TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/9 W177 2126867-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.07.2018
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Entscheidungsdatum

09.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W177 2126867-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 03.05.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.04.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs 2 Z 2, Abs 9, § 55 Abs 1, 2 und 3 FPG mit der Maßgabe abgewiesen, dass der erste Satz von Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides zu lauten hat:

"Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 02.11.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 03.11.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, dass er wegen seines schiitischen Glaubens von den Taliban entführt und geschlagen worden sei. Diese hätten ihn umbringen wollen.

I.2. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 25.04.2016 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass er zwei Mal auf dem Weg zur Arbeit wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit und seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam von den Taliban angehalten worden sei. Einmal seien alle Hazara aus dem Bus entführt, geschlagen und wieder frei gelassen worden. Das andere Mal hätten ihn die Taliban gehen lassen und nur seine beiden Begleiter mitgenommen.

I.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.05.2016, durch Hinterlegung zugestellt am 10.05.2016, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs, 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 04.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Rechtsberatungsorganisation zur Seite gestellt.

I.5. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2016 richtet sich die am 17.05.2016 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde.

I.6. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 20.04.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

I.7. Am 07.05.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

I.7. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Bestätigung über Gemeinnützige Arbeit vom 18.04.2018 samt Aufstellung über abgeleistete Stunden

* Kursteilnahmebestätigung für einen Deutschkurs für das Sprachniveau A1 vom 19.04.2018

* Teilnahmebestätigung des ÖIF für einen Werte- und Orientierungskurs am 29.11.2017

* Teilnahmebestätigung für eine Live-Übertragung einer Veranstaltung vom 24.09.2017

* VOR-Monatskarten für die Monate August und September 2017

* Fünf Empfehlungsschreiben

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Eltern des Beschwerdeführers stammen aus der Provinz Daikundi. Der Beschwerdeführer wurde im Iran geboren und kehrte mit seinen Eltern nach der Regierungsübernahme durch Karzai nach Afghanistan zurück und lebte in der Folge in der Provinz Herat, Distrikt Injil, in einem Dorf im Ballungsraum Herat.

Der Beschwerdeführer hat drei Jahre im Iran und drei Jahre in Afghanistan die Grundschule besucht und arbeitete neun Jahre lang immer wieder einige Monate als Hilfsarbeiter auf Baustellen im Iran, kehrt aber regelmäßig wieder nach Afghanistan zurück.

Die Eltern des Beschwerdeführers, seine drei Schwestern und seine beiden Brüder leben seit etwa einem Jahr im Iran. Zu ihnen besteht regelmäßiger Kontakt.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 02.11.2015 illegal ins Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. In Österreich und auch sonst in Europa hat der Beschwerdeführer keine Verwandten. Er hat einige Bekanntschaften geknüpft und leistet regelmäßig gemeinnützige Arbeit. Er kann sich auf Deutsch einfach verständigen. Der Beschwerdeführer hat an einem Deutschkurs Niveau A1 und an einem Wert- und Orientierungskurs teilgenommen. Ansonsten hat er im Bundesgebiet keine Ausbildungs- und Bildungsangebote wahrgenommen. Er ist nicht erwerbstätig.

II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Dass der Beschwerdeführer von den Taliban aus einem Bus entführt, zu ihrem Stützpunkt gebracht und geschlagen und dann wieder freigelassen worden ist, kann nicht festgestellt werden. Auch dass ein Taxi, in dem der Beschwerdeführer mitfuhr, angehalten worden ist und seine beiden Begleiter und der Taxifahrer von den Taliban mitgenommen worden sind, kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie als Angehöriger der schiitischen Muslime Verfolgung droht.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich eine "westliche Lebensausrichtung" zu eigene gemacht hätte und ihm aufgrund dieser "westlichen Orientierung" im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan psychische oder physische Gewalt droht.

II.1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Sicherheitslage in der Provinz Herat erweist sich den vorliegenden Informationen zufolge als relativ friedlich. In abgelegenen Distrikten sind allerdings Aufständische aktiv und es werden militärische Operationen durchgeführt, um Gegenden von Aufständischen zu befreien.

Die Stadt Herat ist Provinzhauptstadt und gilt, wie auch der sie umgebende Distrikt Injil, als relativ ruhig. Insbesondere wurde die Stadt Herat als einer der sichersten Orte Afghanistans angesehen. Die Stadt Herat ist über ihren Internationalen Flughafen gut und sicher erreichbar und befindet sich mitsamt dem sie umgebenden Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers unter der Kontrolle der afghanischen Regierung.

Ausgehend von der Prämisse einer Rückführung des Beschwerdeführers in das Dorf, in dem er in Afghanistan zuletzt mehrere Jahre gelebt hat, kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer eine reale Gefahr droht, einem tödlichen Übergriff oder der Folter, der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe durch den afghanischen Staat oder Dritter ausgesetzt zu sein. Auch, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Lebensgrundlage vorfinden würde bzw. nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz zu decken, kann nicht festgestellt werden.

IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

Die Möglichkeit von Geldtransfers aus dem Ausland nach Afghanistan besteht.

II.2. Beweiswürdigung:

II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der Diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstiger Bescheinigungsmittel konnte die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Den Umzug seiner Familie von Herat in den Iran hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig dargelegt.

Das Einreisedatum ergibt sich aus dem Datum der Antragstellung. Die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich werden auch von den vorgelegten Integrationsunterlagen belegt. Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen beruht auf dem Eindruck, den das Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung gewinnen konnte.

II.2.3. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, er sei einmal von den Taliban entführt und ein weiteres Mal angehalten worden, sprach bereits das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Glaubhaftigkeit ab. Dieser Einschätzung ist aus nachstehenden Gründen durch das Bundesverwaltungsgericht zu folgen:

Zwar ergibt sich aus den Länderberichten, dass sich Vorfälle wie die vom Beschwerdeführer geschilderten in Afghanistan tatsächlich ereignen können (siehe Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018, S. 173). Allein daraus kann allerdings noch nicht darauf geschlossen werden, dass das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft ist.

Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass der Beschwerdeführer die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert, und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt. Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH vom 11.11.1991, 91/12/0143, VwGH vom 13.04.1988, 86/01/0268). Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH vom 26.06.1997, 95/18/1291, VwGH vom 17.07.1997, 97/18/0336, VwGH vom 05.04.1995, 93/180289).

Zutreffend führt die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer von sich aus keine Einzelheiten zum vermeintlich fluchtauslösenden Vorfall schilderte und Details erst auf Nachfrage zu Ungereimtheiten seiner Erzählung ins Treffen führte. Insbesondere gab der Beschwerdeführer zunächst an, die Fahrt von Herat nach Nimroz würde sieben bis acht Stunden dauern, sie wären um 4:00 Uhr früh losgefahren und um etwa 14:30 oder 15:00 Uhr von den Taliban auf der Strecke überfallen worden. Warum zwischen Abfahrt und Überfall, der nach den Ausführungen des Beschwerdeführers etwa zwei oder drei bis vier Autostunden entfernt von Nimroz stattfand, allerdings bereits zehn bis elf Stunden vergangen waren, die Fahrt demnach mehr als doppelt so lang dauerte, wie üblich, erklärt der Beschwerdeführer erst auf Nachfrage und gab an, es hätte ein hohes Verkehrsaufkommen, nicht asphaltierte Straßen und Straßensperren wegen Sanierungsarbeiten gegeben. Auch habe es immer wieder Kolonnenverkehr gegeben. Wiederum erst auf Nachfrage gibt der Beschwerdeführer allerdings an, dass der Bus im Zeitpunkt des Überfalles alleine auf der Straße gewesen sei. Dass der Beschwerdeführer diese Details erst auf Nachfrage preisgab, legt die Vermutung nahe, dass der Beschwerdeführer nicht etwa tatsächlich erlebte Ereignisse aus dem Gedächtnis schildert, sondern seine Fluchtgeschichte anhand bekannter Berichte konstruiert hat und auf Ausreden ausweichen musste, sobald er nach Details gefragt wurde.

In dem Punkt, dass der Beschwerdeführer den Stützpunkt der Taliban in der Wüste, zu dem er gebracht worden sein will, nicht wirklich beschreiben konnte, schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den Überlegungen der belangten Behörde an. Die Beschreibung des Beschwerdeführers beschränkt sich bezüglich des Ortes, an dem er von den Taliban über Nacht festgehalten und geschlagen worden sein will, tatsächlich auf die Aussage, es sei eine Wüstenregion gewesen und rundherum seien Hügel gewesen (AS 143). Diese Beschreibung erscheint äußerst vage und detailarm.

Dass der Beschwerdeführer erst auf Nachfrage, wie er denn nach der Entführung nach Nimroz gekommen sei, erwähnt, dass die Taliban ihn bei der Freilassung aus der Wüste wieder mit dem Auto zur Straße gebracht hätten und er dann mit einem Auto weiter nach Nimroz gefahren sei, spricht ebenso gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Wie die belangte Behörde richtig ausführt, zeigt dieses "Nachschieben von Informationen" deutlich, dass der Beschwerdeführer den geschilderten Vorfall nicht tatsächlich erlebt hat. Insbesondere handelt es sich bei der Frage, wie der Beschwerdeführer aus der Wüste zurückgekommen ist, nicht um ein unbedeutendes Detail, dessen Erwähnung der Beschwerdeführer lediglich vergessen haben könnte, sondern um einen wesentlichen Teil des Vorfalles.

Zum zweiten vom Beschwerdeführer angeführten Übergriff durch die Taliban führt die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen gesteigert, weil er zunächst nur davon sprach, dass die beiden Mitreisenden mitgenommen worden seien (AS 137) und später in derselben Einvernahme angab, sie hätten außerdem auch noch den Taxilenker mitgenommen (AS 141). Der Beschwerdeführer lässt insbesondere zunächst unerwähnt, dass die beiden Taliban auf jeweils einem Motorrad die Mitnahme von zwei (später drei) Personen bewerkstelligten, indem sie den Taxifahrer zwangen, ihnen hinterher zu fahren. Dabei ist der belangten Behörde zunächst darin zuzustimmen, wenn sie ausführt, es sei kein unwesentliches Detail, ob zwei oder drei der Personen im Taxi von den Taliban entführt wurden. Dass der Beschwerdeführer diesen Teil des Vorfalles erst auf Nachfrage preisgibt und damit insbesondere den Anschein erweckt, als wäre ihm erst im Zuge seiner Schilderung aufgefallen, dass es kaum möglich ist, dass zwei Taliban mit je einem Motorrad drei Personen gewaltsam entführen und wegtransportieren können, weswegen er seine Erzählung dahingehend adaptierte, dass der Taxifahrer gezwungen worden sei, hinterherzufahren, führt zu massiven Zweifeln des Bundesverwaltungsgerichts an der Glaubwürdigkeit der Ausführungen des Beschwerdeführers.

Auch in den Ausführungen zur mangelnden Aktualität der vom Beschwerdeführer geschilderten Vorfälle, die sich den Angaben des Beschwerdeführers zufolge zwei bzw. fünf Monate vor seiner letztmaligen Ausreise aus Afghanistan ereignet haben sollen, ist der belangten Behörde zu folgen. Dass der Beschwerdeführer trotz der ihm angeblich drohenden Verfolgungsgefahr noch fünf Monate im Herkunftsstaat verblieb und sodann in den Iran ausreiste, legt viel mehr nahe, dass der Beschwerdeführer so, wie er es bereits häufig getan hatte, im Iran eine Weile arbeiten wollte, um anschließend nach Afghanistan zurückzukehren und erst im Zuge dessen den Entschluss gefasst hat, nach Europa zu reisen, ohne, dass es ein unmittelbar fluchtauslösendes Ereignis gegeben hätte.

Außerdem hat der Beschwerdeführer auch selbst angegeben, dass er nach dem vermeintlichen zweiten Vorfall von den Taliban nicht mehr behelligt worden sei (AS. 144).

In seiner Beschwerde vom 17.05.2016 und seiner Stellungnahme vom 04.05.2018 tritt der Beschwerdeführer den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde nur insofern entgegen, als er beteuert, "die Wahrheit gesprochen" zu haben und glaubwürdig zu sein. Dem ist im Ergebnis nicht zu folgen.

Zur Feststellung, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und seiner Eigenschaft als Angehöriger der schiitischen Muslime keine Verfolgung droht, sei insbesondere auf die herangezogenen Länderberichte verwiesen. Aus diesen ergibt sich zwar, dass schiitische Angehörige der Volksgruppe der Hazara Diskriminierungen ausgesetzt sind und dass es zu Angriffen, Entführungen etc. kommt. Diesen Vorfällen kommt jedoch eine asylrelevant hohe Intensität nicht zu, wie rechtlich noch genauer auszuführen sein wird. Im Wortlaut heißt es im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Stand: 30.01.2018, S. 170 ff.:

"16. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9.2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9.2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

16.1. Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9.2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9.2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9.2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016). [...]"

Diese Einschätzung der Lage der Hazara wird im Wesentlichen vom in der Stellungnahme vom 04.05.2018 zitierten Afghanistan: Update. Die aktuelle Sicherheitslage. der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 14.09.2017 bestätigt.

Auch zur Lage der Schiiten in Afghanistan lässt sich dem Länderinformationsblatt keine Situation entnehmen, die auf eine systematische Verfolgung hindeutet. Die relevanten Passagen lauten (S. 163 ff.):

"15.1. Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015). [...]

Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 04.05.2018, er habe aufgrund seiner westlichen Lebensausrichtung, die sich in seiner tiefen Integration in Österreich und seiner Annahme der österreichischen Lebensart zeige, die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung in Afghanistan widerspreche, sind völlig unsubstantiiert und konkretisieren in keiner Weise, inwiefern der Beschwerdeführer eine "westliche" Lebensweise angenommen haben soll. Insbesondere fand eine diesbezügliche den Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr ihre erstmalige Erwähnung in besagter Stellungnahme, wurde aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 20.04.2018 mit keinem Wort angesprochen.

Auch ist aus den vorhandenen Länderberichten sowie dem notorischen Amtswissen nicht ableitbar, dass alleine eine westliche Geisteshaltung bei Männern - im Unterschied zu Frauen, die "westlich orientiert" sind (selbstbestimmt leben wollen) - bereits mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung asylrelevanter Intensität auslösen würde; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt dafür nicht (so z.B. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Eine mit der Lage westlich orientierter Frauen in Afghanistan vergleichbare Situation - denen insbesondere Zugang zur Berufstätigkeit, Bildung und die Teilnahme am öffentlichen Leben verwehrt wäre - hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Er führt in seiner Stellungnahme vom 04.05.2018 lediglich unsubstantiiert aus, er habe sich eine westliche Lebensausrichtung angeeignet. Worin dieser bestehe, blieb unerläutert.

II.2.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat

Die Feststellungen zur sicheren Erreichbarkeit der Stadt Herat über deren internationalen Flughaften ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018, demzufolge Herat über einen internationalen Flughafen verfügt (S. 137).

Zwar ist den Ausführungen in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 04.05.2018 dazu, dass die Sicherheitslage insgesamt nicht stabil ist und dass es zu zahlreichen sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt, grundsätzlich zuzustimmen. Diese Einschätzung wird auch vom EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 in deutscher Übersetzung von Kristina Pröstler und Jonas Erkan grundsätzlich bestätigt und ergibt sich im Wesentlichen auch aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 30.01.2018. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Gesamtbetrachtung der Lage in ganz Afghanistan, die nicht auf die regionalen Unterschiede in der Sicherheitslage eingeht. Dabei ergibt sich gerade aus dem vom Beschwerdeführer ins Verfahren eingebrachten EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017, dass die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Afghanistans sehr unterschiedlich zu bewerten ist. Dies ergibt sich insbesondere aus nachfolgenden Passagen (S. 26 f. der deutschen Übersetzung):

"1.9 Geografischer Überblick über die Sicherheitslage

1.9.1 Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Gebieten

Die Geschichte Afghanistans ist von einem strukturellen Stadt-Land-Gefälle geprägt. Urbane Zentren waren Angelpunkte für die Verwaltung, marktorientierter Produktion, Steuereinnahmen, Bildungseinrichtungen, Justizzentren und Modernisierungsmaßnahmen.

Seit 2015 haben sich die Taliban zum Ziel gesetzt, große Städte und Provinzhauptstädte zu erobern. Die Taliban konnten einige Städte erobern und für eine gewisse Zeit kontrollieren. Die ANSF hat ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, indem sie einige von den Taliban eroberten Distriktzentren, zurückgewinnen konnte. Im Oktober 2015 eroberten die Taliban vorübergehend das Verwaltungszentrum von Kunduz - die erste Provinzhauptstadt, die seit 2001 von den Taliban besetzt wurde. Distriktzentren beherbergen in der Regel vertriebene Familien, die in ländlichen Dörfern vor Konflikten und Verfolgung fliehen.

Die afghanische Bevölkerung betrachtet die städtischen Gebiete als zunehmend gefährlich.

Die größten Sicherheitsprobleme in Großstädten sind nach wie vor durch groß angelegte Angriffe, gezielte Tötungen und Entführungen. Trotz der sichtbaren Militärpräsenz in Kabul und anderen Großstädten können Regierung, Polizei und Armee die Angriffe und Anschläge nicht verhindern. Kabul, das regelmäßig mit heftigen Angriffen konfrontiert wird, ist nun durch Sicherheitsmaßnahmen und Straßensperren geteilt. Jedoch können sich AGEs, einschließlich ISKP, immer noch unbemerkt in der Stadt aufhalten.

Einige urbane Zentren leiden unter mehr Sicherheitsproblemen als andere. Auf Kabul entfielen im Jahr 2016 allein 70% aller zivilen Opfer durch groß angelegte Angriffe und Selbstmordanschläge. Die Zahl der zivilen Opfer hat sich von 141 im Jahr 2012 auf 1.562 im Jahr 2016 mehr als verzehnfacht. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S. 56ff.)

In einigen ländlichen Gebieten haben die Taliban nach Angaben der US-Militärs "Fortschritte gemacht" und "Erfolge bei der Kontrolle diese Gebiete gesammelt."

1.9.2 Regionale Unterschiede

Die Sicherheitslage in den verschiedenen Regionen Afghanistans ist unterschiedlich. In den ersten acht Monaten 2017 sind mindestens 30 von 34 afghanischen Provinzen von dem Konflikt und von Vertreibungen betroffen. UNOCHA nennt 120 von den mehr als 400 Distrikten als "stark von Konflikten betroffen", was eine Zunahme um 50% seit 2015 beträgt. Es gibt Regionen, wie die Provinzen Panjshir, Daykundi, Bamiyan oder die nördliche Stadt Mazar-e-Sharif, die von konfliktbedingter Gewalt relativ wenig betroffen sind. Es gibt deutlich mehr Spannungen in Hotspots wie dem nördlichen Kunduz, dem südlichen Helmand oder dem östlichen Nangarhar.

Auf der Basis von Opferzahlen, die von UNAMA dokumentiert wurden, hat der bewaffnete Konflikt seit 2009 die südlichen Regionen am stärksten betroffen. Seit 2015 sind die zivilen Opfer in den zentralen Provinzen Afghanistans stark angestiegen. Die Zahl der zivilen Opfer ist gleichzeitig in den östlichen und südöstlichen Regionen gesunken. Nur im zentralen Hochland waren die Zahlen niedrig. Jedoch sind die Straßen, die in die zentrale Hochlandregion führen, einschließlich Bamiyan-Kabul und Bamiyan-Mazar, besonders unsicher. Dies trägt zur Isolation der Bewohner in diesen Gebieten bei, wobei viele umliegende Gebiete von AGEs kontrolliert oder von diesen umkämpft werden. Central Highlands ist eine der am stärksten unterversorgten und unterentwickelten Regionen des Landes. Der größte Anteil von neuen Binnenvertriebenen in den Jahren 2016 und 2017 stammt aus den nordöstlichen Provinzen. [...]"

Konkrete Ausführungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers lassen die Stellungnahme und die Beschwerde vermissen.

Für die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers musste auf einen Rückgriff auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl weitgehend verzichtet werden, weil diesem keine fallrelevanten Informationen zur Sicherheitslage entnommen werden konnten. Insbesondere scheint der Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers in der Aufzählung der Distrikte der Provinz nicht auf, was das Bundesverwaltungsgericht an der Vollständigkeit der Informationen zweifeln lässt. Die Feststellungen konnten aber auf Basis des EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 in deutscher Übersetzung von Kristina Pröstler und Jonas Erkan getroffen werden. Zur Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers heißt es dort (. 61 ff.):

"2.13 Herat

Allgemeine Beschreibung der Provinz

[...] Herat, im Westen Afghanistans gelegen, ist eine der größten Provinzen Afghanistans. Es grenzt im Norden an die Provinz Badghis und an Turkmenistan, an die Provinz Farah im Süden, an die Provinz Ghor im Osten und an den Iran im Westen. Herat hat 16 Distrikte. Die Hauptstadt der Provinz ist Herat Stadt, in der schätzungsweise

491.967 Einwohner leben. Die Bevölkerung in der Provinz beträgt ca.

1.928.327. Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaq leben in der Provinz. In elf Distrikten der Provinz sind Paschtunen in der Mehrheit. Die Provinz ist ein wichtiger Handelsknotenpunkt und ihre Provinzhauptstadt wird als wirtschaftlich, sozial und kulturell lebendig beschrieben. Laut den Daten, die vom Wirtschaftsministerium und der Weltbank für die Jahre 2013 und 2014 veröffentlicht wurden, leben 71,7% der Bevölkerung von Herat in ländlichen Gebieten und 36,3% der Einwohner arbeiten in der Landwirtschaft.

Hintergründe zu dem Konflikt und seinen Akteuren

Viele verschiedene Akteure sind in Herat aktiv, wie z.B. ehemalige Mudschahedin Kämpfer, lokale Machthaber, Rebellengruppen und Kriminelle. Dadurch gibt es verschiedene Konflikte. Der Sicherheitsausschuss des Provinzrates erklärte im Juli 2016, dass AGEs zahlreiche Gebiete in verschiedenen Distrikten kontrollierten und die Distrikte Shindand, Adraskan, Golran, Koshk-e Kahna und Farsi als besonders gefährdet einzuschätzen sind.

Der Distrikt Injil, sowie Stadt und Distrikt Herat, wurden als relativ ruhig betrachtet. Die Stadt Herat wurde Berichten zufolge auch als einer der sichersten Orte in Afghanistan angesehen. Konflikte in der Stadt Herat wurden größtenteils durch bewaffnete Kriminelle verursacht.

Der instabilste Distrikt ist Shindand. Shindand ist Afghanistans größter Distrikt, liegt 130km entfernt von Herat und zählt ca. 800.000 Menschen. Trotz seiner Größe, erhält er nicht mehr Mittel, als andere Distrikte. Im Juni 2015 ordnete Präsident Ghani die Teilung des Distrikts in mehrere kleinere Distrikte an. Im Jahr 2015 war Shindand für ein Drittel aller Sicherheitsvorfälle in der Provinz Herat verantwortlich, obwohl sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren in anderen Gebieten der Provinz verschlechtert hat. Der weitläufige Distrikt, der größtenteils von Paschtunen bewohnt ist, beherbergt einen strategisch wichtigen Militärstützpunkt. Shindand wird als historische Opiumanbauregion beschrieben. In dem Distrikt befinden sich auch wichtige Verkehrswege. Im Januar 2016 gab es in Shindand und Pashtun Zarghun interne Zusammenstöße zwischen Taliban. Taliban entführten wiederholt Arbeiter des Salma-Staudamms wegen deren Zusammenarbeit mit der Regierung. Laut ISW im März 2017 gilt ein Teil von Shindand als "Taliban-Kontrollzonen". Andere Gebiete in den Distrikten Shindand, Ghoryan und Kushke Korna gelten als ausgeprägte "Taliban-Unterstützungszone." Teile von Adraskan und Guzura, einschließlich eines Gebiets entlang der Herat-Kandahar-Autobahn, und Gebiete in Farsi, Kushk, Gulran und Kohsan werden als "Taliban-Unterstützungszonen" mit geringem Ausmaß betrachtet.

Im Distrikt Guzara, südlich von Herat, haben AGEs ihre Hauptpräsenz im Seyawshan-Gebiet. In dem Distrikt liegt der Herat International Airport. 2016 wurde zweimal eine Rakete auf den Flughafen abgefeuert.

Aktivisten und Beamte in der Provinz Herat warnten im November 2016 davor, dass immer mehr Kinder von lokalen Drogenschmugglern zum Schmuggel von Drogen rekrutiert würden.

Im Januar 2017 verschlechterte sich die Sicherheit in der Provinz. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen in mehreren Distrikten zwischen Regierungseinheiten und Talibankämpfern. Zudem kommt es auch immer wieder zu Machtkämpfen innerhalb der Taliban, die öffentlich ausgetragen werden.

Der Polizeichef der Provinzverwaltung wurde von Präsident Ghani 2014 plötzlich entlassen. Bisher wurde diese Position nicht neu besetzt.

Im März 2017 veröffentlichten die Taliban einen Bericht über ihre Präsenz in der Provinz. Sie behaupteten, dass ihre Kämpfer 70% des Territoriums von Shindand, Gulran, Kushke Korna und Adraskan sowie 20% von Farsi, Chisti Sharif, Awba (Obe), Pashtun Zarghun und Rabat-e-Sangi (Kuskhk) halten würden. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S.140)

Neueste Sicherheitsentwicklungen

Vom 1. September 2016 bis zum 31. Mai 2017 zählte die Provinz Herat 730 Sicherheitsvorfälle. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Art der Sicherheitsvorfälle:

Gewalt gegen Einzelpersonen

93

bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

173

Explosionen

65

Sicherheitsdurchsetzung

193

Nichtkonfliktbezogene Vorfälle

178

Andere Vorfälle

28

Sicherheitsvorfälle insgesamt

730

[auf den Distrikt Herat entfallen davon 179 und auf den Distrikt Injil 69 Sicherheitsvorfälle, siehe dazu EASO Country of Origin Information Report Afghanistan Security Situation von Dezember 2017 in der englischen Originalfassung, S. 140]

Nach Angaben UNAMA wurden zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2017 in Herat 107 Zivilisten getötet und 108 verletzt, hauptsächlich durch Sprengfallen, aber auch durch Bodenkämpfe. Im Jahr 2016 dokumentierte UNAMA 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) in den viel Provinzen der westlichen Region, zu denen Herat gehört. Dies entspricht einem Anstieg der zivilen Opfer um 19% gegenüber 2015, als die UNAMA im Westen 703 Opfer (288 Tote und 415 Verletzte) verzeichnete.

In der zweiten Jahreshälfte 2016 gab es fünf separate Angriffe gegen Moscheen und Versammlungen der Schiiten in Afghanistan, unter anderem in der Provinz Herat. UNAMA stellte für 2017 außerdem fest, dass sich der Trend, schiitische Moscheen und Versammlungen anzugreifen, 2017 fortzusetzen scheint. Um diesen Angriffen entgegenzuwirken, bewaffnete die afghanische Regierung 2017 einige lokale Einwohner, um die Sicherheit der schiitischen Moscheen in Herat zu verbessern. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S. 141)

Im November 2016 starteten afghanische Sicherheitskräfte eine Militäroperation in Shindad, bei der über 50 Taliban-Kämpfer, darunter zwei lokale Kommandeure, getötet und 10 weitere Kämpfer verletzt wurden. Aus denselben Quellen geht hervor, dass Sicherheitskräfte und Zivilisten keine Verluste erlitten haben. Die Taliban behaupteten jedoch, nur drei ihrer Kämpfer seien getötet und acht verletzt worden. Sie behaupteten auch, dass die Sicherheitskräfte schwere Verluste in den Kämpfen erlitten hätten. (Hinweis: Näheres hierzu vgl. S. 141)

Es kam zudem zu einer Reihe von Angriffen gegen Frauen in Provinzen Herat und Badakhshan.

Vertreibungen

Nach UNOCHA wurden zwischen dem 1. Januar und dem 20. September 2017 insgesamt 5.236 Personen aus Herat aufgrund von Konflikten vertrieben. Die meisten von ihnen aus dem Distrikt Shindand (3.276)

[...]"

Dass die Möglichkeit von Geldtransfers nach Afghanistan aus dem Ausland besteht, ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. Dort wird beschrieben, dass im Banksektor Afghanistans mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen entstehen, dass zahlreiche Banken aktiv sind und insbesondere auch, dass internationaler Geldtransfer via SWIFT möglich ist (S. 209).

Auch, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keine Lebensgrundlage vorfinden würde bzw. nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz zu decken, kann nicht festgestellt werden.

Zur Lebensgrundlage bzw. zur Deckung der Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer dazu in seiner Stellungnahme vom 04.05.2018 lediglich angibt, er habe keinerlei adäquates soziales oder familiäres Auffangnetz in seiner Heimat, sei entwurzelt und würde in eine ausweglose Lage geraten. Welche konkreten, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Merkmale dazu führen, dass der Beschwerdeführer in eine solche ausweglose Lage geraten würde, wurde allerdings nicht im Detail ausgeführt. Auch den in der Stellungnahme zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 lässt sich nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer als alleinstehender, gesunder und arbeitsfähiger Mann ohne spezifische Vulnerabilität in Afghanistan nicht mehr fußfassen könnte. Viel mehr wird auf S. 10 ausgeführt, dass "die einzigen Ausnahmen von dieser Anforderung der externen Unterstützung [...] nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf [darstellen]". Zwar bezieht sich die Passage auf die Zumutbarkeit einer internen Schutzalternative, jedoch ist daraus dennoch zu gewinnen, dass dem Beschwerdeführer eine Wiederansiedelung möglich sein wird, ohne in eine ausweglose Lage zu geraten. Auch aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage lässt sich für den Beschwerdeführer nicht ableiten, dass er nicht in der Lage sein würde, seine Grundbedürfnisse zu decken. Im EASO Country of Origin Information Report. Afghanistan. Security Situation. von Dezember 2017 wird zur wirtschaftlichen Lage in Afghanistan wie folgt berichtet (S. 23 der deutschen Übersetzung):

"1.8.2 Sozioökonomische Grundlagen

Nach vier Jahrzehnten des Konflikts bestehen große wirtschaftliche und entwicklungspolitische Herausforderungen, die durch humanitäre Hilfe allein nicht behoben werden können. Die Probleme beinhalten:

• ungefähr 39% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze;

• schätzungsweise 10 Millionen Menschen haben begrenzten oder keinen Zugang zur grundlegenden Gesundheitsversorgung;

• 3,5 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule;

• die Säuglingssterberate gehört mit 70 pro 1.000 Lebendgeburten zu den höchsten der Welt.

• etwa 1,9 Millionen Menschen sind stark mit Ernährungsunsicherheit konfrontiert, vor allem aufgrund des fehlenden Zugangs zu längerfristigen Beschäftigungsmöglichkeiten;

• 40% aller Kinder unter fünf Jahren verkümmern.

Im Jahr 2018 werden 3,3 Millionen Menschen lebensrettende Hilfe benötigen. 8,7 Millionen Menschen fehlt es an grundlegenden Gütern.

Internationale Hilfe hilft, positive Impulse zu setzen und hält das Land davon ab, in einen offenen Konflikt zu verfallen. Jedoch werden humanitäre Hilfen wegen der langwierigen Krise zunehmend dafür genutzt, Lücken in den öffentlichen Dienstleistungen, wie medizinische Grundversorgung und Bildung, zu füllen. [...]"

Auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zeichnet kein derart düsteres Bild der wirtschaftlichen Lage, aus dem sich schließen ließe, dass der Beschwerdeführer sein Überleben nicht werde sichern können:

"21. Grundversorgung und Wirtschaft

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11.2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11.2016).

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11.2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung - Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11.2016).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit ange

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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