Entscheidungsdatum
12.07.2018Norm
BBG §40Spruch
W201 2180193-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Angela Schidlof als Vorsitzende und die Richterin Dr. Margit Möslinger-Gehmayr sowie der fachkundige Laienrichter Franz Groschan als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 15.11.2017, XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge: BF) beantragte am 22.06.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) die Ausstellung eines Behindertenpasses. Beigelegt wurde ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln.
2. Im von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. Stiedl, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 13.11.2017, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF, wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"Anamnese:
Operationen: Tonsillektomie ohne Folgeschaden, 2009 Hüftgelenksersatz links und im orthopäd. Spitals Speising mit unzufriedenstellendem Ergebnis, 2015 Lockerungszeichen, 10/2016 Prothesenentfernung im Herz Jesu KH, 12/2016 neues Hüftgelenk im Herz Jesu KH implantiert, wegen Luxation am 16.01.2017 nachkorrigiert im Herz Jesu KH, zum Schluss ist das Ergebnis erträglich, der AW benötigt einen Stock für längere Wegstrecken, weil Schmerzen auftreten, auch Beschwerden im rechten Hüftgelenk, derzeit keine Operationsindikation,
koronare Herzkrankheit seit Jahren, Nikotinabusus (10/d seit 2015, früher 20/d), PTCA 2010 im KH RST ohne Stenting, in der LAD mehrfach 80% Stenose, wegen der langen
Stenose von 48cm langer Stent ist nicht zur Verfügung gestanden, keine Indikation einer
Bypassoperation, Medikamente: Ranexa 500 1-0-1, Amelior + HCT 40/5/12,5 1-0-0,
Amlodipin 10 1/2-0-0, Nebilan 5 1/2-0-0, Th Ass 100 1-0-0, Dancor 10 1-0-1, Omec 40 1-0-0, unter Therapie normales Blutdruckverhalten, keine Dekompensationszeichen, Hyperlipidämie: Med.: Atorvastatin 40 0-0-1,
Wirbelsäulen-Läsion seit 10 Jahren, keine Operation, keine motorischen Ausfälle, Beschwerden: Schmerzen im Lendenwirbelsäulensegment, Medikation: Parkemed 500, Osteopenie, keine Knochendestruktion Hallux rigidus rechts mit Arthrose, keine Operation, Schmerzen und Einschränkung der Gehleistung Bizepssehnenriss links 2011, keine Erstversorgung, keine Therapie, endlagige Elevationsstörung, keine Funktionsstörung im Ellbogengelenk, AW vermeidet Heben schwerer Gegenstände mit der linken Hand, keine Therapie, Nik: 10, Alk: mäßig,
Derzeitige Beschwerden:
Schmerzen in der linken Hüfte, auf länge Wegstrecken muss ein Stock als Gehhilfe verwendet werden
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ranexa 500, Amelior+HCT 40/5/12,5, Amlodipin 10, Nebilan 5, Th Ass 100, Dancor 10, Omec 40, Atorvastatin 40, Parkemed 500, Sozialanamnese:
erl. Kellner, pensionierter GF eines gastronomischen Betriebes seit 2008 (60. Lebensjahr), Korridorpension wegen Wirbelsäulen- und Hüftleiden, verheiratet, ein erwachsenes Kind, Gattin: Pensionistin, AW lebt in einem Reihenhaus auf zwei Etagen ohne Lift,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Operationsbefund des orthopäd. Spitals Speising vom 30.06.2009/Hüftgelenksersatz links
Schlaflabor-Befundbericht des Herz Jesu Krankenhauses vom 30.05.2014/ausgeprägtes obstruktives Schlafapnoesyndrom unter CPAP Heimtherapie, suffiziente Behandlung des
ausgeprägten obstruktives Schlafapnoesyndroms unter gegenwärtiger CPAP Druckeinstellung von 12 mbar,
Laborbefund vom 28.03.2017: Hämoglobin: 13,4 g/dl (13,5-18,0), CRP:
1,8 mg% (<0,5), ärztlicher Entlassungsbericht des Klinikum Malcherhof Baden vom 19.04.2017/Diagnosen: Kopf-Inlaywechsel linke Hüfte bei rezidivierender Luxation (16.01.2017), Reimplantation
Hüfttotalendoprothese links 12/2016, Gridlestone Situation wegen septische Implantate
Lockerung Hüftgelenk links mit Ausbau 10/2016 (Erstimplantation Hüfttotalendoprothese
2009), Coxarthrose rechts, PHS rechts, Lumbosakralgie, KHK mit signifikante Stenose LAD,
CX und RCA-konservative Therapie, arterielle Hypertonie, Schlafapnoesyndrom, CPAP-
Gerät, zentroazinäres Lungenemphysem, Medikamente: Ranexa 500, Atorvastatin 40,
Amelior + HCT 40/5/12,5, Amlodipin 10, Nebilan 5, ThAss 100, Dancor 10, Omec 40, Lansoprazol 30, Augmentin 875/125, Rifoldin 450, Tardyferron 80, Cal-D-Vita, Laborbefund vom 11.04.2017:
Blutsenkungsgeschwindigkeit: 21/44 (<9/<18), CRP: 0,7 mg%
(<0,5),
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: guter Allgemeinzustand
Ernährungszustand: guter Ernährungszustand
Größe: 167,00 cm Gewicht: 94,00 kg Blutdruck: 120/70
Klinischer Status - Fachstatus:
Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 98 %, Puls: 58/min, keine Ruhedyspnoe
Kopf: Zähne: saniert, Lesebrille, Sensorium frei, Zustand nach Tonsillektomie, Nervenaustrittspunkte unauff.,
Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,
Thorax: symmetrisch, Gynäkomastie,
Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,
Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,
Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Fingerbodenabstand 10cm, thorakaler Schober
30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule,
Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, blande Narbe nach Appendektomie,
Nierenlager: beidseits frei,
obere Extremität: frei beweglich bis auf endlagige Elevationsstörung des linken Armes, Eindellung am linken ventralen Oberarm nach Bizepsruptur, Umfang des linken Oberarmes: 30cm (rechts 33cm), Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich
untere Extremität: frei beweglich bis auf Flexionsstörung des linken Hüftgelenkes bei Zustand nach Hüftgelenksersatz 0/0/60° werden demonstriert, wegen der zu erwartenden heftigen Schmerzreaktion wird auf die Prüfung der passiven Beweglichkeit der Hüftgelenke verzichtet, Beinverkürzung links -1,5cm, kein Schuhausgleich, krepitierendes Reiben beider Kniegelenke bei festem Bandapparat, seitengleicher Umfang beider Kniegelenke: 40,5cm, keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 40cm (links: 39cm), keine Ödeme, geringe Hautverfärbungen an den distalen Unterschenkel, sonst keine trophischen Hautstörungen, Reflex nur schwach auslösbar, Babinski negativ, Zehen- und Fersengang möglich,
Gesamtmobilität - Gangbild:
leicht hinkendes Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich, kommt mit einem Stock zur Untersuchung,
Status Psychicus:
zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, normale Kommunikation möglich,
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
koronare Herzkrankheit, Zustand nach Gefäßintervention 2010, Bluthochdruck unterer Rahmensatz, da keine Dekompensationszeichen dokumentiert
05.05.02
30
2
Zustand nach Hüftgelenksersatz links und Revisionsoperation unterer Rahmensatz da nachweisbare Funktionsstörung bei guter Gehleistung; inkludiert geringe Beinlängendifferenz
02.05.09
30
3
degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Osteopenie oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Symptomatik und geringe Funktionseinschränkung
02.01.01
20
4
obstruktives Schlafapnoesyndrom, zentroazinäres Lungenemphysem unterer Rahmensatz, da mit nächtlicher Druckbeatmung ausreichend behandelbar
06.11.02
20
5
geringgradige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes nach stattgehabter Bizepsruptur fixer Rahmensatz
02.06.01
10
6
Hallux rigidus rechts fixer Rahmensatz
02.05.38
10
7
Abnützungserscheinung am rechten Hüftgelenk unterer Rahmensatz, da zwar morphologische Veränderungen beschrieben, jedoch keine Funktionsstörung fassbar
02.05.07
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden unter lf. Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigung unter lf. Nr. 2) bis 7) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Übergewicht und erhöhter Blutfettspiegel stellen zwar einen Risikofaktor dar, erreichen jedoch keinen Grad der Behinderung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Erstgutachten
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Erstgutachten "
3. Mit Bescheid vom 15.11.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Begründend wurde darin ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren zur Feststellung des Grades der Behinderung ein Gutachten eingeholt worden sei. Danach betrage der Grad der Behinderung 30%. Da somit die Voraussetzungen für die Ausstellung des Behindertenpasses nicht gegeben seien, sei der Antrag abzuweisen.
4. Mit Schreiben vom 21.11.2017 erhob der BF gegen den Bescheid Beschwerde und führte aus, er habe diverse orthopädische Probleme darüber hinaus leide er an einer koronaren Herzkrankheit sowie an Schlafapnoe. Er könne oft nur 50/60 m gehen und müsse aufgrund der Schmerzen in der ländlichen Wirbelsäule öfters pausieren. Er könne sich kaum bücken leide an einer muskulären Insuffizienz und habe beim Stiegen steigen Probleme.
5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 19.12.2017 von der belangten Behörde vorgelegt.
6. Aufgrund des Beschwerdevorbringens holte das Bundesverwaltungsgericht ein unfallchirurgisch-orthopädisches Sachverständigengutachten ein.
In diesem Gutachten wird ausgeführt wie folgt:
"2. Das Gutachten stützt sich auf:
2.1) Vorhandene medizinische Unterlagen
2.2) Persönliche Angaben des zu Untersuchenden
2.3) Eingehende persönliche Untersuchung am 21.11.2017
2.1. Vorhandene medizinische Unterlagen
Mitgebrachter MR-Befund der rechten Schulter vom 14.05.2018 beschreibt höhergradige Omarthrose bei Impingementsyndrom und auch höhergradige Arthrose im Akromioklavikulargelenk. Die Rotatorenmanschette ist weitgehend intakt.
2.2) Persönliche Angaben der/des zu Untersuchenden
2.2.1) Allgemeine Krankenvorgeschichte
Bezüglich Vorgeschichte siehe Vorgutachten vom 30.08.2017.
Zwischenanamnese: unauffällig
2.2.2) Sozialanamnese:
Pens.,
Subjektive Beschwerden:
Das linke Bein ist muskulär schwach. Ich habe eine Stumpfheit und Unbeweglichkeit am linken Knie. Ich verwende einen Stock zu einem flüssigeren Gangbild. Im Moment belastet mich hauptsächlich meine KHK. Ich muss in der letzten Zeit häufig rülpsen. Ich glaube das kommt aus der Lunge. Die rechte Hüfte ist nicht so tragisch. Ich kann nicht lange auf der linken Hüfte liegen. Die Schulter schmerzen, rechts kann ich nicht lange auf der rechten Schulter liegen.
Medikamente: Aranexa ret., Dancor, Amelior, Atorvastatin, Nebilan, Amlodipin, TASS, Magenschutz, Mefenam, Tramabene, Nitro bei Bed.
Laufende Therapie: dzt. keine Hilfsmittel: Gehstock
2.3) Eigene Untersuchung am 15.05.2018
Größe: 167 cm Gewicht 93 kg
Allgemeiner Eindruck: ist insgesamt kooperativ, freundlich, etwas logorrhoisch
Allgemeinzustand: altersentsprechend Ernährungszustand: adipös
Kommt in Stiefeletten zur Untersuchung, hat einen Gehstock mit. Am nochmaligen Weg zum Auto, weil der Ausweis vergessen wurde verbleibt der Gehstock in der Ordination. Das Gangbild ohne Stock ist minimal linkshinkend.
Caput/Collum: unauffällig
Thorax: symmetrisch, elastisch, Sauerstoffsättigung 98%, Puls 68/min.
Abdomen: klinisch unauffällig, kein Druckschmerz
Obere Extremitäten:
Umgelernter Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal. Symmetrische Muskelverhältnisse. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Benützungszeichen sind seitengleich.
Rechte Schulter:
Das Eckgelenk ist etwas prominent, ist nicht druckschmerzhaft. Kein wesentlicher Druckschmerz am Oberarmkopf. 0°-Abduktionstest negativ, Rotation gegen Kraft nicht schmerzhaft.
Linke Schulter: Zustand nach Riss der langen Bizepssehne, sonst seitengleicher Befund.
Übrige Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Beweglichkeit: Schultern S 40-0-160 beidseits, F 150-0-40 beidseits. Beim Nackengriff reicht die Daumenkuppe bis C6 beidseits. Beim Kreuzgriff reicht die Daumenkuppe bist Th12 beidseits. Ellbogen, Vorderarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger sind seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar, der Faustschluss ist komplett.
Untere Extremitäten: Der Barfußgang ist durchaus flüssig und sicher. Es besteht ein Oberkörperpendeln nach links. Zehenballgang und Fersengang sind problemlos möglich, Einbeinstand ist rechts problemlos, links nur kurzzeitig möglich. Die tiefe Hocke wird 1/2 ausgeführt. Die Beinachse ist im Lot. Mäßig Muskelverschmächtigung am linken Oberschenkel, diskret am linken Unterschenkel. Beinlänge links -1,5cm. Durchblutung und Sensibilität sind ungestört. Die Fußsohlenbeschwielung ist seitengleich ausgebildet, das Fußgewölbe ist beidseits abgeflacht.
Linke Hüfte: Bogenförmige insgesamt etwa 23 cm lange reaktionslose Narbe außenseitig. Die Narbe ist nur mäßig verschieblich. Es besteht kein Rüttel-, Stauchungs- oder Extensionsschmerz, kein wesentlicher Endlagenschmerz bei Bewegung.
Rechte Hüfte: Es besteht Endlagenschmerz bei Beugung und Rotation.
Die Kniegelenke sind jeweils ergussfrei und bandfest. Zohlen-Test ist jeweils negativ. Die Sprunggelenke sind jeweils bandfest. Das rechte Großzehengrundgelenk ist etwas arthrotisch aufgetrieben.
Beweglichkeit: Hüften S 0-0-90 beidseits, R (S 90°) rechts 0-5-20 und links 5-0-40, F 20-0-20 beidseits, Knie S rechts 0-0-130, links 0-0-125, oberes Sprunggelenk 20-0-35
beidseits, untere Sprunggelenke sind seitengleich frei, das Großzehengrundgelenk rechts ist 1/2 eingeschränkt, die übrigen Zehengelenke sind frei beweglich.
Wirbelsäule: Der Schultergürtel steht horizontal, der linke Beckenkamm steht etwa 1,5 cm tiefer. Zarte Skoliose von Brust- und Lendenwirbelsäule. Regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Gesäßmuskulatur links ist verschmächtigt. Es besteht kein wesentlicher Hartspann und kein Klopfschmerz über den Dornfortsätzen. Es wird lumbal etwas Druckschmerz angegeben.
Beweglichkeit: Halswirbelsäule: allseits endlagig eingeschränkt.
Brustwirbelsäule/Lendenwirbelsäule: FBA 15 cm, beim Seitwärtsneigen reichen die Fingerkuppen bis zum Kniegelenksspalt, Rotation 35-0-35.
Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen:
1.1. Es ist Stellung zu nehmen, ob sich auf Grund des Vorbringens des BF zu seinen krankheitsbedingten Einschränkungen in der Beschwerde (Abi. 46/47), sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen (Abi. 5-13) unter Berücksichtigung des bereits vorliegenden Sachverständigengutachtens (Abi. 17-20) eine Änderung zum GdB nach der Einschätzungsverordnung ergibt.
Im Vorgutachten wurde die Beweglichkeit an der rechten Hüfte als uneingeschränkt beschrieben. Im Befund vom RZ Malcherhof wurde die Beweglichkeit als eingeschränkt beschrieben, wobei die Rotation nicht genau beschrieben wurde.
Bei der heutigen klinischen Untersuchung war die Beweglichkeit an beiden Hüften, rechts mehr als links eingeschränkt, wobei insbesondere rechts die Drehfähigkeit deutlich eingeschränkt war.
Aus Sicht des Endgefertigten ist die Funktionsbehinderung an beiden Hüften gemeinsam zu berücksichtigen, da beidseits eine mäßige Beugehemmung besteht, rechts mehr als links eine Einschränkung der Drehfähigkeit und eine seitengleiche Einschränkung der Spreizfähigkeit besteht.
Zusätzlich ist der Zustand nach mehrfachen Operationen an der linken Hüfte zu berücksichtigen, mit Muskelverschmächtigung am linken Bein und Gesäß, der Beinlängendifferenz von 1,5cm und der Gangbildstörung und Gangleistungsminderung.
Aus diesem Grund ist das Hüftleiden unter Pos. 02.05.08 mit dem oberen Rahmensatz korrekt einzuschätzen.
An der linken Schulter ist eine einschätzungsrelevante Beweglichkeitseinschränkung heute nicht zu objektivieren. Die Schultern sind seitengleich beweglich und nur unwesentlich und nicht einschätzungsrelevant über der Horizontalen eingeschränkt. Seit dem GA 1. Instanz ist allerdings insgesamt Besserung eingetreten, da ein Gehstock sicherlich zeitweilig Verwendung findet, jedoch nur für längere Gehstrecken erforderlich ist. Zwischenzeitlich ist auch eine teilweise Muskelkompensation eingetreten.
Zu den internistischen Leiden 1 und 4 im Gutachten 1. Instanz kann nicht Stellung genommen werden.
Die Befunde mit Ausnahme des Befundberichts vom RZ Malcherhof sind für die Beurteilung fachbezogen nicht relevant.
wenn ja:
1.2. Bewertung und Begründung des GdB für die genannten Gesundheitsschädigungen des BF nach der Einschätzungsverordnung.
Pos. GdB
1 Hüftgelenksarthrose rechts und Hüfttotalendoprothese 02.05.08 40%
links
Oberer Rahmensatz dieser Position, da mäßige Beweglichkeitseinschränkung beidseits besteht, wobei insbesondere die Drehfähigkeit rechts eingeschränkt ist, Muskelverschmächtigung am linken Bein und Gesäß, eine Beinlängendifferenz von 1,5cm und eine Gangbildstörung und Gangleistungsminderung bestehen.
2 Koronare Herzkrankheit, Zustand nach 05.05.02 30%
Gefäßintervention 2010, Bluthochdruck
Unterer Rahmensatz dieser Position, da keine Dekompensationszeichen dokumentiert.
3 Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.01 20%
Osteoporose
Unterer Rahmensatz dieser Position, da geringe Funktionsbehinderung bei mäßigen radiologischen Veränderungen besteht.
4 Obstruktives Schlafapnoesyndrom, Lungenemphysem 06.11.02 20%
Unterer Rahmensatz dieser Position, da mit nächtlicher Druckbeatmung ausreichend behandelbar.
5 Hallux rigidus rechts g.Z. 02.05.38 10%
Fixer Rahmensatz
1.3. Neueinschätzung und -begründung des Gesamt-GdB. Allenfalls ausführliche Stellungnahme, inwieweit und warum eine relevante wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung zwischen den Leiden besteht. Wie wirkt sich diese auf den gesamt GdB aus?
Der gesamt GdB beträgt 40% weil zwischen dem führenden Leiden 1 und den übrigen Leiden keine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung in relevantem Ausmaß besteht. Von Seiten der Herzerkrankungen sind keine Dekompensationszeichen dokumentiert und bei der heutigen Messung der
Sauerstoffsättigung mittels Pulsoxymeter war bei einer Sättigung von 98% keine
Atemnot objektivierbar. Somit führt das heutige Leiden 2 auch zu keiner Erhöhung des GdB vom heutigen Leiden 1, dem Hüftleiden. Leiden 3 bis 5 erhöhen wegen zu geringer funktioneller Relevanz auch zu keiner Erhöhung des GdB von Leiden 1.
1.4. Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche NU erforderlich ist. Dauerzustand, eine NU ist nicht erforderlich.
1.5. Feststellung, ab wann und warum ab diesem Zeitpunkt der Gesamt-GdB anzunehmen ist.
Der gesamt GdB ist ab Antragstellung anzunehmen, da der Endgefertigte davon ausgeht, dass die Funktionsbehinderung an der rechten Hüfte bereits zum damaligen Zeitpunkt in einem Ausmaß bestanden hat, der dem heutigen klinischen Zustand weitgehend entsprochen hat und im Befund vom RZ Malcherhof, wenn auch nicht sehr detailliert, beschrieben wurde."
7. Das oben wiedergegebene Gutachten wurde dem BF im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt.
8. Der BF gab eine schriftliche Stellungnahme ab. Er führte darin aus, sein Leiden werde nicht ernst genommen. Er habe es getestet und festgestellt, dass das Zurücklegen einer Strecke wie z.B. 650 m bis zum nächsten Supermarkt, ohne Stock problematisch sei. Er habe Probleme im Bereich der Schulter, wo er mittels Infiltrationen behandelt werde und fühle sich auch aufgrund des Wetters durch seine Herzschwäche beeinträchtigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF beantragte am 22.06.2017 bei der belangten Behörde die Ausstellung eines Behindertenpasses.
Der BF hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Beim BF wurden folgende Funktionsstörungen festgestellt:
* Hüftgelenksarthrose rechts und Hüfttotalendoprothese links bei mäßiger Beweglichkeit Einschränkung beidseits, wobei insbesondere die Drehfähigkeit rechts eingeschränkt ist. Es bestehen Muskelverschmächtigung am linken Bein und Gesäß, eine Beinlängendifferenz von 1,5 cm und eine Gangbildstörung und Gangleistungsminderung
* Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Gefäßintervention 2010, Bluthochdruck
* degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Osteopporose, es besteht eine geringe Funktionsbehinderung bei mäßigen radiologischen Veränderungen
* obstruktives Schlafapnoesyndrom, Lungenemphysem, mit nächtlicher Druckbeatmung ausreichend behandelbar
* Hallux rigidus rechts
2. Beweiswürdigung:
Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des BF im Inland ergibt sich aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.
Die Feststellung hinsichtlich des Gesamtgrades der Behinderung der BF in der Höhe von 40 v.H. beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 21.05.2018 eines Facharztes für Unfallchirurgie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF.
In diesem Gutachten wird auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Sachverständige setzt sich auf Grundlage von persönlicher Begutachtung mit den vorgelegten Befunden, auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen.
Der unfallchirurgische Sachverständige hat in Bezug auf die orthopädischen Probleme des BF hinsichtlich Hüftgelenksarthrose und Hüfttotalendoprothese eine Erhöhung des in Erstgutachtens festgelegten GdB auf 40 % vorgenommen. Dass der gesamt GdB nicht mehr als 40 % beträgt beruht darauf, dass zwischen dem führenden Leiden Hüftgelenksarthrose und Hüfttotalendoprothese und den übrigen Leiden keine wechselseitige ungünstige Leidensbeeinflussung in relevantem Ausmaß besteht.
Wenn der BF vorbringt Herzprobleme zu haben, ist auf die Ausführungen im Gutachten zu verweisen, wonach von Seiten der Herzerkrankung keine Dekompensationszeichen dokumentiert sind und bei der durch den Sachverständigen vorgenommenen Messung der Sauerstoffsättigung mittels Pulsoxymeter bei einer Sättigung von 98 % keine Atemnot objektivierbar war.
Bezüglich des weiteren Vorbringens, der BF benötige eine Gehhilfe wurde vom Sachverständigen im Rahmen der Untersuchung am 15.5.2018 festgestellt, dass der BF für den Weg zum Auto, da er den Ausweis dort vergessen hatte, den Gehstock in der Ordination zurückließ. Das vom Sachverständigen dabei beobachtete Gangbild ohne Stock zeigte sich als minimal links hinkend. Der BF trug dabei Stiefletten und keine orthopädischen Schuhe.
Trotz der Beinlängendifferenz links von minus 1,5 cm ist die Fußsohlenbeschwielung seitengleich ausgebildet und das Fußgewölbe beidseits abgeflacht.
Die Beweglichkeit an beiden Hüften ist, rechts mehr als links eingeschränkt, wobei insbesondere rechts die Drehfähigkeit deutlich eingeschränkt ist. Es besteht eine mäßige Beugehemmung beidseits, rechts mehr als links eine Einschränkung der Drehfähigkeit und eine seitengleiche Einschränkung der Spreizfähigkeit. Nach mehrfachen Operationen an der linken Hüfte geht eine Muskelverschmächtigung am linken Bein und Gesäß mit einer Beinlängendifferenz von ein, 5 cm und einer Gangbildstörung und Gang Leistungsminderung einher. Daher wurde das Hüftleiden mit dem oberen Rahmensatz eingeschätzt.
Die vom BF im Rahmen des Parteiengehörs vorgebrachten Probleme mit der linken Schulter wurden vom Sachverständigen berücksichtigt. Nach seiner Aussage konnte jedoch eine Einschätzungsrelevante Beweglichkeiseinschränkung nicht objektiviert werden. Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass ein Gehstock zwar zeitweilig Verwendung findet, jedoch nur für längere Gehstrecken erforderlich ist da zwischen der Erstbegutachtung und der gerichtlichen Begutachtung eine teilweise Muskelkompensation eingetreten ist.
Der BF ist dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Es steht dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093). Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A)
1. Zur Entscheidung in der Sache
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. ...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
.....
§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zu Grunde gelegt, aus dem sich der Grad der Behinderung des BF von 40 v.H. ergibt.
Der BF ist den Ausführungen des beigezogenen medizinischen Sachverständigen, denen das Bundesverwaltungsgericht folgt, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, er hat - wie bereits oben ausgeführt - kein aktuelles Sachverständigengutachten bzw. keine sachverständige Aussage vorgelegt, in welcher in sachverhaltsbezogener und rechtlich erheblicher Form die Auffassung vertreten worden wäre, dass die Befundnahme und Schlussfolgerung des dem gegenständlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen unzutreffend oder unschlüssig sei.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).
Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung der BF unter Mitwirkung eines ärztlichen Sachverständigen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden Sachverständigengutachten geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden ausschließlich Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W201.2180193.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.08.2018