Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der 1. mj L*****, geboren *****, 2. mj L*****, geboren *****, beide wohnhaft bei der Mutter Mag. P*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Gerhards, Rechtsanwältin in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters Mag. E*****, vertreten durch BHF Briefer Hülle Frohner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. November 2017, GZ 43 R 505/17h-413, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Obsorge über die in den Jahren 2012 und 2014 außerehelich geborenen Buben steht der Mutter allein zu. In dem äußerst konfliktbeladenen Verfahren sind insbesondere der Umfang eines dem Vater einzuräumenden Kontaktrechts deren Durchsetzung sowie die Besuchsrechtsmodalitäten strittig.
Die Eltern vereinbarten in der Tagsatzung am 7. Juli 2017 (nach Einholung eines Sachverständigengutachtens), dass der Vaters berechtigt und verpflichtet ist, die Kinder jeden Dienstag und Donnerstag von 14:15 Uhr bis 17:30 Uhr zu sich zu nehmen. Weiters wurde dem Vater ein Kontaktrecht jeden zweiten Samstag zu seinem jüngeren Sohn von 9:00 Uhr bis 13:00 Uhr und zu seinem älteren Sohn von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr zugebilligt. Die Eltern legten auch den Ort der Übernahmen bzw Übergaben sowie teilweise auch eine Übergabsbegleitung („Besuchsmittlung“) fest.
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sind die vom Vater (bereits) im Sommer 2017 gestellten Anträge, mit denen er vor allem darüber hinausgehende Kontaktzeiten begehrt.
Das Erstgericht wies die Anträge ab, verwies auf die kurz davor abgeschlossene Vereinbarung und hob hervor, dass der Umfang des vereinbarten Kontaktrechts über die sonst für Kinder im gleichen Alter übliche Regelung hinausgehe. Eine Änderung des Kontaktrechts, die von der
– auch dem Gutachten entsprechenden – Vereinbarung abweiche, sei derzeit nicht geboten und diene nicht dem Kindeswohl.
Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs des Vaters mangels Beschwer insoweit zurück, als er „Kontaktrechte“ betraf, deren Ende bereits vor der Rekursentscheidung verstrichen war. Im Übrigen gab es dem Rekurs nicht Folge.
Es verwies ebenfalls auf die vergleichsweise Regelung des Kontaktrechts und das ihr zugrundeliegende Gutachten. Eine (weitere) Ausdehnung des Kontaktrechts setze eine Entspannung der konfliktbelasteten Situation voraus. Dem Vater sei es wegen des hochfrequentierten Kontaktrechts zu beiden Kindern möglich, sämtliche besonderen Anlässe (Geburtstag, Vatertag) zeitnah mit ihnen zu begehen oder auch nachzufeiern. Zur Übernahme der Kinder vertrat das Rekursgericht die Ansicht, dass die Mutter dabei nicht anwesend sein müsse. Bei dem Kleinkindalter entwachsenen Kindern seien Ersatzbesuchsrechte grundsätzlich abzulehnen.
Rechtliche Beurteilung
In seinem dagegen am 11. Dezember 2017 erhobenen (dem Obersten Gerichtshof wegen der Behandlung einer Befangenheitsanzeige erst am 29. Juni 2018 vorgelegten) außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Nach gesicherter Rechtsprechung mangelt es dem Elternteil, der eine bereits überholte Kontaktrechtsentscheidung bekämpft, an der Beschwer, sodass sein Rechtsmittel zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0006526). Die Zurückweisung des Rekurses durch das Rekursgericht in dem Umfang der erstgerichtlichen Entscheidungen, der den Zeitraum vor der Rekursentscheidung (November 2017) betraf, folgt dieser Rechtsprechung. Das Rechtsmittel gegen die Abweisung der das Jahr 2017 betreffenden Kontaktrechtstermine ist daher mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
2. Auch mit seinem Argument, es handle sich um Termine, die jährlich wiederkehren, zeigt der Vater keine erhebliche Rechtsfrage auf. Zum einen bezogen sich seine Kontaktrechtsanträge ausdrücklich und nur auf bereits verstrichene Zeiträume (zB „Sommerferien 2017“, „Geburtstag des Vaters am 7. September 2017“ etc). Zum anderen setzte sich das Rekursgericht aufgrund der Antragsformulierung, dass der Kontakt bezüglich der besonderen Anlässe auch hilfsweise an einem späteren Termin stattfinden soll, in diesem Umfang ohnedies auch inhaltlich mit dem Rechtsmittel auseinander und wies dabei darauf hin, dass es dem Vater aufgrund seines hochfrequentierten Kontaktrechts zu beiden Kindern möglich ist, sämtliche Anlässe wie Geburtstage oder Vatertage nachzuholen. Dabei ist dem Rekursgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.
3.1 Zum Umfang des Regelkontaktrechts wirft das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die unter Berücksichtigung des Kindeswohls (RIS-Justiz RS0047958; RS0048062; RS0087024) nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Kontaktrecht eingeräumt oder abgeändert werden soll, ist von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig; es kann ihr keine Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097114).
3.2 Im Anlassfall kommt hinzu, dass der Ende August 2017 getroffenen Entscheidung des Erstgerichts insbesondere der Umstand zugrundeliegt, dass die Eltern knapp davor, nämlich im Juli 2017 eine Vereinbarung über das Kontaktrecht getroffen haben, der auch ein Sachverständigengutachten zugrundelag. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes bedarf eine solche Vereinbarung seit dem KindNamRÄG 2013 zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 190 Abs 2 ABGB). Damit ist aber – auch in Anknüpfung an die Rechtsprechung vor dem KindNamRÄG 2013 zu bindenden Kontaktrechtsver-einbarungen (vgl 6 Ob 253/10i mwN) – davon auszugehen, dass die Eltern an einen vor Gericht abgeschlossenen genehmigten Kontaktregelungsvergleich unter der Einschränkung der clausula rebus sic stantibus gebunden sind. Sie können sich also nur auf nachträgliche Änderungen des Sachverhalts berufen.
3.3 Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit wegen geänderter Verhältnisse, unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes und unter Bedachtnahme auf Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände des Vaters das Kontaktrecht neu geregelt werden soll (RIS-Justiz RS0007210), ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig; es kann ihr deshalb keine Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, soweit nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung oder das Wohl des Kindes verletzt werden (RIS-Justiz RS0007101, RS0097114).
3.4 Entscheidende Änderungen des Sachverhalts seit dem Kontaktrechtsvergleich wurden vom Vater nicht aufgezeigt. Die Vorinstanzen haben auf das Gutachten Bezug genommen und daraus abgeleitet, dass eine Ausdehnung erst bei konfliktfreien Kontakten zu empfehlen sei. Wenn sich der Vater darauf stützt, dass eine Entspannung seit April 2017 eingetreten sei, wird damit keine Änderung der Umstände seit der Vereinbarung im Juli 2017 behauptet. In der Ablehnung einer Ausdehnung des 3 ¼ stündigen Kontaktrechts am Dienstag und Donnerstag um weitere 75 Minuten bzw in der Beibehaltung des bisherigen Umfangs für das Wochenendbesuchsrecht liegt damit keine korrekturbedürftige Fehlentscheidung. Die Entscheidungen der Vorinstanzen bewegen sich vielmehr innerhalb des ihnen zur Beurteilung des Kindeswohls eingeräumten Ermessensspielraums (RIS-Justiz RS0087024).
4. Abgesehen vom Umfang des Kontaktrechts werden im Revisionsrekursverfahren nach wie vor auch generelle Regelungen für den Fall angestrebt, dass ein Termin nicht durchgeführt werden kann. Nach gesicherter Rechtsprechung sind Ersatzbesuchstage aber nur ausnahmsweise und aus konkreten Anlässen und nicht generell zu gewähren (RIS-Justiz RS0047934 [T1]). Der außerordentliche Revisionsrekurs zeigt auch hier keine unvertretbare Fehlbeurteilung auf.
5. Dem Zweck der Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen dem Kind und dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil kann insbesondere dann, wenn die Aufrechterhaltung des erforderlichen persönlichen Kontakts wegen besonderer Umstände (etwa große räumliche Entfernung der Wohnorte) nicht möglich ist, auch die Anordnung und Regelung von Telefonkontakten durch den Pflegschaftsrichter dienen (RIS-Justiz RS0047991); auch diese dürfen dem Kindeswohl aber nicht widerstreiten (RIS-Justiz RS0047991 [T1]) Wenn das Rekursgericht davon ausgeht, dass verpflichtende telefonische Kontakte nicht im Interesse der noch kleinen Kindern seien, zumal ohnedies häufigen Kontakte zum Vater bestünden, weicht es von dieser Rechtsprechung nicht ab.
6. Auch Einzelfragen zur Übergabe und Übernahme der Kinder sind im Allgemeinen nicht geeignet, die Zulässigkeit des Rechtsmittels zu stützen, weil auch diesbezüglich in der Kontaktrechtsvereinbarung zwischen den Eltern eine Regelung getroffen wurde, auf die sich die Vorinstanzen jedenfalls in vertretbarer Weise bezogen haben.
7. Die umfassenden Ausführungen zu den Urlaubsreisen der Mutter lassen keinen sachlichen Zusammenhang zu den Rechtsmittelanträgen erkennen und sind schon mangels Präjudizialität nicht geeignet, eine erhebliche Rechtsfrage zu begründen.
Textnummer
E122505European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0030OB00135.18A.0814.000Im RIS seit
29.08.2018Zuletzt aktualisiert am
16.01.2019