TE OGH 1984/7/4 8Ob17/84

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Veröffentlicht am 04.07.1984
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Andreas S*****, vertreten durch Dr. Eduard Saxinger, Dr. Peter Baumann, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Erich F*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, 2. I*****, vertreten durch Dr. Anton Knees, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 265.468,32 S und Rente, Revisionsinteressen: Kläger: 240.000 S sA, Zweitbeklagte: 180.987,74 S sA, infolge Revision der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. November 1983, GZ 2 R 202/83-54, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Linz vom 19. Mai 1983, GZ 1 Cg 13/81-45, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Zweitbeklagte ist schuldig, dem Kläger an Kosten des Revisionsverfahrens 3.902,33 S (darin an Barauslagen 480 S und an USt 295,24 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 15. 7. 1977 in Kärnten bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Er erlitt einen Bruch des 5. und 6. Halswirbels. Seither ist er querschnittgelähmt, und zwar mit kompletter Lähmung des Stammes, der Blase, des Mastdarms, der Geschlechtsorgane und beider Beine. Aufgrund des Vorprozesses 23 Cg 58/79 des Landesgerichts Klagenfurt ist die Haftung der Beklagten zu 2/3 nicht mehr strittig. In diesem Vorverfahren wurde dem Kläger ein Schmerzengeld auf der Basis von 600.000 S zuerkannt, was unter Berücksichtigung der 2/3-Quote 450.000 S ergab.

Nunmehr begehrte der Kläger den Ersatz diverser Aufwendungen, den Zuspruch einer Rente für laufenden Mehraufwand, eine abstrakte Rente und ein weiteres Schmerzengeld.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise Folge, sprach 129.100 S sA sowie eine monatliche Rente für den Mehraufwand von 402,79 S, 406,79 S, 506,25 S gestaffelt zu und wies einen weiteren Teilbetrag der Rente sowie das Begehren auf Zahlung einer abstrakten Rente und einen Betrag von 136.368,22 S ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Streitteile teilweise Folge. Es änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass es insgesamt dem Kläger 180.987,74 S sA und eine monatliche Rente von gestaffelt 402,79 S, 406,79 S, 506,25 S zusprach, das Mehrbegehren von 84.480,48 S sA sowie gestaffelte Renten von 134,71 S, 130,71 S, 537,50 S abwies und auch dem Rentenbegehren von 2.000 S nicht Folge gab. Es sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richten sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass dem Kläger bis zum vollendeten 65. Lebensjahr die begehrte abstrakte Rente von 2.000 S zugesprochen werde; auch die Zweitbeklagte erhebt Revision, jedoch nur aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO und beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils dahin, dass der Betrag von 180.987,74 S sA abgewiesen werde. Beide Teile stellen hilfsweise Aufhebungsanträge.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen der Kläger und die Zweitbeklage, der Revision der Gegenseite keine Folge zu geben. Der Erstbeklagte, von dem auch eine Bevollmächtigung Dris. Knees im Akt erliegt, erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht berechtigt.

Da das Berufungsgericht über eines Streitwert entschied, der schon hinsichtlich des Klägers und der Zweitbeklagten jedenfalls 300.000 S überstieg, war ein Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zu treffen; auf diesen verfehlten Ausspruch ist daher nicht Bedacht zu nehmen.

Zu den im Revisionsverfahren allein noch umstrittenen Fragen a) der abstrakten Rente von monatlich 2.000 S, b) eines zusätzlichen Schmerzengeldes von 50.000 S, c) von Fahrzeugkosten im Betrag von 55.357,74 S und d) der Anrechnung von Leistungen des Sozialversicherers von 80.000 S stellten die Vorinstanzen fest:

a) Der Kläger ist auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als völlig erwerbsunfähig anzusehen. Aufgrund seiner außerordentlichen Willenskraft vermag er jedoch trotz seiner 100 %igen Minderung der Erwerbsfähigkeit einer Beschäftigung als technischer Zeichner in der V***** nachzugehen. Mit Bescheid des Landesinvalidenamts Für Oberösterreich vom 5. 4. 1978 wurde der Kläger in den Kreis der begünstigten Invaliden gemäß § 2 Abs 1 des Invalideneinstellungsgesetzes eingereiht.

b) Beim Kläger kam es auch nach dem 1. 9. 1978 (Zeitpunkt der Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit) wiederholt zu Harnweginfekten, Bauchbeschwerden und einer Blinddarmreizung, weshalb chirurgische Eingriffe notwendig waren. Es bildete sich eine entzündlich veränderte Schrumpfniere und eine Ausweitung der harnableitenden Wege. Wegen eines Darmverschlusses mussten Verwachsungen im Bauchrayon beseitigt werden. Der Sachverständige Dr. Schwager hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Schmerzen im Rahmen etwaiger neuerlicher Harnweginfekte nicht überschaubar sind.

c) Der schwerstgeschädigte Kläger kann nur dann einer Arbeitstätigkeit nachgehen, wenn er einen verlässlichen PKW benützt, in welchem er seinen Rollstuhl unterzubringen vermag. Er hatte schon früher zur Erreichung seines Arbeitsplatzes einen PKW benützt, und zwar einen alten Austin 1100. Nach dem Unfall kaufte er sich anstelle des total beschädigten Austin einen neuen Opel Rekord um den Preis von 130.076,33 S einschließlich verschiedenem Sonderzubehör. Ein solches Fahrzeug benötigt der Kläger nunmehr, um seinen Behindertenfahrstuhl problemlos unterbringen zu können.

d) Dem Kläger wurde von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ein freiwilliger Zuschuss von 80.000 S gewährt. Im Verfahren 23 Cg 432/81 des Landesgerichts Klagenfurt wurde gegenüber den Beklagten festgestellt, dass sie zur ungeteilten Hand für den Ersatz aller Pflichtaufwendungen haften, die die damalige Klägerin in Zukunft für den Kläger dieses Verfahrens als Folge des Verkehrsunfalls zu erbringen haben wird. In dem Verfahren führte der Oberste Gerichtshof aus, dass bei Vorliegen der im § 301 Abs 1 ASVG erwähnten Ermessenskriterien der Versicherungsträger verpflichtet sei, die erforderlichen Rehabilitätsmaßnahmen zu setzen, obwohl solche Maßnahmen vom Versicherten nicht erzwungen werden können. Aus dem ergebe sich daher, dass vom Übergang des § 332 ASVG nur jene Leistungen erfasst sein können, soweit sie nicht freiwillige Leistungen, sondern Pflichtleistungen sind.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht zu

a) die Auffassung, dass nach § 8 Abs 4 des Invalideneinstellungsgesetzes der Gesundheitszustand des Klägers nicht zur Begründung einer allfälligen Auflösung seines Dienstverhältnisses herangezogen werden könne, weshalb aus diesem Gesichtspunkt heraus der Arbeitsplatz des Klägers nicht mehr gefährdet erscheine, als der eines Gesunden. Davon abgesehen sei grundsätzliche Voraussetzung für die Gewährung einer abstrakten Rente eine Minderung der Erwerbsfähigkeit, nicht aber wie hier ihre völlige Zerstörung. Der Kläger werde nicht benachteiligt, weil er den Anspruch auf Verdienstentgang geltend machen kann.

b) Da nach dem 2. 8. 1979 beim Kläger Schmerzen auftraten, die bei der Globalbemessung nicht berücksichtigt werden konnten und auch nicht berücksichtigt wurden, seien die neu aufgetretenen Schmerzen im Zusammenhang mit der Harnweginfektion durch ein weiteres Schmerzengeld von 50.000 S abzugelten.

c) Die Verletzungsfolgen des Klägers rechtfertigten die Neuanschaffung eines entsprechenden PKWs, um dadurch einen möglichst gesicherten Fahrbetrieb in jeder Beziehung zu gewährleisten.

d) Durch § 304 Abs 2 ASVG würden „Zuschüsse“ ausdrücklich von Maßnahmen der Rehabilitation ausgenommen. Da im vorliegenden Fall dem Kläger von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten Zuschüsse gewährt wurden, können diese nur freiwillige Leistungen sein, weshalb sie von der Legalzession des § 332 ASVG nicht erfasst sein können. Die Ansprüche des Klägers gegenüber den Beklagten seien daher um diesen Betrag nicht zu kürzen.

1. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger behauptet zunächst das Vorliegen von Verfahrensmängeln. Dies trifft jedoch nicht zu, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

a) In der Rechtsrüge stellt sich der Kläger auf den Standpunkt, dass die Sicherungsfunktion als Voraussetzung für die abstrakte Rente gegeben sei. Dem kann nicht gefolgt werden:

Wenngleich der Hinweis des Berufungsgerichts, dass der Kläger schon deshalb keine abstrakte Rente bekommen könnte, weil er theoretisch voll erwerbsunfähig sei, nicht zielführend ist, da es diesbezüglich auf die tatsächlichen und nicht auf die hypothetischen Verhältnisse ankommt, fehlt es im gegebenen Fall doch an der Sicherungsfunktion:

Für den Zuspruch der abstrakten Rente genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht eine Minderung der Erwerbsfähigkeit schlechthin oder eine bloße Erschwernis der Arbeit. Es muss vielmehr eine Einkommensminderung wegen der unfallsbedingten Verletzungen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu erwarten oder doch wahrscheinlich sein. Die sogenannte abstrakte Rente hat somit nicht nur eine Ausgleichs-, sondern auch eine Sicherungsfunktion. Sie gebührt daher nicht, wenn sie im Einzelfall nur eine dieser Aufgaben erfüllt, sondern erst, wenn beide Voraussetzungen für den nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz liegenden Zeitraum bejaht werden können (ZVR 1977/300, ZVR 1982/34; 8 Ob 48/82 uza).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers, den sich dieser mit großer Willensanstrengung sicherte, in irgendeiner Hinsicht gefährdet wäre. Seine Tätigkeit als technischer Zeichner bei der V***** wird darüber hinaus dadurch abgesichert, dass er zu den begünstigten Invaliden im Sinne des § 2 Abs 1 Invalideneinstellungsgesetz zählt. Wie das Berufungsgericht diesbezüglich zutreffend ausführte, kommt ihm demnach auch der Schutz des § 8 Abs 2 und 4 Invalideneinstellungsgesetz zugute. Da es somit an dem Nachweis einer konkreten Gefährdung des derzeitigen Arbeitsplatzes gänzlich fehlt, konnte dem Kläger eine abstrakte Rente nicht zuerkannt werden. Wie er selbst in seinem Rechtsmittel ausgeführt, wäre ihm aber bei einem allfälligen zukünftigen unfallsbedingten tatsächlichen Dienstentgang unter den entsprechenden Voraussetzungen dieser zu ersetzen.

Der Revision des Klägers war somit der Erfolg zu versagen.

2. Zur Revision der Zweitbeklagten:

b) Diese wendet sich zunächst dagegen, dass dem Kläger ein weiteres Schmerzgeld von 50.000 S zuerkannt wurde. Sie übersieht jedoch, dass nach ständiger Rechtsprechung in Ausnahmsfällen später eine ergänzende und wiederholte Ausmessung des Schmerzengeldes zulässig ist, wenn weitere, aus der damaligen Sicht nicht abschätzbare Unfallsfolgen eintreten (2 Ob 69/75; 8 Ob 144/77; 8 Ob 215/79; 8 Ob 28/83 ua; vgl auch Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld, 169). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die mit der Harnweginfektion verbundene Schmerzen bei der seinerzeitigen Schmerzengeldbemessung noch keine Berücksichtigung finden konnten. Gegen die Höhe des zusätzlichen Schmerzengeldes von 50.000 S bestehen bei Berücksichtigung der oben dargestellten zusätzlichen Schmerzen des Klägers keine Bedenken.

c) Bei den Kosten für den als Invalidenfahrzeug angeschafften PKW bemängelt die Zweitbeklagte nur, dass der Kläger im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichts sich ein Gebrauchtfahrzeug hätte nehmen sollen. Diesem Einwand hat aber schon das Berufungsgericht zutreffend damit begegnet, dass der schwerst geschädigte Kläger nur dann einer Arbeitstätigkeit nachgehen kann, wenn er mit einem möglichst gesicherten Fahrbetrieb in jeder Beziehung rechnen könnte, wozu er ein neues Auto und nicht einen Gebrauchtwagen mit dessen Risken benötigt. So hat der Oberste Gerichtshof auch in 2 Ob 153/77 die Anschaffung eines fabriksneuen Opel Kadett gebilligt und hiebei auf die Bedürfnisse des schwerst geschädigten Querschnittgelähmten im gleichen Sinn Bedacht genommen, wie es auch in diesem Fall angebracht ist.

d) Abschließend vermeint die Revisionswerberin, dass die Zuschüsse der PVA von insgesamt 80.000 S von den Leistungen, die der Kläger von ihr begehrt, in Abzug gebracht werden müssten. Nach den diesbezüglichen erstgerichtlichen Feststellungen, die das Berufungsgericht erkennbar seinen Ausführungen zugrundelegte, handelt es sich bei diesen Zuschüssen um solche für einen eigenen Arbeitsraum, ein Bad mit Toilette und entsprechenden Sozialeinrichtungen, ein Behindertenlift, eine Garage und entsprechende Gartenwege, wie dies alles für den rollstuhlbenützenden Kläger erforderlich war (S 19 bis 21 der erstgerichtlichen Entscheidung). Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass nach § 304 Abs 2 ASVG Zuschüsse des Pensionsversicherungsträgers im Sinne des § 201 Abs 2 Z 1 leg cit als welche sich die hier vorliegenden eindeutig darstellen, als solche freiwilliger Art anzusehen sind. Dies hat nach ständiger Rechtsprechung zur Folge, dass die im § 332 Abs 1 ASVG normierte Legalzession nicht eintritt (ZVR 1975/221; ZVR 1977/9; 1 Ob 710/80; 8 Ob 171/82 = EvBl 1983/119 ua). Da auch das zugrundeliegende Feststellungsurteil nur von Pflichtaufwendungen der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ausgeht, ist der Hinweis der Revision, dass die Beklagten dieser gegenüber für die genannten Zuschüsse haftbar seien, nicht stichhältig. Davon aber, dass die genannten Zuschüsse etwa zu dem Zweck gegeben wurden, den Schädiger in unbilliger Weise zu entlasten, kann unter Berücksichtigung der gegebenen Verhältnisse nicht die Rede sein (SZ 53/58; ZVR 1982/29 uza).

Auch der Revision der Zweitbeklagten war somit der Erfolg zu versagen.

Bei der Kostenentscheidung wurde auf den überwiegenden Abwehrerfolg des Klägers gegenüber der Zweitbeklagten entsprechend Bedacht genommen.

Textnummer

E122516

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00017.840.0704.000

Im RIS seit

29.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

29.08.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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