der Machtergreifung des DH in Kurdistan voraussichtlich ein im Spruch anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt.
Der Wiederaufnahmeantrag sei auch rechtzeitig gestellt worden, da die angeschlossenen Fotos am 14.04.2018 entdeckt und der Antrag am 19.04.2018 eingebracht worden sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Das bezughabende Verfahren des BVwG wurde mit Erlassung des Erkenntnis vom 22.11.2017, Zl. L504 2122082-1/12E, am 24.11.2017 rechtswirksam abgeschlossen.
Am 14.04.2018 entdeckte die wP auf dem Facebook Profil des DH Fotos, die diesen zeigen, mit denen der Wiederaufnahmeantrag begründet wurde. Dieser wurde anschließend am 19.04.2018 eingebracht.
2. Beweiswürdigung
Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
1.
§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn
1. [...]
2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder
3. [...]
4. [...]
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.
(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.
1.1. Wie die Materialien zum VwGVG 2014 (RV 2009 Blg NR 24. GP, 7) erkennen lassen, sind die Wiederaufnahmsgründe des § 32 Abs. 1 VwGVG 2014 denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet. Auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmsgründe kann folglich zurückgegriffen werden (VwGH 28.06.2016, Ra 2015/10/0136).
Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das mit oa. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig abgeschlossene vorangegangene Verfahren des Wiederaufnahmewerbers aufgrund neuer Tatsachen, beziehungsweise Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.
Es muss sich um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens"). Nach § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (18.01.2017, Ra 2016/18/0197 ).
Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhaltes die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 17.02.2006, 2006/18/0031; 07.04.2000, 96/19/2240, 20.06.2001, 95/08/0036; 18.12.1996, 95/20/0672; 25. 11. 1994, 94/19/0145; 25.10.1994, 93/08/0123; 19.02.1992, 90/12/0224 u.a.).
Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweise allein genügt nicht, um das Verfahren wieder aufzunehmen. Es handelt sich bei diesem "Neuerungstatbestand" nämlich um einen relativen Wiederaufnahmegrund und ist für eine Wiederaufnahme weiters erforderlich, dass die neuen Tatsachen und Beweise voraussichtlich auch zu einem anderen Verfahrensergebnis führen würden (vgl. VwGH 14.06.1993, 91/10/0107; 27.09.1994, 92/070074; 22.02.2001, 2000/04/0195). Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist; ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist (vgl. VwGH vom 19. April 2007, 2004/09/0159).
Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund (ungeachtet des Erfordernisses der Neuheit) also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche das BVwG entweder die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung oder zumindest die zum Ergebnis dieser Entscheidung führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH vom 18.01.2017, Ra 2016/18/0197).
Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, Zl. 2001/07/0017; 22.12.2005, Zl. 2004/07/0209).
2. Fallbezogen ergibt sich somit Folgendes:
2.1. Auf Grund der Aktenlage ist unstreitig, dass die wP den Wiederaufnahmeantrag gem. § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes, somit rechtzeitig, beim BVwG eingebracht hat.
2.2. Die wP legte mit dem Wiederaufnahmeantrag Ausdrucke von Fotos vor, die ihren behaupteten Verfolger DH zeigen sollen. Insbesondere wies sie in diesem Zusammenhang darauf hin, dass DH auf den Bildern teilweise in militärische Uniform zu sehen sei und da er zur Führungsspritze der Barzani Partei gehöre, gehe von ihm eindeutig eine staatliche Verfolgung aus.
Laut den vorgelegten Ausdrucken datieren die Fotos von einem Zeitraum zwischen 04.01.2016 und 16.06.2017 und waren sohin zum Zeitpunkt des Abschlusses des wiederaufzunehmenden Verfahrens (Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2017) bereits vorhanden. Ebenso kann nicht erkannt werden, dass die wP ein Verschulden an der Unterlassung der Geltendmachung trifft.
Für die Beurteilung, ob dieses Vorbringen geeignet ist, eine Wiederaufnahme zu begründen, bedarf es einer Beurteilung, ob es die Eignung hat, dass ein anderes Ergebnis der Entscheidung zustande kommt. Diese Eignung ist im konkreten Fall jedoch zu verneinen. Im vorangegangenen Verfahren hat das Bundesverwaltungsgericht eine glaubhafte Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z2 der GFK angeführten Gründe als nicht gegeben erachtet, wie unter Punkt I.3. wiedergegeben wurde.
An dieser Einschätzung und Würdigung des gesamten Vorbringens der wP im vorangegangenen Verfahren vermögen auch die nun vorgelegten "Beweismittel" nichts zu ändern, zumal die zitierte Beweiswürdigung und der festgestellte Sachverhalt dadurch nicht unschlüssig werden.
Die Ausführungen in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.11.2017 zur mangelnden Asylrelevanz, da es sich bei DH um einen nichtstaatlichen Akteur handle, erfolgte nämlich lediglich als Eventualbbegründung im Falle einer rein hypothetischen Wahrunterstellung ("Selbst wenn man das Bedrohungsszenario hypothetisch für aktuell und glaubhaft erachten würde, handelt es sich bei D. um einen nichtstaatlichen Akteur und um ein asylfremdes, nämlich rein kriminelles "Verfolgungsmotiv", resultierend aus der behaupteten Affäre zwischen der bP und der Gattin des D.."). Ausschlaggebend für die Nicht-Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten war demnach der Umstand, dass das Vorbringen der wP im dargestellten Ausmaß als nicht glaubhaft erachtet wurde (siehe Punkt I.3.)
Resümierend ist somit festzuhalten, dass im Wiederaufnahmeantrag keine neuen Beweismittel bzw. Tatsachen dargelegt wurden die voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis des BVwG herbeiführen könnten.
Absehen von der Verhandlung:
Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 4 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bescheinigungsmittel, GFK, mangelnder Anknüpfungspunkt, privateEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2122082.2.00Zuletzt aktualisiert am
29.08.2018