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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z23;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0295 Ra 2018/19/0298 Ra 2018/19/0297 Ra 2018/19/0296Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache 1. der G K, 2. des K M,
3. der A M, 4. der A M, 5. des B M, alle vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 5. April 2018, W233 2130484-2/2E, W233 2130473-2/2E, W233 2130475-2/2E, W233 2130479-2/2E und W233 2130482-2/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige von Kasachstan. Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet und die Eltern der minderjährigen dritt- bis fünftrevisionswerbenden Parteien.
2 Die revisionswerbenden Parteien stellten erstmals am 9. Juni 2015 bzw. (hinsichtlich der Viertrevisionswerberin) am 14. Jänner 2016 Anträge auf internationalen Schutz. Zu ihren Fluchtgründen gaben sie an, die Erstrevisionswerberin habe bei ihrer Tätigkeit als Zollbeamtin einen Korruptionsfall aufgedeckt. Der Leiter ihrer Dienststelle, der selbst in die Korruption verwickelt gewesen sei, sei jedoch ein guter Bekannter des Leiters des kasachischen nationalen Sicherheitsdienstes. Es sei daher in Reaktion auf die Aufdeckung der Korruption ein Strafverfahren gegen die Erstrevisionswerberin selbst eingeleitet worden. Im Zuge des nunmehr geführten Strafverfahrens werde die Erstrevisionswerberin in Kasachstan gesucht, wobei sie auch bereits eine - im Verfahren vorgelegte - Ladung zur Einvernahme erhalten habe. Die weiteren revisionswerbenden Parteien brachten keine eigenen Fluchtgründe vor.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies die Anträge der revisionswerbenden Parteien mit Bescheiden vom 17. Juni 2016 zur Gänze ab und erließ Rückkehrentscheidungen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 4. September 2017 als unbegründet ab. Das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien erachtete das BVwG mit näherer Begründung nicht als glaubhaft.
4 Am 2. Jänner 2018 stellten die revisionswerbenden Parteien Folgeanträge auf internationalen Schutz. Sie wiederholten die Fluchtgründe aus dem Vorverfahren und brachten vor, die Erstrevisionswerberin habe in dem gegen sie in Kasachstan geführten Strafverfahren eine weitere - in der Folge im Verfahren vorgelegte - Ladung zu einer Einvernahme für den 27. Oktober 2017 erhalten.
5 Mit Bescheiden vom 27. Februar 2018 wies das BFA - nach Zulassung der Verfahren - die Anträge gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ neuerlich Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Kasachstan zulässig sei und keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
6 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es das BVwG unterlassen habe, das erst nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens entstandene und nunmehr vorgelegte Beweismittel - nämlich eine Ladung der Erstrevisionswerberin zu einer Einvernahme - "hinsichtlich ihrer neuen Sachverhaltselemente objektiv und durch fachmännische Begutachtung überprüfen zu lassen".
11 Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143, mwN).
12 Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es dem folgend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0187, mwN). Diese Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen (vgl. VwGH 24.6.2014, Ra 2014/19/0018).
13 Das BVwG legte der Bestätigung der Zurückweisung der neuerlichen Asylanträge der revisionswerbenden Parteien einzelfallbezogen vertretbar zu Grunde, dass von den revisionswerbenden Parteien keine wesentliche Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes dargelegt worden sei. Dem vermag auch die Revision nicht entgegen zu treten. Davon ausgehend bedurfte es aber keiner Auseinandersetzung mit dem zum Nachweis des Vorbringens vorgelegten Beweismittel (vgl. zur Abgrenzung eines neuen Antrages von einem hier unstrittig nicht gestellten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG VwGH 8.9.2015, Ra 2014/18/0089; 13.9.2016, Ra 2015/01/0256).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Wien, am 2. August 2018
Schlagworte
Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018190294.L00Im RIS seit
27.08.2018Zuletzt aktualisiert am
31.01.2019