TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/4 L504 2197473-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2018
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Entscheidungsdatum

04.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L504 2197473-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018, XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 Abs 2 Z 2 u. Abs 9, 46, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die zum Zeitpunkt der Antragstellung volljährige beschwerdeführende Partei [bP] stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 23.11.2015 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl [BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um einen Mann, welcher seinen Angaben nach Staatsangehöriger des Irak mit schiitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Bagdad stammt.

Sie reiste ihren Angaben nach mit ihren Eltern und den Geschwistern unter Verwendung eines im November 2015 ausgestellten irakischen Reisepasses legal aus. Auf ihrer Reise nach Österreich durchquerte sie die Türkei, Griechenland, Mazdedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien. In keinem dieser Staaten habe sie Schutz wollen.

Anlässlich der Erstbefragungen durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die beschwerdeführende Partei zum Fluchtgrund an, dass sie das Land verlassen habe, "weil ihr Vater mit dem Umbringen bedroht worden sei". Im Falle einer Rückkehr befürchte sie, dass "ihre Eltern umgebracht würden".

In der Einvernahme beim BFA brachte die bP zur Ausreisemotivation befragt an:

"Ich habe die gleichen Gründe wie mein Vater. Die Milizen haben mich wegen meinem Vater bedroht. In der Nacht, an das genaue Datum kann ich mich nicht erinnern, als ich auf dem Weg vom Billardspielen in unsere Wohngegend gegangen bin, stand dort ein Pick-up-Auto. Vier maskierte Männer hielten mich an und fragte mich nach meinem Vater. Ich habe ihnen gesagt, dass mein Vater nicht zu Hause sei und auch nicht hierher kommen würde. Er wohne und arbeite in Erbil. Er dürfe auch nicht hierher kommen, da er mit meiner Mutter geschieden ist. Sie haben mich geschlagen und gesagt ich sei ein Lügner. Sie sagten, dass mein Vater meinen Bruder nach Iran wegen seiner Behandlung gebracht hatte. Sie haben angefangen mich zu schlagen. Ich konnte nicht gegen sie kämpfen oder etwas sagen, weil ich wusste, dass sie mich leicht töten könnten und kein Problem damit hätten. Dann bin ich verletzt mit gebrochenem Schlüsselbein und Verletzungen im Gesicht und Kopf nach Hause gegangen. Meine Mutter hat mich dann in die Klinik gebracht und meinem Vater gesagt, was mit mir geschehen ist. Mein Vater hat meiner Mutter gesagt, dass wir das Haus verlassen müssen. Dann sind wir zu meiner Tante N. gegangen und haben bei ihr gewohnt bis zum Tag der Ausreise. Zehn Tage nach dem Vorfall haben wir einen Anruf von den Nachbarn bekommen, dass unser Haus verbrannt wurde. Ca. zwei Tage danach besuchte meine Mutter unsere Nachbarin. Sie hat meiner Mutter gesagt, dass Milizen das Haus verbrannt haben. Sie sind in das Haus gestürmt und das Haus ging dann in Flammen auf. Das sind meine Gründe.

[...]

Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage sie daher jetzt nochmals, ob sie noch etwas Asylrelevantes angegeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was ihnen wichtig erscheint, sie jedoch nicht gefragt wurden?

Nein, ich habe alles erzählt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen. Ich möchte noch die Familienprobleme erwähnen, wo mein Vater vom Clan meiner Mutter. Wir wurden hier in Österreich von der Familie meiner Mutter bedroht.

Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in ihre Heimat konkret zu befürchten?

Ich weiß es nicht genau was mit mir persönlich passieren wird, aber ich möchte wegen dieser ganzen Probleme nicht mehr zurück.

[...]

Wann genau hat sich der Vorfall mit den Milizen ereignet?

Vor ca. zweieinhalb Jahren.

[...]

Was haben sie in dem Zeitraum bis zu ihrer Ausreise gemacht?

Ich war bei meiner Tante N. bis zur Ausreise.

Wie weit ist ihre Tante von ihrem Wohngebiet entfernt?

Ca. 10 Fahrminuten entfernt.

[...]

Wissen Sie um welche Milizen es sich gehandelt hat?

Ich glaube die gleiche Miliz die meinen Vater bedroht hat, die Miliz Asa'ib Ahl Al Haq

Wissen Sie ob es vor dem Vorfall mit Ihnen und den Milizen Bedrohungen gegeben hat?

Mein Vater wurde von den Milizen bedroht und vom Familienclan meiner Mutter. Wann das genau war, weiß ich nicht.

Werden Sie persönlich auch vom Familienclan ihrer Mutter verfolgt?

Nein. Auf Nachfrage gebe ich an, dass nur meine Eltern von ihnen bedroht wurden.

Haben Sie sich nach dem Vorfall an die Polizei gewandt?

Nein

[...]

Wissen sie wann sich ihre Eltern scheiden haben lassen?

Nein, das ist schon sehr lange her.

Wissen Sie warum sie sich scheiden haben lassen?

Ich weiß, dass mein Vater ein Problem mit meinem Onkel hat. Er und der Clan meiner Mutter hat Druck auf beide ausgeübt, dass sie sich scheiden lassen. Die Probleme hat mir meine Mutter bei unserer Ausreise erzählt. Davor wusste ich nichts darüber.

Wie hat sich nun der Kontakt zu ihrem Vater nach der Scheidung gestaltet?

Ich hatte nur telefonischen Kontakt. Ich habe ihn nie gesehen. Ich habe ihn einmal getroffen. Das waren vielleicht 20 Minuten. Das war nur kurz vor der Abreise. Wir haben ihn bei den Beamten getroffen. Das waren insgesamt drei Mal. Auf Nachfrage gebe ich an, dass mein Vater dabei sein musste wegen der Dokumente zur Ausreise.

Ihr Vater hat angegeben, dass er sie und ihre Geschwister einmal im Monat bei Verwandten getroffen hat.

Was sagen Sie dazu?

Ja, das war vor der Scheidung. Wir haben uns bei meinem Onkel B. Getroffen.

Wo wohnt ihr Onkel?

Er wohnt in Bagdad. Auf Nachfrage gebe ich an, dass er eine Fahrstunde entfernt wohnt.

[...]

Wurden Sie persönlich mit dem Umbringen bedroht oder nur ihr Vater?

Nein ich persönlich nicht, nur meinen Vater. Ich wurde geschlagen, damit ich die Informationen über meinen Vater weitergebe.

[...]

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.

Die Anträge ihrer Eltern und 3 Geschwister wurden gleichlautend entschieden. Eine Schwester erhielt auf Grund der Heirat in Österreich aus Gründen des Art 8 EMRK gem. § 55 AsylG einen Aufenthaltstitel. Deren Beschwerdeverfahren sind bei der Geschäftsabteilung G309 anhängig.

2. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist mit Unterstützung der ARGE Rechtsberatung Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich Beschwerdeschriftsatz, Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität und Herkunft steht lt. Bundesamt fest.

Die bP ist Staatsangehörige des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischen Glaubens.

Sie kommt aus Bagdad und war bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern.

Sie verfügt im Herkunftsstaat noch über ein verwandtschaftliches Netz, so lebte sie zuletzt bei einer Tante in Bagdad. Sie hat Schulbildung und Berufserfahrung im Verkauf.

Aktuell liegen keine relevanten, behandlungsbedürftigen Krankheiten vor.

Sie reiste nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet ein. Die bP lebt mit ihren Familienangehörigen in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Anderweitige familiäre Beziehungen liegen in Österreich nicht vor. Von 09.2016 bis 07.2017 und 09.2017 bis 07.2018 besuchte sie die Neue Mittelschule, ein Zeugnis wurde nicht vorgelegt. Von 09.2016 bis 07.2017 besuchte sie die Bundeshandelsakademie, hier erfolgte ebensowenig eine Zeugnisvorlage. Der Besuch des Deutschunterrichtes wird seitens der Schule bestätigt. Sie besucht ein Fitnessstudio. Seitens Privatpersonen wird bestätigt, dass sie höflich, hilfsbereit, zuvorkommend ist und, soweit es die sprachlichen Möglichkeiten erlauben, bemüht ist sich zu integrieren.

Sie geht seit Ankunft in Österreich keiner grundsätzlich möglichen und erlaubten Erwerbstätigkeit nach um sich wirtschaftlich selbst zu erhalten (http://www.ams.at/_docs/400_Asyl-Folder_DEUTSCH.pdf). Sie ist zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich auf staatliche Zuwendungen angewiesen.

Abgelegte Deutschprüfungen, insbesondere solche gem. dem GER, wurden nicht nachgewiesen. Bestätigt wird die Teilnahme am Kurs Deutsch Niveau A1 zw. 01.2017 und 12.2017. Strafrechtliche Verurteilungen sind seitens der Strafgerichte bzw. Sicherheitsbehörden nicht bekannt gegeben worden.

Die Beschwerde tritt der Rückkehrentscheidung inhaltlich selbst nicht entgegen und wird darin auch kein neuer bzw. aktuell geänderter Sachverhalt oder Bescheinigungsmittel vorgebracht.

1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion Bagdad, resultierend aus ihrem bisherigen und als nicht glaubhaft erachteten, als ausreisekausal dargelegten Vorbringen oder wegen der allgemeinen Lage in Bagdad, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer glaubhaften, asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre.

1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Das Bundesamt traf Feststellungen zum Herkunftsstaat auf Grundlage des am 16.03.2018 zu Gehör gebrachten Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 23.11.2017, dem die bP im Rahmen des gewahrten Parteiengehörs nicht entgegen trat. Daraus ergibt sich fallbezogen im Wesentlichen Folgendes:

Bagdad hat ca. 8 Millionen Einwohner. Obwohl vereinzelt auch konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der kriminell - Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren.

Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen.

Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.

Kidnappings und Entführungen:

Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich.

Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen.

Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde.

All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeugenaussagen belegt werden. Allerdings besteht das Problem, dass die Opfer oft selber nicht wissen woher die Bedrohung kommt oder wer der Empfänger des geforderten Lösegeldes ist.

Schießereien mit Handfeuerwaffen:

Was die Verwendung von Handfeuerwaffen betrifft, können generelle Muster zwischen dem zentralen Gebiet und der Peripherie der Provinz Bagdad unterschieden werden. Morde und Anschläge auf Zivilisten kommen innerhalb der Stadt Bagdad vor, die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya sind diesbezüglich überrepräsentiert. Diese Anschläge richten sich z.B. gegen Geschäftsbesitzer, Anwälte sowie Angestellte der Regierung. Schießereien kommen auch in Verbindung mit Raubüberfällen vor. Zusätzlich stehen viele Tötungen in Verbindung mit Kidnappings, bei denen das Lösegeld nicht gezahlt wurde.

Im Gegensatz dazu sind Vorfälle mit Handfeuerwaffen im 'Bagdad Belt' üblicherweise gegen Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen gerichtet, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen .

Konfessionalismus und Diskriminierung:

Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Dies anzumerken, ist von wichtig, weil von vielen angenommen wurde, dass durch das Ausbreiten des IS ab 2014 frühere Muster an Gewalt nach Bagdad zurückkehren würde. Das hat er auch, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Wie diverse Menschenrechtsberichte gezeigt haben, fachen Terrorattacken des IS in Bagdad viele Arten an Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten an, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten. Dies trifft allerdings nicht auf sunnitische Internvertriebene (IDPs) zu, die in der Provinz Bagdad regelmäßig diskriminiert werden. Nachdem der IS in großen Teilen von Anbar und Salah al-Din die Macht ergriffen hatte, flohen Tausende nach Bagdad. In vielen Fällen war es ihnen von vorne herein nie gestattet, in die Provinz einzureisen. Die, die es dennoch geschafft haben, berichten von extrem eingeschränkter Reisefreiheit (da Personalausweise aufzeigen in welchem Gouvernement sie ausgestellt wurden), von Schwierigkeiten, als Gebietsfremde des Gouvernements an wesentliche Dokumente zu gelangen, sowie von Schikanen aufgrund des Pauschalverdachts der IS-Zugehörigkeit. Für Internvertriebene besteht, aufgrund fehlender Netzwerke für persönliche Unterstützung, auch ein größeres Risiko, entführt zu werden.

Eine weitere Seite des Konfessionalismus sind Verhaftungen, oft willkürlich, welche meist in Verbindung mit einer Anklage wegen Terrorismus nach Artikel 4 vollzogen werden und beinahe ohne Ausnahme Sunniten betreffen. Diese Festnahmen sind nach Terroranschlägen häufig, wenn Sicherheitsdienste Durchsuchungsaktionen durchführen, um Mitglieder oder Unterstützer des IS ausfindig zu machen.

Kleinere Gemeinschaften, inklusive Minderheiten und solche, die sich in einer Minderheitssituation wiederfinden, stehen unter signifikantem Risiko. Die Anzahl an Christen in Bagdad nimmt unter dieser Bedrohungssituation weiterhin ab, wenn auch kleine christliche Gemeinden in gemischten Bezirken bestehen bleiben; so auch in Karkh und in Karrada und Palästina. Faili-Kurden (schiitische Kurden), einschließlich jener, die in Sadirya und im südlichen Teil Bagdads leben, haben unter Bombenangriffen gelitten und berichten von erhöhten Spannungen, die in Zusammenhang mit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum stehen. Palästinenser, die vorwiegend in al-Baladiyat leben, sind diesen gezielten Attacken ebenso ausgesetzt und bleiben weiterhin besonders gefährdet

Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:

Irakische Sicherheitskräfte (ISF):

Die ISF werden in Bagdad vom 'Baghdad Operations Command' (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inklusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig.

Polizeikräfte werden oft als Erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer korrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und werden als weniger korrupt und konfessionalistisch gesehen. Die meisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und Vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt.

Im Allgemeinen vertraut die Bevölkerung eher der Armee als der Polizei. Die Mehrheit der Bewohner Bagdads, die in einer Umfrage einer NGO befragt wurden, ob sie in einer Notsituation die Polizei kontaktieren würden, sagten sie würden erst versuchen, das Problem selbst zu beheben. Knapp unter 50 Prozent meinten, sie würden der Polizei unter keinen Umständen Bericht erstatten. Im Vergleich dazu:

über 70 Prozent derer, die in Gebieten leben, in denen die Armee für die Sicherheit verantwortlich ist, gaben an, sie würden, wenn nötig, ihre lokalen Sicherheitskräfte kontaktieren. In derselben Umfrage wurden Bewohner gefragt, ob sie jemals Bestechungsgeld gezahlt hätten, um Unterstützung von offiziellen Sicherheitskräften zu erhalten, was 30 Prozent der Befragten bejahten. Zuletzt wurden Bewohner gefragt ob sich die Sicherheits-Situation in Bagdad verbessern oder verschlechtern würde, worauf beinahe 70 Prozent antworteten, das sie sich verbessere.

Islamischer Staat (IS):

Der IS konnte Mitte 2014 Gebiete im Provinz Bagdad nicht unter seine Kontrolle bringen. Allerdings hat sich IS-Aktivität mehrmals vom angrenzenden Provinz Anbar in den westlichen Bezirk Abu Ghraib ausgeweitet. Teile des 'Bagdad-Belt' sind historisch gesehen Unterstützungsgebiete des IS, welche IS-Attacken in zentraler gelegenen Gebieten Bagdads ermöglichen.

In der Provinz Bagdad beschränken sich die Aktivitäten des IS vor allem auf "unkonventionelle Attacken" gegen Zivilisten und hochrangige Opfer - in erster Linie durch die Verwendung von IEDs .

Popular Mobilization Forces (PMF):

Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. [...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie auf Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt.

Verletzungen der Ehre:

Ehrenverbrechen bleiben im ganzen Land weiterhin ein ernstzunehmendes Problem. Ehrenmorde werden meist begangen, nachdem eine Frau eines der folgenden Dinge getan hat, oder dessen verdächtigt wird: eine Freundschaft oder voreheliche Beziehung mit einem Mann einzugehen, sich zu weigern einen von der Familie ausgewählten Mann zu heiraten, gegen den Willen der Familie zu heiraten, Ehebruch, oder das Opfer einer Vergewaltigung oder Entführung zu sein. Solche Verletzungen der Ehre werden in der irakischen Gesellschaft als unverzeihlich angesehen und können aus Sicht dieser häufig nur getilgt werden, im dem man die Frau tötet. (Anm.: Auch Männer können Opfer von Ehrenverbrechen werden - s. dazu z. B. auch Abschnitt "Sexuelle Minderheiten"). Ehrenverbrechen passieren in allen Gegenden des Irak und bei allen ethnischen und religiösen Gruppen. Es ist jedoch schwer, das wahre Ausmaß von Ehrenverbrechen im Irak zu erfassen, da viele Fälle nicht angezeigt werden. Selbst wenn es zur Anzeige kommt, werden Täter selten zur Rechenschaft gezogen und das Gesetz erlaubt es, dass Strafen milder ausfallen können, wenn das Verbrechen einen "Ehren"-Aspekt hat. In der Region Kurdistan haben die Behörden Berichten zufolge Paragrafen, die eine solche Milderung ermöglichen, abgeschafft. Nach der neuen Gesetzeslage gelten Morde, die aus Gründen der "Ehre" begangen worden sind in der Region Kurdistan nunmehr als Morde. Dieses Verbot von Ehrenmorden hat in dieser Region allerdings dazu geführt, dass sie häufiger als Unfall oder Selbstmord kaschiert werden, um eine Strafverfolgung zu vermeiden. Berichten zufolge gab es bisher nur sehr wenige Fälle, die vor Gericht kamen, seit das neue Gesetz in Kraft trat. Ehrenverbrechen sind in der KRI nach wie vor ebenso weit verbreitet wie im Rest-Irak, einigen Meinungen zufolge sogar weiter verbreitet. Ehrenmorde sind in ländlichen Gebieten weiter verbreitet als in städtischen und es gibt in unterschiedlichen Gebieten verschiedene Ausprägungen. Das Verbrennen von Frauen scheint besonders in der Region Kurdistan vorherrschend zu sein, während "fasiliya" (s.u.) oder der Handel mit Frauen eher in anderen Gebieten des Irak vorherrschend zu sein schein. In der KRI werden pro Jahr ungefähr 300-400 Frauen bei lebendigem Leib verbrannt.

Per Definition werden Ehrenmorde von einem Familienmitglied ausgeführt, es kann aber auch sein, dass die Großfamilie, der Clan, die Gemeinde, der Stamm, eine bewaffnete Gruppe oder anderen externe Akteure Druck auf die Familie ausüben, ein Familienmitglied zu töten, das vermeintliche Schande über die Familie gebracht hat (AIO 12.6.2017, vgl. IISS 15.5.2017). In anderen Fällen begehen Frauen Selbstmord, u.a. durch Selbstverbrennung, weil sie befürchten, von ihrer Familie getötet zu werden, oder sie werden zum Selbstmord gezwungen oder genötigt .

Im Allgemeinen gibt es keine Zufluchtsstätten für von Ehrenverbrechen bedrohten Frauen. In der Kurdenregion existieren jetzt drei offizielle Frauenhäuser, aber um in einem solchem unterkommen zu dürfen, ist ein Gerichtsbeschluss erforderlich, was ein beträchtliches Hindernis für eine Frau darstellt, die bedroht wird. Darüber hinaus kommt es häufig vor, dass die Behörden ohne Zustimmung des Opfers den Täter zu dem Frauenhaus bringen und auf Kosten des Opfers versuchen eine Lösung auszuhandeln. Im Rest des Iraks gibt es keine offiziellen Unterkünfte. Einige Frauenrechtsorganisationen versuchen im Geheimen inoffizielle Unterkünfte zu betreiben, jedoch sind die Betreiber oder die Bewohnerinnen dieser unter großer Gefahr, weil solche Unterkünfte häufig das Ziel von Angriffen verschiedener Milizen sind. Darüber hinaus werden sie oft von den Behörden geschlossen, die solche Einrichtungen scheinbar teilweise als Bordelle betrachten. Es ist nicht unüblich, dass Frauen für längere Zeit in Polizei-Gefängniszellen sitzen, weil sie von ihren Familien bedroht werden und keine andere Unterkunftsmöglichkeit haben.

Rückkehrsituation:

Alleine aus Österreich kehrten in der ersten Jahreshälfte 2017 in etwa 346 Iraker freiwillig in den Irak zurück. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u. a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Es sind keine konkreten Fälle bekannt wonach Iraker bei einer Rückkehr nach Bagdad wegen der Asylantragstellung im europäischen Ausland Repressalien seitens staatlicher oder nichtsstaatlicher Akteure ausgesetzt wären. Auch die bP legte diesbezüglich keine Berichte vor.

2. Beweiswürdigung

Ad 1.1.1 Zur Person der beschwerdeführenden Partei

Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt einheitlichen, im Wesentlichen widerspruchsfreien persönlichen Angaben, sowie ihren im Verfahren dargelegten Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP vorgelegten irakischen Identitätsdokumenten, die seitens des BFA als echt eingestuft wurden.

Ad 1.1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den Aussagen der bP iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Es ergaben dabei sich keine konkreten, aussagehemmenden Faktoren und wurden solche auch nicht von der bP konkret und substantiiert dargelegt. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach, insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Die bP trat den Gegenbeweis der Unrichtigkeit des in den Niederschriften bezeugten Vorganges nicht an.

Die belangte Behörde legte im Rahmen der Beweiswürdigung im Wesentlichen dar, dass es hinsichtlich der von der bP dargelegten Ausreisemotivationen zwischen der Erstbefragung im November 2015 und der Einvernahme im März 2018 doch erhebliche Divergenzen gibt. So habe die bP bei ihrer ersten Äußerung zur Frage, warum "sie" den Irak verlassen habe (Fluchtgrund), ausschließlich die Bedrohung des Vaters angegeben. Im Falle der Rückkehr habe sie auch nur geäußert, dass "sie" befürchte, dass "die Eltern" umgebracht würden.

Bei der späteren Einvernahme beim Bundesamt habe die bP jedoch davon abweichend von einer sie selbst treffenden Bedrohungen gesprochen. Erstmals erzählte sie von selbst erlittenen Verfolgungshandlungen wenige Wochen vor der Ausreise durch eine schiitische Miliz, die sogar einen Schlüsselbeinbruch sowie Verletzungen an Gesicht und Kopf zur Folge gehabt hätten. Die bP sei deshalb im Irak auch im Krankenhaus gewesen.

Das Bundesamt erachtete diese späteren Angaben als nicht glaubhaft bzw. gesteigert, zumal es nicht plausibel sei, dass die bP anlässlich der ersten Äußerung zu den Fluchtgründen nicht ansatzweise von persönlich selbst erlittenen Repressalien und Bedrohungen erzählte, wo diese, weil der Aussage zeitnah, noch besonders in Erinnerung sein müssten und auch keine aussagehemmenden Faktoren hinzukamen um diese zumindest ansatzweise zu erwähnen, sondern nur die von Familienangehörigen. Auch habe sie anfangs nur eine Rückkehrgefährdung der Eltern erwähnt und keine sie selbst betreffende.

Das neue Vorbringen in der Einvernahme beim Bundesamt sei auch deshalb nicht glaubhaft, weil es nicht plausibel sei, dass sich die bP nur etwa 10 Fahrminuten von ihrer Wohnung entfernt bei einer Verwandten in Bagdad, also quasi in unmittelbarer Umgebung, der "Verfolgung" durch die Miliz entziehen konnte, wo doch der allgemeinen Lebenserfahrung nach davon ausgegangen werden könnte, dass sie dort - bei tatsächlichem Verfolgungsinteresse bzw. wenn man das Vorbringen für wahr erachten würde - wohl leicht ausfindig gemacht werden könnte, was jedoch nicht geschehen sei. Die Familie habe von dort aus ihre legale Ausreise organisiert, etwa auch durch Besorgung aktueller behördlicher Dokumente.

Das Bundesamt erachtete die angegebenen Verletzungen - insbesondere auf Grund von Befunden aus Österreich - als gegeben, argumentierte jedoch, dass diese kein Beweis dafür sind, dass die von ihr spät vorgebrachte Fluchtgeschichte den Tatsachen entspricht. Die erlittenen Verletzungen könnten durch vielfältige Ursachen, wie etwa Unfälle, Sportverletzungen oder anderweitige Umstände entstanden sein. Anhand der Verletzungen ließen sich weder konkrete Rückschlüsse auf allfällige Täter, Tatablauf noch auf Tatmotiv ableiten.

Aus dem Umstand, dass die bP auf ihrer Reise nach Österreich durch eine Vielzahl von europäischen Staaten reiste, die als sicher gelten, sie dort aber nirgends Schutz benötigte bzw. begehrte, erachtete die Behörde als weiteres Indiz dafür, dass es der bP nicht tatsächlich um (internationalen) Schutz geht, sondern andere Motive, die nicht im Asylrecht ihre Grundlage haben, kausal für die Antragstellung in Österreich waren. Letztlich sei dies ein weiteres Argument dafür, dass die bP hier im Zuge zweier niederschriftlicher Einvernahmen ihren Antrag nicht wahrheitsgemäß begründet habe.

Resümierend sei festzustellen, dass die bP eine entscheidungsrelevante Gefährdung durch die schiitische Miliz nicht glaubhaft machen konnte. Ebenso habe die bP eine sie selbst erlittene oder drohende Verfolgung durch den Clan nicht konkret vorgebracht bzw. am Beginn des Verfahrens auch nicht behauptet.

Die vom BFA vorgenommene und hier zusammengefasste zentrale Beweiswürdigung ist im Wesentlichen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anzunehmen braucht, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten, Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem BFA nicht entgegenzutreten, wenn es das ausreisekausale Vorbringen im Ergebnis als nicht glaubhaft qualifiziert. Die dargelegte Beweiswürdigung des BFA ist hinreichend tragfähig um dieses Ergebnis zu stützten und schließt sich das Bundesverwaltungsgericht dieser an.

Im Übrigen wird die Beweiswürdigung des BFA in der Beschwerde auch nicht substantiiert bekämpft, wie nachfolgende Ausführungen zeigen, weshalb der Bundesverwaltungsgericht nicht veranlasst war das Ermittlungsverfahren zu wiederholen bzw. zu ergänzen (vgl. zB. VwGH 20.1.1993, 92/01/0950; 14.12.1995, 95/19/1046; 30.1.2000, 2000/20/0356; 23.11.2006, 2005/20/0551 ua.).

In der Beschwerde wird im Wesentlichen unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens moniert, dass

* sie einer Verfolgung durch die schiitische Miliz Asaib Ahl al-Haqq ausgesetzt sei

* ihr Ermordung durch den Clan der Mutter drohe, wenn eine Ermordung der Eltern nicht in Betracht komme, um so die mit der Flucht offenbar gewordene Schande durch das ehelose Beisammensein wieder zu beseitigen;

* die Länderberichte sich nicht mit dem konkreten Vorbringen der bP befassen würden, das Bundesamt habe nichts zur Bedrohung durch Milizen und Ehrenmorde erhoben;

* Feststellungen zu interkonfessionellen Eheschließung, der Verfolgung gemischtgläubiger Ehepaare durch Milizen sowie zur Situation von aus dem westlichen Ausland zurückkehrenden Asylantragstellern fehlen würden;

* sich die Behörde nicht hinreichend mit der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Sicherheitskräfte auseinander gesetzt habe.

Die Beweiswürdigung wird insoweit gerügt, als

* diese "unschlüssig" sei;

* das Bundesamt bei Zweifel an der Richtigkeit der Angaben eine Stellungnahme der bP einholen hätte müssen und so das Parteiengehör verletzt habe;

* die Beweiswürdigung deshalb mangelhaft sei als es aus den Länderberichten ersichtlich sei, dass Stammesgewalt ein Faktum im täglichen Leben sei;

* weil sich die Behörde damit begnügt habe, dass es Unterschiede im Vorbringen zweier Einvernahmen der bP gebe und nicht mit den Länderberichten "verknüpfte";

* sich beweiswürdigende Überlegungen nicht nur auf das Vorbringen eines Asylwerbers beschränken dürfen, sondern auch einer Betrachtung der konkreten Lage bedürfen.

In der Beschwerde finden sich im Weiteren Berichte zur gegenständlichen schiitischen Miliz, Schutzfähigkeit, allgemeine Sicherheitslage, Clanwesen, Ehrverbrechen, die sich in Teilen mit der Berichtslage des BFA decken.

Die bP bringt im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde durch die ARGE vor, dass ihr persönlich Ermordung durch den Clan der Mutter drohe, wenn eine Ermordung der Eltern nicht in Betracht komme, um so die mit der Flucht offenbar gewordene Schande durch das ehelose Beisammensein wieder zu beseitigen.

Gemäß § 20 BFA-VG idgF dürfen in Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes maßgeblich geändert hat;

2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;

3. wenn diese dem Fremden bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder

4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

(2) Über die Zulässigkeit des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweise muss nicht entschieden werden, wenn diese für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht maßgeblich sind.

(3) Abs. 1 ist auf Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes auf Grund eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 nicht anzuwenden.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Neuerungsverbot ist dem Anliegen des Gesetzgebers, Missbräuchen vorzubeugen, auch dadurch Rechnung getragen, dass die Ausnahmen vom Neuerungsverbot "auf jene Fälle beschränkt" werden, in denen der Asylwerber "aus Gründen, die nicht als mangelnde Mitwirkung" am Verfahren zu werten sind, "nicht in der Lage war", Tatsachen und Beweismittel bereits beim Bundesamt vorzubringen. Somit bleibt vom Neuerungsverbot ein Vorbringen erfasst, mit dem ein Asylwerber das Verfahren missbräuchlich zu verlängern versucht. (VfGH 15. 10. 2004, G 237/03 ua)

Aus dieser Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist demnach abzuleiten, dass nicht jede Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zu einer Durchbrechung des Neuerungsverbotes führt, sondern nur jene, welche "kausal" dafür ist, dass der Asylwerber "nicht in der Lage war" die erst im Beschwerdeverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen und Beweismittel schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen (vgl. auch VwGH 25.9.2007, 2007/18/0418).

Weder hat die bP in ihrer Beschwerde konkret und substantiiert dargetan, dass sie durch eine Mangelhaftigkeit (Z 2 leg cit) des erstinstanzlichen Verfahrens "nicht in der Lage war", diesen erstmals in der Beschwerde vorgetragenen Sachverhalt schon im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen, noch kann dies aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes amtswegig festgestellt werden.

Weder hat die bP bei ihrer ersten Befragung eine persönliche Verfolgung vor der Ausreise durch den Clan der Mutter behauptet, noch behauptete sie bei der folgenden Einvernahme eine entscheidungsrelevante Gefährdung ihrer Person durch den Clan der Mutter im Falle der Rückkehr. Dies obwohl die bP dort offenbar schon in Kenntnis der Sachlage war.

Dass es - wie auch aus der in der Beschwerde zitierten Berichtslage ersichtlich - Probleme im Rahmen des Clanwesens an sich geben kann und die Ehre auch eine wesentliche Rolle spielen kann, ist unbestritten. Jedoch vermögen diese allgemeinen Berichte über mögliche Problemfelder nicht die individuelle Kenntnis der konkreten Sachlage und Einschätzung der Beteiligten im Einzelfall ersetzen. Die bP hätte jedenfalls im Zuge zweier Einvernahmen genügend Gelegenheit gehabt eine derartige Rückkehrgefährdung zu äußern, wenn sie den Tatsachen entspräche. Dass sich die Sachlage seit der letzten Einvernahme beim Bundesamt und der Beschwerde diesbezüglich relevant geändert hätte, wurde nicht dargelegt.

Der Bundesverwaltungsgericht gelangt daher im Ergebnis zur Ansicht, dass - ohne hier auf die Glaubwürdigkeit dieses neuen Vorbringens einzugehen - eine mangelnde Mitwirkung der bP ursächlich dafür war, dass sie diesen Sachverhalt erst im Beschwerdeverfahren vorbrachte und nicht eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, zumal sie schon im Verfahren vor dem Bundesamt hinlänglich die Möglichkeit hatte diesen Sachverhalt dort vorzutragen.

Auf Grund des Ermittlungsverfahrens ergeben sich keine konkreten Hinweise, dass einer der anderen Ausnahmetatbestände des § 20 leg cit erfüllt wäre. Auch die bP hat diesbezüglich keine aufgezeigt.

Am Boden der zu dieser Bestimmung ergangenen und für deren Auslegung maßgeblichen Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe VfGH 15.10.2004, Zahl G237/03 ua., Punkt III.4.7.4.2.; VwGH 27.09.2005, Zahl 2005/01/0313) ist in diesem Kontext noch zu beurteilen, ob diese späte, erst im Stadium der Beschwerde erfolgte Tatsachenbehauptung von dem Versuch gekennzeichnet ist, das Asylverfahren missbräuchlich zu verlängern. Im Rahmen einer gesamthaften Abwägung gelangt das Bundesverwaltungsgericht angesichts der ob dargelegten Ausführungen zu der Ansicht, dass im Falle der bP das Vorliegen eines Missbrauchs zu bejahen ist.

Soweit die Beschwerde vermeint, die belangte Behörde habe das Parteiengehör verletzt, weil es bei Zweifel an der Richtigkeit der persönlichen Angaben der bP eine Stellungnahme von dieser hätte einholen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Aussagen der bP im Rahmen des behördlichen Ermittlungsverfahrens. Die Behörde ist grds. nicht dazu verhalten den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem § 45 Abs 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangt, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

Die Beschwerde moniert, dass sich die Behörde damit begnüge, dass es Unterschiede im Vorbringen zweier Einvernahmen gebe, sie aber die Aussagen nicht mit den Länderberichten verknüpfe.

Offenbar geht auch die bP selbst davon aus, dass sie im Zuge zweier Einvernahmen unterschiedliche Angaben machte bzw. diese steigerte. Zentrales Beweismittel im Asylverfahren - wie auch hier - sind die Angaben des Antragstellers über die persönlichen Erlebnisse in Bezug auf ihre Ausreisemotivation und die Situation, die sie auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen im Herkunftsstaat erwartet. Das Bundesamt glaubt das ausreisekausale Vorbringen bzw. die diesbezüglich geäußerten Rückkehrbefürchtungen nicht etwa deshalb nicht, weil sie derartige Problemlagen im Irak als nicht existent erachte, sondern geht die Behörde auf Grund des Aussageverhaltens der bP von der Nichtglaubhaftmachung aus. Dass es Berichte gebe, die die behaupteten Vorfällen bzw. die Problemlage der bP oder ihrer Familie konkret darlegen würden, wurde nicht behauptet und auch von ihr nicht vorgelegt.

Soweit auch gerügt wird, dass sich das Bundesamt nicht hinreichend mit der Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit der Sicherheitskräfte auseinander gesetzt habe, so ist dazu anzumerken, dass sich die bP nie an die Polizei wandte und auf Grund des festgestellten Sachverhaltes dies hier auch kein relevantes Beweisthema ist. Dass es im Irak keinerlei Schutzmechanismen gebe, wurde nicht behauptet und könnte auch auf Grund der Berichtslage nicht festgestellt werden.

Zur erstmaligen Äußerung zu den Feststellungen zum Herkunftsstaat in der Beschwerde ist Folgendes anzumerken: ist die Partei der Meinung, dass die Ermittlungen unvollständig oder nicht richtig sind, muss sie - im Rahmen des ihr zu gewährenden Parteiengehörs - konkrete Vorbringen erstatten, was gegen die Ermittlungsergebnisse der Behörde spricht und allenfalls Gegenbeweise vorlegen (zB VwGH 14.12.1995, 95/19/1046). Unterlässt sie die erforderliche Mitwirkung, kann der Behörde aus der Unterlassung weiterer Ermittlungen kein Vorwurf gemacht werden (zB VwGH 20.9.1999, 98/21/0138). So kann die Untätigkeit der Partei im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung -idR zu Lasten der Partei - berücksichtigt werden (zB VwGH 26.2.2002, 2001/11/0220; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 172; Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 Kommentar, mwN auf die Judikatur des VwGH).

Gegenständlich gab die Behörde der bP die Möglichkeit zu den von ihr herangezogenen Berichten auch schriftlich Stellung zu nehmen, was diese jedoch ablehnte. Das Bundesamt hat also diesbezüglich ein ordnungsgemäßes Verfahren geführt.

Resümierend tritt die Beschwerde der hier aufgezeigten, maßgeblichen und schlüssigen Beweiswürdigung des Bundesamtes nicht konkret und substantiiert entgegen.

Ad 1.1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:

Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen die einer Analyse der Staatendokumentation entstammen. Die bP ist diesen - trotz eingeräumter Möglichkeit - im Verfahren vor dem BFA nicht entgegen getreten.

Soweit sie nun erstmals in ihrer Beschwerde zu der vom BFA herangezogenen Länderfeststellung zu ihrem Herkunftsstaat entgegen tritt, ist anzuführen, dass sich in den von ihr zitierten Berichten die von ihr als persönliche (Real)Erlebnisse behaupteten persönlichen Ereignisse (unter konkretem Personenbezug) nicht wiederfinden und somit nicht geeignet sind die diesbezügliche Beweiswürdigung des BFA zu erschüttern.

Dass es derartige Sachlagen in ihrem Herkunftsstaat im Allgemeinen geben kann wird nicht bestritten, jedoch ist es der bP eben nicht gelungen ihre persönliche Betroffenheit bzw. Involvierung glaubhaft zu machen, wie sich näher aus der Beweiswürdigung des Bundesamtes zum Vorbringen ergibt.

Weder aus der Berichtslage des BFA noch aus den in der Beschwerde angeführten Berichten lässt sich, vor allem unter zentraler Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse, die Prognose stellen, dass die bP, ein in Bagdad aufgewachsener arabischer Schiit, der dort noch über Verwandte verfügt, im Falle einer Rückkehr eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder eine über die bloße Möglichkeit hinausgehende reale Gefährdung für hier maßgebliche Rechtsgüter zu gegenwärtigen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung

Im gegenständlichen Fall handelt es sich nicht um ein Familienverfahren mit ihren in Österreich ebenfalls asylwerbenden Eltern und den mj, Geschwistern, da die bP zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2015 bereits volljährig war.

Zu Spruchpunkt I.

Nichtzuerkennung des Status als Asylberechtigter

1. § 3 AsylG

(1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist eine Person, die aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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