Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Rechtsanwältin in Liezen, wider die beklagte Partei V*****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wegen 234.120 S sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 60.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. November 1983, GZ 4 R 108/83-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts Leoben vom 6. Juni 1983, GZ 3 Cg 194/82-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 10.785,45 S (darin 1.920 S Barauslagen und 805,95 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wurde am 26. 2. 1982 auf der S***** in E***** als Beifahrerin in einem von ihrem Sohn gelenkten PKW VW Käfer 1200 des Baujahres 1967 verletzt. Im Unfallszeitpunkt war sie nicht angegurtet.
Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin zunächst die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche Schäden aus diesem Unfall; während des Verfahrens stellte sie auch ein Leistungsbegehren (letztlich 250.000 S Schmerzengeld, 19.000 S Haushaltshilfe, 15.120 S Auslagen für eine Zahnprothese; das Feststellungsbegehren bewertete die Klägerin mit 60.000 S).
Die Beklagte anerkannte die grundsätzliche Berechtigung der Klagebegehren, wendete jedoch ein erhebliches Mitverschulden der Klägerin ein, weil diese den Sicherheitsgurt nicht verwendet habe und die schweren Verletzungen nicht erlitten hätte, wenn sie angegurtet gewesen wäre. Auch der Höhe nach seien die Begehren auf Ersatz für eine Haushaltshilfe und Zahlung eines Schmerzengeldes ungerechtfertigt.
Das Erstgericht sprach der Klägerin unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 50.000 S 231.920 S sA zu und gab dem Feststellungsbegehren statt; das Mehrbegehren von 2.200 S sA wurde abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos; das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands, über den es entschieden habe, 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die außerordentliche Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Rechtsmittel zuzulassen und das Urteil des Berufungsgerichts im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Das Revisionsgericht hat mit Beschluss vom 15. 3. 1984 gemäß § 508 Abs 2 ZPO der Klägerin die Beantwortung der Revision freigestellt.
Rechtliche Beurteilung
In der daraufhin erstatteten Revisionsbeantwortung hat die Klägerin die Zurückweisung der Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO beantragt, allenfalls für den Fall der Zulassung, der Revision nicht Folge zu geben.
Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels hat der Oberste Gerichtshof erwogen: Die Vorinstanzen haben die Auffassung vertreten, dass gemäß § 132 Abs 2 lit a KFG Fahrzeuge, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zum Verkehr zugelassen worden seien, von den Bestimmungen des § 4 Abs 5 KFG über Sicherheitsgurte ausgenommen seien. Da das gegenständliche Fahrzeug erstmalig am 11. 3. 1967, somit vor Inkrafttreten des Bestimmungen des KFG 1967 zugelassen worden sei, sei es nicht mit Sicherheitsgurten auszurüsten gewesen. Nach Art III Abs 1 der 3. KFG-Novelle 1976 seien Lenker und beförderte Personen, die einen Sitzplatz benützten, der nach kraftfahrgesetzlicher Anordnung mit einem Sicherheitsgurt ausgerüstet sei, zum bestimmungsgemäßen Gebrauch desselben verpflichtet. Für das vom Sohn der Klägerin zur Unfallszeit benützte Fahrzeug habe nach den obigen Ausführungen bzw den Vorschriften des KFG 1967 keine Ausrüstungspflicht mit Sicherheitsgurten bestanden. Damit habe aber für die Benützer dieses Fahrzeugs auch keine Verpflichtung zur Verwendung von Sicherheitsgurten bestanden, die Klägerin wäre zur Anlegung allenfalls vorhandener Sicherheitsgurte nicht verpflichtet gewesen. Aus diesem Grunde komme auch eine Kürzung ihres Schmerzengeldanspruchs nicht in Betracht.
In der außerordentlichen Revision führt die Beklagte unter anderem aus, das KFG stelle nicht auf die „erstmalige Zulassung“ sonder auf die Typengenehmigung ab, die nicht mit der vom Berufungsgericht festgestellten erstmaligen Zulassung des gegenständlichen Kraftfahrzeugs übereinstimmen müsse.
Hiezu ist Folgendes zu bemerken: Zur Frage, ob § 132 Abs 2 KFG auf die erstmalige Zulassung eines Fahrzeugs zum Verkehr abstellt, fehlt, soweit ersichtlich, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Das Revisionsgericht ist daher der Auffassung, dass der Lösung dieser Frage des materiellen Rechts erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukommt und die Revision somit zulässig ist.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.
Entgegen der Auffassung der Revision ist nach dem klaren Wortlaut des § 132 Abs 2 lit a KFG nicht die Genehmigung, sondern die Zulassung eines Fahrzeugs zum Verkehr vor dem Inkrafttreten des KFG (1. 1. 1968) für die Ausnahme von den Bestimmungen des § 4 Abs 5 über Sicherheitsgurte maßgebend. Das Revisionsgericht pflichtet auch der Auffassung des Berufungsgerichts bei, dass unter „Zulassung“ im Sinne dieser Bestimmung die erstmalige Zulassung eines Kraftfahrzeugs zum Verkehr zu verstehen ist und allfällige nachfolgende weitere Zulassungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmung nicht von Bedeutung sind. Für diese Auslegung spricht auch die allerdings die Genehmigung und nicht die Zulassung von Fahrzeugen zum Verkehr betreffende Bestimmung des § 132 Abs 8 KFG, nach der bei der Anwendung von Ausnahmebestimmungen, für die der Zeitpunkt der Genehmigung des Fahrzeugs oder seiner Type maßgebend ist, Fahrzeugen, die nach der erstmaligen Genehmigung ein weiteres Mal oder weitere Male gemäß § 33 Abs 2 oder 5 genehmigt worden sind, als zum Zeitpunkt der erstmaligen Genehmigung genehmigt gelten. Durch die im Abs 8 vorgenommene Präzisierung, welches Datum als Zeitpunkt der erstmaligen Genehmigung heranzuziehen ist, sollte die bis dahin bestehende Benachteiligung beseitigt werden, wonach ein Fahrzeug, das unter eine Ausnahmebestimmung gefallen war, dieses Vorrecht durch eine nachträgliche – wenn auch andere technische Merkmale betreffende – neuerliche Genehmigung verloren hatte (vgl Dittrich-Veit-Rassl, Kraftfahrrecht, Anm zu Abs 8 des § 132 KFG, S 3 f). Gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass unter „Zulassung zum Verkehr“ im § 132 Abs 2 KFG die erstmalige Zulassung zu verstehen ist, bestehen daher keine Bedenken. Damit ist aber auch die Auffassung des Berufungsgerichts, dass mit Rücksicht auf die erstmalige Zulassung des gegenständlichen Kraftfahrzeugs zum Verkehr am 11. 3. 1967, somit vor dem Inkrafttreten des KFG 1967, keine kraftfahrgesetzliche Ausrüstungspflicht des Fahrzeugs mit Sicherheitsgurten bestanden hat und damit auch für die in diesem Kraftfahrzeug beförderte Klägerin keine Pflicht zur Verwendung von Sicherheitsgurten, unbedenklich. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht eine Kürzung des Schmerzengeldanspruchs der Klägerin abgelehnt.
Den weiteren in der Revision behandelten Fragen kommt allerdings keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu, sodass sich ein Eingehen auf die diesbezüglichen Ausführungen erübrigt.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Textnummer
E122502European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00049.840.0620.000Im RIS seit
29.08.2018Zuletzt aktualisiert am
29.08.2018