TE Bvwg Beschluss 2018/8/7 W108 2169205-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2018
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Entscheidungsdatum

07.08.2018

Norm

ÄrzteG 1998 §117c Abs1 Z6
ÄrzteG 1998 §195f Abs1
ÄrzteG 1998 §59 Abs3 Z1
B-VG Art.10 Abs1 Z12
B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.89 Abs2
VwGG §25a Abs3

Spruch

W108 2169205-1/11Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. BRAUCHART im Verfahren über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Josef HOFINGER, Dr. Roland MENSCHICK, LL.M., gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 10.08.2017, GZ.: BÄL235/2017/10082017-Mag.Sch/SB, betreffend Streichung aus der Ärzteliste beschlossen:

Gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG wird an den Verfassungsgerichtshof der ANTRAG gestellt, er wolle als verfassungswidrig aufheben:

§ 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 144/2009, und

in § 59 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 56/2015, die Wort- und Zeichenfolge "1 und" sowie

in § 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 56/2015, die Wort- und Zeichenfolge "1 und"

in eventu,

§ 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 144/2009, und

§ 59 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 56/2015, sowie

§ 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 56/2015,

in eventu,

§ 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, idF BGBl. I 144/2009.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit dem beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid vom 10.08.2017 verfügte der Präsident der Österreichischen Ärztekammer als zuständiges Organ gemäß § 59 Abs. 3 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998, in dem gemäß § 59 iVm § 4 Abs. 2 Z 2 ÄrzteG 1998 durchgeführten Verfahren zur Prüfung des Vorliegens der zur Erfüllung der Berufspflichten erforderlichen Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers die Streichung des Beschwerdeführers aus der Ärzteliste und sprach unter einem aus, dass der Beschwerdeführer nicht über die gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 ÄrzteG 1998 zur Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten erforderliche Vertrauenswürdigkeit verfüge und die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 ÄrzteG 1998 erloschen sei, eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes bis zu einem allfälligen neuerlichen Nachweis der gemäß § 4 ÄrzteG 1998 gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen und einer damit verbundenen neuerlichen Eintragung in die Ärzteliste nicht mehr bestehe und gemäß § 63 ÄrzteG 1998 der Ärzteausweis abzuliefern sei. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde aufgrund zwingender öffentlicher Interessen und bestehender Gefahr in Verzug gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen.

In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, unter anderem gegen den bescheidmäßigen Ausspruch der Behörde hinsichtlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG iVm § 64 Abs. 2 AVG. Die Beschwerde wurde in der Folge ergänzt.

2. Die Behörde sah von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte die Beschwerde mit den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

3.1. Aus Anlass der Behandlung der Revision gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.11.2016, Zl. W170 2140135-1/2E, mit dem dieses seine Zuständigkeit zur Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer betreffend Streichung aus der Ärzteliste verneint hatte, entstanden beim Verwaltungsgerichtshof u.a. Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des die Zuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer regelnden Bestimmung des ÄrzteG 1998. Der Verwaltungsgerichtshof stellte mit seinem Beschluss vom 22.06.2017, A 2017/0001-1 (Ro 2017/11/0003), gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, der dort zu G 177/2017 protokolliert wurde, er wolle folgende Teile des ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, als verfassungswidrig aufheben: in § 59 Abs. 3 Z. 1 (diese Bestimmung idF der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015) die Zeichenfolge "1 und" sowie in § 117c Abs. 1 Z. 6 (diese Bestimmung idF der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015) die Zeichenfolge "1 und".

3.2. Bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerde gegen den Bescheid des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom 10.08.2017 entstanden aus den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 22.06.2017, A 2017/0001-1 (Ro 2017/11/0003) dargelegten Gründen ebenfalls Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Teilen des ÄrzteG 1998. Das Bundesverwaltungsgericht richtete daher in der vorliegenden Beschwerdesache mit seinem auf Art. 140 Abs. 1 B-VG gestützten Antrag vom 07.09.2017, W108 2169205-1/2Z, an den Verfassungsgerichtshof ein gleichlautendes Begehren auf Aufhebung der Zeichenfolge "1 und" in § 59 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, idF der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 sowie der Zeichenfolge "1 und" in § 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169/1998, idF der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015, als verfassungswidrig, wobei es sich den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 22.06.2017, A 2017/0001-1 (Ro 2017/11/0003) anschloss. Dieser Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes wurde beim Verfassungsgerichtshof zu G 239/2017 protokolliert.

4. Mit Beschluss vom 27.06.2018, G 177/2017-22, G 200/2017-21, G 239/2017-22, G 246/2017-19, wies der Verfassungsgerichtshof die Anträge des Verwaltungsgerichtshofes u.a. zu G 177/2017 und des Bundesverwaltungsgerichtes u.a. zu G 239/2017, auf Aufhebung der Wort- und Zeichenfolge "1 und" in § 59 Abs. 3 Z 1 sowie der Wort- und Zeichenfolge "1 und" in § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998, BGBl. I 169/1998, jeweils idF BGBl. I 56/2015, zurück.

In seiner Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, die antragstellenden Gerichte hätten vor dem Hintergrund ihrer Bedenken auch § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 anzufechten gehabt, um den Verfassungsgerichtshof im Falle des Zutreffens der Bedenken in die Lage zu versetzen, darüber zu befinden, auf welche Weise die Verfassungswidrigkeit beseitigt werden könne. Die u.a. unter G 177/2017 und G 239/2017 jeweils gestellten Anträge erwiesen sich daher als zu eng und seien daher als unzulässig zurückzuweisen.

II. Rechtslage und Präjudizialität:

1. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:

Gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß u.a. Abs. 2 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Gemäß Art. 120b Abs. 2 B-VG können den Selbstverwaltungskörpern Aufgaben staatlicher Verwaltung übertragen werden. Die Gesetze haben derartige Angelegenheiten ausdrücklich als solche des übertragenen Wirkungsbereiches zu bezeichnen und eine Weisungsbindung gegenüber dem zuständigen obersten Verwaltungsorgan vorzusehen.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG erkennen, soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind. Sieht ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 3 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Streitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten der öffentlich Bediensteten des Bundes.

Gemäß Art. 131 Abs. 4 B-VG kann durch Bundesgesetz

1. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder vorgesehen werden: in Rechtssachen in den Angelegenheiten gemäß Abs. 2 und 3;

2. eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden:

a) in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (Art. 10 Abs. 1 Z 9 und Art. 11 Abs. 1 Z 7);

b) in sonstigen Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die nicht unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden, sowie in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3.

Bundesgesetze gemäß Z 1 und Z 2 lit. b dürfen nur mit Zustimmung der Länder kundgemacht werden.

Gemäß Art. 131 Abs. 5 B-VG kann durch Landesgesetz in Rechtssachen in den Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes vorgesehen werden. Art. 97 Abs. 2 gilt sinngemäß.

Gemäß Art. 131 Abs. 6 B-VG erkennen über Beschwerden in Rechtssachen, in denen ein Gesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vorsieht, die in dieser Angelegenheit gemäß den Abs. 1 bis 4 dieses Artikels zuständigen Verwaltungsgerichte. Ist gemäß dem ersten Satz keine Zuständigkeit gegeben, erkennen über solche Beschwerden die Verwaltungsgerichte der Länder.

Die Materialien zur B-VG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 2, (AB 370 Blg NR 23. GP, 5f), lauten (auszugsweise):

"Zu Art. 1 Z 22 [Art. 112 B-VG], Z 23 [Überschriften vor Art. 115 BVG], Z 24 [Abschnitt B des neuen fünften Hauptstückes des B-VG] und Z 25 [Überschriften vor den Art. 121, 129, 148a und Art. 149 B-VG]:

Basierend auf den Arbeiten des Österreich-Konvents (siehe dazu die Textvorschläge im Bericht des Österreich-Konvents, Teil 4A, 336 ff) werden die nichtterritoriale Selbstverwaltung sowie ihre wesentlichen Merkmale in der Bundesverfassung verankert. Als ‚Ort' der Verankerung wird ein neues fünftes Hauptstück vorgesehen, in dem die Bestimmungen über die Gemeinden und die neuen Bestimmungen über die sonstige Selbstverwaltung zusammengefasst werden. Dies ist auch deshalb systemkonform, weil die Ansiedelung der Gemeinden im Hauptstück über Gesetzgebung und Vollziehung der Länder durch die Einführung der Besorgung von Angelegenheiten (auch) der Bundesvollziehung im eigenen Wirkungsbereich und der damit einhergehenden Schaffung einer Gemeindeaufsicht des Bundes unzutreffend geworden ist.

Die Schaffung eines neuen Hauptstückes bedingt eine Nachnummerierung der folgenden Hauptstücke.

Art. 120a Abs. 1 stellt die Zulässigkeit der Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern klar.

Durch die Wendung ‚zusammengefasst werden' wird die obligatorische Mitgliedschaft als Strukturelement zum Ausdruck gebracht und somit die Abgrenzung von gesetzlich eingerichteten Selbstverwaltungskörpern zu freiwilligen Vereinigungen betont. Die konkrete Einrichtung und Ausgestaltung von Selbstverwaltungskörpern (dazu gehören insbesondere auch Fragen der Finanzierung, des jeweiligen Mitgliederumfanges und der organisatorischen Struktur) obliegt dem einfachen Gesetzgeber.

Art. 120a Abs. 2 hebt die besondere Bedeutung der Sozialpartner und des sozialpartnerschaftlichen Dialogs unter Einrichtung von Selbstverwaltungskörpern hervor. Diese Bestimmung orientiert sich am vorgesehenen Art. 136a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Art. 120b Abs. 1 verankert neben der Weisungsfreiheit ein gesetzesergänzendes Verordnungsrecht. Zu dem in Art. 120b Abs. 1 enthaltenen Aufsichtsrecht ist anzumerken, dass die Gebarungskontrolle des Rechnungshofes gegenüber den Trägern der Sozialversicherung sowie den gesetzlichen beruflichen Vertretungen unberührt bleibt. Das Aufsichtsrecht ist zur Wahrung der Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungskörper und der ihnen zukommenden autonomen Handlungsspielräume auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung eingeschränkt, doch kann in Sonderfällen in Abhängigkeit von der Art der wahrzunehmenden Aufgaben (vgl. § 449 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 145) - soweit erforderlich - auch eine Zweckmäßigkeitskontrolle vorgesehen werden. Dies ist aber bei gesetzlichen beruflichen Vertretungen in Hinblick auf ihre Aufgaben der Interessenvertretung ausgeschlossen (vgl. Korinek, Staatsrechtliche Grundlagen der Kammer-Selbstverwaltung, RdA 1991, 105). Art. 120b Abs. 2 sieht eine Bezeichnungspflicht für Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs vor; Art. 120b Abs. 3 regelt die grundsätzliche Zulässigkeit der Mitwirkung von Selbstverwaltungskörpern an der Vollziehung, wie sie derzeit insbesondere durch Nominierung von Organwaltern im Rahmen der Laiengerichtsbarkeit, von Kollegialbehörden oder im Rahmen verschiedener beratender Organe erfolgt.

In Art. 120c Abs. 1 wird im Hinblick auf die dem Selbstverwaltungsbegriff nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes innewohnende Befugnis zur Bestellung der eigenen Organe aus der Mitte der Verbandsangehörigen das Erfordernis der demokratischen Organkreation verankert; angemerkt wird, dass er es ermöglicht, jedes Mitglied des Selbstverwaltungskörpers - ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit - zum Organwalter zu bestellen.

Hinsichtlich der Finanzierung wird durch die Bestimmung des Art. 120c Abs. 2 gewährleistet, dass Selbstverwaltungskörper in die Lage versetzt sind, die ihnen zukommenden Aufgaben wahrzunehmen, wobei bei der Erfüllung der Aufgaben die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit einzuhalten sind. Eine Ausfallshaftung von Gebietskörperschaften ist damit nicht verbunden.

..."

Die Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 (RV 1618 Blg NR 24. GP, 15f), lauten (auszugsweise):

"Zu Art. 131:

Der vorgeschlagene Art. 130 hat die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte allgemein zum Inhalt; im vorgeschlagenen Art. 131 werden diese Zuständigkeiten auf die Verwaltungsgerichte nach dem Modell der Generalklausel (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder) mit taxativen Ausnahmen (Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte des Bundes) verteilt.

Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes gemäß dem vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 2 erster Satz knüpft daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 BVG) besorgt wird; dies unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 BVG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (siehe Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht:

Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2008], 29 [35 ff]). Eine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes besteht also auch dann, wenn die Vollziehung durch Bundesbehörden erfolgt, die gemäß Art. 102 Abs. 4 BVG mit Zustimmung der Länder für andere als die im Abs. 2 bezeichneten Angelegenheiten errichtet wurden.

Keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes besteht hingegen,

-

wenn mit der Vollziehung einer Angelegenheit gemäß Art. 102 Abs. 3 BVG der Landeshauptmann beauftragt ist;

-

wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, gemäß Art. 102 Abs. 1 zweiter Satz BVG in Unterordnung unter den Landeshauptmann Bundesbehörden mit der Vollziehung betraut sind;

-

wenn in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt wird, (ausnahmsweise) eine erst-und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesministers vorgesehen ist.

Andernfalls käme es nämlich in den beiden zuletzt genannten Fällen zu einer zwischen dem Verwaltungsgericht des Landes und dem Verwaltungsgericht des Bundes nach organisatorischen Kriterien geteilten Zuständigkeit in ein und derselben (kompetenzrechtlichen) Angelegenheit, was dem Gedanken widerspräche, alle Rechtssachen in einer Angelegenheit aus verfahrensökonomischen Gründen bei ein und demselben Gericht zu konzentrieren.

Da auf die Vollziehung von Angelegenheiten in unmittelbarer Bundesverwaltung abgestellt wird, fallen nach der Generalklausel des vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 1 auch Angelegenheiten, die weder in unmittelbarer noch in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder; dies ist etwa bei der Sicherheitsverwaltung, dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers (siehe Wiederin, aaO, 36) oder in den (seltenen) Konstellationen der Fall, in denen auf Grund besonderer verfassungsgesetzlicher Ermächtigung im Bereich der Vollziehung des Landes eingerichtete Rechtsträger (zB Landwirtschaftskammern) mit der Vollziehung des Bundes betraut sind.

Sieht ein Bundesgesetz gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 eine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte vor, soll das Verwaltungsgericht des Bundes nach dem vorgeschlagenen Art. 131 Abs. 2 zweiter Satz jedenfalls für die Entscheidung über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständig sein, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 in Vollziehung Bundessache sind.

..."

2. Die Entwicklung der einschlägigen Bestimmungen des Ärztegesetzes, BGBl. Nr. 92/1949 (im Folgenden: Ärztegesetz 1949), bis zum ÄrzteG 1998 (s. VwGH 22.06.2017, A 2017/0001-1 [Ro 2017/11/0003]):

Bereits das Ärztegesetz 1949 machte die Ausübung des ärztlichen Berufes von der Eintragung in die Ärzteliste (der zuständigen Ärztekammer) abhängig (§ 2 lit. e). Erfüllte der Bewerber die gesetzlichen Eintragungserfordernisse, so hatte ihn die zuständige Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihm einen Ärzteausweis auszustellen (§ 23 Abs. 2). Erfüllte der Bewerber nicht die gesetzlichen Eintragungserfordernisse, hatte die Ärztekammer die Eintragung durch Bescheid zu versagen. Dagegen stand die Berufung an den zuständigen Landeshauptmann offen (§ 23 Abs. 3). Kam ein ursprünglich bestandener Mangel der Eintragungserfordernisse nachträglich hervor, hatte die Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste zu verfügen und durch Bescheid festzustellen, dass eine Berechtigung zur Berufsausübung nicht bestanden hatte. Auch dagegen war Berufung an den zuständigen Landeshauptmann zulässig (§ 23 Abs. 8). Darüber hinaus war unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung ex lege vorgesehen (§ 15 Abs. 1), diese Gründe waren von der Ärztekammer von Amts wegen wahrzunehmen (§ 15 Abs. 3). Dazu war die Streichung aus der Ärzteliste vorzunehmen (§ 15 Abs. 4) und der Ärzteausweis einzuziehen (§ 19).

Nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg 4413/1963 die Zuständigkeiten der (Landes)Ärztekammern bezüglich der Führung der Ärzteliste wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Trennung der Vollzugsbereiche aufgehoben hatte (vgl. die Kundmachung BGBl. Nr. 100/1963), erfolgte mit der Ärztegesetznovelle 1964, BGBl. Nr. 50, eine Neufassung der einschlägigen Bestimmungen:

Die ärztliche Berufsausübung hing weiterhin von der Eintragung in die Ärzteliste ab (§ 2 Abs. 1), die aber nunmehr von der Österreichischen Ärztekammer zu führen war (§ 2i Abs. 1). Erfüllte der Bewerber nicht die gesetzlichen Eintragungserfordernisse, hatte die Österreichische Ärztekammer die Eintragung durch Bescheid zu versagen (§ 2i Abs. 4). Dagegen stand die Berufung an den zuständigen Landeshauptmann offen (§ 2i Abs. 6). Kam ein ursprünglich bestandener Mangel der Eintragungserfordernisse nachträglich hervor, hatte die Österreichische Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste zu verfügen und durch Bescheid festzustellen, dass eine Berechtigung zur Berufsausübung nicht bestanden hatte. Auch dagegen war Berufung an den zuständigen Landeshauptmann zulässig (§ 2i Abs. 9). Darüber hinaus war weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung ex lege vorgesehen (§ 15 Abs. 1), diese Gründe waren von der Österreichischen Ärztekammer von Amts wegen wahrzunehmen (§ 15 Abs. 4). Dazu war die Streichung aus der Ärzteliste vorzunehmen (§ 15 Abs. 5) und der Ärzteausweis einzuziehen (§ 19).

Im Wesentlichen unverändert blieben die dargestellten einschlägigen Bestimmungen auch zunächst bis zum Inkrafttreten der BVG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, mit der Art. 102 Abs. 1 BVG neu gefasst wurde, sowie danach bis zur Wiederverlautbarung des Ärztegesetzes 1949 als Ärztegesetz 1984 mit der Kundmachung BGBl. Nr. 373/1984, in der ihre Paragraphenbezeichnung angepasst wurde. Sie fanden sich nunmehr in den §§ 3, 11, 32 und 36 des Ärztegesetzes 1984.

Mit der Novelle BGBl. Nr. 314/1987 wurden die Bestimmungen über die Aufnahme in die und die Streichung aus der Ärzteliste neu gefasst:

Erfüllte der Bewerber nicht die gesetzlichen Eintragungserfordernisse, hatte die Österreichische Ärztekammer die Eintragung durch Bescheid zu versagen (§ 11 Abs. 4). Dagegen stand die Berufung an den zuständigen Landeshauptmann offen (§ 11 Abs. 6). Weiterhin war unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen der Berechtigung zur Berufsausübung ex lege vorgesehen (§ 32 Abs. 1), diese Gründe waren von der Österreichischen Ärztekammer von Amts wegen wahrzunehmen (§ 32 Abs. 3). Erstmals war vorgesehen, dass die Österreichische Ärztekammer neben der Durchführung der Streichung aus der Ärzteliste durch Bescheid festzustellen hatte, dass die Berechtigung zur Berufsausübung nicht besteht. Gegen diesen Bescheid stand die Berufung an den Landeshauptmann offen (§ 32 Abs. 4). Kam ein ursprünglich bestandener Mangel der Eintragungserfordernisse nachträglich hervor, hatte die Österreichische Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste zu verfügen und durch Bescheid festzustellen, dass eine Berechtigung zur Berufsausübung nicht bestanden hatte. Auch dagegen war Berufung an den zuständigen Landeshauptmann zulässig (§ 32 Abs. 4).

Zu dieser Novelle wurde, soweit ersichtlich, eine Zustimmung der Länder nicht erteilt (Auskunft des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 9. Mai 2017).

An dieser Rechtslage änderte auch die letzte Novelle des Ärztegesetzes 1984 vor der Erlassung des ÄrzteG 1998, nämlich die Novelle BGBl. Nr. 100/1994, nichts Wesentliches. Rechtsmittelbehörde für Berufungen gegen Bescheide der österreichischen Ärztekammer blieb der zuständige Landeshauptmann (§ 11b und § 32 Abs. 3).

Entwicklung ab der Stammfassung des ÄrzteG 1998:

Die Stammfassung des ÄrzteG 1998, BGBl. Nr. 169, übernahm im Wesentlichen, was die Führung der Ärzteliste, die Eintragung in dieselbe und die Streichung aus ihr anlangt, das dargestellte System des Ärztegesetzes 1984. Rechtsmittelbehörde für Berufungen gegen Bescheide der Österreichischen Ärztekammer blieb der zuständige Landeshauptmann (§ 28 und § 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998).

Noch in seiner Fassung vor der 13. ÄrztegesetzNovelle, BGBl. I Nr 144/2009, sah das ÄrzteG 1998 in § 59 Abs. 3 vor, dass bei Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes durch Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung (§ 59 Abs. 1 Z. 1 ÄrzteG 1998) der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die Streichung aus der Ärzteliste durchzuführen und mit Bescheid festzustellen hatte, dass eine Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht besteht. Gegen den Bescheid war ausdrücklich die Berufung an den Landeshauptmann eröffnet, in dessen Bereich die ärztliche Tätigkeit ausgeübt worden ist (§ 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998).

Mit der 13. Ärztegesetz-Novelle entfiel in § 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 die Möglichkeit einer Berufung an den Landeshauptmann. Unter einem wurde in § 117b Abs. 1 ÄrzteG 1998 die Führung von Verfahren zur Eintragung in die Ärzteliste und zur Austragung aus der Ärzteliste, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, ausdrücklich zu einer Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer erklärt (Z. 18). In § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 wurde schließlich - in Umsetzung der Vorgabe des Art. 120b Abs. 2 B-VG (vgl. die RV 467 Blg NR 24. GP, 11) - angeordnet, dass die Österreichische Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich an die Weisungen des zuständigen Bundesministers gebunden sei.

Mit Erkenntnis VfSlg 19.885/2014 hob der Verfassungsgerichtshof mehrere Bestimmungen des ÄrzteG 1998 idF. der 13. ÄrztegesetzNovelle, darunter auch Teile des § 117b Abs. 1 Z. 18, als verfassungswidrig auf (vgl. die Kundmachung des Bundeskanzlers BGBl. I Nr. 49/2014). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die Entscheidung über die Eintragung in die Ärzteliste nicht dem eigenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer zugewiesen werden dürfe.

In Reaktion auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde mit der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 - ua. - einerseits § 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998 neu gefasst, andererseits ausdrücklich die Durchführung von Verfahren zur Eintragung in die bzw. zur Austragung aus der Ärzteliste dem übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer zugewiesen (§ 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998).

Die Materialien (1029/A 25. GP, 3; AB 532 Blg NR 25. GP, 1) führen dazu lapidar aus:

"...

Zu Z 4, 7, 8, 9 und 11 (§ 27 Abs. 10, § 59 Abs. 3, § 117b Abs. 1 Z 18, § 117c

Abs. 1 Z 5, 6 und 7 sowie § 125 Abs. 4):

Durch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs, kundgemacht in BGBl. I Nr. 49/2014 und BGBl. I Nr. 50/2014, und die damit einhergehende Aufhebung bestimmter Regelungen bzw. Wortfolgen im Zusammenhang mit der Eintragung in die und der Austragung aus der Ärzteliste sind legistische Anpassungen im ÄrzteG 1998 notwendig. Ausgehend vom Wortlaut des Verfassungsgerichtshofs sieht der Entwurf nunmehr vor, dass Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse für die Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste nicht mehr im eigenen Wirkungsbereich, sondern im übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer durchzuführen sind. § 117b Abs. 1 Z 18 wird daher in adaptierter Form in die Regelung des übertragenen Wirkungsbereichs in § 177c Abs. 1 in der Fassung des Entwurfs aufgenommen.

..."

Weder zur 13. Ärztegesetz-Novelle noch zur Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 wurde - einer Auskunft des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 2. März 2017 zufolge - eine Zustimmung der Länder erteilt.

Das ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169, lautet idgF - für den vorliegenden Beschwerdefall maßgebend - (auszugsweise; die angefochtenen Teile laut Hauptantrag sind fettgedruckt):

"Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung, Streichung aus

der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen

Voraussetzung,

...

(3) Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 117b Abs. 1 oder § 117c Abs. 1

1. in den Fällen des Abs. 1 Z 1 und 5 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

...

Übertragener Wirkungsbereich

§ 117c. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:

...

6. Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß § 4 Abs. 2 oder § 59 Abs. 1 Z 1 und 2 für die damit verbundene Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste,

...

Weisungsrecht gegenüber der Österreichischen Ärztekammer

§ 195f. (1) Die Österreichische Ärztekammer sowie Dritte, derer sich die Österreichische Ärztekammer zur Aufgabenerfüllung bedient, sind im übertragenen Wirkungsbereich bei der Vollziehung der Angelegenheiten einschließlich der Erlassung von Verordnungen an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden.

..."

§ 59 Abs. 3 Z. 1 und § 117c Abs. 1 Z. 6 ÄrzteG 1998 erhielten ihren Wortlaut mit BGBl. I 56/2015, § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 wurde mit BGBl. I 144/2009 eingefügt.

3. Das Bundesverwaltungsgericht geht aus folgenden Erwägungen davon aus, dass es aus Anlass der Behandlung der vorliegenden Beschwerde die angefochtenen Teile des ÄrzteG 1998 anzuwenden hat (vgl. VwGH 22.06.2017, A 2017/0001-1 [Ro 2017/11/0003]):

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschwerdefall zunächst seine Zuständigkeit zu beurteilen.

Art. 131 B-VG sieht eine Aufteilung der (sachlichen) Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte in Form von Generalklauseln zugunsten der Landesverwaltungsgerichte (Abs. 1 und 6 leg. cit.) iVm. einer taxativen Aufzählung jener Angelegenheiten, über die die Verwaltungsgerichte des Bundes entscheiden (Abs. 2 und 3 leg. cit.), vor. Gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig "in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden". Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes knüpft also, wie die Wortwahl zeigt, daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung im Sinne des Art. 102 Abs. 2 B-VG erledigt wird.

Die Besonderheit des Beschwerdefalls liegt darin, dass die belangte Behörde keine Bundesbehörde im organisatorischen Sinn ist. Sie ist ein Organ eines im Vollziehungsbereich des Bundes nach Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG ("Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet") eingerichteten Selbstverwaltungskörpers, dem der Bundesgesetzgeber, gestützt (nunmehr:) auf Art. 120b Abs. 2 B-VG, Aufgaben staatlicher Verwaltung übertragen hat, vorliegendenfalls die Entscheidung gemäß § 59 Abs. 3 Z. 1 ÄrzteG 1998 über die Streichung aus der Ärzteliste und über das Nichtbestehen der ärztlichen Berufsberechtigung. Eine solche Entscheidung hat die belangte Behörde mit dem durch Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheid vom 10.08.2017 getroffen.

Entscheidend ist daher, ob die Besorgung der in Rede stehenden Angelegenheit - Streichung aus der Ärzteliste - durch die belangte Behörde als solche unmittelbar durch eine Bundesbehörde iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG zu qualifizieren ist und gegebenenfalls unmittelbare Bundesverwaltung vorliegt.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis VfSlg 19.953/2015 die Auffassung, dass ein Fall der unmittelbaren Bundesverwaltung nicht vorliegen könnte, wenn ein Organ eines anderen Rechtsträgers als des Bundes tätig wird (vgl. Mayer/Muzak, B-VG5 [2015] Art. 131 B-VG I.2; Höllbacher, Unmittelbare Bundesverwaltung [2013] 80f), ausdrücklich abgelehnt, und zwar vor allem mit dem Argument, die von ihm abgelehnte Auffassung übersähe, dass die Tätigkeit von Organen solcher Rechtsträger dann auch der mittelbaren Bundesverwaltung und damit der Bundesverwaltung überhaupt nicht zurechenbar wären. Dass die Verfassung eine Vollzugstätigkeit für den Bund durch solche Rechtsträger schlechthin ausschließe, sei ihr aber nicht zu unterstellen (Hinweis auf Wiederin, Das Bundesverwaltungsgericht: Zuständigkeiten und Aufgabenbesorgung, in Holoubek/Lang [Hrsg.], Die Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013], 41f). Solche "bundesnahen Organe" (auch diesbezüglich Hinweis auf Wiederin, aaO. 42) seien daher nach den sie einrichtenden Rechtsgrundlagen der unmittelbaren Bundesverwaltung (und in der Folge der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes) oder der mittelbaren Bundesverwaltung (und damit der Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte) zuzuordnen.

Als Organe eines anderen Rechtsträgers als des Bundes iSd. bisherigen Ausführungen kommen jedenfalls im Vollziehungsbereich des Bundes eingerichtete (vgl. das Erkenntnis VfSlg 4413/1963) nichtgemeindliche Selbstverwaltungskörper ("Sonstige Selbstverwaltung" gemäß Art. 120a ff B-VG) in Betracht (vgl. hiezu auch die Erkenntnisse VfSlg 2500/1953 und 8478/1979). Gemäß Art. 120b Abs. 2 B-VG (eingefügt durch die B-VG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 2) können solchen Selbstverwaltungskörpern Aufgaben staatlicher Verwaltung übertragen werden, wobei die Gesetze einerseits derartige Angelegenheiten als solche des übertragenen Wirkungsbereiches zu bezeichnen und andererseits eine Weisungsbindung gegenüber dem zuständigen obersten Verwaltungsorgan vorzusehen haben.

Aus der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes folgt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes, dass die hoheitliche Besorgung (etwa durch Erlassung von Bescheiden) von Aufgaben der Bundesvollziehung durch Organe eines nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers grundsätzlich auch in einer Weise in Betracht kommt, die als Besorgung "unmittelbar durch Bundesbehörden" iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG zu verstehen ist. Eine solche läge dann vor, wenn die hoheitliche Besorgung von Aufgaben der Bundesvollziehung durch das Organ eines nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers ohne Einbindung des Landeshauptmanns, mithin in unmittelbarer Bundesverwaltung erfolgte. Dar Bundesverwaltungsgericht legt seinen weiteren Ausführungen weiters die Annahme zugrunde, dass der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (die belangte Behörde) im Hinblick auf die Errichtung derselben durch Bundesgesetz im Vollzugsbereich des Bundes und die Aufsichtsbefugnisse des zuständigen Bundesministers über die Österreichische Ärztekammer als "bundesnahe" Einrichtung im Verständnis der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 19.953/2015) anzusehen ist.

Ob der Bundesgesetzgeber im zu beurteilenden Einzelfall die Besorgung einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes "unmittelbar durch Bundesbehörden" vorgesehen hat, ergibt sich aus der Stellung des Landeshauptmannes. Kommt dem Landeshauptmann eine Weisungs- bzw. Steuerungsbefugnis gegenüber den Organen des Selbstverwaltungskörpers zu - mit dieser Stellung ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes auch diejenige einer sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde iSd. § 68 AVG verbunden - , so ist davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber keine Besorgung "unmittelbar durch Bundesbehörden" vorgesehen hat. Die umschriebene Weisungs- bzw. Steuerungsbefugnis des Landeshauptmanns, verbunden mit der Stellung als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, ist als Rest derjenigen Stellung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu verstehen, die dem Landeshauptmann vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nach Art. 102 B-VG aF zukam. Kommt dem Landeshauptmann hingegen keine Weisungsbefugnis gegenüber den Organen des Selbstverwaltungskörpers zu, ist vielmehr das zuständige Organ des Selbstverwaltungskörpers dem Bundesminister unmittelbar, also ohne Einbindung des Landeshauptmanns, unterstellt, so wäre davon auszugehen, dass der Bundesgesetzgeber eine Besorgung unmittelbar durch Bundesorgane vorgesehen hat (vgl. in diesem Sinne auch Wiederin, aaO. 42, und Faber, Verwaltungsgerichtsbarkeit [2013] 59, Rz 18).

Um beurteilen zu können, ob der Bundesgesetzgeber in der dem Beschwerdefall zugrunde liegenden Angelegenheit (Streichung aus der Ärzteliste wegen Wegfalls einer Voraussetzung für die Berufsberechtigung und bescheidmäßiger Abspruch über das Nichtbestehen derselben sowie bescheidmäßiger Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG) eine Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung vorgesehen hat, woraus sich nach Art. 131 Abs. 2 B-VG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ergäbe, hat das Bundesverwaltungsgericht die angefochtenen Teile des ÄrzteG 1998, §§ 59 Abs. 3, 117c Abs. 1 und 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998, anzuwenden. Diese Bestimmungen sind daher präjudiziell im Sinne des Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG.

Weder § 59 Abs. 3 noch eine andere Bestimmung des ÄrzteG 1998 deutet darauf hin, dass der Bundesgesetzgeber - nach Aufhebung einzelner Teile des ÄrzteG 1998 mit dem erwähnten Erkenntnis VfSlg 19.885/2014 - mit der durch die Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 herbeigeführten Neufassung des § 59 ÄrzteG 1998 und der unter einem erfolgten Zuweisung der in Rede stehenden Aufgaben der Österreichischen Ärztekammer (Entscheidung über die Aufnahme in die Ärzteliste und über die Streichung aus dieser nebst Ausspruchs über das Nichtbestehen der Berufsberechtigung) in deren übertragenen Wirkungsbereich anderes als eine unmittelbare Unterordnung der Österreichischen Ärztekammer unter den Bundesminister verwirklichen wollte. Der Landeshauptmann wird im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Aufgaben der Österreichischen Ärztekammer, wie schon seit der Ärztegesetz-Novelle, nicht erwähnt. Bei Besorgung von Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs ist gemäß § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 eine ausdrückliche Weisungsbindung nur gegenüber dem Bundesminister angeordnet.

Auf der Grundlage dieses einfachgesetzlichen Auslegungsergebnisses wäre davon auszugehen, dass eine Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden im Sinn des Art. 131 Abs. 2 B-VG vorgesehen ist und folglich eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde des Beschwerdeführers - gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG - gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 10.08.2017 - gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG - besteht (vgl. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.06.2017, A 2017/0001-1 [Ro 2017/11/0003]).

III. Verfassungsrechtliche Bedenken und Anfechtungsumfang:

1. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 22.06.2017, A 2017/0001-1 (Ro 2017/11/0003), bestehen bei Zutreffen dieses Auslegungsergebnisses folgende verfassungsrechtliche Bedenken (Rz 43 - 61 des genannten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes):

"V.1. Aus dem Umstand, dass der Bundesgesetzgeber nach Maßgabe des

Art. 120b Abs. 2 B- VG Organe eines nichtgemeindlichen

Selbstverwaltungskörpers in dessen übertragenem Wirkungsbereich zur

Vollziehung von Bundesgesetzen berufen darf, folgt nicht, dass er dabei nicht

die durch Art. 102 B-VG gezogenen Grenzen zu beachten hätte.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zur Rechtslage vor der

Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zum Ausdruck gebracht, dass bei

Betrauung eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich

des Bundes mit der Erlassung von Bescheiden die durch Art. 102 Abs. 1 B-VG

umschriebene Stellung des Landeshauptmanns als Träger der mittelbaren

Bundesverwaltung nur gewahrt ist, wenn dieser gegen die Entscheidungen von

Organen der genannten Selbstverwaltungskörper als Rechtsmittelinstanz

vorgesehen ist und ihm jenen gegenüber eine Weisungsbefugnis zukommt

(vgl. die Erkenntnisse VfSlg 2500/1953, 2978/1956 und 8478/1979). Da seit

der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eine Zuständigkeit des

Landeshauptmanns als Rechtsmittelinstanz nicht mehr in Betracht kommt, ist

nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass den

Anforderungen des Art. 102 BVG bei Betrauung von Organen eines

Selbstverwaltungskörpers im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes mit

Angelegenheiten der Bundesvollziehung nur entsprochen wird, wenn dem

Landeshauptmann eine ausreichende Weisungs- bzw. Steuerungsbefugnis

gegenüber den Selbstverwaltungsorganen zukommt.

Die Betrauung von Organen eines Selbstverwaltungskörpers im übertragenen

Wirkungsbereich des Bundes mit der Erlassung von Bescheiden in einer

Angelegenheit der Bundesvollziehung unter Ausschluss einer Weisungs-

bzw. Steuerungsbefugnis des Landeshauptmanns, mithin ohne Einbindung des

Landeshauptmanns in die Vollziehung dieser Angelegenheit, - woraus sich

nach den bisherigen Ausführungen eine Zuständigkeit des

Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über Beschwerden gegen solche

Bescheide ergibt - dürfte folglich nur dann zulässig sein, wenn die

Angelegenheit der Bundesvollziehung nach Art. 102 Abs. 2 BVG oder einer

anderen bundesverfassungsgesetzlichen Bestimmung unmittelbar von

Bundesbehörden besorgt werden darf oder die Länder der Besorgung

unmittelbar durch Bundesbehörden nach Art. 102 Abs. 4 B-VG zugestimmt

haben (vgl. zum Erfordernis einer solchen Zustimmung bei sonstiger

Verfassungswidrigkeit zB. die Erkenntnisse VfSlg 8466/1978 zu den

Befugnissen der Lebensmitteluntersuchungsanstalten des Bundes und

VfSlg 19.123/2010 zum Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetz in

Bezug auf die Betrauung eines als eigene Bundesbehörde qualifizierten

Arbeitsauschusses für externe Qualitätsprüfungen).

Der Verwaltungsgerichtshof übersieht nun nicht, dass eine implizite

Ermächtigung für eine Betrauung von Organen eines Selbstverwaltungskörpers

im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes in der durch die

B-VG-Novelle 2008, BGBl. I Nr. 2, eingefügten Bestimmung des Art. 120b

Abs. 2 B-VG erblickt werden könnte. Diese Bestimmung scheint

zumindest lege non distinguente schlechthin eine Übertragung von Aufgaben

staatlicher Verwaltung an Selbstverwaltungskörper zu erlauben, sie enthält

keinen Bezug auf Art.102 B-VG. Auch den ... wiedergegebenen

Materialien ist ein Bezug auf Art. 102 B-VG nicht zu entnehmen. Es lässt sich

daher die Auffassung vertreten, der Verfassungsgesetzgeber habe mit Art. 120b

Abs. 2 B-VG eine Ermächtigung für eine weitere Form unmittelbarer

Bundesverwaltung abseits des Art. 102 Abs. 2 B-VG geschaffen, unabhängig

davon, ob es sich um eine in Art. 102 Abs. 2 B-VG (oder allenfalls einer

anderen Verfassungsbestimmung) angeführte Angelegenheit handelt (so auch

in der Literatur Höllbacher, Unmittelbare Bundesverwaltung [2013] 66f, der

Art. 120b Abs. 2 B-VG als lex specialis zu Art. 102 B-VG deutet.).

Der Verwaltungsgerichtshof hält diese mögliche Auslegung des Art. 120b

Abs. 2 B-VG als lex specialis zu Art. 102 B-VG allerdings nicht für

überzeugend. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Judikatur

unmissverständlich die Bedeutung der mittelbaren Bundesverwaltung und die

ihr immanente Stellung des Landeshauptmanns in der Bundesvollziehung zum

Ausdruck gebracht. Das gilt nicht nur für die ältere Judikatur (vgl. zB.

VfSlg 2264/1952, 2500/1953 und 2978/1956), sondern auch für die Judikatur

nach der B-VG-Novelle 1974, BGBl. Nr. 444, die mit der Neufassung des

Art. 102 Abs. 1 B-VG eine noch stärkere Absicherung

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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