TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/5 L504 2110401-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.07.2018

Norm

AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L504 2110401-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXXStA. Türkei, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2015, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.06.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 58 Abs. 10

AsylG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch zu lauten hat: "Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK vom 24.04.2014 wird gemäß § 55 Asylgesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, iVm § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen"

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

1. Die beschwerdeführende Partei [bP] beantragte am 23.04.2014 gem. § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16.06.2015, Zl. XXXX gem. § 55 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG zurückgewiesen.

Das BFA führte dabei im Wesentlichen aus, dass gegen die bP ein seit 23.04.2014 rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestehe, weswegen sich auch die Verbindung der Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung erübrige. Obgleich § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG als absoluten Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 2 oder 3 FPG anführe, könne kein Zweifel daran bestehen, dass diese Rechtsfolge auch mit dem Bestehen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes verknüpft sein müsse.

2. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

3. Am 05.06.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters eine mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat zentral durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Die Identität steht fest. Die bP ist geschieden und hat 5 Kinder, die allesamt in Österreich leben.

Die bP hält sich seit Mitte 1989 in Österreich auf und verfügte seit 1990 über Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet.

Insgesamt wurde sie in Österreich seit Ende 1990 neunmal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt und wurde zuletzt Anfang 2016 aus der Strafhaft entlassen.

Mit Bescheid der BPD Wien vom 13.07.2012 wurde gegen die bP ein auf 10 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Diese Entscheidung wurde mit Bescheid des UVS Wien vom 03.04.2013 (rechtskräftig 14.05.2013) bestätigt.

Darin wird insbesondere zur Zulässigkeit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf Art. 8 EMRK Folgendes ausgeführt:

"Der Berufungswerber befindet sich seit 1989 im österreichischen Bundesgebiet und verfügte seit Dezember 1990 durchgehend über Aufenthaltstitel. Er hat auch während nahezu seines gesamten Aufenthaltes dem Arbeitsmarkt angehört und ist auch den Großteil der Zeit einer legalen Beschäftigung nachgegangen. Er hat von 1992 bis 2008 in Lebensgemeinschaft mit seiner Lebensgefährtin und bisherigen Ehefrau gelebt. Diese hat sich bereits 2008 von ihm getrennt und ist die Ehe seit Juli 2009 geschieden. Die Gattin besitzt seit 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Berufungswerber hat weiters 5 Kinder, von denen 4 noch minderjährig sind. Diese besitzen die österreichische Staatsangehörigkeit. Die Kinder leben seit Juli bzw. September 2007 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Berufungswerber, sondern mussten vom Jugendamt in einer Wohngemeinschaft untergebracht werden. Seither hatte der Berufungswerber bis zu seiner Festnahme am 6.1.2011 einmal im Monat persönlichen Kontakt mit den Kindern, häufigere Besuche waren nicht vorgesehen und fanden auch nicht statt. In Haft wurde er von seinen Kindern bis Dezember 2012 2 Mal besucht. In Österreich lebt weiters eine der Schwestern des Berufungswerbers mit ihrer Familie und hat der Berufungswerber mit diesen Personen Kontakt, ein Zusammenleben ist jedoch seit 1989 nicht erfolgt. Die restlichen Schwestern des Berufungswerbers und seine Eltern leben in der Türkei.

Der Berufungswerber ist trotz des langen Aufenthaltes in Österreich der deutschen Sprache noch immer nicht ausreichend mächtig, um einer Verhandlung zu folgen oder eine Einvernahme durchzuführen.

Das Aufenthaltsverbot stellt somit insgesamt zwar einen erheblichen Eingriff in die gemäß Art. 8 EMRK geschützten Rechte und Interessen des Berufungswerbers und seiner Kinder dar, dieser Eingriff ist jedoch auch im Sinne des Art. 8 EMRK verhältnismäßig und zulässig, da die durch das Verhalten des Berufungswerbers gefährdeten sehr hoch zu bewertenden öffentlichen Interessen am Schutz der Gesellschaft vor Drohungen und Gewalttaten gegen die körperliche Unversehrtheit anderer diesen Interessen des Berufungswerbers und seiner Kinder zumindest gleichwertig sind. Der durch das Aufenthaltsverbot bewirkte Eingriff in die genannten Interessen des Berufungswerbers und seiner Kinder ist daher im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen. Auch ist dem Berufungswerber die Aufrechterhaltung eines Minimums an Kontakt zu seinen Kindern auch vom Ausland aus zumindest auf telefonischem und schriftlichem Wege bzw. unter Verwendung elektronischer Medien durchaus möglich und zumutbar.

Auch der Wegfall des - für 5 Kinder zusammen in Höhe von 400,-- Euro monatlich keinesfalls den Unterhalt abdeckenden - Unterhaltsbeitrages des Berufungswerbers, gefährdet das Wohl der Kinder, deren sonstiger Unterhalt ohnedies aus öffentlichen Mitteln gedeckt wird, nicht wesentlich. Auch die Ausübung des Kernbestandes der Unionsbürgerrechte wird den Kindern, die seit 2007 nicht mehr mit dem Berufungswerber im gemeinsamen Haushalt leben, dadurch in keiner Weise gleichsam unmöglich gemacht.

Der Berufungswerber ist der türkischen Sprache mächtig, hat seine Schulbildung in der Türkei erhalten, dort vor 1989 seinen Lebensunterhalt verdient und leben dort seine Eltern und 4 seiner Schwestern mit Familien. Selbst wenn derzeit zu diesen kein Kontakt besteht, ist es dem Berufungswerber möglich und zumutbar - gegebenenfalls unter Vermittlung seiner in Wien lebenden Schwester - den Kontakt zu den Eltern und weiteren Schwestern wieder aufzunehmen, um von diesen anfangs Hilfestellung bei der Unterkunft und der Lebenserhaltung sowie Erlangung einer Beschäftigung zu bekommen.

In Gesamtbetrachtung ist daher trotz eines Eingriffes in sein Privat- und Familienleben nicht rechtswidrig, wenn in Hinblick auf die Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft die erstinstanzliche Behörde ein Aufenthaltsverbot auch unter Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Fremden aus dem im Art. 8 Abs. 2 EMKR umschriebenen öffentlichen Interessen als dringend geboten erachtet.

Es liegt daher kein Überwiegen der privaten, beruflichen und familiären Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet vor".

2. Beweiswürdigung

Der relevante Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage unstrittig fest.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Gemäß § 27 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz) hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

(1.) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

(2.) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2.

§ 58 Abs. 10 AsylG bestimmt Folgendes:

"Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt".

Das BFA begründete seine Entscheidung im vorliegenden Fall wie folgt:

"Obgleich § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG als absoluten Versagungsgrund für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nur eine aufrechte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gem. § 53 Abs. 2 oder 3 FPG anführt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Rechtsfolge auch mit dem Bestehen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes verknüpft sein muss".

In der Regierungsvorlage zum Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (RV 1803 XXIV. GP) wird in den erläuternden Bemerkungen zu § 58 AsylG Folgendes ausgeführt:

"Der neue Abs. 4 (Anm. gemeint wohl Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. [...] Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht".

Zum Wesen eines Aufenthaltsverbotes sind folgende Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes hervorzuheben:

VwGH 19.05.2011, 2008/21/0042

"Nach den Erläuterungen [...] ist ein Aufenthaltsverbot ‚eine Ausweisung mit einem korrespondierenden Rückkehrverbot nach Österreich' (952 BlgNR 22. GP 100). Auch damit ist jedenfalls klargestellt, dass ein Aufenthaltsverbot aus einer Ausreiseverpflichtung und der Verpflichtung, innerhalb des festgelegten Zeitraums (oder auf Dauer) nicht zurückzukehren, besteht (vgl. VwGH 20.12.2007, 2004/21/0328). Ein Rückkehrverbot ist demnach Teil eines Aufenthaltsverbotes [...]".

VwGH 14.03.2013, 2012/22/0185

"Betrachtet man aber die [...] Tatbestände "Aufenthaltsverbot" und Rückkehrverbot", so fällt auf, dass es sich dabei um Rechtsinstitute handelt, die ein Verbot der (Wieder-)Einreise in sich tragen [...]".

Ein weiteres Kriterium für eine Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG ist, dass im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderten Sachverhaltes im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird. Gleiches gilt für das Stellen eines Folgeantrages. Auch in diesem Fall ist der Antrag zurückzuweisen, wenn keine neuen Tatsachen, die zu einer inhaltlichen Neubewertung führen würden, vorgebracht werden. Dem Bundesamt bereits bekannte Tatsachen bzw. eine Wiederholung dieser, sind nicht geeignet einen neuen Antrag zu begründen.

Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG (Anm. Vorgängerbestimmung zu § 58 Abs. 10 AsylG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhalts als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann maßgebliche Sachverhaltsänderungen im Sinne des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG vorliegen, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Bei dieser Prognose sind hier die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände jedenfalls soweit einzubeziehen, als zu beurteilen ist, ob es angesichts dieser Umstände nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann, dass im Blick auf früher maßgebliche Erwägungen eine andere Beurteilung nach Art. 8 EMRK unter Bedachtnahme auf den gesamten vorliegenden Sachverhalt nunmehr geboten sein könnte. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK muss sich zumindest als möglich darstellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2013, 2012/22/0068).

Im Grunde des § 44b Abs. 1 letzter Halbsatz NAG haben nach der Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung eingetretene Umstände keinen Einfluss auf die Beurteilung, ob die auf § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gegründete Antragszurückweisung von der Erstbehörde zu Recht vorgenommen wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 2011, 2011/22/0110) (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 58 AsylG E8).

Gegenständlich ist somit zu prüfen, ob zwischen der rechtskräftigen Entscheidung des UVS über das Ausreiseverbot (03.04.2013, rk 14.05.2013) und der Entscheidung des BFA über die Zurückweisung des Antrages der bP nach § 55 AsylG eine wesentliche Änderung in Bezug auf das Privat- und Familienleben der bP in Österreich eingetreten ist.

Zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlichen Bescheides des BFA befand sich die bP seit 2011, somit auch bereits zum Zeitpunkt der (rechtskräftigen) Entscheidung über das Aufenthaltsverbot, in Strafhaft. Weder beim BFA, noch in der gegenständlichen Beschwerde wurden von ihr Umstände geltend gemacht, aufgrund derer von einer solchen, erforderlichen maßgeblichen Änderung in Bezug auf ihr Privat- und Familienleben in Österreich auszugehen wäre. Eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK stellt sich somit nicht als möglich dar.

Demzufolge ist in einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass das BFA den Antrag der bP auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG aufgrund des Vorliegens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes zurecht zurückgewiesen hat.

3.3. Sofern in der Beschwerde auf die besondere Rechtstellung der bP aufgrund des Assoziationsabkommens hingewiesen wird, ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des VwGH bzw. EUGH der Antragsteller seine Rechtstellung aus dem Assoziationsabkommen mit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verloren hat:

VwGH 26.04.2006, 2004/08/0103

"Eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen setzt demnach das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechtes voraus (vgl. das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. November 1998 in der Rechtssache "Birden", C-1/97).

[...]

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften verlangt also eine rechtlich stabile Stellung des Arbeitnehmers in aufenthaltsrechtlicher und beschäftigungsrechtlicher Hinsicht, die nur dann gegeben ist, wenn der Aufenthalt sowie die Beschäftigung des türkischen Staatsangehörigen während des in Frage stehenden Zeitraumes nicht streitig gemacht werden können (vgl. Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei (Aufenthalt und Beschäftigung von türkischen Staatsangehörigen in Österreich), 2005, S 60f).

Der Beschwerdeführer kann sich daher nur dann auf die ihm durch

Artikel 6 Absatz 1 verliehenen Rechte berufen, wenn seine aufenthaltsrechtliche und seine beschäftigungsrechtliche Stellung als ordnungsgemäß im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden können.

[...]

Vor diesem Hintergrund kann im Lichte der zitierten Rechtsprechung des EuGH - auch im Hinblick auf das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot - keine Rede davon sein, dass er eine gesicherte Position auf dem regulären österreichischen Arbeitsmarkt inne hat. Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der belangten Behörde seit dem Widerrufsbescheid vom 30. November 1995 weder über einen Befreiungsschein noch über eine Arbeitserlaubnis verfügte, konnte er sich zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Arbeitslosengeld am 3. Dezember 2003 nicht (mehr) darauf berufen, dem regulären Arbeitsmarkt anzugehören. Er kann sich daher nicht auf die in Artikel 6 Absatz 1 vorgesehenen Rechte berufen.

Sind die für den Beschwerdeführer im Vergleich zu den für andere Fremde geltenden beschäftigungs- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen günstigeren Normen des Artikel 6 Absatz 1 des Beschlusses Nr. 1/80 auf ihn nicht anzuwenden, unterliegt der Beschwerdeführer der für andere Fremde geltenden Rechtslage".

Der Einwand in der Beschwerde vermag daher nichts an der gegenständlichen Entscheidung zu ändern.

3.4. Das BFA hat seiner Entscheidung die Bestimmung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG zugrunde gelegt. Diesbezüglich ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG einschränkend auszulegen ist und sich diese Bestimmung daher nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG beziehen kann. Auszugehen ist im gegenständlichen Fall von § 58 Abs. 10 erster Satz AsylG, wonach Anträge gem. § 55 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sind, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und eine maßgebliche Änderung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben nicht hervorgekommen ist (vgl. VwGH, 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

Sohin war der Spruch des bekämpften Bescheides spruchgemäß mit der getroffenen Maßgabe zu berichtigen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Antragsbegehren, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK,
Aufenthaltsverbot, aufrechte Rückkehrentscheidung, mangelnde
Deutschkenntnisse, mangelnder Anknüpfungspunkt, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2110401.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten