TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/14 I405 1414884-4

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Veröffentlicht am 14.06.2018
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Entscheidungsdatum

14.06.2018

Norm

AVG §68 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I405 1414884-4/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2015, Zl. 654383503-1510988, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.06.2016, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 09.07.2012 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte nach ihrer illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 26.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die BF wurde am 26.07.2010 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 29.07.2010 vor dem Bundesasylamt (nunmehr Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) niederschriftlich einvernommen. Als Fluchtgrund brachte sie dabei im Wesentlichen vor, dass ihr Mann als Erstgeborener nach dem Tod seines Vaters Anspruch auf den Okumamba (König, der Dorfälteste) gehabt habe. Die Halbgeschwister ihres Mannes hätten diesen jedoch bekämpft und ihn verjagen wollen. Es sei nach dem Tod des Schwiegervaters ein Erbschaftsstreit entbrannt und hätten schließlich auch die Dorfmächtigen die Geschwister ihres Mannes unterstützt. Eines nachts seien die Geschwister zum Haus der BF und ihres Mannes gekommen und hätten diesen mit dem Auto mitgenommen. Die BF und einige Nachbarn hätten nach ihm gesucht und ihn schließlich tot, hinter einem Baum zur Schau gestellt, aufgefunden. Nachdem auch die BF von den Geschwistern mit dem Tode bedroht worden wäre, und sowohl ihr Wohnhaus als auch ihr Geschäft niedergebrannt worden wären, habe sie mit Hilfe des Freundes ihres Mannes ihre Heimat verlassen, während ihr Sohn beim Nachbarn im Dorf verblieben wäre.

Mit Bescheid vom 29.07.2010, Zl. 10 06.572-BAT wies das Bundesasylamt diesen Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 ab, erkannte ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zu und verband diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. mit einer Ausweisung nach Nigeria.

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass das Vorbringen der BF nicht glaubhaft sei und verwies auf ihre unterschiedlichen Angaben im Rahmen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt sowie auf im Verfahren aufgetretene Ungereimtheiten.

Gegen diese Entscheidung erhob die BF fristgerecht Beschwerde, welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.04.2011, Zl. A6 414.884-1/2010/3E, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde.

Am 10.05.2011 wurde die BF neuerlich vom Bundesasylamt einvernommen.

Mit Bescheid vom 17.05.2011, Zl. 10 06.572-BAT, hat das Bundesasylamt diesen Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 neuerlich abgewiesen, ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkennt und diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. mit einer Ausweisung nach Nigeria verbunden.

Gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes erhob die BF fristgerecht Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.01.2012, Zl. A6 414.884-2/2011/6E, mangels Glaubwürdigkeit der Angaben der BF gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 abgewiesen.

Die Behandlung der seitens der BF gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.01.2012 erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde wurde mit höchstgerichtlichem Beschluss vom 14.03.2012, Zl. U 254/12-3, abgelehnt.

2. In weiterer Folge stellte die BF am 09.07.2012 gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führt sie aus, dass ihr Mann von seinen Brüdern getötet worden sei, da er der Erstgeborene und Haupterbe gewesen wäre. Aus diesem Grund hätten die Brüder auch die BF sowie den gemeinsamen Sohn töten wollen. Es sei nach wie vor in der Heimat gefährlich für sie und würde sie dort umgebracht werden. Sie sei diesbezüglich von ihrer Kontaktperson, der ihr damals zur Ausreise verholfen hätte, informiert worden. Neue Gründe habe sie keine.

Am 13.07.2012 wurde der BF schriftlich zur Kenntnis gebracht, dass gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Am 29.08.2012 wurde die BF vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen, anlässlich welcher sie bekannt gab, mit einem österreichischen Staatsbürger verlobt zu sein und mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt zu leben.

Das Bundesasylamt wies diesen zweiten Antrag der BF auf Gewährung von internationalem Schutz mit dem bekämpften Bescheid vom 12.09.2012, Zl. 12 08.461 - EAST-Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und verfügte gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 die Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria.

Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass über das nunmehrige Vorbringen der BF bereits im vorausgegangenen Asylverfahren rechtskräftig entschieden worden sei, weshalb der gegenständliche Sachverhalt keiner neuerlichen inhaltlichen Überprüfung bzw. Entscheidung unterliege. Die belangte Behörde merkte abschließend an, dass die BF neuerlich angeführt hätte, von den Brüdern ihres Mannes getötet zu werden, gleichzeitig im Verfahren jedoch ein Dokument vorgelegt habe, wonach sie nie verheiratet gewesen wäre.

Gegen die letztgenannte Entscheidung erhob die BF fristgerecht Beschwerde.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2012 übermittelte die BF ihre am 25.09.2012 ausgestellte Heiratsurkunde.

Mit Erkenntnis vom 04.10.2012, Zl. A6 414.884-3/2012/3E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 ab.

In seinen Entscheidungsgründen verwies der Asylgerichtshof darauf, dass die BF keine, seit rechtskräftigem Abschluss ihres ersten Asylverfahrens neu hervorgetretenen Fluchtgründe glaubhaft geltend gemacht hätte und ihrem "neuen" Vorbringen auch kein glaubhafter Kern innewohne.

Die BF erhob dagegen fristgerecht Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 07.06.2013, Zl. U 2368/2012-9, hat dieser gemäß Art. 144a B-VG zu Recht erkannt, dass die BF durch die oben angeführte Entscheidung des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sei und behob die Entscheidung des Asylgerichtshofes.

In seinen Entscheidungsgründen zitierte der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.05.2012, 2011/18/0255, und hielt anschließend fest, dass sich der Asylgerichtshof nicht mit der in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck kommenden, für die Entscheidung wesentlichen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes auseinandergesetzt und außer Acht gelassen hätte, dass der Verwaltungsgerichtshof davon ausginge, dass "angesichts des gesetzlich offenbar beabsichtigten Gleichklangs zwischen asylrechtlicher und fremdenrechtlicher Ausweisung auch bei einer asylrechtlichen Ausweisung die im FPG vorgesehenen Maßstäbe [...] in die Beurteilung deren Zulässigkeit miteinzubeziehen sind".

Mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 16.09.2013, A 414.884-3/2012/16E, wurde der Beschwerde der BF gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Am 06.12.2013 wurde die BF neuerlich vor dem Bundesasylamt einvernommen, wobei sie im Wesentlichen ihren bisher vorgebrachten Fluchtgrund wiederholte.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde, BFA) vom 13.03.2015 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

Der Bescheid des BFA wurde der BF, samt den Verfahrensanordnungen vom 13.03.2015 wonach der BF eine Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt am 18.03.2015 zugestellt.

Mit dem am 01.04.2015 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob die damals bevollmächtigte Vertretung der BF fristgerecht Beschwerde.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungs- und Gerichtsakten wurden vom BFA am 02.04.2015 dem Bundesverwaltungsgericht (bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 07.04.2015) vorgelegt.

Am 01.06.2016 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF sowie eine Dolmetscherin für die Sprache Englisch teilnahmen. Das BFA hatte mit Schreiben vom 02.04.2015 mitgeteilt, dass auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichtet werde.

Mit Schriftsatz vom 12.02.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht der rechtsfreundlichen Vertretung der BF sowie dem BFA umfassende Länderfeststellungen zur Situation in Nigeria und Fragen zu aktuellen Situation des BF in Österreich und forderte unter einem die genannten Parteien auf, binnen zwei Wochen hierzu eine Stellungnahme abzugeben.

Eine Stellungnahme langte trotz Antrag auf Fristverlängerung bislang beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Nigeria und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

1.1.2. Die Identität der BF steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

1.1.3. Die BF stellte nach ihrer illegalen Einreise ins Bundesgebiet am 26.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte sie aus, dass ihr damaliger Mann als Erstgeborener nach dem Tod seines Vaters Anspruch auf den Okumamba (König, der Dorfälteste) gehabt habe. Die Halbgeschwister ihres Mannes hätten diesen jedoch bekämpft und ihn verjagen wollen. Es sei nach dem Tod des Schwiegervaters ein Erbschaftsstreit entbrannt und ihr damaliger Mann sei von den Geschwistern getötet worden, welche auch sie nun mit dem Tod bedrohen würden.

1.1.4. Mit Bescheid vom 17.05.2011, Zl. 10 06.572-BAT, hat das Bundesasylamt diesen Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkennt und diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. mit einer Ausweisung nach Nigeria verbunden. Gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes erhob die BF fristgerecht Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.01.2012, Zl. A6 414.884-2/2011/6E, mangels Glaubwürdigkeit der Angaben der BF gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 abgewiesen.

1.1.5. Am 09.07.2012 stellte die BF ihren zweiten und nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.6. Das Bundesasylamt wies diesen zweiten Antrag der BF auf Gewährung von internationalem Schutz mit dem bekämpften Bescheid vom 12.09.2012, Zl. 12 08.461 - EAST-Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und verfügte gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 die Ausweisung der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria. Mit Erkenntnis vom 04.10.2012, Zl. A6 414.884-3/2012/3E, wies der Asylgerichtshof die dagegen erhobene Beschwerde gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 ab. Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 07.06.2013, Zl. U 2368/2012-9, hat dieser gemäß Art. 144a B-VG zu Recht erkannt, dass die BF durch die oben angeführte Entscheidung des Asylgerichtshofes im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sei und behob die Entscheidung des Asylgerichtshofes. Mit Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 16.09.2013, A 414.884-3/2012/16E, wurde der Beschwerde der BF gemäß § 41 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 idgF, stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des BFA vom 13.03.2015 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.).

1.1.7. Festgestellt wird, dass die BF anlässlich ihrer Asylantragstellung am 09.07.2012 keine neu entstandenen Fluchtgründe vorgebracht hat.

1.1.8. Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die der BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der BF gelegenen Umstände.

1.2. Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende Peoples Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.

In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.

Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.

Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.

In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.

Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.

Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.

Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45 % Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.

Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.

Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.

Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80 % aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.

Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF und ihrem zweiten Verfahren:

2.1.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.1.2. Da die BF den österreichischen Behörden bislang keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegte, steht ihre Identität nicht fest.

2.1.4. Die Feststellung, dass keine neu entstandenen Fluchtgründe vorliegen, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem diesbezüglichen Vorbringen der BF, insbesondere ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.06.2016. Sie gab hiezu wie folgt an:

"RI: Sie haben ja bereits einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig negativ abgewiesen wurde. Was sind die Gründe für den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz?

BF: Es sind dieselben Gründe, die ich im ersten Asylverfahren angegeben habe. Es hat sich nichts geändert.

RI: Weshalb haben Sie den zweiten Asylantrag gestellt?

BF: Vielleicht hat mein Anwalt den Antrag eingebracht, wegen der negativen Entscheidung. Ich habe den Antrag gestellt, damit ich nicht nach Nigeria abgeschoben werde."

2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat.

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF wurden die aktuellen Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme langte bislang nicht beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat entscheidungsrelevante Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Zu Spruchteil A)

3.2. Zur Zurückweisung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache:

3.2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet (VfSlg. 10.240/1984; 19.269/2010). Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Eine "entschiedene Sache" ("res iudicata") iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen (d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Eine Modifizierung des Vorbringens oder der Sachlage, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 22.11.2004, Zl. 2001/10/0035). Bei nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen, welche die Unrichtigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides dartun, handelt es sich nicht um eine Änderung des Sachverhaltes, sondern sind von der Rechtskraft des Bescheides umfasst und bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 24.09.1992, Zl. 91/06/0113; 24.06.2003, Zl. 2001/11/0317; 06.09.2005, Zl. 2005/03/0065).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

Für das Verfahren vor dem BVwG ist Gegenstand ("Sache") ausschließlich die Frage, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht zurückgewiesen hat (vgl. VfGH 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17).

Das Verwaltungsgericht hat in jenem Falle, dass der Sachentscheidung "res iudicata" entgegenstand oder eine sonstige Prozessvoraussetzung fehlte, keine prozessuale, sondern eine meritorische und (grundsätzlich auch) reformatorische Entscheidung in Form eines Erkenntnisses zu treffen. Diese Kompetenz zur Sachentscheidung ergibt sich unmittelbar aus der - mit Art. 130 Abs. 4 B-VG übereinstimmenden - Bestimmung des § 28 VwGVG, der bezüglich des Inhalts der vom Verwaltungsgericht zu treffenden Sachentscheidung keine Einschränkungen macht. Inhalt einer solchen Sachentscheidung kann es daher auch sein, dass der verfahrenseinleitende Antrag wegen entschiedener Sache oder wegen Fehlens einer sonstigen Prozessvoraussetzung zurückgewiesen wird (VfGH 18.06.2014, VfSlg. 19.882/2014; 11.06.2015, Zl. E 1286/2014-17).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit der Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung (Beschwerde) nicht neu geltend gemacht werden (VwGH 06.10.1961, VwSlg. 5642 A; 28.11.1968, Zl. 0571/68; 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341; 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens siehe VwSlg. 12.799 A). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, die in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A; VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen, von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173; grundlegend VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, mit der Glaubhaftigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" (VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556) auseinander zu setzen (VwGH 15.03.2006, Zl. 2006/17/0020).

Auf Grund des Umfanges des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ist in der gegenständlichen Rechtssache der Umstand relevant, ob vor der belangten Behörde neue, mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsachen vorgebracht wurden, die eine andere Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten indizieren können.

Für das Bundesverwaltungsgericht ist demnach Sache des gegenständlichen Verfahrens ausschließlich die Frage, ob sich die maßgebliche Sach- und Rechtslage seit der Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz geändert hat.

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass in der gegenständlichen Rechtssache eine entschiedene Sache vorliegt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Die BF brachte im ersten Asylverfahren als Fluchtgrund vor, dass ihr damaliger Mann als Erstgeborener nach dem Tod seines Vaters Anspruch auf den Okumamba (König, der Dorfälteste) gehabt habe. Die Halbgeschwister ihres Mannes hätten diesen jedoch bekämpft und ihn verjagen wollen. Es sei nach dem Tod des Schwiegervaters ein Erbschaftsstreit entbrannt und ihr damaliger Mann sei von den Geschwistern getötet worden, welche auch sie nun mit dem Tod bedrohen würden. Mit Bescheid vom 17.05.2011, Zl. 10 06.572-BAT, hat das Bundesasylamt diesen Antrag der BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen, ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. nicht zuerkennt und diese Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. mit einer Ausweisung nach Nigeria verbunden. Gegen den genannten Bescheid des Bundesasylamtes erhob die BF fristgerecht Beschwerde. Diese wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 12.01.2012, Zl. A6 414.884-2/2011/6E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Im Zuge des jetzigen, zweiten Verfahrens brachte die BF keine neuen Fluchtgründe vor. Der Eintritt einer maßgeblichen Sachverhaltsänderung seit dem rechtskräftigen Abschluss ihres ersten Asylverfahrens wird von der BF nicht einmal behauptet.

Eine Änderung des der Entscheidung vom 17.05.2011 eingetretenen Sachverhaltes ist sohin nicht zu erkennen, sodass eine entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vorliegt, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Auch im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung der BF nach Nigeria zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei seiner Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihm in Nigeria jegliche Lebensgrundlage entzogen würde.

Es ergibt sich aus den angeführten Länderfeststellungen zu Nigeria, dass kein Grund für die Annahme besteht, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger einer realen Gefahr einer Gefährdung gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass von einem Rückführungshindernis nach Art. 2 und 3 EMRK keinesfalls auszugehen ist.

Da - wie oben ausgeführt - weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der BF gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden konnte.

Somit war die Beschwerde gegen die vorliegende Entscheidung des Bundesamtes mit der Maßgabe, dass der ihr zu Grunde liegende Antrag wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen ist, abzuweisen (VwGH 28.06.1994, 92/05/0063).

Zu Spruchpunkt B)

3.3. Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Folgeantrag, Identität der Sache, Prozesshindernis der entschiedenen
Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I405.1414884.4.00

Zuletzt aktualisiert am

28.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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