TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/4 G307 2183746-1

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Veröffentlicht am 04.07.2018
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Entscheidungsdatum

04.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1

Spruch

G307 2183746-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH in 1030 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2017, Zahl XXXX zu Rechts erkannt:

A) Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des

bekämpften Bescheides stattgegeben und dieser dahingehend gemäß § 27 iVm § 28 Abs. 1 VwGVG a u f g e h o b e n . Hinsichtlich Spruchpunkt I. des Bescheides wird die Beschwerde als unbegründet a b g e w i e s e n .

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme (VEB) vom 25.10.2017 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA, RD Wien) den Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) auf, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung wie eines Einreiseverbotes Stellung zu nehmen, seine Integrationsschritte wie persönlichen Verhältnisse bekannt zu geben.

2. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 18.12.2017, dem BF persönlich zugestellt am 22.12.2017, wurde diesem ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen ihn gemäß §§ 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit 03.01.2018 datierte und am 15.01.2018 beim BFA, RD Wien durch den im Spruch angeführten Rechtsvertreter (im Folgenden RV) eingebrachte Beschwerde. Darin wurde beantragt, gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen, gemäß Art 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden und den bekämpften Bescheid vollinhaltlich zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss zu aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA am 18.01.2018 vorgelegt und langten beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 22.01.2018 ein.

5. Mit Schreiben vom 21.06.2018, beim BVwG eingelangt am 27.06.2018, übermittelte der RV des BF dem erkennenden Gericht eine Kopie der dem BF von den slowakischen Behörden am XXXX.2018 ausgestellten und bis zum XXXX.2020 gültigen Aufenthaltsberechtigung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität, ist Staatsbürger Serbiens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Der Lebensmittelpunkt des BF liegt in Serbien. Der BF ist verwitwet und hat zwei Kinder im Alter von 13 und 18 Jahren. Der BF ist seit 03.01.2018 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in jüngster Vergangenheit aus dem Bundesgebiet ausgereist ist.

1.2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 16.08.2012, Zahl XXXX wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, welches in erster Instanz in Rechtskraft erwuchs. Anlass hiefür waren die Begehung einer Fälschung besonders geschützter Beweismittel wie eine mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung. Am XXXX.2012 reiste der BF unter Gewährung von Rückkehrhilfe freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Dem am 18.06.2015 gestellten Antrag auf Aufhebung des soeben genannten Einreiseverbotes wurde mit Bescheid des BFA, RD Wien vom 03.09.2015 stattgegeben.

1.3. Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX (im Folgenden: LG XXXX) zu Zahl XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2016 wegen Fälschung besonders geschützter Beweismittel und mittelbarer unrichtiger Beurkundung oder Beglaubigung gemäß §§ 228 Abs. 1, 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer dreimonatigen bedingten Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.4. Am 07.07.2017 erstattete die Abteilung für Fremdenpolizei und Anhaltevollzug der Landespolizeidirektion XXXX (im Folgenden: AFA LPD XXXX) an die Staatsanwaltschaft XXXX (StA XXXX) gegen den BF Anzeige gemäß § 117 Abs. 1 FPG wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe.

1.5. Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX (BG XXXX) vom XXXX.2017, Zahl XXXX wurde der BF von der gegen ihn erhobenen Anklage freigesprochen.

1.6. Der BF war zwischen 13.08.2012 und 02.01.2018 insgesamt 9 Mal gemeldet. Seit 15.10.2015 hielt sich der BF innerhalb einer Zeitspanne von 180 Tagen niemals länger als 90 Tage durchgehend im Bundesgebiet auf.

1.7. Der BF ging zuletzt zwischen 02.05.2011 und 20.08.2012 einer Tätigkeit als Bauarbeiter bei der XXXX nach. Seit dem war er im Bundesgebiet nicht mehr legal beschäftigt.

1.8. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.9. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an irgendwelchen Krankheiten leidet oder arbeitsunfähig ist. Er verfügt und über kein Vermögen oder Einkommen.

1.10. Der BF ging die Ehe mit XXXX, geb. am XXXX, ursprünglich ein, um Zugang zum Arbeitsmarkt zu erlangen. Er kannte seine - mittlerweile verstorbene - Frau jedoch seit frühester Kindheit, lebte mit ihr in Österreich - wenn auch nur für kurze Zeit - zusammen und pflegte diese bis zu ihrem Tod. Es ist somit während dieser Zeit vom Bestand eines Familienlebens gemäß Art 8 EMRK auszugehen. Zwischen dem Sohn der Verstorbenen und dem BF gab und gibt es eine einem Vater-Sohn-Verhältnis entsprechende Beziehung, bis Anfang Jänner 2018 bestand eine Wohngemeinschaft zwischen den beiden.

1.11. Mit Bescheid der XXXX vom 09.08.2017 wurde der Antrag des BF vom 21.04.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltszweckes für den Zweck "Familienangehöriger" gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 iVm § 47 Abs. 2 NAG abgewiesen, weil dieser die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht erfülle. Der ursprüngliche gültige Aufenthaltstitel der XXXX war vom 24.06.2011 bis 24.09.2017 gültig.

1.12. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF - abgesehen von seinem Stiefsohn -über soziale Kontakte oder verwandtschaftliche Bindungen im Bundesgebiet verfügt.

1.13. Der BF ist seit XXXX.2018 im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung für die Slowakei.

1.14. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Serbien einer Gefahr nach Art 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Familienstand, Bestand zweier Kinder, Lebensmittelpunkt im Heimatstaat und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf der Beschuldigtenvernehmung der AFA LPD XXXX vom 07.07.2017, dem aus diesem Anlass angefertigten Personalblatt und dem Inhalt des den BF betreffenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR).

Der BF brachte zum Beweis seiner Identität einen auf seinen Namen ausgestellten serbischen Reisepass in Vorlage, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind. Ferner ergeben sich aus dem Personalblatt des BF, dass dieser über kein Einkommen oder Vermögen verfügt.

Die bisherigen Meldungen im Bundesgebiet folgen dem Inhalt des auf ihn lautenden ZMR-Auszuges. Daraus ergibt sich auch, dass der BF seit dem Jahr 2015 nie länger als 90 Tage innerhalb eines Beobachtungszeitraums von 180 Tagen im Bundesgebiet aufhältig war.

Die freiwillige Ausreise des BF am XXXX.2012 folgt der Ausreisebestätigung der IOM vom XXXX.2012. Der BF ist zwar laut dem Inhalt des auf ihn lautenden Auszuges aus dem ZMR am 02.01.2018 abgemeldet worden und findet sich darauf der Vermerk "Verzogen nach:

Serbien". Einen Beweis hiefür (etwa eine Bestätigung der österreichischen Botschaft in Serbien) liefert der BF bis dato nicht.

Die zuletzt ausgeübte legale Beschäftigung im Bundesgebiet ergibt sich aus dem Inhalt des den BF betreffenden Sozialversicherungsdatenauszuges. Gleiches gilt für die seitdem bestehende Beschäftigungslosigkeit.

In Ermangelung der Vorlage eines Sprachzertifikates oder Vorliegens sonstiger Anhaltspunkte konnten keine Kenntnisse der deutschen Sprache eines bestimmten Niveaus festgestellt werden. Auch der BF selbst lieferte keine Hinweise auf deren Vorhandensein.

Bindungen zu in Österreich wohnhaften Personen, abgesehen von seinem Stiefsohn, oder sonstige soziale Kontakte hat der BF - nach dem Tod seiner Frau - nicht ins Treffen geführt.

Anhaltspunkte für dem Bestand von Krankheiten oder eine Arbeitsunfähigkeit fanden sich gegenständlich nicht.

Die gegen den BF gesetzten fremdenrechtlichen Sanktionen wie Schritte (Einreiseverbot, Aufhebung) sind aus dem Auszug des Zentralen Fremdenregisters ersichtlich und decken sich mit dem vorliegenden Akteninhalt.

Das gegen den BF geführte Verfahren nach § 117 Abs. 1 FPG sowie der diesbezügliche Verfahrensausgang mit Freispruch ergeben sich aus der Anzeige der AFA an die StA XXXX und dem oben zitierten Urteil des BG XXXX vom XXXX.2017.

Die Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ist dem im Akt befindlichen Bescheid der XXXX, Zahl XXXX zu entnehmen.

Der tatsächliche Bestand eines Familienlebens mit seiner verstorbenen Frau, die frühere Liebesbeziehung zu dieser sowie deren Pflege bis zum Tod ergibt sich aus dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls des BG XXXX vom XXXX.2017, und den damit einhergehenden Angaben in der Beschwerde. Aus dem erwähnten Protokoll folgt auch die vaterähnliche Beziehung zum Sohn der verstorbenen Frau, XXXX.

Die Verurteilung des BF durch das LG für Strafsachen XXXX folgt der im Akt einliegenden Urteilsausfertigung wie dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die für die Slowakei geltende Aufenthaltsberechtigung ist der Vorlage einer diesbezüglichen Kopie des Aufenthaltstitels zu entnehmen.

2.3. Zum Beschwerdevorbringen:

Der Beschwerde ist vor dem Hintergrund der soeben dargelegten Entscheidungsgründe dahingehend Recht zu geben, dass der BF mit XXXX sehr wohl - bis zu deren Tod - eine Beziehung führte. Anhaltspunkte für die Schließung der Ehe ausschließlich zu Erwerbszwecken fanden sich vorliegend nicht.

Wie noch in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird, konnte vorliegend nicht vom Bestand einer Aufenthaltsehe zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides ausgegangen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, so ist gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück FPG zu verbinden.

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 hat das BFA über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

In Ermangelung eines Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet erübrigte sich zum aktuellen Zeitpunkt eine amtswegige Prüfung der Voraussetzungen für das Vorhandensein eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG. Unabhängig davon, finden sich jedoch auch zum aktuellen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte für die Gewährung eines solchen, weil der BF nicht mehr an der angestammten Adresse wohnhaft ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA VG lautet wie folgt:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Staatsangehörige der Republik Serbien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art 1 Abs 2 iVm Anlage II Visumpflichtverordnung (Verordnung [EG] Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, idgF) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Der BF kann unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e Schengener Grenzkodex (Verordnung [EU] 2016/399 ABl. Nr. L 77 vom 9.3.2016 idgF) in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 Schengener Durchführungsübereinkommen unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e leg cit. frei bewegen.

Gemäß § 31 Abs 1 Z 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist der Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs 1a FPG nicht rechtmäßig.

Der (jüngste) vom BF bei der XXXX gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstbewilligung Familienangehöriger vom 21.04.2017 wurde mit Bescheid derselben Behörde, Zahl XXXX am 11.08.2017 abgewiesen. Bis zum 24.09.2017 hielt sich der BF jedenfalls rechtmäßig im Bundesgebiet auf, trat der ursprünglich gültige Aufenthaltstitel des BF vom 24.06.2011 erst an diesem Tag außer Kraft. Er war zwar bis zum 02.01.2018 im Bundesgebiet gemeldet, Anhaltspunkte dafür, dass er sich seit Ablauf der 90 Tage-Frist am 28.12.2017 entgegen Art 1 Abs 2 iVm Anlage II Visumpflichtverordnung aufgehalten habe, fanden sich gegenständlich nicht. Auch der Tag, an welchem der BF zu seiner Hauptverhandlung am XXXX.2017 beim BG XXXX erschien, lag noch innerhalb der 90-Tage-Frist.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Wie oben erwähnt, hat der BF in den letzten 3 Jahren (nach Aufhebung seines Einreiseverbotes) die im Schengener Grenzkodex normierten Fristen eingehalten. Im Übrigen lieferte das Bundesamt zur Rückkehrentscheidung keinerlei Begründung, sondern hielt auf Seite 11 des Bescheides lediglich fest, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorlägen. Schließlich besaß der BF innerhalb der oberwähnten Zeitspanne von 2011 bis 2017 eine Aufenthaltsberechtigung der XXXX. Insgesamt fanden sich somit keine Hinweise auf einen Sachverhalt, der die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung gerechtfertigt hätte und war der Beschwerde daher dahingehend stattzugeben.

3.2.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

• die Bindungen zum Heimatstaat,

• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

3.2.3. Der BF hielt sich bis Anfang Jänner 2018 in der Wohnung seines Stiefsohnes auf und wohnte mit diesem im gemeinsamen Haushalt. Vom Willen der Aufrechterhaltung eines allenfalls vorhandenen Familien- oder Privatlebens kann weder dahingehend noch deshalb gesprochen werden, weil der BF - dem Inhalt der Beschwerde zufolge - in der Slowakei eine Aufenthaltsberechtigung erlangt hat. Die Frage einer Beurteilung der Fortführung eines Privat- oder Familienlebens in Österreich stellt sich daher gar nicht, zumal auch dem Rechtsmittel keine Einwände in diese Richtung zu entnehmen sind.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Erklärung einer dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung iSd § 9 BFA-VG, war gegenständlich gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 kein amtswegiger Abspruch über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vorzunehmen.

3.2.4. Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte

§ 57 AsylG lautet:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

Auch Anhaltspunkte für das Vorliegen von den in § 57 AsylG normierten Voraussetzungen fanden sich vorliegend nicht.

3.2.5. Da die Bestimmung des § 52 Abs. 9 FPG schon dem Wortlaut nach untrennbar mit der (Zulässigkeit) der Rückkehrentscheidung verbunden ist (Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist > § 52 Abs. 9 1. Satz FPG) war auch der Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG aufzuheben.

3.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

3.3.1.Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

5. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

7. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht."

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war der Beschwerde gegen das erlassene Einreiseverbot stattzugeben. Dies aus folgenden Erwägungen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 31.08.2017, Zahl Ra 2017/21/007 unter anderem erwogen:

Im Verfahren betreffend Einreiseverbot aufgrund einer "Aufenthaltsehe" ist die Behörde nicht verpflichtet, das Verfahren bis zur Nichtigerklärung der Ehe wegen "Scheinehe" von Amts wegen zu unterbrechen (vgl. E 13. September 2012, 2011/23/0544).

In einem weiteren Erkenntnis vom 23.03.2017, Zahl Ra 2016/21/0349 hob der VwGH hervor, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FrPolG 2005 vorlägen, wenn ein Fremder - im Sinn des Tatbestands des § 53 Abs. 2 Z 8 FrPolG 2005 - eine Aufenthaltsehe geschlossen, also mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 MRK nicht geführt und sich trotzdem (ua) für den Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen hat (vgl. E 21. Februar 2013, 2011/23/0647; E 12. März 2013, 2012/18/0228; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005). In diesem Fall beträgt die Höchstdauer eines Aufenthaltsverbotes - abweichend von § 67 Abs. 2 FrPolG 2005 - allerdings nicht zehn, sondern nur fünf Jahre (vgl. E 30. September 2014, 2013/22/0280).

Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FrPolG 2005 kommt es - wie schon im Blick auf § 36 Abs. 2 Z 9 FrG 1997 (Hinweis E 8. November 2001, 2000/21/0030) - darauf an, dass eine Scheinehe bzw. Aufenthaltsehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen wurde. So führen auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FrPolG 2005 (952 BlgNR 22. GP 99) aus, dass dieses Aufenthaltsverbot Fremde betrifft, "die eine Ehe nur deshalb abgeschlossen haben, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese zu berufen, ohne ein Eheleben zu führen". In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass ein Familienleben die Eheschließung nicht voraussetzt. Zum anderen hindert dies aber nicht die Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 9 FrPolG 2005. Diese Norm verwendet zwar die Formulierung

"ein gemeinsames Familienleben ... nie geführt hat". Die

Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen dazu jedoch aus: "Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen Fremde, die eine Ehe nur deshalb abgeschlossen haben, um sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf diese zu berufen, ohne ein Eheleben zu führen (Abs. 2 Z 9) wird dahingehend geändert, dass dies nun auch ohne Leistung des zumindest nur schwer nachweisbaren Vermögensvorteils durch den Fremden möglich ist." Dem Gesetz liegt somit nicht die Intention zu Grunde, dass ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfte, wenn der Fremde zu irgendeinem (früheren) Zeitpunkt mit dem (späteren) Partner ein Familienleben geführt hat. Auch § 30 Abs. 1 NAG 2005 stellt bloß auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtführen eines Familienlebens und dem Berufen auf ein nicht geführtes Familienleben ab. Ein vor der Eheschließung geführtes Familienleben hindert somit nicht die Erfüllung des genannten Tatbestandes (VwGH 27.03.2007, 2006/21/0391).

Schließlich ist auf das Erkenntnis des VwGH vom 02.08.2016, Zahl Ra 2016/20/0152 zu verweisen, wonach der Rechtsprechung des EGMR zufolge es jeweils von den konkreten Umständen abhängt, ob außerhalb des Bereiches des insbesondere zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens iSd Art. 8 MRK ein Familienleben vorliegt, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (vgl. E 26. Jänner 2006, 2002/20/0423). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 MRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. E 21. April 2011, 2011/01/0093).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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