TE OGH 2018/7/12 19Ob2/18k

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Veröffentlicht am 12.07.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer sowie die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Klaar als weitere Richter über die Wahlanfechtung des Antragstellers Dr. A*****, Rechtsanwalt, *****, betreffend die Wahl der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag des Antragstellers „auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, in eventu auf Neudurchführung der Wahl“ wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Am 19. 6. 2018 langte das folgende, am 18. 6. 2018 zur Post gegebene Schreiben des Antragstellers beim Obersten Gerichtshof ein; dieses Schreiben wurde am 18. 6. 2018 auch bei der Rechtsanwaltskammer Wien eingebracht.

An den Obersten Gerichtshofs

Wahlanfechtung gemäß § 24b RAO

Laut Kundmachung der Rechtsanwaltskammer für Wien vom 14. 5. 2018, zugestellt am 15. 5. 2018, sollte bei der Plenarversammlung 2018 der RAK Wien am 11. 6. 2018 unter anderem die Wahl der Mitglieder des Disziplinarrates aus dem Kreis der Rechtsanwälte erfolgen. U.a. dafür wurden frist- und formgerecht ein Wahlvorschlag und Unterstützungserklärungen bezüglich der Person des Anfechtungswerbers (der, wie zugleich der Vollständigkeit halber angemerkt sei, als Wahlberechtigter zur Wahlanfechtung legitimiert ist) eingereicht. Der Anfechtungswerber hätte also für die am 11. 6. 2018 vorgesehenen Wahl der Mitglieder des Disziplinarrates aus dem Kreise der Rechtsanwälte zur Wahl stehen müssen. Es wurde jedoch – entgegen der Kundmachung – bei der Plenarversammlung keine Wahl der Mitglieder des Disziplinarrates aus dem Kreis der Rechtsanwälte durchgeführt. Sondern es wurde die Wahl der DR-Mitglieder aus dem Kreis der Rechtsanwälte (und zwar nur diese, bei im Übrigen durchgeführter Plenarversammlung) von der Tagesordnung genommen.

Dies ist aber nicht zulässig, da ja die – auch die Wahl Mitglieder des Disziplinarrates aus dem Kreis der Rechtsanwälte umfassende – Tagesordnung dieser konkreten Plenarversammlung bereits beschlossen und kundgemacht worden war (und für diese konkrete Wahl auch bereits Stimmen etwa im Wege der Briefwahl schon abgegeben worden waren).

Durch die Nichtdurchführung der Wahl in der Plenarversammlung wie vorgesehen und kundgemacht, wurde der Anfechtungswerber somit bei der laut Kundmachung vorgesehen gewesenen Wahl am 11. 6. 2018 (Wahl der DR-Mitglieder aus dem Kreis der Rechtsanwälte) übergangen. Das Übergehen eines Kandidaten wird von Rohregger (in: Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO, 9. Auflage, Rz 3 zu § 24b RAO) als zusätzlicher (infolge gebotener Lückenschließung durch Analogie herleitbarer) Anfechtungsgrund iSd § 24b RAO angeführt. Man könnte darin aber auch den Anfechtungsgrund des Ausschlusses von der Wahl (§ 24b Abs 1 2. Satz 2. HS 1. Fall RAO) durch Nichtdurchführung der Wahl sehen. Darauf gestützt, ergeht hiermit die gegenständliche Wahlanfechtung mit dem Antrage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit, eventualiter auf Neudurchführung der Wahl (soweit hier eine Neudurchführung gemäß § 24b Abs 2 zweiter Satz RAO überhaupt in Betracht kommt; wobei § 24b RAO ohnedies zwischen Wahlanfechtung wegen des Vorliegens von Anfechtungsgründen einerseits und der weiteren Rechtsfolge der allfälligen Notwendigkeit der Neudurchführung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 24b Abs 2 zweiter Satz RAO andererseits differenziert, sodass im Zuge einer Wahlanfechtung auch die bloße Feststellung der Rechtswidrigkeit möglich, dh vom Gesetzgeber als Möglichkeit mitbedacht worden ist). Die gegenständliche Anfechtung erfolgt zeitgerecht binnen einer Woche ab Wahlergebnisveröffentlichung und richtet sich gemäß § 24b Abs 2 RAO an den Obersten Gerichtshof. Anfechtungsgegenstand ist der obbezeichnete mit Mängeln behaftete Wahlvorgang (zumal auch ein Übergehen einen
– wenngleich eben mangelhaften – Wahlvorgang verkörpert).

Wien, am 18. 6. 2018

Anfechtungswerber: RA Dr. A*****

Rechtliche Beurteilung

Dieser Antrag ist unzulässig.

Die Wahl der Mitglieder des Disziplinarrats
– durch die Vollversammlung der Rechtsanwaltskammer – ist in § 7 DSt geregelt. Eine entsprechende Regelung für die Wahl anderer Funktionäre der Rechtsanwaltskammer (Präsident, Prüfungskommissäre zur Rechtsanwaltsprüfung, Mitglieder des Ausschusses etc) findet sich in § 24 Abs 1 RAO.

Nach § 24b Abs 2 RAO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Anfechtung der Wahl. Gemeint ist damit offensichtlich eine Wahl nach § 24 Abs 1 RAO (ebenso OBDK Bkv 6/10).

Eine dem § 24b Abs 2 RAO entsprechende explizite Regelung fehlt im DSt. Allenfalls könnte aus Art 11 § 3 BRAG 2010, BGBl I 2009/141 ein Hinweis auf die Möglichkeit einer Wahlanfechtung entsprechend § 24b Abs 2 RAO auch im Anwendungsbereich des DSt abgeleitet werden.

Ob im DSt insoweit eine planwidrige, durch Analogie zu schließende Lücke vorliegt, kann jedoch aus den folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:

Dem Antragsteller geht es nicht um die Anfechtung einer durchgeführten Wahl, sondern (im Hauptantrag) um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtdurchführung einer Wahl und (im Eventualantrag) um deren – mittlerweile bereits angeordnete – Durchführung.

Die Möglichkeit der Anfechtung beliebiger Beschlüsse des Ausschusses, die im Zusammenhang mit einem Wahlvorgang stehen, sieht auch § 24b RAO nicht vor. Wie bereits die OBDK zu Bkv 6/10 ausgeführt hat, ist schon aus der engen Fassung des Gesetzestextes zu erschließen, dass der Gesetzgeber eine solche Möglichkeit bewusst nicht angeordnet hat, um den eigenen Wirkungsbereich der Rechtsanwaltskammern zu erhalten. Auch die Gesetzesmaterialien zum

Berufsrechts-Änderungsgesetz 2010 (ErläutRV 483 BlgNR 24. GP 12) deuten darauf hin, dass allein die Möglichkeit einer Wahlanfechtung geschaffen werden sollte. Die Bekämpfbarkeit eines jeden im Zusammenhang mit dem Wahlvorgang stehenden Beschlusses würde wesentlich in die anwaltliche Selbstverwaltung eingreifen und die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs
– ohne gesetzliche Grundlage – in Richtung eines allgemeinen Aufsichtsorgans erweitern; eine solche Rolle kommt in eingeschränktem Umfang lediglich dem Bundesminister für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz zu (§ 27 Abs 6 RAO). Gerade gegen die Nichtdurchführung einer Wahl kann mit demokratischen Mitteln vorgegangen werden (§ 28 Abs 3 RAO: Einberufung einer außerordentlichen Plenarversammlung).

Textnummer

E122503

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0190OB00002.18K.0712.000

Im RIS seit

29.08.2018

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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