TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/21 W173 2186378-2

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Veröffentlicht am 21.06.2018
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Entscheidungsdatum

21.06.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W173 2186378-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 27.12.2017, OB: 19794236500014, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Am 25.9.2017 langte der Antrag von Herrn XXXX, geb. am XXXX, (in weiterer Folge: BF) auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29bStVO (Parkauswies) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in weiterer Folge: belangte Behörde) ein. Dem Antrag waren medizinische Unterlagen angeschlossen.

2. Es erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin. Es wurde im Gutachten vom 20.12.2017 unter dem Punkt Ergebnis der durchgeführten Begutachtung ein Gesamtgrad der Behinderung mit

50v. H. festgestellt. Das im Zuge dieser Untersuchung erstellte - in weiterer Folge zusammengefasste - Gutachten enthält auszugsweise

Folgendes: "......................

Anamnese:

1984 stat. Behandlung bei Bronchopneumonie mit Anschlussheilverfahren wegen postentzündlicher Residuen, als weitere Diagnose wird Asthma bronchiale angeführt,

01/2016 erstgradig offene USCH-Fraktur links (operative Versorgung), Z. n. AE;

Weitere operative Eingriffe sind nicht erhebbar. Weitere Erkrankungen werden nicht angeführt.

Derzeitige Beschwerden:

Von Seiten der Lunge beschreibt er Verschlechterung, z. B. bei Exposition von Hausstaub, 2 - 3 x im Jahr sei es sehr schlecht, dann bekomme er vom Hausarzt auch Euphyllin gespritzt, er verwendet eine inhalative Dauertherapie (Berodual), lungenfachärztliche Kontrollen finden nicht statt, seit 3 - 4 Monaten sei es auch mit dem Asthma jetzt wieder schlechter, er wache auch nachts auf und brauche seine Therapie, er habe auch das Gefühl, dass es durch die Schmerztabletten, die er einnimmt, schlechter werde.

Seit er den Nagel im USCH hat, beschreibt er Schmerzen im Knöchel und im Widerrist, in der Früh gehe es, aber im Laufe des Tages werde es schlechter, er habe vor allem beim Gehen Probleme, er berichtet über eine Gehstrecke von etwa einer halben Stunde, das seien 50 bis 100 m, einen Stock zum Gehen verwendet er nicht, orthopädische Schuhe verwendet er nicht, auf Rehabilitation sei er nicht gewesen, es habe ihm niemand gesagt, dass das möglich sei, er nehme 1 x tgl. ein Schmerzmittel ein.

Des Weiteren werden noch Probleme im rechten Kniegelenk beschrieben, er verwende auf der rechten Seite einen Kniestrumpf, weil er dort auch Schmerzen habe, wenn es schlecher wird, nimmt er einen Genutrain.

Er berichtet auch, dass er hin und wieder Probleme mit den Gelenken habe, das gehe und komme (deutet auf die Handgelenke und auf die Schultergelenke).

Weiters führt er auch Schmerzen im Nacken an, mit Ausstrahlung in den Kopf, er bekomme wiederholt Kopfschmerzen.

Weitere Beschwerden fallen ihm momentan nicht ein.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Berodual, Diclobene, Euphyllin im Bedarfsfall (3 x im Jahr)

Sozialanamnese: Pensionist (Landwirt), Lebensgemeinschaft, keine Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

20170616 unfallchir. Gutachten - Verschmächtigung der linken OSCH-Muskulatur, Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk (geringfügig), Narben im Bereich des linken Knie- und Sprunggelenkes sowie des linken USCHs mit Weichteilschaden nach erstgradig offenem USCH-Bruch

19850724 Entlassungsbericht Bad Gleichenberg - Dg.: St. p. Pleuropneumonie mit postenzündlichen Residuen, Asthma bronchiale, hypotone Kreislaufregulation

19840806 LK Waidhofen/Thaya Intere Abt. - Dg.: Asthma bronchiale, Pleuropneumonie links - Abszedierung?, Uricopathie

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: gut; Ernährungszustand: vermehrt, Größe: 173,00 cm, Gewicht: 84,00 kg, Blutdruck: ----

Klinischer Status - Fachstatus: Kopf, Hals: äußerlich unauffällig

Stamm: der Thorax leicht fassförmig, symmetrisch, seitengleich belüftet, das Atemgeräusch leise, der Klopfschall hypersonor, vereinzelt trockene RGs, die Herztöne leise, die Herzaktion rhythmisch, normfrequent, die Bauchdecken adipös, weich, nicht druckschmerzhaft, ohne pathologische Resistenzen, kleine, problemlos reponierbare Nabelhernie

Obere Extremitäten:

Linksdominanz, Schultern hängend, gleich hoch stehend, der Schürzen-Nackengriff bds. ausführbar, der Muskelmantel symmetrisch seitengleich ausgeprägt, die Beweglichkeit in den Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenken altersentsprechend, der Faustschluss komplett und kräftig, die Fingergelenke etwas arthrotisch verdickt, der Feingriff fest, die Durchblutung oB

Untere Extremitäten:

das Becken steht gerade, Zehen- und Fersenstand kurz ausführbar, Einbeinstand ohne Gleichgewichtssicherung verkürzt, mit Gleichgewichtssicherung bds. gut ausführbar, reizlose Narbe linkes Kniegelenk, OSCH-Muskulatur links spurweise verschmächtigt, USCH-Muskulatur keine Umfangdifferenz ausmessbar, der Knöchelumfang ebenfalls seitengleich, die Hüftgelenke bds. altersentsprechend beweglich, das rechte Kniegelenk zeigt eine Beweglichkeit von S 0-0-110, V. a. Erguss, vermehrte mediale Aufklappbarkeit, vordere

Schublade ohne sicheren Anschlag, linkes Kniegelenk in S 0-0 130, bandstabil, ohne Erguss,

Sprunggelenk rechts unauffällig, links das Sprunggelenk Beugedefizit von etwa 15° bei der

Dorsalflexion, die Plantarflexion nicht eingeschränkt, die USPG seitengleich beweglich, Zehenbeweglichkeit frei, Durchblutung oB

Wirbelsäule:

leichte Kyphoskoliose mit deutlicher Kyphosekomponente, der Hinterhauptwandabstand beträgt ca. 5 cm, KJA 2/18 cm, Kopfdrehung endlagig eingeschränkt, Rumpfdrehung und - seitneigung endlagig eingeschränkt, FBA 20 cm, Schober 10/14, Lasegue negativ, paravertebrale Muskulatur im Lumbal- und Nuchalbereich verspannt

Neurologie: die MER seitengleich lebhaft auslösbar, keine sensomotorischen Defizite

Gesamtmobilität - Gangbild:

trägt Konfektionsschuhe, Kniestrumpf rechts, das Barfußgangbild mit leicht reduzierter Schrittlänge auf der rechten Seite, die Bewegungsabläufe insgesamt langsam, aber flüssig, ein selbstständiges An- und Auskleiden ist zügig möglich

Status Psychicus: allseits orientiert, Gedankengang nachvollziehbar, erreicht das Ziel, die Stimmung ausgeglichen, der Antrieb im Normbereich, der Affekt stabil, Affizierbarkeit erhalten, keine mnestischen Störungen

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB%

1

Asthma Bronchiale Wahl dieser Richtsatzposition mit dem unteren Rahmensatz bei nächtlichen Atemnotanfällen und auffälligem Auskultationsbefund

06.05.03

50

2

Funktionseinschränkung Sprunggelenk links bei Zustand nach Unterschenkelfraktur Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz, berücksichtigt die Schmerzen bei geringgradiger Bewegungseinschränkung

02.05.32

20

3

Kniegelenksinstabilität, unvollständig kompensiert, rechts Unterer Rahmensatz, da einseitig rechts

02.05.25

20

Gesamtgrad der Behinderung

50 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht. Es bestehen keine wesentlichen wechselseitigen negativen Leidensbeeinflussungen.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

...................

X Dauerzustand

..................

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Leiden 2 und 3 können zu einer Reduktion der Gehstrecke führen. Diese ist jedoch im Rahmen der klinischen Untersuchung und auch durch Befundlage nicht objektivierbar derart ausgeprägt, dass die regelhafte Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels in nachgefragter Weise eingeschränkt wäre. Auch wäre im Bedarfsfall die Gehstrecke durch Hilfsmittelgebrauch verlängerbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

........................."

3. Mit Schreiben vom 27.12.2017, OB 19794236500014, erhielt der BF einen unbefristeten Behindertenpass im Scheckkartenformat mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50%. Verwiesen wurde der BF auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

4. Mit Schreiben vom 19.2.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.12.2017, OB: 19794236500014. In der Begründung wurde auf die beiliegende ärztliche Stellungnahme vom 10.2.2018 verwiesen. Darin wurden die Asthma bronchiale-Erkrankung und der Zustand nach der Unterschenkelfraktur links angeführt. Dadurch sei es dem BF nicht möglich, längere Wegstrecken ohne Probleme zurückzulegen. Die diesbezügliche Zusatzeintragung sei aus ärztlicher Sicht gerechtfertigt.

5. Am 23.2.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor, der unter der Aktenzahl W173 2186378-2 protokolliert wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Auf Grund des Antrages des BF vom 25.9.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b (Parkausweis) erfolgte eine persönliche Untersuchung des BF durch den medizinischen Sachverständigen, Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin. Im Zuge dieser Untersuchung wurde das oben wiedergegebene Gutachten vom 20.12.2017 erstellt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde mit 50.v.H ermittelt. Dieser ergab sich auf Grund folgender Leiden: 1. Asthma Bronchiale (unterer Rahmensatz, wegen nächtlichen Atemnotanfällen und auffälligem Auskultationsbefund), mit der Pos.Nr. 06.05.03 mit einem Grad der Behinderung von 50% und 2. Funktionseinschränkung Sprunggelenk links bei Zustand nach Unterschenkelfraktur (eine Stufe über dem unteren Rahmensatz bei Berücksichtigung von Schmerzen und geringgradiger Bewegungseinschränkung), mit der Pos.Nr. 02.05.32 mit einem Grad der Behinderung von 20 % und 3. Kniegelenksinstabilität mit unvollständiger Kompensation rechts (unterer Rahmensatz da einseitig rechts) mit der Pos.Nr. 02.05.25 mit einem Grad der Behinderung von 20%. Wegen des Fehlens einer wesentlichen wechselseitigen negativen Leidensbeeinflussung wurde das führende Leiden 1 nicht durch die Leiden 2 und 3 erhöht. Diese Gesundheitsbeeinträchtigungen wurden als Dauerzustand gewertet.

1.2. Mit Bescheid vom 27.12.2017 wurde basierend auf dem eingeholten Gutachten vom 20.12.2017 aufgrund des festgestellten Gesamtgrades der Behinderung von 50 % dem BF ein Behindertenpass ausgestellt. Dagegen erhob der BF Beschwerde mit Schreiben vom 30.1.2018.

1.3.Der Grad der Behinderung beträgt beim BF 50 v.H. Der BF erfüllt damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung

Es wird auf das oben wiedergegebene, eingeholte Sachverständigengutachten der belangten Behörde vom 20.12.2017 (Dr. XXXX) verwiesen. Im genannten Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachter setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.

Schlüssig legte der Sachverständige die Einstufung der einzelnen Leiden in seinem Gutachten mit dem sich daraus ergebenden Grad der Behinderung dar. Beim Leiden 1 (Asthma bronchiale) resultiert die Einstufung unter die Pos.Nr. 06.05.03 mit einem Grad der Behinderung von 50% aus den nächtlichen Atemnotanfällen und dem auffälligen Auskultationsbefund. Die Einstufung des Leidens 2 (Pos.Nr. 02.05.32 mit einem Grad der Behinderung von 20%) basiert auf geringgradigen Bewegungseinschränkungen. Die Kniegelenksinstabilität (Leiden 3) ist einseitig rechts. Die Ergebnisse der Einstufungen stehen in Einklang mit den Untersuchungsergebnissen bei der persönlichen Untersuchung des BF durch den genannten Sachverständigen. Die getroffenen Einschätzungen des Gutachters entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Der BF ist auch dem schlüssigen Gutachten vom 20.12.2017 zur Einschätzung seiner Leiden und dem daraus resultierenden Gesamtgrad der Behinderung in seiner Beschwerde vom 30.1.2018 in keiner Weise entgegengetreten. Die Einstufung der einzelnen Leiden des BF und die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung werden nicht angezweifelt. In der Begründung seiner Beschwerde verwies der BF lediglich auf einen beiliegenden Befund, der sich auf die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" bezieht. Diese genannte Zusatzeintragung ist jedoch nicht Gegenstand der Beurteilung der Frage der Erfüllung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Mit dem ermittelten Grad der Behinderung von 50% erfüllt der BF jedenfalls die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).

3.1.Zu Spruchpunkt A)

3.1.1.Rechtsgrundlagen:

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

3.1.2. Schlussfolgerungen

Der beigezogene medizinische Sachverständige hat die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.

Von der belangten Behörde wurde ein schlüssiges Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 20.12.2017 eingeholt. Darin setzte sich der ärztliche Sachverständige eingehend aus medizinischer Sicht mit den Leiden des BF auseinander.

Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 20.12.2107, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Beschwerdevorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung bzw. Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Der BF trat diesem hinsichtlich der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung in keiner Weise entgegen. Das Sachverständigengutachten vom 20.12.2017 wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 50% erreichen, liegen somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Im gegenständlichen Fall ist für die Entscheidung maßgebend, ob die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß erreichen, welches für die Ausstellung eines Behindertenpasses erforderlich ist. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde von der belangten Behörde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie bereits oben ausgeführt wurde, wurde dieses als nachvollziehbar und schlüssig erachtet. Der Sachverhalt ist darüber hinaus geklärt und daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

3.3.Zu Spruchpunkt B (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W173.2186378.2.00

Zuletzt aktualisiert am

30.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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