Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Hans Widerin, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1.) R*****, 2.) V*****, beide vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 963.391 S sA, Revisionsinteresse der klagenden Partei 375.574,33 S sA, der beklagten Parteien 584.558,67 S sA, infolge Revision der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. November 1983, GZ 1 R 260/83-21, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Juni 1983, GZ 14 Cg 424/82-15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger an Kosten des Revisionsverfahrens 2.781,13 S (darin an Barauslagen 200 S, an Umsatzsteuer 233,70 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 10. 8. 1981 ereignete sich auf der Tiroler Straße B 171 im Gemeindegebiet von ***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem LKW-Zug mit dem behördlichen Kennzeichen N ***** (Zugfahrzeug) und N ***** (Anhänger) und die entgegenkommende Erstbeklagte mit ihrem PKW V *****, welches Fahrzeug bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, beteiligt waren. Durch den Unfall entstand dem Kläger beträchtlicher Sachschaden. Die Erstbeklagte erlitt ua einen der Höhe nach strittigen Kleiderschaden von 1.590 S.
Der Kläger begehrte von den Beklagten die Zahlung von 963.391 S sA mit der Begründung, dass dieses Schadensereignis ausschließlich auf das Verschulden der Erstbeklagten zurückzuführen sei. Die Erstbeklagte sei mit ihrem PKW im Bereich einer Linkskurve aus Unaufmerksamkeit über die Fahrbahnmitte auf seine Fahrbahnhälfte geraten und dort gegen den Zugwagen des Klägers gestoßen. Der LKW-Zug sei ins Schleudern gekommen, über den linken Fahrbahnrand hinausgelangt und umgekippt.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Den Kläger treffe ein erhebliches Mitverschulden an diesem Unfall. Er habe eine Fahrgeschwindigkeit von nahezu 50 km/h eingehalten und die im Unfallsbereich erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h beträchtlich überschritten. Er sei überdies nicht ordnungsgemäß rechts gefahren, sondern habe sich mit dem LKW-Zug im Bereich der Fahrbahnmitte gehalten. Überdies habe er sein Fahrzeug unnötigerweise verrissen, wodurch der Lastwagenzug ins Schleudern und in weiterer Folge über den Fahrbahnrand geraten sei. Der Kläger habe auch nicht über eine für das Lenken eines solchen Fahrzeugs erforderliche Lenkerbefugnis verfügt, was Mitursache für das Verhalten des Klägers und des Schadenseintritts gewesen sei. Das Ladegewicht des mitgeführten Frachtguts habe die Höchstzulässigkeitsgrenze überschritten, welche Pflichtverletzung ebenfalls zum Schadenseintritt beigetragen habe. Der Kleiderschaden von 1.590 S werde aufrechnungsweise gegen die Klageforderung eingewendet.
Das Erstgericht stellte die Forderung des Klägers mit 960.133 S als zu Recht und die eingewendete Gegenforderung von 1.590 S als nicht zu Recht bestehend fest. Es verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 960.133 S sA und wies das Mehrbegehren von 3.258 S sA ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass es die Klageforderung nur mit 585.088,67 S, die Gegenforderung mit 530 S als zu Recht bestehend feststellte, dem Kläger 584.558,67 S sA zusprach und das Mehrbegehren von 378.832,33 S sA abwies.
Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richten sich die Revision des Klägers und der Beklagten je aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird. Die Beklagten stellen ihren Abänderungsantrag dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werden möge.
In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Im Unfallsbereich beschreibt die durchschnittlich 8 m breite Fahrbahn aus Richtung ***** nach einer geraden Strecke eine leichte, jedoch weithin übersichtliche Linkskurve. Zur Unfallszeit war die Fahrbahn mit einem ebenen Bitumenbelag versehen. Sie war im Unfallsbereich beiderseits durch weiße Randlinien begrenzt. Die Richtungsfahrbahnen waren durch eine in der Fahrbahnmitte verlaufende Leitlinie getrennt. Zur Unfallszeit (5:10 Uhr) war es noch dunkel und dunstig. Die Fahrbahn war regennass. Die Unfallstelle lag im Bereich einer Baustelle im Zuge der Errichtung der Inntal-Autobahn A 12. Die bauausführende Firma ***** hatte im Jahre 1980 die Errichtung einer Baubrücke über die Tiroler Straße B 171 beabsichtigt und am 8. 2. 1980 bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck zur Durchführung von Bauarbeiten zwecks Errichtung dieser Baubrücke, zur zeitweisen Sperre einer Fahrbahnhälfte, sowie zur allenfalls erforderlichen Gesamtsperre der Straße zwecks Erstellung der Widerlager der Baubrücke die straßenpolizeiliche Genehmigung zur Aufstellung verschiedentlicher Verkehrszeichen erwirkt. Alle Verkehrsbeschränkungen mussten außerhalb der Arbeitszeit abgedeckt werden. Ein aufgrund des genannten Bewilligungsbescheids ca 17 m vor der Zusammenstoßstelle (in Fahrtrichtung des Klägers gesehen) aufgestelltes Geschwindigkeitsbeschränkungszeichen („30 km/h“) verblieb jedoch auch nach Beendigung der Bauarbeiten zur Errichtung der Baubrücke stehen. Desgleichen war eine wesentlich der Unfallstelle aufgestellte Geschwindigkeitsbeschränkungstafel mit einer angezeigten erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h bis zur Unfallszeit stehengeblieben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass für den Unfallsbereich noch zur Unfallszeit eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h durch die Behörde verfügt oder einem Bauführer gemäß § 90 StVO eine derartige Verkehrsregelung bewilligt worden wäre.
Der Kläger hielt bei der Annäherung an die spätere Zusammenstoßstelle eine Fahrgeschwindigkeit von etwa 45 km/h und eine Fahrlinie nahe dem rechten Fahrbahnrand ein. Die im Unfallsbereich vorhandene Beschilderung einer Geschwindigkeitsbeschränkung war dem Kläger von früheren Fahrten her bekannt. Er hatte an seinem Fahrzeug das Abblendlicht eingeschaltet. Der Kläger nahm schon aus größerer Entfernung den entgegenkommenden PKW der Erstbeklagten wahr. Dieses Fahrzeug fuhr vorerst unauffällig mit einer Fahrgeschwindigkeit von ca 60 km/h ordnungsgemäß rechts. Kurz vor der Begegnung geriet der PKW mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer der Erstbeklagten unterlaufenen Unaufmerksamkeit über die Fahrbahnmitte auf die vom Kläger befahrene Fahrbahnhälfte. Das geschah in kurzer Entfernung vor dem LKW-Zug des Klägers und wahrscheinlich innerhalb einer Sekunde vor dem späteren Zusammenstoß. Der Kläger hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Möglichkeit, vor dem Zusammenstoß noch wirksam auf die drohende Gefahr zu reagieren. Er versuchte, durch Bremsen und Auslenken den Zusammenstoß zu verhindern, doch gelang dies nicht. Der Wagen der Erstbeklagten stieß auf der vom Kläger befahrenen Fahrbahnhälfte mit dem linken vorderen Eck gegen das linke vordere Eck des zu dieser Zeit ordnungsgemäß rechts fahrenden LKW-Zuges des Klägers. Dieser versuchte nach dem Zusammenstoß, den LKW-Zug auf der Fahrbahn zum Stillstand zu bringen. Zu diesem Zweck führte er, nachdem er aufgrund der vorgenommenen Ausweichlenkung geringfügig über den rechten Fahrbahnrand hinausgeraten war, eine Korrekturlenkung aus und versuchte, durch Bremsen sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Aufgrund des Zusammenstoßes und wegen dieser Fahrmanöver wurde das von ihm gelenkte Fahrzeug unstabil, es geriet ins Schleudern und ca 37 m nach der Zusammenstoßstelle über den linken Fahrbahnrand hinaus. Dort kippte das Zugfahrzeug knapp außerhalb des linken Fahrbahnrandes um, während der Anhänger aufrecht stehenblieb. Zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes hielt das Fahrzeug des Klägers eine Fahrgeschwindigkeit von ca 45 km/h ein. Die Anstoßgeschwindigkeit des PKWs betrug ca 60 km/h. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte sich ein durchschnittlicher Lenker eines derartigen LKW-Zuges bei einem solchen Unfallshergang gleich wie der Kläger verhalten. Das Schleudern des LKW-Zuges und das dadurch bedingte Abkommen von der Fahrbahn hätte wahrscheinlich nur ein überdurchschnittlicher Kraftfahrer durch einfühlsames und kontrolliertes Lenken und ohne Betätigung der Bremsen nach dem Zusammenstoß vermeiden können. Der Unfall wäre für den Kläger auch dann nicht vermeidbar gewesen, wenn er sich der Zusammenstoßstelle mit einer Geschwindigkeit von etwa 30 km/h genähert hätte; es wäre ihm jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit gelungen, das Fahrzeug nach dem Zusammenstoß auf der Fahrbahn zum Stillstand zu bringen. Wäre das Fahrzeug des Klägers nicht über den linken Fahrbahnrand geraten, wäre es mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht umgekippt und der Schaden des Klägers erheblich geringer gewesen. Es ist nicht feststellbar, in welchem Ausmaß der Schaden geringer gewesen wäre. Der Kläger war wohl zum Lenken von Kraftfahrzeugen zur Güterbeförderung mit mehr als 3.500 kg zulässigem Gesamtgewicht samt einem leichten Anhänger bis 750 kg Gesamtgewicht berechtigt, da er einen Führerschein der Gruppe C besaß, nicht aber zum Führen eines LKWs mit anderen als leichten Anhängern. Er hatte zur Unfallszeit schon jahrelange Übung im Lenken von LKWs und vor dem Unfall seit etwa eineinhalb Jahren regelmäßig auch einen LKW-Zug gelenkt, weshalb er eine durchschnittliche Übung dafür aufwies. Er verhielt sich beim Unfallsgeschehen wie ein durchschnittlicher und befugter LKW-Lenker. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre der Unfall auf diese Weise auch dann geschehen, wenn der Kläger zur Unfallszeit über eine gültige Lenkerberechtigung im Sinne der Führerscheingruppe E verfügt hätte.
Das Zugfahrzeug hatte ein Eigengewicht von 11.260 kg und eine zulässige Nutzlast von 10.600 kg. Auf der Unfallsfahrt führte der Kläger im Zugfahrzeug Fleischwaren mit einem Gesamtgewicht von 11.250 kg als Frachtgut mit. Es war daher das zulässige Gesamtgewicht des Zugfahrzeugs um ca 3 % und die zulässige Nutzlast um ca 6 % überschritten. Der Anhänger war bei einem Eigengewicht von 6.330 kg und einer zulässigen Nutzlast von 9.670 kg um ca 695 kg überladen, was etwa 7 % der zulässigen Nutzlast und ca 4,3 % des zulässigen Gesamtgewichts des Anhängers entsprach. Diese Überschreitungen der zulässigen Nutzlast und des Gesamtgewichts des Lastwagenzugs haben beim Unfall sicherlich, wenn auch mit hoher Wahrscheinlichkeit nur geringfügig, zum Unstabilwerden des Fahrzeugs des Klägers beigetragen. Das Fahrzeug des Klägers wäre auch ohne diese Überladung nach dem Zusammenstoß über die linke Fahrbahnseite hinaus und in die erwähnte Endlage geraten. Nicht erwiesen ist, dass der Unfall auch ohne dieses Übergewicht in gleicher Weise und mit gleicher Schadensfolge eingetreten wäre.
Durch den Unfall entstand am Zugfahrzeug ein Schaden, der Reparaturkosten in Höhe von 246.310 S verursachte. Der Schaden am Frachtgut wurde mit 666.310 S festgestellt. Zur Reparatur des Anhängers musste der Kläger 6.153 S aufwenden. Aufgrund des durch den Unfall eingetretenen Qualitätsverlusts der im Anhänger mitgeführten Fleischwaren musste sich der Kläger einen Preisnachlass von 114.723 S gefallen lassen. Für die Bergung der Fleischwaren musste der Kläger 9.756 S an Fahrtspesen und 12.800 S an Personalkosten aufwenden. Für die Bergung des LKW-Zuges entstanden dem Kläger Kosten von 32.085 S.
Die Erstbeklagte wurde mit Strafverfügung des Bezirksgerichts Landeck vom 10. 11. 1981, U 1830/81-9, wegen Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung im Sinne des § 88 Abs 1, Abs 4 erster Fall StGB verurteilt. Ihr wurde zur Last gelegt, als Lenkerin eines Personenkraftwagens auf die linke Fahrbahnhälfte geraten zu sein und dadurch ihre mitfahrenden Kinder teils schwer und teils leicht, sowie den Kläger leicht am Körper verletzt zu haben.
Das Erstgericht erachtete die Erstbeklagte am Unfall allein schuldtragend. Eine Heranziehung des Klägers zum Schadensausgleich komme nicht in Betracht, weil das grobe Fehlverhalten der Erstbeklagten augenfällige Ursache dieses Unfalls gewesen sei.
Das Berufungsgericht vertrat jedoch die Auffassung, dass eine Schadensteilung von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen sei. Dem Kläger sei zwar wegen der Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 45 km/h kein Schuldvorwurf zu machen; der Unfall habe sich auf einer Freilandstraße ereignet ohne dass zum damaligen Zeitpunkt eine behördlich angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung bestand, weil die Aufstellung des Verkehrszeichens nach § 52 lit a Z 10a StPO durch eine behördliche Verfügung nicht gedeckt war. Doch seien die Überladung des LKW-Zuges und der Umstand, dass der Kläger zur Führung von Kraftwagenzügen nicht berechtigt war, entsprechend zu berücksichtigen. Diesbezüglich habe der Kläger gegen §§ 64, 65, 101 Abs 1, 102 Abs 1, 103 Abs 1 KFG verstoßen. Alle diese Vorschriften dienten im Wesentlichen der Sicherheit des Verkehrs. Sie seien demgemäß Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB. Wer das Zuwiderhandeln gegen eine Schutzvorschrift zu vertreten habe, müsste, um von der Haftung frei zu sein, beweisen, dass der Schaden auch ohne Verstoß gegen die Schutznorm in gleicher Weise und in gleichem Umfang eingetreten wäre. Dieser Beweis sei dem Kläger nicht gelungen. Das Abkommen von der Fahrspur habe auch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr bewirkt. Bei Gegenüberstellung der Verkehrsverstoße der Beteiligten und unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Betriebsgefahr sei die oben dargestellte Schadensteilung vorzunehmen. Das Abkommen des LKW-Zuges von der Fahrbahn hänge ursächlich und untrennbar mit dem Verkehrsverstoß der Erstbeklagten zusammen. Der Schadensteilung sei der gesamte Schaden zu unterziehen, was die im Berufungsurteil ausgewiesene Schadensberechnung zur Folge habe.
Demgegenüber stellt sich der Kläger in der Revision auf den Standpunkt des Erstgerichts, während die Beklagten in ihrem Rechtsmittel eine Aufteilung in Schäden anstreben, die der Kläger gemeinsam mit der Erstbeklagten und solche, die er allein zu verantworten habe.
1.) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger stützt seine Revision darauf, dass die Überladung des LKW-Zuges und das Fehlen der Lenkerberechtigung keinen ins Gewicht fallenden Einfluss auf den Unfallsablauf gehabt hätten und dass die außergewöhnliche Betriebsgefahr nicht in die Schadensteilung einzubeziehen sei.
Das Berufungsgericht hat jedoch mit Recht darauf verwiesen, dass der Kläger gegen die §§ 64, 65, 101 Abs 1, 102 Abs 1 und 103 Abs 1 KFG verstoßen hat. Hiebei handelt es sich – wie der Kläger in der Revision selbst erkennt – um Schutznormen im Sinne des § 1311 ABGB. Die Bestimmungen über die zulässige Beladung eines Kraftfahrzeugs haben den Zweck, möglichste Sicherung im Verkehr zu gewährleisten und die mit dem Kraftfahrzeugverkehr verbundenen Gefahren möglichst zu verringern (8 Ob 25/80 ua). Die Vorschriften über die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sollen Gefahren des Straßenverkehrs durch unfähige und ungeeignete Lenker vorbeugen (ZVR 1981/187 ua). Da der Kläger schuldhaft Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB übertreten hat, wäre es an ihm gelegen, zu beweisen, dass der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigem Verhaltens in gleicher Weise eingetreten wäre (8 Ob 25/80 uza). Diesen Beweis hat er nicht erbracht.
Im Verhältnis der Beteiligten hat § 11 EKHG eine Rangordnung der in der Regel für die Beurteilung der gegenseitigen Ersatzpflicht maßgebenden Umstände aufgestellt: In erster Linie kommt es auf das Verschulden an; erst dann folgt in nächster Rangstufe die außergewöhnliche Betriebsgefahr und schließlich die überwiegende Betriebsgefahr (8 Ob 233/75; 8 Ob 2/76; 8 Ob 36/76; ZVR 1974/227; 1975/73; 2 Ob 224/75; 8 Ob 238/76; 2 Ob 6/77 ua; Anm 7 zu § 11 EKHG in MGA3). Dem Kläger sind die dargelegten schuldhaften Verkehrsverstöße anzulasten. Sie beziehen sich in ihren Auswirkungen auf das gesamte Unfallsgeschehen. Für eine gesonderte Heranziehung der im Verlauf des Unfalls sich abzeichnenden außergewöhnlichen Betriebsgefahr besteht kein Anlass. Über die Abwägung des Fehlverhaltens beider unfallsbeteiligten Fahrzeuglenker ist im Übrigen auf die folgenden Ausführungen zur Revision der Beklagten zu verweisen.
2.) Zur Revision der Beklagten:
Die Beklagten stellen sich in ihrer Revision zunächst auf den Standpunkt, dass die seinerzeit angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung noch nicht aufgehoben war. Sie übersehen die Feststellung, dass das Geschwindigkeitsbeschränkungszeichen stehengeblieben war, obwohl die Bauarbeiten zur Errichtung der Baubrücke bereits beendet waren. Nur hiefür war jedoch die straßenpolizeiliche Genehmigung zur Aufstellung des genannten Verkehrszeichens erteilt worden. Demnach fehlte es im Unfallszeitpunkt – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte – an der für die Gültigkeit des Verkehrszeichens erforderlichen behördlichen Verfügung. Die Zuwiderhandlung gegen die rechtswidrig aufrechterhaltene Geschwindigkeitsbeschränkung kann nicht rechtswidrig sein, weshalb ein Verstoß des Klägers gegen die nicht gültig angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung nicht angenommen werden kann (RZ 1974/112 ua). Ein Verstoß des Klägers gegen § 20 Abs 1 StVO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil nicht gesagt werden kann, dass die festgestellte Geschwindigkeit von 45 km/h unter den gegebenen Umständen zu hoch gewesen wäre.
Für den somit vorzunehmenden Ausgleich der gegenseitigen Ersatzansprüche im oben dargestellten Sinn sind demnach dem Kläger die fehlende Lenkerberechtigung und die Überladung des LKWs anzulasten, der Erstbeklagten jedoch ihr schwerwiegender Verstoß gegen § 7 Abs 2 StVO vorzuwerfen. Das Verschulden der Erstbeklagten überwiegt zwar beträchlich, doch ist auch jenes des Klägers von gravierender Art, weil er sich bewusst sein musste, dass das Lenken eines derart schweren LKW-Zuges ein großes Maß an Verantwortungsbewusstsein erfordert, wogegen er in zweierlei Hinsicht in gravierender und für den Fall maßgeblicher Weise verstoßen hat. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensteilung von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten ist daher im Ergebnis zu billigen.
Wie das Berufungsgericht aus den getroffenen Feststellungen zutreffend ableitete, ging das Abkommen des Lastwagenzuges von der Fahrbahn mit dem Anstoß des PKWs der Erstbeklagten auf den LKW-Zug zusammen. Die Erstbeklagte löste den Unfall dadurch aus, dass sie mit ihrem PKW auf die für den Gegenverkehr bestimmte Fahrbahnhälfte hinüberwechselte. Das gesamte weitere Unfallsgeschehen lässt sich daher nicht in der Erstbeklagten zurechenbare und ihr nicht zurechenbare Komponenten aufgliedern; vielmehr trägt sie auch dafür im oben dargestellten anteiligen Ausmaß die Verantwortung, dass der LKW-Zug ins Schleudern geriet, über die Fahrbahn hinausfuhr und teilweise umkippte. Dass hiebei auch ein Teil der Überladung beschädigt wurde, ist demnach ebenfalls auf ihr den Unfall auslösendes Fehlverhalten zurückzuführen.
Im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts vertraten die Beklagten weiters die Auffassung, dass eine Berechnung des Fahrzeugschadens auf Totalschadensbasis hätte erfolgen sollen. Nach ständiger Rechtsprechung besteht jedoch bei Beschädigung einer Sache die Ersatzleistung regelmäßig in der Reparatur (SZ 43/186; 8 Ob 535/82 uza). Eine Abrechnung auf Totalschadensbasis findet nur statt, wenn die Reparatur unmöglich oder unwirtschaftlich wäre (ZVR 1974/55 uza). Die Unmöglichkeit der Reparatur wurde nicht behauptet; sie wurde vielmehr von den Beklagten als möglich angesehen. Dass die Reparatur unwirtschaftlich wäre, hat das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der ständigen Judikatur (ZVR 1960/49; ZVR 1970/34; JBl 1959, 453, JBl 1971, 364 ua) mit Recht verneint, zumal im vorliegenden Fall die Reparaturkosten von 246.310 S unter dem Zeitwert von 260.000 S liegen.
Die abschließenden Ausführungen der Revision, wonach die Beklagten „auch weitere Schäden aufgrund des Absturzes des LKW-Zuges am Hänger, sowie Bergungskosten und andere Schadensdispositionen“ nicht zu vertreten hätten, sind offenbar in Verbindung mit den Ausführungen der Berufung AS 130 zu verstehen. Die Beklagten wiederholen dabei ihre Ansicht, dass diese Schäden ausschließlich auf das allein dem Kläger zurechnende Abkommen von der Fahrbahn zurückzuführen sind. Diese Ansicht wurde bereits oben eingehend widerlegt. Eine Anfechtung der Schadensberechnung der zuletzt genannten Positionen der Höhe nach kann in den insoweit parallelen Ausführungen der Berufung (AS 130) und Revision (AS 198) nicht erblickt werden.
Beiden Revisionen war somit der Erfolg zu versagen.
Beim Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens war auf den überwiegenden Abwehrerfolg des Klägers entsprechend Bedacht zu nehmen.
Textnummer
E122509European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00008.840.0510.000Im RIS seit
29.08.2018Zuletzt aktualisiert am
29.08.2018