TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/21 99/19/0189

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Veröffentlicht am 21.12.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §19 Abs3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde des am 18. November 1958 geborenen H S in Wien, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. August 1999, Zl. 309.303/2-III/11/99, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 27. Februar 1997 bis zum 6. Jänner 1998 verfügte, beantragte am 29. Dezember 1997 beim Magistrat der Stadt Wien die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbstständige Erwerbstätigkeit".

Der Landeshauptmann von Wien lud den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. April 1998, als "LADUNGSBESCHEID" bezeichnet, "persönlich" für den 19. Mai 1998. Im Folgenden führte der Landeshauptmann von Wien wörtlich aus:

"Bitte bringen Sie diese Ladung und folgende Unterlagen mit:

* Neuen bzw. verlängerten Reisepass

* Aktuellen Firmenbuchauszug

* Bilanz 1997

* Unbedenklichkeitsbescheinigungen vom Wohnsitzfinanzamt

und vom Finanzamt für Körperschaften

* Einkommensteuererklärung 1997

* Einkommensteuerbescheid 1996

* Letzte Buchungsmitteilung der Sozialversicherung der

gewerblichen Wirtschaft

Wenn Sie aus wichtigen Gründen - z.B. Krankheit, Gebrechlichkeit oder Urlaubsreise - nicht kommen können, teilen Sie uns dies sofort mit, damit wir allenfalls den Termin verschieben können.

Wenn Sie diese Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, z. B. Krankheit nicht befolgen, wird Ihr Antrag vom 29.12.1997 auf Bewilligung nach dem Fremdengesetz gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 zurückgewiesen."

Mit Bescheid vom 3. Juli 1998 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers "auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung" gemäß § 14 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) zurück. Begründend wurde ausgeführt, die erkennende Behörde habe im Ladungsbescheid vom 24. April 1998 verlangt, dass die antragstellende Partei bis zum 19. Mai 1998 ein gültiges Reisedokument vorlege. Da die antragstellende Partei dieser Aufforderung nicht Folge geleistet habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe den Termin am 19. Mai 1998, wie aus der beiliegenden ärztlichen Bestätigung vom 22. Mai 1998 ersichtlich sei, aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen und sohin auch seinen Reisepass nicht vorlegen können. Zusätzlich habe ein Bekannter einige Tage vor dem Termin telefonisch bei der zuständigen Referentin sein Verbleiben mit seiner Erkrankung entschuldigt. Beigeschlossen war der Berufung eine Bestätigung eines praktischen Arztes vom 22. Mai 1998, wonach der Beschwerdeführer vom 15. Mai 1998 bis zum 22. Mai 1998 an einem fieberhaften grippalen Infekt und Bronchitis erkrankt gewesen sei und daher das Bett habe hüten müssen. Als Beweis bot der Beschwerdeführer in seiner Berufung überdies die Einvernahme seines Bekannten an.

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 13. August 1999 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 3 FrG 1997 ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe am 29. Dezember 1997 einen Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels gestellt. Dieser Antrag sei von der Erstbehörde mit Bescheid vom 3. Juni 1998 gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 zurückgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass ein Bekannter sein Fernbleiben auf Grund der Erkrankung des Beschwerdeführers telefonisch bei der Magistratsabteilung entschuldigt hätte. Auf Grund der "nunmehr geltenden Rechtslage" sei der Antrag vom 29. Dezember 1997 als Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zu werten gewesen. Mit Ladung vom 24. April 1998, welche der Beschwerdeführer laut Übernahmebestätigung persönlich am 29. April 1998 übernommen habe, habe die Behörde erster Instanz verlangt, dass er am 19. Mai 1998 persönlich erscheinen möge. Das Verlangen der erstinstanzlichen Behörde, vor dieser persönlich zu erscheinen, sei deshalb erfolgt, weil persönlich die Einkommenssituation des Beschwerdeführers hätte geklärt werden müssen sowie der Nachweis eines gültigen Reisedokumentes zu erbringen gewesen wäre. Da der Beschwerdeführer der ausgewiesenen Ladung (laut dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Jänner 1999, Zl. 98/19/0293, sei ein Ladungsbescheid zur Bewirkung der angedrohten Rechtsfolge nicht notwendig) nicht Folge geleistet habe, schließe sich die Berufungsbehörde der erstinstanzlichen Entscheidung "in vollem Umfang" an. Zum Einwand, dass ein Bekannter telefonisch das Fernbleiben mit der Erkrankung des Beschwerdeführers bei der Erstbehörde entschuldigt habe, halte die Berufungsbehörde fest, "dass diesbezüglich kein schriftlicher Vermerk seitens der erstinstanzlichen Behörde vorliegt".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 14 Abs. 3 FrG 1997 lautet:

"§ 14.

...

(3) Im Antrag ist der jeweilige Zweck der Reise oder des Aufenthaltes bekannt zu geben; der Antragsteller darf ihn während des Verfahrens nicht ändern. Der Fremde hat der Behörde die für die Feststellung des Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen. Er hat über Verlangen der Behörde vor dieser persönlich zu erscheinen. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller kein gültiges Reisedokument vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde."

§ 19 AVG lautet:

"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten sind auch Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Amtsbereiches des unabhängigen Verwaltungssenates haben, zulässig.

(2) In der Ladung ist außer Ort und Zeit der Amtshandlung auch anzugeben, was den Gegenstand der Amtshandlung bildet, in welcher Eigenschaft der Geladene vor der Behörde erscheinen soll (als Beteiligter, Zeuge usw.) und welche Behelfe und Beweismittel mitzubringen sind. In der Ladung ist ferner bekannt zu geben, ob der Geladene persönlich zu erscheinen hat oder ob die Entsendung eines Vertreters genügt und welche Folgen an ein Ausbleiben geknüpft sind.

(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.

(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, setzt die Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 nicht die Erlassung eines Ladungsbescheides voraus (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Jänner 1999, Zl. 98/19/0293). Grundsätzlich kann daher auch eine einfache Ladung die Zurückweisung eines Antrages gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 rechtfertigen. Voraussetzung für eine rechtmäßige Zurückweisung gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 ist aber jedenfalls, dass der Geladene im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG verpflichtet war, der an ihn ergangenen Ladung Folge zu leisten. Das bloße Faktum des Nichterscheinens des Geladenen reicht dafür nicht aus. Zwar ist einzuräumen, dass der Wortlaut des § 14 Abs. 3 letzter Satz FrG 1997 diesbezüglich nicht eindeutig ist, doch gibt es keinen Hinweis darauf, dass mit dieser Bestimmung den Niederlassungsbehörden, für deren behördliches Verfahren das AVG maßgeblich ist, die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, ein Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels ohne Eingehen in die Sache nur deshalb abzuschließen, weil der Antragsteller nicht vor der Behörde erschienen ist, obwohl er gemäß § 19 Abs. 3 AVG gar nicht verpflichtet war, der an ihn ergangenen Ladung Folge zu leisten. Die gegenteilige Auffassung würde die im § 14 Abs. 3 FrG 1997 verankerte Obliegenheit des Antragstellers, (verstärkt) an der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes mitzuwirken, ungebührlich auf diejenigen Fälle ausweiten, in denen der Antragsteller objektiv, aber ohne sein Zutun, an der Mitwirkung gehindert ist.

Mit seinem Berufungsvorbringen brachte der Beschwerdeführer unmissverständlich zum Ausdruck, er sei durch Krankheit vom persönlichen Erscheinen vor der Behörde erster Instanz abgehalten gewesen, weshalb er im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG nicht verpflichtet gewesen sei, der Ladung Folge zu leisten.

Das Vorliegen eines triftigen Hinderungsgrundes entbindet von der Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 439, E 59 zu § 19 Abs. 3 AVG angegebene hg. Judikatur). Das Vorliegen eines geltend gemachten Rechtfertigungsgrundes im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG ist von der Behörde von Amts wegen zu erforschen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde festzustellen gehabt, ob dieser tatsächlich am 19. Mai 1998 durch Krankheit gehindert war, vor der Behörde zu erscheinen. Die belangte Behörde hat jedoch in offenbarer Verkennung der Rechtslage jegliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen, bei dessen Zutreffen die Pflicht zur Befolgung der Ladung nicht bestanden hätte und demnach eine Zurückweisung des Antrages nach § 14 Abs. 3 FrG 1997 unzulässig gewesen wäre, unterlassen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999190189.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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