Entscheidungsdatum
25.06.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W105 2181199-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald BENDA über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahl: XXXX, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 28.05.2018 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 09.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antragsteller wurde am 11.06.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen und war der Befragung ein Dolmetsch für die Muttersprache des Antragstellers (Dari) beigezogen. Hierbei tätigte der Antragsteller einerseits Angaben zu seinen Personalien, seinen Familienangehörigen, sowie detaillierte Angaben zur Reisebewegung und Voraufenthalten. Danach befragt die zentralen Fluchtgründe anzugeben, gab der Antragsteller wörtlich zu Protokoll: "Ich habe sowohl in Afghanistan, als auch in Pakistan als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara keine Chance zum Leben. Die Sicherheitslage in beiden Ländern ist sehr schlecht, deshalb habe ich Afghanistan verlassen." Die Frage, was er für den Fall der Rückkehr nach seinem Herkunftsstaat befürchte, beantwortete der Antragsteller damit, dort keine Chance zu haben zu leben.
Der Antragsteller wurde am 17.10.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er hierbei zu Protokoll, Dari und Farsi zu sprechen. Er erbat weiters, dass die Einvernahme in Dari stattfinde. Weiterhin bekräftigte der Antragsteller auf Nachfrage bisher wahre Angaben gemacht zu haben; so sei ihm das Erstprotokoll rückübersetzt und bis auf eine Unschärfe alles korrekt protokolliert worden. Weiterhin verwies der Antragsteller auf einen Zwischenfall im Zuge eines Alkohol-Abusus. Weiters gab der Antragsteller an, sein Geburtsjahr nicht zu wissen und Analphabet zu sein. Seine Familie sei, als er etwa zehn Jahre alt gewesen sei, nach Pakistan verzogen und habe er dort als Elektriker und als Installateur gearbeitet und sei er sowohl in Afghanistan, als auch in Pakistan als Boxer tätig gewesen. Seine Eltern würden in Pakistan leben, ansonsten habe er niemanden in Afghanistan. Befragt nach seinen Ausreisegründen gab der Antragsteller an, er habe in Afghanistan vier Freunde gehabt, wobei einer (!) bei einer Auseinandersetzung neben ihm erschossen worden sei. Weiterhin modifizierte der Antragsteller seine Angabe, dass zwei Freunde von zwei Nachbarn umgebracht worden seien. Die Familie der Opfer habe nun ihn verdächtigt. Die Polizei habe ihn sodann festgenommen und für drei Tage eingesperrt und habe er der Polizei die Wahrheit gesagt, sodass die wahren Täter festgenommen werden konnten. Die Familie der Nachbarn habe ihm sodann gedroht. Wenn er zurückgehe, würde man ihm nicht am Leben lassen. Die beiden Täter hätten sich frei gekauft und werde er deswegen von den Behörden gesucht. Probleme wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines religiösen Bekenntnisses verneinte der Antragsteller. Nunmehr die ins Treffen geführten Probleme mit den Nachbarn habe der Antragsteller wegen Müdigkeit bei der Ersteinvernahme nicht erwähnt.
Die weitere Einvernahme war nachstehenden Inhalts:
LA: Frage wird nochmals genau erklärt.
A: Die Polizei sucht mich, da ich ein Zeuge bei diesem Vorfall war und die zwei Nachbarn als Täter genannt habe und dazu nochmals meine Aussage machen müsste.
LA: Haben Sie einen Haftbefehl, Steckbrief oder eine Strafanzeige bekommen?
A: Ja, meine Familie hat einen Brief bekommen, in diesem stand, dass ich mich melden sollte, wenn ich dort bin.
Anm.: AW wird eine Frist von 3 Wochen geben, dass er den Brief der Polizei der Behörde vorlegt.
A: Es war kein Brief, sondern die Polizei kommt regelmäßig zu meinen Eltern und fragt nach mir.
LA: Sie haben die Frage, ob Sie in Ihrem Herkunftsstaat auf Grund Ihres Religionsbekenntnisses oder Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit irgendwelche Probleme hatten, mit ja beantwortet, was genau meinen Sie damit?
A: Die Taliban und der Daesh haben was gegen die Hazara und sie schlagen die Hazara. Die Hazara erkennt man bereits im Gesicht.
LA: Frage wird wiederholt.
A: Es gab in Pakistan eine Explosion und dort starben viele Hazara und auch viele meiner Freunde.
LA: Wurden Sie persönlich in Afghanistan auf Grund Ihres Religionsbekenntnisses oder Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bedroht oder verfolgt?
A: Nein.
LA: Sie haben die Frage, ob Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen hatten, mit ja beantwortet, was genau meinen Sie damit?
A: Die Probleme, die ich bereits geschildert habe, mit den Nachbarn.
LA: Warum haben Sie bei der Erstbefragung noch nichts von diesem Problem mit Ihren Nachbarn erwähnt?
A: Sie haben mich nicht gefragt und ich hatte nicht viel Zeit. Ich war außerdem sehr müde.
LA: Bitte erklären Sie nochmal genau und detailliert, wie sich der Vorfall, wo Ihre beiden Freunde getötet wurden, ablief.
A: Ich bin müde von der Arbeit nach Hause gekommen. Ich habe gehört, dass es laut war und deshalb bin ich hinausgegangen. Ich habe dann gesehen, dass meine zwei Freunde getötet wurden. Nachgefragt, ich habe die Tat nicht selbst gesehen, aber ich habe gesehen wie die Nachbarn, Mehdi und Nesar, davon gelaufen sind.
LA: Wann und wo war der Vorfall?
A: Es war direkt vor unserem Haus in XXXX. Es war Anfang des 6. Monats. Nachgefragt, es war ca. 4-4 Uhr Nachmittags.
LA: Wo haben Sie den einen Monat vor der Ausreise aus Afghanistan gelebt?
A: Ich habe in Kabul und in unserem Dorf gelebt. Nachgefragt, ich war 8-10 Tage in einem Hotel, namens XXXX, in Kabul und dann bin ich nach XXXX für eine Nacht und danach nach XXXX. Zuvor war ich 12-13 Tage in meinem Dorf. Ich war insgesamt ca. 20-23 Tage in Afghanistan.
LA: Wie hat die Bedrohung durch die Familie der Nachbarn ausgesehen?
A: Die Familie von den verstorbenen Freunden hat gesagt, ich soll zu ihnen stehen, die anderen können mir nichts tun. Die Familie der Nachbarn haben gesagt, ich soll zu ihnen halten, ansonsten verlieren die Söhne (Täter) ihr Leben. Die Nachbarn sind mir bereits bis in die Türkei gefolgt.
LA: Wann und wo war die Bedrohung von der Nachbarsfamilie?
A: Es war in meinem Dorf. Sie sind jeden Tag gekommen und dann bin ich geflohen. Sie wissen jetzt nicht, wo ich bin, nur, dass ich Richtung Europa gereist bin.
LA: Sie haben angegeben, dass Sie einen Vorfall zwischen den Familien der Täter und der Toten gesehen hätten, um was ging es dabei?
A: Es ging um ein Bestechungsgeld. So hätten beide Familien kein Problem mehr.
LA: Haben Sie das selbst gesehen?
A: Ja, ich kenne sie und ich bin ja wegen ihnen geflohen. Sie haben Leute, sie sind eine große Familie.
LA: Hat einer der Familien versucht, Sie zu bestechen?
A: Nein.
LA: Sie haben angegeben, dass die Täter, Nachbarn, wieder freigelassen wurden. Warum sind Sie frei gelassen worden und woher wissen Sie das?
A: Sie haben die Polizei bestochen und sie haben keinen Zeugen mehr. Der Zeuge war ich. Ich habe es von meinen Eltern erfahren.
Vorhalt: Sie haben angegeben, dass Ihre Familie nach wie vor in Pakistan lebt und dass die Polizei täglich bei Ihren Eltern wäre und nach Ihnen fragen würde. Was sagen Sie dazu?
A: Wir haben ein Haus in Afghanistan und meine Mutter fährt täglich nach Afghanistan. Das Haus haben sie vermietet und meine Mutter holt monatlich das Geld ab.
LA: Woher wissen Ihre Eltern, dass die Nachbarn (Täter) wieder frei gelassen wurden?
A: Die Familie, der wir das Haus vermieten, hat es meiner Mutter erzählt. Sie haben meiner Mutter auch gesagt, dass die Polizei immer kommt und nach mir fragt.
LA: Woher wissen Sie, dass die Nachbarn in die Türkei gereist sind und wieder zurück nach Afghanistan abgeschoben wurden?
A: Sie haben es in der Nachbarschaft weiter erzählt und meine Familie hat es so erfahren. Meine Freunde, die ich anrufe, leben dort und erzählen es mir persönlich.
LA: Woher weiß die Nachbarsfamilie, dass Sie nach Europa gereist sind?
A: Alle Nachbarn wissen es. Wenn ich im Iran oder in Pakistan wäre, wüssten sie es auch.
Vorhalt: Sie haben angegeben, dass die Familien mit Bestechungsgeld die andere Familie bezahlt hätte und die Nachbarn (Täter) auch bereits freigelassen wurden. Warum besteht gegen Sie dann noch eine Bedrohung?
A: Weil sie fragen, wieso ich die Täter verraten habe und weil sie deswegen so viel Geld bezahlen müssten. Sie meinen, dass ich es nicht sagen hätte dürfen.
LA: Wurden Familienmitglieder jemals persönlich bedroht oder verfolgt?
A: Nein, meine Familie nicht.
LA: Gab es zwischen Ihrer Familie und der Familie der Nachbarn irgendeinen Vorfall, seit Sie ausgereist sind?
A: Nein, sie haben nichts mit meiner Familie zu tun.
LA: Sie haben Ihre Freunde in Afghanistan erwähnt, wie viele Freunde haben Sie noch dort?
A: Ich habe dort viele Freunde. Ich rufe aber nur 1-2 Freunde an. Ich frage, wie es ihnen geht und was sie machen.
LA: Sie haben angegeben, dass Sie letztens angerufen worden wären, dass die Nachbarn frei gelassen wurden. Wann war dieser Anruf und wer hat es Ihnen erzählt?
A: Ich habe meine Eltern angerufen und sie haben es mir erzählt. Es ist schon länger aus. Ca. vor 2 Jahren war das.
Nachgefragt, das war, als ich bereits in Österreich war.
LA: Wann genau wurden Sie frei gelassen?
A: Wann genau weiß ich nicht, sie haben es mir nur erzählt.
LA: Wann sind die Nachbarn (Täter) in die Türkei gereist?
A: Nachdem ich ausgereist bin, als ich ca. 3-4 Monate in Österreich war, waren sie in der Türkei.
LA: Warum macht die Polizei in Ihrem Dorf nichts, wenn die Nachbarn (Täter) selbst herum erzählen, dass sie ihre beiden Freunde getötet haben und Sie auch töten wollen?
A: Die Polizei macht nichts. Die Nachbarn sind eine große Gruppe.
LA: Wie groß ist diese Familie?
A: Sie arbeiten mit Mafiagruppen zusammen und sie sind eine große Familie. Die Polizei kann nichts machen.
LA: Woher wissen Sie, dass die Familie mit der Mafia zusammen arbeitet?
A: Weil er mein Nachbar ist. Ich weiß das.
LA: Sie haben von einer Explosion erzählt, hat diese irgendetwas mit Ihnen persönlich zu tun?
A: Nein, aber es sind viele Hazara gestorben.
LA: Bitte schildern Sie nochmals so detailliert und genau wie die Bedrohung durch Ihre Nachbarn aussah.
A: Sie haben zu mir gesagt, dass ich entweder zu ihnen halten soll oder sie sagen, dass ich es nicht überleben werde.
LA: Wie oft wurden Sie bedroht und wo wurden Sie von der Familie der Nachbarn (Täter) bedroht?
A: 3-4 Mal in meinem Dorf. Sie sagten zu mir, dass ich mir das Leben selbst versaut hätte.
Nachgefragt, die Bedrohung sah immer gleich aus. Sie sagten immer dasselbe und es ging um dasselbe.
LA: Wurden Sie außer von der Nachbarsfamilie von irgendjemand bedroht oder verfolgt?
A: Nein.
LA: Hat Ihre Familie Grundstücke oder andere Wertanlagen in Afghanistan?
A: Ja, wir haben Grundstücke, sechs Geschäfte und über den Geschäften ist das Haus. Im Haus sind acht Zimmer, die vermietet werden.
LA: Was ist derzeit mit den Grundstücken und Geschäften?
A: Wir haben alles vermietet. Die Grundstücke sind keine Felder, sondern der Grund, wo das Haus und die Geschäfte darauf stehen.
LA: Von was lebt Ihre Familie in Pakistan?
A: Von den Mieteinnahmen.
LA: Was genau hat Ihr Vater?
A: Er ist zuckerkrank. Er kann nicht gehen.
LA: Warum haben Sie nicht bereits im ersten sicheren Land um Asyl angesucht?
A: Es gefiel mir dort nirgends, ich wollte nach Österreich.
LA: Was war Ihr Zielland?
A: Ich hatte kein Zielland. Ich bin nach Österreich und es hat mir hier gefallen und die Leute waren nett, daher blieb ich.
LA: Sie könnten in eine sichere, derzeit ungefährliche Provinz in Afghanistan gehen. Was sagen Sie dazu?
A: Sie sind eine große Familie in Afghanistan. Wenn ich keine Probleme gehabt hätte, wäre ich in unserem Dorf geblieben, dort habe ich ein Haus.
LA: Wären Sie im Fall einer Rückkehrentscheidung) mit evtl. Einreiseverbot an einer freiwilligen Rückkehr und Integrationsprojekten in Afghanistan interessiert? Wenn ja, dürfen Ihre Daten an die Organisationen der Rückkehrhilfe weiter gegeben werden?
A: Nein, wenn ich keine Probleme hätte, wäre ich nicht ausgereist und hätte nicht so viel Geld ausgegeben. Ich bin hier wegen meiner Sicherheit.
LA: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden?
A: Ja.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und darauf verwiesen, dass der Antragsteller vom zehnten Lebensjahr an, sechs Jahre in Pakistan und in weiterer Folge im Iran gelebt habe. Von dort sei er abgeschoben worden und sei es nach seiner Ankunft in Afghanistan zu dem erwähnten Vorfall gekommen, wobei zwei Freunde getötet worden seien. Der Antragsteller fürchte sich nun vor der Rache der Familie der von ihm verratenen Täter. Insoweit die Behörde die vorgebrachte Gefährdungslage als unglaubhaft erachte, da der Antragsteller die Gefährdungslage in der polizeilichen Erstbefragung nicht erwähnt habe, sei angeführt, dass diese offensichtlich darauf beruhe, dass die Behörde die konkreten Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Befragung im Mai 2015 außer Acht gelassen habe. Hätte die Behörde berücksichtigt, dass die Befragung zur Zeit des Massenzustroms von Flüchtlingen erfolgt sei und im konkreten Fall über 20 weitere Ankommende auf ihre Befragung gewartet hätten und die Behörde bemüht gewesen sei, die inhaltliche Befragung kurz zu halten. Der Beschwerdeführer sei nach den ersten Ausführungen unterbrochen worden und auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass die Einvernahme fortgesetzt werde. Zur Lage in Afghanistan sei auf den Kommentar von XXXX zum Gutachten von XXXX verwiesen (in der Anlage beigelegt). Zum Beweis dafür, dass es jungen Männern in Afghanistan in Großstädten in aller Regel nicht möglich sei, in einem Gebiet ohne sozialen Anschluss Zugang zur sicheren und ausreichenden Unterkunft, existenzsichernder Arbeit und (medizinischer) Grundversorgung zu finden sei auf einen Bericht seitens EASO August 2017 verwiesen. In diesem Zusammenhang auch auf die Unzumutbarkeit einer sogenannten innerstaatlichen Fluchtalternative. So sei der Zugang zur existenzsichernden Arbeit für sogenannte IDPS sehr limitiert. Dies treffe auch gerade im informellen Sektor der Tagelöhner zu. Die Armut in den Städten sei extrem hoch und seien die Aufnahmekapazitäten limitiert. Im Weiteren wurde auf die unzureichende Wohnungssituation vor dem Hintergrund kalter Winter verwiesen. Auch sei der ausreichende Zugang zu Nahrungsmitteln nicht gesichert. Auch die lebensnotwendige medizinische Grundversorgung sei für IDPS und Rückkehrer nicht zugänglich bzw. gesichert. Auch der EASO-Bericht argumentiere mit der Abhängigkeit von einem sozialen Netzwerk für das sonstige Überleben. Kabul sei sohin keine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative und werde in diesem Zusammenhang auf Anmerkungen seitens UNHCR zur Situation in Afghanistan zur Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innen vom Dezember 2016 verwiesen.
4. Am 28.05.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt, im Rahmen des Beschwerderechtsgespräches wurde versucht, den Wahrheitsgehalt der Angaben zu Ereignissen im Herkunftsstaat näher zu erforschen. Im Weiteren wurde eine Zeugin zum Beweis der Integration des Antragstellers einvernommen. Die Beschwerdeverhandlung stellte sich wie nachstehend dar:
"RI: Ich weise Sie darauf hin, dass Sie jederzeit Fragen stellen können und melden Sie sich unverzüglich, wenn Sie etwas nicht verstehen sollten. Einerseits von der sprachlichen Mittlung und andererseits vom Ziel der Fragestellung.
BF: Ich möchte, dass die Einvernahme in Farsi stattfindet.
RI: Das scheint kein Problem zu sein, weil die Dolmetscherin auch fließend Farsi spricht.
RI bespricht den bisherigen Akteninhalt mit dem Vertreter.
BFV: Ich verweise ausdrücklich auf den vorgelegten Befund vom 15.05.2018. Ich beantrage die zeugenschaftliche Einvernahme der heute anwesenden XXXX zum Zwecke der Bezeugung des Integrationsstandes des BF.
RI: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
BF: Ich bin in der Provinz XXXX, Dorf XXXX geboren. Dort habe ich bis zu meinem 10. Lebensjahr gelebt. Dann habe ich 6 Jahre in Pakistan in XXXX gelebt, dann 5-6 Jahre im Iran in XXXX und XXXX gelebt.
RI: Über welche Schulbildung verfügen Sie?
BF: Ich habe keine Schule besucht.
RI: Können Sie lesen und schreiben?
BF: Ich kann nicht lesen und nicht schreiben.
RI: Sie haben nun von der D vorgehalten bekommen zu Ihren Angaben zur Herkunft und hatte ich den Eindruck, dass Sie das lesen können.
BF: Ich habe das hier gelernt.
RI: Sie haben bei der Ersteinvernahme angegeben, dass Ihre Muttersprache Dari ist.
BF: Ja, das stimmt.
RI: Sprechen Sie dennoch besser Farsi, da Sie heute wünschen in Farsi einvernommen zu werden?
BF: Ich weiß nicht, ob ich Dari oder Farsi besser spreche, aber ich verstehe sie besser, wenn sie Farsi spricht.
RI: Haben Sie den Dolmetsch bei der Ersteinvernahme im Juli 2015 gut verstanden?
BF: Ja, ich weiß nicht, ob er mich gut verstanden hat.
RI: Am Ende der Amtshandlung wurde Ihnen das gesamte Protokoll rückübersetzt, zur Kenntnis gebracht, d.h. die übersetzten Passagen wurden neuerlich rückübersetzt und haben Sie Seite für Seite dir Richtigkeit und Vollständigkeit des Textes bekräftigt. Sie haben dann auch unterschrieben. Ist das Ihre Unterschrift?
BF: Ja.
RI: Sie wurden sodann am 17.10.2017 vor dem BFA einvernommen. Haben Sie bei diesem Termin die Dolmetscherin gut verstanden?
BF: Ja.
RI: Sie haben damals angegeben, Sie würden wünschen, dass die Einvernahme auf Dari geführt wird. Worin liegt der Unterschied zum heutigen Termin?
BF: Ich habe kein Problem, ich kann auch auf Dari sprechen.
RI: Ihr Vertreter hat mich gerade auf einen jüngsten Arztbrief vom 15.05.2018 hingewiesen. Um welche Art Arzt handelt es sich hierbei?
BF: Ich war aggressiv und musste zum Arzt gehen. Ich habe Medikamente bekommen. Was für ein Arzt das war weiß ich nicht.
RI: Sie haben offensichtlich ein Problem mit dem Alkoholkonsum, stimmt das?
BF: Ja, das stimmt.
RI: Wie geht es Ihnen heute?
BF: Ich bin immer krank, auch heute bin ich krank.
RI: In welcher Weise?
BF: Ich habe Albträume, ich schlafe nachts nicht gut. Jetzt geht es mir aber gut.
RI: Ist Ihnen eigentlich klar, dass Ihre Angaben zur Ausreisemotivation generell stark divergieren? Damit meine ich die Ersteinvernahme und das Protokoll vor dem BFA.
BF: Ja, da ist ein Unterschied.
RI: Können Sie den Unterschied aufklären?
BF: Bei der ersten Einvernahme war nicht so viel Zeit. Ich sollte nur meine Daten angeben, also meine Identität, und auch die Fluchtgründe.
RI: Das stimmt eben gerade nicht. Bei der Ersteinvernahme kam es auf die Identität und die Fluchtroute an, was Sie sehr ausführlich beschrieben haben. Dann wurde gefragt, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben. DA haben Sie gesagt, dass Sie als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara keine Chance haben zu leben. Die Sicherheitslage sei in beiden Ländern sehr schlecht und deswegen haben Sie diese verlassen.
BF: Ja, das habe ich gesagt.
RI: Warum haben Sie dann nicht nur ansatzweise in einem Satz angemerkt, was sie beim BFA vorgebracht haben? Haben Sie dafür eine Erklärung? Andere Asylwerber sprechen das Problem zumindest in ein oder zwei Sätzen an.
BF: Damals hat man mich nicht gefragt, ich war müde.
RI: Können Sie nun darauf eingehen, warum Sie Afghanistan verlassen mussten?
BF: Meine Freunde und auch meine Nachbarn haben mir Probleme gemacht.
RI: Sie haben teilweise in Pakistan und im Iran gelebt. Sind Sie da jeweils mit Ihren Eltern hingezogen?
BF: Nach Pakistan bin ich mit meiner Familie gezogen, in den Iran alleine.
RI: Von wann bis wann waren Sie in Pakistan und von wann bis wann im Iran?
BF: Das genaue Datum weiß ich nicht, als ich ca. 12 Jahre war, haben wir Afghanistan verlassen und sind nach Pakistan. Dann habe ich 5-6 Jahre in Pakistan gelebt und dann 5-6 Jahre im Iran.
RI: Können Sie ungefähr angeben, wann Sie vom Iran nach Afghanistan zurückgekehrt sind?
BF: Ich kann mich nicht erinnern.
RI: War das wenige Monate vor der Ausreise oder mehrere Jahre?
BF: Ich möchte nicht lügen, ich kann mich nicht erinnern.
RI: Würden Sie sagen, dass Sie nach der Rückkehr aus dem Iran eine lange Zeit in Afghanistan waren?
BF: Ich kann mich nicht erinnern.
RI: Haben Sie während Ihrer Zeit in Afghanistan vor Ihrer Ausreise gearbeitet?
BF: Nein, ich habe nicht gearbeitet.
RI: Wovon haben Sie da gelebt?
BF: Damals hat mein Vater gearbeitet.
RI: Wo befinden sich Ihre Eltern derzeit oder befanden sie sich unmittelbar vor der Ausreise?
BF: Derzeit ist meine Mutter in Pakistan, mein Vater ist vor 5 Monaten gestorben. Damals waren sie auch in Pakistan.
RI: Haben Sie in Pakistan gearbeitet?
BF: Ja, ich habe gearbeitet, ich war Installateur.
RI: Können Sie Ihre Tätigkeit beschreiben? Was haben Sie dort gemacht?
BF: Ich habe ein Geschäft gehabt. Ich habe in einem Gebäude gearbeitet. Ich habe Kabel verlegt, wenn es Probleme im Badezimmer gab, habe ich diese auch behoben.
RI: War das Ihre ausschließliche berufliche Tätigkeit in Pakistan?
BF: Ja.
RI: Sie sind dann also nach einigen Jahren, in denen Sie mit Ihrer Familie in Pakistan waren, nach Afghanistan zurückgekehrt und haben sich dann in den Iran begeben?
BF: Ich war mit meiner Familie 6 Jahre in Pakistan, dann hat mich mein Vater in den Iran geschickt. Dort war ich 5-6 Jahre, dann wurde ich nach Afghanistan abgeschoben.
RI: Können Sie angeben, warum der Iranaufenthalt in Ihrem Bericht vor dem BFA gänzlich fehlt?
BF: Ja. Vielleicht habe ich es selbst nicht gesagt, oder der Referent hat vergessen es zu schreiben.
RI: Aber es wurde Ihnen ja vorgelesen und rückübersetzt. Da wäre Ihnen das doch aufgefallen.
BF: Die haben vielleicht 3000 Fragen gestellt, ich bin nur ein Mensch und der Referent ist auch nur ein Mensch.
RI: Können Sie nun konkret auf den Vorfall Bezug nehmen, der den Ausschlag gab, dass Sie Afghanistan neuerlich verlassen haben?
BF: Ich habe zwei Freunde und noch zwei von meinen Nachbarn, die miteinander gestritten haben. Ich war nicht dabei, aber die beiden Freunde von mir wurden getötet. Danach ist die Polizei zu mir nach Hause gekommen. Die Polizei meinte, dass sie beide meine Freunde waren und die Familie der beiden Jungs hat sich bei der Polizei über mich beschwert. Die Polizei und die Mutter der Jungs haben mir gesagt, ich soll sagen, wer die beiden getötet hat, ansonsten bin ich selber schuld. Ich habe die Namen der Nachbarn angegeben. Ich war drei Tage im Gefängnis. Meine Nachbarn sind sehr reich und einflussreich und sie sind Verbrecher.
RI: Ich muss Sie da unterbrechen: Erzählen Sie mir ganz genau, möglichst detailliert und nachvollziehbar, was Sie erlebt haben. Was haben Sie gesehen oder gehört?
BF: Ich war auf dem Weg nach Hause unterwegs, als ich in der Nähe von zu Hause war. Ich habe dort viele Leute gesehen. Ich habe die anderen zwei Jungs gesehen, dass sie weggelaufen sind. Als ich in der Nähe war, habe ich gesehen, dass meine beiden Freunde getötet auf dem Boden lagen.
RI: Wo hat sich das zugetragen?
BF: Vor dem Nachbarhaus, aber gleich bei unserem Haus.
RI: Vor dem Nachbarhaus?
BF: Ja.
RI: Von wo sind Sie denn gerade gekommen, als Sie nach Hause gingen?
BF: Ich kann mich nicht erinnern, ich stehe in der Früh auf und vergesse, was zwei Stunden davor war.
RI: Noch einmal: Während der Zeit in Afghanistan, unmittelbar vor der Ausreise, sind Sie keiner beruflichen Tätigkeit nachgegangen?
BF: Ich habe ein Monat in einem Hotel gearbeitet.
RI: Wie heißt das Hotel?
BF: XXXX.
RI: Wir haben uns vor 20 Minuten darüber unterhalten, ob Sie in Afghanistan in der Zeit vor Ihrer Ausreise gearbeitet haben und Sie haben das verneint.
BF: Das sind so viele Fragen. Ich habe Probleme, ich kann das nicht alles beantworten.
RI: Unmittelbar bevor Sie Afghanistan verlassen haben, wo haben Sie sich aufgehalten?
BF: Ich war 20-23 Tage in Kabul.
RI: Wo haben Sie da gewohnt oder gelebt?
BF: In dem vorhin genannten Hotel.
RI: Waren Sie dort die ganzen 20-23 Tage in diesem Hotel?
BF: Ja, ich habe dort auch übernachtet.
RI: Wann hat sich der Vorfall in der Nähe Ihres Hauses zugetragen? Wann war das ungefähr?
BF: Ich kann kein genaues Datum sagen, aber es war am Nachmittag, ca. um 16 Uhr.
RI: Und die Jahreszeit?
BF: Ich kann mich nicht erinnern.
RI: Ich möchte Ihnen die bisher aufgetauchten Widersprüche in Ihrem
Vorbringen vorhalten: Iranaufenthalt, Vorfall vor dem Haus oder vor dem Haus des Nachbarn, Unwissenheit über die Dauer des Aufenthaltes in Afghanistan, keine Kenntnis über den Monat, in dem der Vorfall war, gegenüber Angabe vor dem BFA...8-10 Tage im genannten Hotel in Kabul, vorher 12-13 Tage im Dorf, heute die Aussage 20-23 Tage ausschließlich im Hotel in Kabul. Warum sind diese Divergenzen so auffällig?
BF: Ich bin krank, ich nehme Medikamente.
RI: Wovor würden Sie sich fürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?
BF: Ich habe Angst um mein Leben. Mein Vater ist vor 5 Monaten gestorben. Ich habe nur meine Mutter und meine Schwester in Pakistan. Ich kann nicht nach Afghanistan, ich habe Schwierigkeiten.
RI wiederholt die Frage.
BF: Meine Nachbarn haben mich bedroht, weil ich als Zeuge gesagt habe, dass sie meine Freunde getötet haben.
RI: Welcher Art waren diese Drohungen? Erzählen Sie das Schritt für Schritt.
BF: Als ich aus dem Gefängnis kam, ist der ältere Bruder dieser Jungs zu mir gekommen und sagte, dass er mich nicht in Ruhe lassen würde.
RI: Einmal sind Sie also mit der Drohung konfrontiert worden. Stimmt das?
BF: Ja.
RI: Ich lese Ihnen vor, was Sie vor dem BFA gesagt haben....Die Familie der Nachbarn hat gesagt, ich soll zu ihnen halten, andernfalls würden die Täter ihr Leben verlieren...Es war in meinem Dorf... Sie sind jeden Tag gekommen und dann bin ich geflohen. Was stimmt nun?
BF: Ich habe nicht gesagt die Familie von meinem Nachbar sondern die Familie meiner Freunde hat das gesagt.
RI: Das verstehe ich nicht. Die haben Ihnen auch gedroht?
BF: Nein, sie haben mir gesagt, dass ich als Zeuge für die beiden Beschuldigten aussagen soll.
RI: Hat es an einem anderen Ort auch eine Nachstellung, Bedrohung oder Konfrontation gegeben?
BF: Nein.
RI: Warum haben Sie heute trotz Nachfrage nicht erwähnt, dass Sie Ihren Lebensunterhalt auch durch Boxen verdient haben?
BF: Ich wurde nicht danach gefragt. Das ist keine Arbeit.
RI: Geht Ihnen das hier heute auf die Nerven?
BF: Ich kann mich nicht an alles erinnern, ich kann nicht.
Dem BFV wir Raum geboten.
BFV hat keine Fragen.
RI: Ich verweise Sie auf die zentral im Verfahren wichtige Länderdokumentation und führe ich nachstehende Unterlagen in das Verfahren ein:
* Das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation,
* das Gutachten bzw. den Bericht des XXXX,
* sowie den aktuellen EASO Bericht.
Es wird Ihnen eine Frist zweier Wochen zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme gewährt.
Einvernommen wird die anwesende Zeugin XXXX, geb. 22.02.1980.
Trainerin für Deutsch als Zweitsprache, ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuerin, XXXX.
RI erteilt der Zeugin eine Rechtsbelehrung.
RI: Wie haben Sie den heute hier anwesenden BF kennengelernt?
Z: Kennengelernt habe ich in XXXX im Gästehaus. Näher habe ich ihn kennengelernt, als ich ihn von der Psychiatrie abgeholt habe. Das war im Dezember 2017.
RI: Was möchten Sie mir über die Integration des BF erzählen?
Z: Herr XXXX ist sehr bemüht und auch, wenn es ihm oft nicht gut geht, versucht er an den Sprachcafés und sonstigen Aktivitäten teilzunehmen, er hilft mir bei der Vorbereitung z.B. beim Einkauf. Er kennt in XXXX ein paar Personen und versucht mit Österreichern Kontakt zu haben und sich mit der Kultur auseinanderzusetzen. Er ist interessiert an den Abläufen und fragt mich dazu oft.
RI nimmt Bezug auf die im Akt aufliegenden Unterlagen zu den Aktivitäten des BF und referiert diese.
Z: Ich darf ergänzen, bei mir war der BF im Sprachkurs A2 Teil 1, auch 75 Einheiten. Es ist für ihn sehr schwierig, weil er erst lesen und schreiben in Österreich gelernt hat. Er kann lesen, aber das sinnerfassende Lesen fällt ihm schwer. Wir hatten Tests in den Kursen und ich habe ihn dann auf die Tests vorbereitet und so informell konnte er die Aufgabenstellung bewältigen. Beim offiziellen Test dann nicht.
RI: Gibt es sonst darüber hinaus relevante Integrationsbemühungen?
Z: Er hat eine Freundin, sie ist Österreicherin. Die Beziehung ist nicht sehr stabil. Er ist bei unserer Plattform dabei, das ist die Initiative "XXXX".
Ende der Zeugeneinvernahme.
Die Einvernahme des BF wird fortgesetzt.
Dem BF wird erklärt, was die Zeugin zu seinen Gunsten ausgesagt hat.
RI: Haben Sie in Österreich verwandtschaftliche Bindungen?
BF: Nein.
RI: Haben Sie im Herkunftsstaat noch verwandtschaftliche Bindungen?
BF: Ich habe einen Onkel, ich weiß aber nicht, ob er noch immer dort ist.
RI: Sonst niemanden?
BF: Ich habe keine große Verwandtschaft.
RI: Wie haben Sie die Reise von Afghanistan nach Österreich finanziert?
BF: Meine Eltern hatten das Geld. Wir hatten keine finanziellen Schwierigkeiten.
RI: Für den theoretischen Fall einer Rückkehr z.B. nach Kabul, was würden Sie dazu sagen?
BF: Wie ich gesagt habe, habe ich Schwierigkeiten mit den Nachbarn. Hätte ich keine Schwierigkeiten, wäre ich nicht hier hergekommen.
RI: Stehen Sie hier in Österreich in ständiger medizinischer Behandlung?
BF: Ja.
RI: Können Sie das genau schildern?
BF: Ich habe Albträume, ich kann die ganze Nacht nicht schlafen. Ich bekomme Angst in der Nacht. Wenn ich aufstehe, bekomme ich Herzschmerzen.
RI: Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?
BF: Nein, ich habe sonst nichts mehr zu sagen.
RI: Ich gebe Ihnen zwei Wochen zur allfälligen Protokollrüge. Kopien des Protokolls werden Ihnen übergeben werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:
Der Antragsteller ist ein volljähriger Staatsangehöriger der islamischen Republik Afghanistans und beantragte er nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 09.08.2015 die Gewährung internationalen Schutzes. Als gesichert anzunehmen ist, dass sich der Antragsteller in seiner Jugend mehrere Jahre gemeinsam mit seiner Familie in Pakistan aufgehalten hat. Nicht gesichert festgestellt werden kann ein langjähriger Iranaufenthalt des Antragstellers. Der Antragsteller leidet an keinen schweren oder schwersten Krankheiten oder Beschwerden.
Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er länger inhaftiert.
Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Nicht festgestellt werden kann ferner, dass der Antragsteller während seines Aufenthaltes in Afghanistan in einem zeitlichen Naheverhältnis zur Ausreise einer Bedrohungssituation oder gar Gefährdungssituation, verursacht durch private Personen ausgesetzt war.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e-Sharif ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Für den Fall der Rückkehr ist es dem Antragsteller zusinnbar- zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif eine einfache Unterkunft zu finden.
Der Beschwerdeführer kann die die Städte Herat und Mazar-e-Sharif - über Kabul - von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.
Der Beschwerdeführer ist physisch gesund und unbescholten sowie finanziert sich seinen Unterhalt in Österreich aus Leistungen der Grundversorgung. Der Antragsteller leidet unter einer psychischen Beeinträchtigung auf Grund einer Anpassungsstörung und ist er medikamentös kompensiert. Der Antragsteller ist mehrfach durch Alkohol-Abusus und damit in Zusammenhang mit selbstverletzenden Verhalten oder auch Fremdgefährdung aufgefallen. Der Antragsteller hat zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens behauptet durch eine psychische Beeinträchtigung dahin gehindert zu sein, über die in der Vergangenheit liegende Ereignisse wahrheitsgemäß und schlüssig zu berichten.
Der Beschwerdeführer geht derzeit keiner beruflichen Tätigkeit nach und verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage. Er ist bemüht, die deutsche Sprache zu erlernen, sowie war im Juni 2017 geringfügig in gemeinnütziger Arbeit tätig. Der Beschwerdeführer ist in keinem Verein aktiv.
1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:
1.2.1. Staatendokumentation (Stand 02.03.2017 inklusive integrierter Kurzinformation vom 30.01.2018):
Sicherheitslage Kabul
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)
Distrikt Kabul
Gewalt gegen Einzelpersonen
21
Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe
18
Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen
50
Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften
31
Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt
28
Andere Vorfälle
3
Insgesamt
151
(EASO 11.2016)
Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Provinz Kabul
Gewalt gegen Einzelpersonen
5
Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe
89
Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen
30
Wirksame Einsätze von Sicherheitskräften
36
Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt
1
Andere Vorfälle
0
Insgesamt
161
(EASO 11.2016)
Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).
In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).
Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).
Erhaltungskosten in Kabul
Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).
Sicherheitslage Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).
Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).