TE Vfgh Erkenntnis 2018/6/27 G30/2017

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Veröffentlicht am 27.06.2018
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Index

21 Handels- und Wertpapierrecht
21/07 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
Gesellschafter-AusschlussG §1, §3, §4, §5, §9, §10
StGG Art2, Art5
EMRK 1. ZP Art1

Leitsatz

Keine Verletzung im Eigentums- und Gleichheitsrecht durch die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern aus einer GesmbH durch Beschluss des mit mindestens neun Zehntel am Nennkapital der Gesellschaft beteiligten Mehrheitsgesellschafters gegen eine angemessene Abfindung; keine Verletzung des Vertrauensschutzes

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

1.       Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B-VG begehrt die Antragstellerin,

"im Bundesgesetz über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz – GesAusG), BGBl I Nr 75/2006 idF BGBl I Nr 71/2009

in §1 Abs1 die Wortfolge 'oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung',

in §1 Abs4 erster Satz die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in §1 Abs4 zweiter Satz die Wortfolge 'oder des Gesellschaftsvertrags',

in §3 Abs1 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

§3 Abs9 zur Gänze,

in §4 Abs1 erster Satz die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in §5 Abs1 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

in §5 Abs2 erster Satz die Wortfolge '(die Geschäftsführung)',

in §9 Abs2 dritter Satz die Wortfolge 'oder wenn bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die zur Beschlussfassung notwendigen Unterlagen nach dem 31. Juli 2009 an die Gesellschafter übersendet werden',

in §9 Abs2 vierter Satz die Wortfolge 'oder die Unterlagen an die Gesellschafter übersendet wurden', sowie

in §10 die Wortfolge '(der Gesellschaftsvertrag)',

in eventu

in §1 Abs1 die Wortfolge 'oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung' als verfassungswidrig aufzuheben."

II.      Rechtslage

1.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern (Gesellschafter-Ausschlussgesetz – GesAusG), BGBl I 75/2006, idF BGBl I 71/2009 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Voraussetzungen

§1. (1) Die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft oder Generalversammlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf Verlangen des Hauptgesellschafters die Übertragung der Anteile der übrigen Gesellschafter auf den Hauptgesellschafter gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen.

(2) Hauptgesellschafter ist, wem zum Zeitpunkt der Beschlussfassung Anteile in Höhe von mindestens neun Zehnteln des Nennkapitals gehören. Welcher Teil der Anteile dem Hauptgesellschafter gehört, bestimmt sich nach dem Verhältnis der ihm gehörenden Anteile zum Nennkapital, bei Aktiengesellschaften mit Stückaktien nach der Zahl der Aktien. Eigene Anteile der Gesellschaft oder Anteile, die einem anderen für Rechnung der Gesellschaft gehören, sind vom Gesamtnennkapital beziehungsweise von der Gesamtzahl der Stückaktien abzuziehen.

(3) Als Anteile, die dem Hauptgesellschafter gehören, gelten auch Anteile anderer mit dem Hauptgesellschafter verbundener Unternehmen (§228 Abs3 UGB); die Verbindung muss im letzten Jahr vor der Beschlussfassung durchgehend bestanden haben.

(4) Die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) kann vorsehen, dass der Ausschluss von Gesellschaftern nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht zulässig ist oder dass dem Hauptgesellschafter eine höhere als die in Abs2 genannte Anteilsquote gehören muss. Eine entsprechende Bestimmung der Satzung oder des Gesellschaftsvertrags kann nur mit Zustimmung aller Gesellschafter aufgehoben oder geändert werden, es sei denn, die Bestimmung sieht ausdrücklich eine andere Mehrheit vor, die jedoch nicht weniger als drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfassen darf.

Barabfindung

§2. (1) Der Hauptgesellschafter hat eine angemessene Barabfindung zu gewähren. Der Tag der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung gilt als Stichtag für die Feststellung der Angemessenheit. Werden Sonderrechte entzogen, so ist dies bei der Festlegung der Abfindung zu berücksichtigen.

(2) Die Barabfindung ist zwei Monate nach dem Tag fällig, an dem die Eintragung des Ausschlusses gemäß §10 UGB als bekannt gemacht gilt; der Anspruch auf Barabfindung verjährt innerhalb von drei Jahren. Die Barabfindung ist ab dem der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung folgenden Tag bis zur Fälligkeit mit jährlich zwei Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz zu verzinsen. Die Kosten der Durchführung des Ausschlusses, insbesondere der Auszahlung der Barabfindung, trägt der Hauptgesellschafter.

(3) Der Hauptgesellschafter hat einen Treuhänder mit Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat des EWR zu bestellen. Bei diesem ist die Barabfindung vor Einberufung der Gesellschafterversammlung zu hinterlegen. Stattdessen kann dem Treuhänder eine Bankgarantie in Höhe des Abfindungsbetrags mit einer Laufzeit bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt der Auszahlung übergeben werden; tritt die Fälligkeit der Barabfindung nicht vor dem Ende der Laufzeit ein, so hat der Treuhänder die Bankgarantie abzurufen, wenn keine neue Bankgarantie übergeben wird. Die Bankgarantie ist von einem Kreditinstitut im Sinn des §1 Abs1 BWG mit anrechenbaren Eigenmitteln von mindestens 18,2 Millionen Euro oder von einem Kreditinstitut, das seine Tätigkeit in Österreich auf Grund des §9 BWG über eine Zweigstelle oder im Weg des freien Dienstleistungsverkehrs erbringt und über anrechenbare Eigenmittel beziehungsweise Eigenmittel von mindestens 18,2 Millionen Euro verfügt, auszustellen. Hat der Hauptgesellschafter seinen Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat des EWR, so muss dem Treuhänder zusätzlich eine Bankgarantie eines solchen Kreditinstituts in Höhe von 50 vom Hundert des Abfindungsbetrags mit einer Laufzeit von zwei Monaten nach dem voraussichtlichen Zeitpunkt der Bekanntmachung der Eintragung des Beschlusses übergeben werden. Wird bis zu diesem Zeitpunkt ein Verfahren auf Überprüfung der Barabfindung eingeleitet, so hat der Treuhänder die Bankgarantie abzurufen, wenn keine neue Bankgarantie übergeben wird.

Vorbereitung der Beschlussfassung durch die Gesellschafter

§3. (1) Der Vorstand (die Geschäftsführung) der Kapitalgesellschaft und der Hauptgesellschafter haben gemeinsam einen Bericht über den geplanten Ausschluss aufzustellen. Dieser muss zumindest die Voraussetzungen des Ausschlusses darlegen und die Angemessenheit der Barabfindung erläutern und begründen; auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung des Unternehmens ist hinzuweisen. §118 Abs3 AktG ist sinngemäß anzuwenden. Im Bericht ist darauf hinzuweisen, dass jedem Minderheitsgesellschafter ein Anspruch auf eine angemessene Abfindung gemäß §2 zusteht, weiters darauf, dass die Gesellschafter, auch wenn sie dem Beschluss zustimmen, bei dem Gericht, in dessen Sprengel die Kapitalgesellschaft ihren Sitz hat, innerhalb einer Frist von einem Monat nach dem Tag, an dem die Eintragung des Beschlusses gemäß §10 UGB als bekanntgemacht gilt, einen Antrag auf Überprüfung des Barabfindungsangebots stellen können (§6).

(2) Die Richtigkeit des Berichts nach Abs1 und die Angemessenheit der Barabfindung sind von einem sachverständigen Prüfer zu prüfen. Dieser wird auf gemeinsamen Antrag des Aufsichtsrats der Kapitalgesellschaft und des Hauptgesellschafters vom Gericht ausgewählt und bestellt. §220b Abs3 bis 5 AktG ist mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass das Auskunftsrecht auch gegenüber dem Hauptgesellschafter besteht.

(3) Hat die Kapitalgesellschaft einen Aufsichtsrat, so hat dieser den Ausschluss auf der Grundlage des Berichts gemäß Abs1 und des Prüfungsberichts gemäß Abs2 zu prüfen und darüber einen schriftlichen Bericht zu erstatten. §118 Abs3 AktG ist sinngemäß anzuwenden.

(4) Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat einen Hinweis auf die geplante Beschlussfassung mindestens einen Monat vor dem Tag der Hauptversammlung zu veröffentlichen (§18 AktG). In dieser Veröffentlichung sind die Aktionäre auf ihre Rechte gemäß Abs5 und 6 hinzuweisen.

(5) Bei einer Aktiengesellschaft sind mindestens während eines Monats vor dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung gemäß §108 Abs3 bis 5 AktG bereit zu stellen:

1. der Entwurf des Beschlussantrags über den Ausschluss;

2. die Berichte gemäß Abs1, 2 und 3;

3. allfällige Gutachten, auf denen die Beurteilung der Angemessenheit beruht; §118 Abs3 AktG ist sinngemäß anzuwenden;

4. die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der Gesellschaft für die letzten drei Geschäftsjahre.

(7) In der Hauptversammlung sind die in Abs5 bezeichneten Unterlagen aufzulegen. Der Vorstand und der Hauptgesellschafter haben den Bericht nach Abs1 vor der Beschlussfassung mündlich zu erläutern. Der Vorstand hat die Gesellschafter vor der Beschlussfassung über jede wesentliche Veränderung der Vermögens- oder Ertragslage der Gesellschaft sowie der Pläne des Hauptgesellschafters, die zwischen der Erstattung des Berichts gemäß Abs1 und dem Zeitpunkt der Beschlussfassung eingetreten ist, zu unterrichten; dies gilt insbesondere, wenn die Veränderung eine andere Barabfindung rechtfertigen würde.

(8) Jedem Aktionär ist auf Verlangen in der Hauptversammlung auch über alle für den Ausschluss wesentlichen Angelegenheiten des Hauptgesellschafters Auskunft zu geben. §118 Abs3 AktG ist sinngemäß anzuwenden.

(9) Die in Abs5 genannten Unterlagen sind den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu übersenden. Zwischen dem Tag der Aufgabe der Sendung zur Post und der Beschlussfassung muss ein Zeitraum von mindestens 14 Tagen liegen. Die Veröffentlichung gemäß Abs4 sowie die Auflegung zur Einsicht gemäß Abs5 sind nicht erforderlich. Die Geschäftsführer und der Hauptgesellschafter haben jedem Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Einberufung jederzeit Auskunft zu geben; das betrifft auch Veränderungen im Sinn des Abs7 und Angelegenheiten im Sinn des Abs8. In der Einberufung ist auf dieses Recht ausdrücklich hinzuweisen.

(10) Abs1 bis 9 und §2 Abs3 sind nicht anzuwenden, wenn sämtliche Gesellschafter schriftlich oder in der Niederschrift zur Gesellschafterversammlung auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichten.

Beschlussfassung durch die Gesellschafter

§4. (1) Der Beschluss der Gesellschafterversammlung bedarf der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und der Zustimmung durch den Hauptgesellschafter; die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) kann eine größere Mehrheit und weitere Erfordernisse vorsehen. Sonderbeschlüsse einzelner Aktiengattungen sind nicht erforderlich.

(2) Der Beschluss ist notariell zu beurkunden. Die Berichte über den Ausschluss gemäß §3 Abs1 bis 3 sind – vorbehaltlich §3 Abs10 – in die Niederschrift über den Beschluss aufzunehmen oder dieser als Anlage beizufügen.

Anmeldung und Eintragung des Beschlusses

§5. (1) Der Vorstand (die Geschäftsführung) der Kapitalgesellschaft hat den Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden. Der Anmeldung sind in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift beizufügen:

1. die Niederschrift des Beschlusses über den Ausschluss;

2. wenn der Beschluss einer behördlichen Genehmigung bedarf, die Genehmigungsurkunde;

3. bei Aktiengesellschaften der Nachweis der Veröffentlichung nach §3 Abs4.

(2) Weiters hat der Vorstand (die Geschäftsführung) dem Gericht eine Erklärung vorzulegen, dass eine Klage auf Anfechtung, Feststellung der Nichtigkeit oder Nichtigerklärung des Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung nicht erhoben oder zurückgenommen worden ist oder dass alle Anteilsinhaber durch notariell beurkundete Erklärung auf eine solche Klage verzichtet haben. Können diese Erklärungen nicht vorgelegt werden, so hat das Gericht gemäß §19 FBG vorzugehen.

(3) Der Beschluss darf nur eingetragen werden, wenn der Treuhänder dem Firmenbuchgericht angezeigt hat, dass er im Besitz der Gesamtsumme der Barabfindungen oder einer Bankgarantie ist (§2 Abs3).

(4) Mit der Eintragung des Beschlusses in das Firmenbuch gehen alle Anteile der Minderheitsgesellschafter auf den Hauptgesellschafter über, der dies verlangt hat. Sind über diese Mitgliedschaftsrechte Wertpapiere ausgegeben, so verbriefen sie ab dem genannten Zeitpunkt nur den Anspruch auf Barabfindung. Die Auszahlung der Barabfindung hat Zug um Zug gegen Übergabe der Wertpapiere zu erfolgen.

(5) Hat die Gesellschaft Rechte zum Bezug von Anteilen (Umtausch-, Bezugs-, Optionsrechte oder ähnliche Rechte) begeben, so haben die Berechtigten ab der Eintragung des Beschlusses einen Anspruch gegenüber dem Hauptgesellschafter auf eine dem Inhalt der Rechte angemessene Barabfindung.

(6) Der Mangel der notariellen Beurkundung des Beschlusses wird durch die Eintragung in das Firmenbuch geheilt.

Überprüfung der Barabfindung

§6. (1) Die Anfechtung des Beschlusses kann nicht darauf gestützt werden, dass die Barabfindung nicht angemessen festgelegt ist oder dass die Erläuterungen der Barabfindung in den Berichten gemäß §3 den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen.

(2) Für die Überprüfung der Barabfindung durch die ausgeschlossenen Gesellschafter sind die §§225c bis 225m AktG – ausgenommen §225c Abs3 und 4, §225e Abs3 zweiter Satz und §225j – über die Verschmelzung zur Aufnahme auf die Kapitalgesellschaft sinngemäß anzuwenden. An die Stelle des Verschmelzungsvertrags tritt der Bericht gemäß §3 Abs1, an Stelle der übernehmenden Gesellschaft der Hauptgesellschafter, an Stelle des Umtauschverhältnisses die Höhe der baren Abfindung für die Anteile. Für die Fälligkeit und die Verzinsung zugesprochener oder auf Grund eines Vergleichs zustehender barer Zuzahlungen ist §2 Abs2 sinngemäß anzuwenden.

Ausschluss nach einem Übernahmeangebot

§7. (1) Hat der Hauptgesellschafter seine Beteiligung durch ein Übernahmeangebot im Sinn des ÜbG erworben oder erweitert und war das Übernahmeangebot auf Erwerb aller Aktien der Zielgesellschaft gerichtet, so ist der Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zulässig, wenn die Hauptversammlung den Beschluss über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Angebotsfrist fasst. Die Satzung kann von diesen Bestimmungen nicht abweichen.

(2) Hauptgesellschafter ist, wem Aktien an der Zielgesellschaft im Ausmaß von mindestens 90 vom Hundert des gesamten stimmberechtigten Grundkapitals der Aktiengesellschaft und 90 vom Hundert ihrer Stimmrechte gehören; für die Berechnung gilt §1 Abs3 sinngemäß. Das Ausschlussrecht erstreckt sich nur auf die übrigen stimmberechtigten Aktien. Hält der Hauptgesellschafter zusätzlich 90 von Hundert des gesamten Grundkapitals, so kann die Hauptversammlung auch die Übertragung der stimmrechtslosen Vorzugsaktien auf den Hauptgesellschafter beschließen. Haben mehrere Bieter gemeinsam ein Angebot abgegeben, so ist auf ihre gemeinsame Beteiligung abzustellen; enthält die Angebotsunterlage keine abweichende Angaben zur Aufteilung der Aktien, so werden den Bietern die Aktien zu gleichen Teilen übertragen.

(3) Eine Barabfindung unter dem Wert der höchsten Gegenleistung des Übernahmeangebots ist jedenfalls nicht angemessen. Hat der Bieter im Rahmen des Übernahmeangebots oder in Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot mehr als 90 vom Hundert der durch das Angebot betroffenen Aktien erworben, so wird vermutet, dass eine Barabfindung in Höhe des Werts der höchsten Gegenleistung angemessen ist. Die Berechnung ist für jede Aktiengattung getrennt vorzunehmen. §16 Abs7 ÜbG gilt sinngemäß.

(4) Für die Einberufung der Hauptversammlung auf Verlangen des Hauptgesellschafters gemäß §105 Abs3 AktG ist es nicht erforderlich, dass der Hauptgesellschafter seit mindestens drei Monaten Inhaber der Aktien ist.

Verweisungen

§8. Soweit in diesem Bundesgesetz auf die Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

In-Kraft-Treten

§9. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 20. Mai 2006 in Kraft.

(2) §3 Abs1, 3, 5 und 8 sowie §7 Abs4 in der Fassung des Aktienrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I Nr 71/2009, treten mit 1. August 2009 in Kraft. §3 Abs6 tritt mit Ablauf des 31. Juli 2009 außer Kraft. §3 Abs1, 3, 5 und 8 sowie §7 Abs4 in der Fassung des Aktienrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I Nr 71/2009, sind auf Gesellschafterausschlüsse anzuwenden, wenn die Gesellschafterversammlung nach dem 31. Juli 2009 einberufen wird oder wenn bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die zur Beschlussfassung notwendigen Unterlagen nach dem 31. Juli 2009 an die Gesellschafter übersendet werden. Auf Gesellschafterausschlüsse, bei denen vor diesem Zeitpunkt die Gesellschafterversammlung einberufen wurde oder die Unterlagen an die Gesellschafter übersendet wurden, sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Übergangsbestimmung

§10. Sofern die Satzung (der Gesellschaftsvertrag) einer Kapitalgesellschaft bereits vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes für den Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern erschwerende Regeln vorsah, gelten diese sinngemäß für den Gesellschafterausschluss nach diesem Bundesgesetz.

Vollziehungsklausel

§11. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Justiz betraut."

III.    Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Mit Teilurteil vom 23. Jänner 2017 wies das Landesgericht Klagenfurt das Begehren der Klägerin (der antragstellenden Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) auf Nichtigerklärung des in der Generalversammlung der beklagten Partei (einer der beteiligten Parteien im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) vom 30. November 2011 gefassten Gesellschafterbeschlusses auf Ausschluss der Klägerin gemäß Gesellschafter-Ausschlussgesetz ab.

2.        Gegen dieses Teilurteil erhob die Antragstellerin Berufung und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels unter einem den vorliegenden Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B-VG. Darin legt die Antragstellerin ihre Bedenken wie folgt dar:

"I. Sachverhalt

Die Antragstellerin ist Gesellschafter [einer namentlich genannten] Gesellschaft m.b.H. […]. In der Generalversammlung dieser Gesellschaft vom 30.11.2011 wurden mit den Stimmen des Hauptgesellschafters [, einer Privatstiftung], gegen die Stimmen der Antragstellerin, mehrere Gesellschafterbeschlüsse gefaßt. Einer dieser Beschlüsse war der Ausschluß der Antragstellerin aus der Gesellschaft gem. §§1 ff GesAusG.

Die Antragstellerin hat gegen jene Gesellschafterbeschlüsse, die gegen ihre Stimmen gefaßt wurden, Widerspruch zu Protokoll und Anfechtungsklage erhoben. Über einen Punkt des Klagebegehrens dieser Anfechtungsklage – nämlich den Ausschluß der Antragstellerin nach dem GesAusG für nichtig zu erklären – hat das Landesgericht Klagenfurt am 23.1.2017 zu ************* ein Teilurteil gefällt […]. Mit diesem Teilurteil wurde das Begehren der Antragstellerin, den Gesellschafterbeschluß über ihren Gesellschafterausschluß für nichtig zu erklären, abgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen das Teilurteil die Berufung […] erhoben […].

II. Zulässigkeit des Antrags

Die angefochtene Bestimmung wurde vom Landesgericht Klagenfurt in seinem Teilurteil vom 23.1.2017 […] im Verfahren *************, in dem die Antragstellerin klagende Partei ist, angewendet. Dieses Urteil wurde dem Vertreter der Antragstellerin/klagenden Partei am 24.1.2017 zugestellt. Sie hat dagegen am 20.2.2017 das Rechtsmittel der Berufung erhoben […].

Mit einem Teilurteil werden einzelne Teile des Verfahrensgegenstandes abschließend erledigt. Eine weitere Entscheidung ergeht zu diesem Teil des Verfahrensgegenstandes nicht. Artikel 140 Abs1 Z1 litd B-VG erfaßt daher auch Teilurteile im Zivilprozeß [Grabenwarter/Musger, Praxisfragen der Gesetzes-beschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015 551, 552].

Die angefochtenen Bestimmungen wurde[n] vom Landesgericht Klagenfurt unmittelbar angewandt. Der Inhalt des Gesellschafterbeschlusses, der vor dem Landesgericht Klagenfurt bekämpft wird, ist der Ausschluß der Antragstellerin aus der Gesellschaft nach den hier angefochtenen Bestimmungen des GesAusG. Das Landesgericht Klagenfurt hat in seinem Teilurteil den Gesellschafterausschluß nach diesen angefochtenen Bestimmungen als rechtmäßig beurteilt. Die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof hätte einen Wegfall jener Teile des GesAusG zur Folge, die den begründungslosen Ausschluß eines Gesellschafters aus einer GmbH erlauben. Dies würde sich auf die anhängige Rechtssache insofern auswirken, als der Anfechtungsklage der Antragstellerin jedenfalls stattzugeben wäre, da es für den angefochtenen Gesellschafterausschluß keine Rechtsgrundlage mehr gäbe. Die angefochtenen Bestimmungen sind daher präjudiziell.

III. Begründung des Antrags

Das GesAusG wurde zur Umsetzung der Übernahme-RL [Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl Nr L 142 vom 30.4.2004] erlassen [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 1]. Die Übernahme-RL sieht die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses nur im Zuge einer erfolgreichen Übernahme börsennotierter Aktiengesellschaften vor; in jenem Ausmaß, in dem der österreichische Gesetzgeber darüber hinausgegangen ist und den Gesellschafterausschluß auch in anderen Fällen ermöglicht hat, fehlen europarechtliche Vorgaben – und das Gesetz ist am Maßstab des österreichischen Verfassungsrechts zu messen [Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung2 Rz 1 Vor §1 GesAusG]. Die im GesAusG vorgesehene Möglichkeit, nicht nur (wie von der Übernahme-RL vorgesehen) Aktionäre börsennotierter Aktiengesellschaften, sondern – wie im vorliegenden Fall – auch Minderheitsgesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus der Gesellschaft auszuschließen, ist mit der österreichischen Grundrechtsordnung nicht in Einklang zu bringen.

Die Antragstellerin wurde durch die Anwendung der bekämpften Bestimmung im Urteil […] in ihren Rechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums (dazu sogleich 1.) und auf Gleichheit vor dem Gesetz (dazu unten 2.) verletzt.

[…]

1.2 Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie auf Geschäftsanteile

Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfaßt jedes vermögenswerte Privatrecht [VfGH VfSlg 18.320, VfGH G97/2013]. Gesellschaftsanteile sind vermögenswerte Privatrechte; sie unterliegen dem verfassungsgesetzlichen Eigentumsschutz gem. Art5 StGG und Art1 1. ZProt MRK [Vgl. Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG mwN aus der Rspr und Lehre].

Darüber hinaus schützt die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie die Privatautonomie schlechthin. Eine gesetzliche Maßnahme, die einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändert, greift daher in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein [VfGH VfSlg 17.817/2006].

1.3 Eigentumseingriff

Durch eine Enteignung wird eine Sache dem Eigentümer entzogen und dem Staat, einer anderen Körperschaft, oder einer gemeinnützigen Unternehmung übertragen, oder es werden daran in gleicher Weise bestimmte Rechte begründet. Hoheitliche Maßnahmen, die das Eigentum belasten oder seine Nutzung regeln, aber nicht als Enteignung zu qualifizieren sind, sind Eigentumsbeschränkungen [Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 Rz 1480 f. mwN]. Der Gesellschafterausschluß nach GesAusG, bei dem das Eigentum an den Anteilsrechten durch Beschluß der Gesellschafterversammlung entzogen wird, welche dabei die gesetzliche Ermächtigung des §1 GesAusG ausnützt, ist eine solche Eigentumsbeschränkung [Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG mwN aus der Rspr und Lehre].

Darüber hinaus greift ein Gesetz, das einen privatrechtlichen Vertrag unmittelbar verändert, allein schon dadurch in das Eigentumsrecht beider Vertragsteile ein (VfSlg 17.071) mwN]. Die Möglichkeit, Aktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, ist ein[e] Eigentumsbeschränkung (VfSlg 19.486/2011) mwN]. Das GesAusG enthält keine Übergangsregelung, die seinen Anwendungsbereich auf Gesellschaften beschränk[t], die nach seinem Inkrafttreten gegründet werden. Die Übergangsbestimmung in §10 GesAusG läßt nur solche Gesellschaftsvertragsklauseln weitergelten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erschwerende Regeln für einen Gesellschafterausschluß vorsahen. Für Gesellschaftsverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden und keine Regelungen für einen Gesellschafterausschluß enthielten, weil die Vertragspartner eine solche Möglichkeit nicht vereinbaren wollten, gibt es keine Übergangsbestimmung. Für diese Verträge führt das GesAusG zu einer von den Parteien bei Vertragsabschluß nicht gewollten Änderung des Gesellschaftsvertrages; und zwar zu einer Änderung, die die schwächeren Vertragsparteien (Minderheitsgesellschafter) nicht ohne Zustimmung der stärkeren Vertragspartei (Hauptgesellschafter) abwenden können (s. zu einer vergleichbaren Konstellation etwa VfGH G141/10: haben Anspruchswerber im Vertrauen auf eine längere Verjährungsfrist Ansprüche noch nicht geltend gemacht, so könnte eine Verkürzung der Verjährungsfrist [womit die Ansprüche mit einem Schlag verjährt wären] die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie verletzen – so wie in casu das Vertrauen auf einen Gesellschaftsvertrag ohne Gesellschafterausschluß durch seine nachträgliche gesetzliche Einführung verletzt wird).

?   Das GesAusG greift daher auf zwei Arten in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums ein:

?   Zum einen kann dem Minderheitsgesellschafter sein Gesellschaftsanteil durch Handlung eines Dritten (des Mehrheitsgesellschafters) entzogen werden, ohne daß er die Möglichkeit hätte dies zu verhindern.

Zum anderen verändert das GesAusG unmittelbar alle Gesellschaftsverträge und Satzungen, in denen bis zu seinem Inkrafttreten (20.5.2006) keine Gesellschafterausschlußregel enthalten war; diese Verträge wurden durch Inkrafttreten des GesAusG gegen den Willen der Vertragsparteien abgeändert und damit in deren Privatautonomie eingegriffen.

Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht berühren oder in anderer Weise gegen bindende Verfassungsgrundsätze verstoßen, im öffentlichen Interesse liegen, und nicht unverhältnismäßig und unsachlich sind. Wie in Folge (1.4) ausgeführt wird, sind diese Voraussetzungen jedenfalls bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung nicht erfüllt – und der Eigentumseingriff durch das GesAusG daher verfassungswidrig.

1.4 Verfassungswidrigkeit

Das GesAusG greift in das verfassungsgesetzlich gewährleistete[…] Recht[…] auf Unverletzlichkeit des Eigentums ein. Gesetzliche Eigentumsbeschränkungen sind nur zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse liegen [VfGH VfSlg 1853, VfSlg 9911/1983, VfSlg 14.535/1996, VfSlg 15.577/1999]. Das öffentliche Interesse wird durch bestimmte Voraussetzungen präzisiert; in Folge wird ausgeführt, daß diese Voraussetzungen [VfGH VfSlg 3666] nicht vorliegen:

– es liegt kein konkreter Bedarf vor, dessen Deckung im öffentlichen Interesse liegt (dazu sogleich 1.4.1); und

– der Eingriff genügt nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dazu unten 1.4.2).

Darüber hinaus dürfen Eigentumsbeschränkungen den Wesensgehalt des Grundrechtes nicht berühren oder in anderer Weise gegen bindende Verfassungsgrundsätze verstoßen [VfGH VfSlg 9189/1981, VfSlg 10.981/1986, VfSlg 15.577/1999]; auch diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt (dazu unten 1.4.3).

1.4.1 Öffentliches Interesse

Es ist (auch von Seiten des Gesetzgebers) unbestritten, daß die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses vor allem im Interesse des Hauptgesellschafters liegt [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26]. Das über das Interesse des Hauptgesellschafters (welches unzweifelhaft keine Eigentumsbeschränkung rechtfertigen würde) hinausgehende öffentliche Interesse soll nach Ansicht des Gesetzgebers 'an der Schaffung wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller Unternehmens- und Kontrollstrukturen' bestehen, 'die ohne Minderheitsgesellschafter leichter zu verwirklichen sind; denn um die effizienzsteigernde unternehmerische Vollintegration zu erreichen' bedürfe es der Möglichkeit des Durchgriffs, die 'leichter gegeben ist, wenn die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht mehr zu berücksichtigen sind.' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26f]. Hinzu komme 'auch die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft durch eine kleine Minderheit (allenfalls verschärft durch die Kosten der Börsennotierung)' [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27].

Da der Eingriff in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte nur aus öffentlichem Interesse zulässig ist, wird auf das Interesse des Mehrheitsgesellschafters in Folge nicht weiter eingegangen. Dafür wird das öffentliche Interesse einer genaueren Betrachtung unterzogen. Dabei zeigt sich, daß zum vermeintlichen öffentlichen Interesse sowohl in den Gesetzesmaterialien als auch in der Literatur immer die gleichen Schlagworte von wettbewerbsfähigen und reaktionsschnellen Unternehmensstrukturen wiederholt werden [Vgl. etwa Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG mwN. ] – daß sich aber offenbar noch niemand darüber Gedanken gemacht hat, was diese 'Überschriften' in materieller Hinsicht eigentlich aussagen; was also an (sicher toll klingenden) Schlagworten wie 'wettbewerbsfähigen und reaktionsschnellen Unternehmens- und Kontrollstrukturen' inhaltlich eigentlich dran ist. Dies wird in Folge für die hier interessierende Konstellation – nämlich eine GmbH – untersucht.

Ausgangspunkt dafür sind die Gesetzesmaterialien. Dabei fällt zunächst ins Auge, daß diese zum Gesellschafterausschluß aus einer GmbH nichts 'hergeben'. Denn ausweislich der Materialien soll das öffentliche Interesse grundsätzlich darin bestehen, daß ohne Rücksicht auf Minderheitsgesellschafter die 'effizienzsteigernde unternehmerische Vollintegration' leichter zu erreichen sei, aufgrund derer 'wettbewerbsfähige und reaktionsschnelle Unternehmens- und Kontrollstrukturen' geschaffen würden [ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 26 f.]. Damit bezieht sich das gesamte vom Gesetzgeber dargetane öffentliche Interesse am Gesellschafterausschluß ausschließlich auf jenen Fall, für den er europarechtlich vorgesehen war: nämlich auf die Integration einer börsennotierten Gesellschaft nach einer erfolgreichen Übernahme. Die Gesetzesmaterialien gehen nicht mit einem Wort darauf ein, worin das öffentliche Interesse an der Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses in der GmbH – bei der es keine Übernahme nach dem ÜbG gibt (und für die weder ÜbG noch Übernahme-RL gelten) – liegen soll.

Eine direkte Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien scheidet also aus – das Gesetz selbst ermöglicht zwar auch den Gesellschafterausschluß aus der GmbH, die Materialien erklären das öffentliche Interesse aber nur für die Konstellation einer börsennotierten AG nach einer Übernahme. In einem zweiten Schritt ist daher zu prüfen, ob ein öffentliches Interesse sichtbar wird, wenn man die vom Gesetzgeber herangezogene Begründung gleichsam interpretativ auf die GmbH erweitert:

Die Schaffung besserer 'Kontrollstrukturen' scheidet dabei aus, denn die werden durch den Ausschluß von Minderheitsgesellschaftern aus einer GmbH keinesfalls verwirklicht. Gerade das Vorhandensein anderer Gesellschafter, die die Gebarung des Unternehmens im Rahmen ihrer gesetzlichen Kontrollmöglichkeiten überwachen (und wenn nötig gerichtlich durchsetzen), zwingt Geschäftsführung und Mehrheitsgesellschafter zur Einhaltung von Transparenz- und Gläubigerschutzbestimmungen. Ein Unternehmen, in dem niemand dem Mehrheitseigentümer 'auf die Finger schaut', ist nicht besser sondern wesentlich schlechter kontrolliert. Dazu kommt noch, daß Minderheitsgesellschafter ohnedies nur kontrollieren können, ob die ihnen zugänglichen Informationen auf rechtswidrige Vorgänge im Unternehmen hindeuten; und ein öffentliches (!) Interesse daran, Unternehmen die Einhaltung 'lästiger' gesetzlicher Bestimmungen zu ersparen (indem man ihnen ermöglicht, die effizienteste Kontrollinstanz – nämlich die Minderheitsgesellschafter – loszuwerden), gibt es bestimmt nicht.

Wie durch die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses aus der GmbH 'wettbewerbsfähige Unternehmensstrukturen' geschaffen werden könnten (oder wo das öffentliche Interesse daran liegen soll), ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Wahl der Rechtsform ist eine typische unternehmerische Entscheidung. Wie alle Gesellschaftsformen haben auch Kapitalgesellschaften positive Seiten (erleichterte Kapitalaufbringung, beschränkte Haftung, usw.) und negative Seiten (wenn man die Beachtung der gesetzlichen Rechte aller Gesellschafter – auch der gering beteiligten – als solche verstehen will). Mit diesen positiven und negativen Seiten steht das Unternehmen der Kapitalgesellschaft im Wettbewerb mit allen anderen Mitbewerbern, die ebenfalls die unternehmerische Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform getroffen haben (und mit den positiven und negativen Aspekten der gleichen, oder einer anderen, Rechtsform arbeiten). Die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses schafft keine 'wettbewerbsfähigen Unternehmensstrukturen'. Doch selbst wenn: worin liegt das öffentliche Interesse darin, Kapitalgesellschaften, die zu mindestens 90% in der Hand eines Eigentümers sind (und nur diese), 'wettbewerbsfähiger' zu machen? Wenn die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses ein Unternehmen tatsächlich wettbewerbsfähiger macht: worin liegt das öffentliche Interesse daran, Kapitalgesellschaften mit Minderheitsbeteiligung bis zu 10% gegenüber allen anderen (insb. Kapitalgesellschaften mit Minderheitsbeteiligung über 10%) einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen? 'Wettbewerbsfähige Unternehmensstrukturen' klingt gut, ist bei näherer Betrachtung aber eine Leerformel.

Richtig könnte hingegen sein, daß ein Unternehmen 'reaktionsschneller' geführt werden kann, 'wenn die Interessen der Minderheitsgesellschafter nicht mehr zu berücksichtigen sind'. Denn ein Alleingesellschafter, der niemanden fragen und niemanden informieren muß und niemandem Rechenschaft schuldig ist, kann – so möchte man meinen – schneller entscheiden. Das erklärt das Interesse des Mehrheitsgesellschafters, seine(n) Minderheitsgesellschafter loszuwerden; ein öffentliches Interesse daran erklärt es aber nicht. Ein solches ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen. Dazu kommt noch, daß das Argument der Reaktionsschnelle nur auf den ersten Blick richtig erscheint, einer genaueren Betrachtung aber nicht standhält. Jedenfalls nicht bei der GmbH, um die es hier geht: denn das Unternehmen der GmbH wird nicht durch die Gesellschafter geführt, sondern durch den/die Geschäftsführer. Sie sind es, denen die Geschäftsleitung und die Vertretung der Gesellschaft übertragen ist, sie sind es, die im Tagesgeschäft schnell reagieren müssen. Dagegen könnte man natürlich einwenden, daß die Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafter zu befolgen haben. Das stimmt, nur beißt sich die Katze dann in den Schwanz (weil es dann wieder nur um das Interesse des Mehrheitsgesellschafters geht, nicht um öffentliches); vor allem aber führt es hier nicht weiter, da es beim GesAusG nur um den Ausschluß von Gesellschaftern mit einer Beteiligung von maximal 10% geht – und solche Minderheitsgesellschafter können rechtmäßige Gesellschafterweisungen sowieso nicht verhindern (§39 Abs1 GmbHG).

Was bleibt, ist 'die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft durch eine kleine Minderheit'. Auch das ist aber keine tragfähige Begründung eines öffentlichen Interesses; und zwar bei näherer Betrachtung gleich aus mehreren Gründen:

a) Zunächst ist es überhaupt kein öffentliches Interesse, sondern ein Interesse der Gesellschaft, die die Kostenbelastung trifft – was der Gesetzgeber sogar erkannt und in den Materialien offen ausgesprochen hat ['…die hohe Kostenbelastung der Gesellschaft…' (ErlRV 1334 BlgNR XXII GP S. 27, Hervorhebung durch Schriftsatzverfasser)].

b) Vor allem aber handelt es sich um einen Zirkelschluß: natürlich verursacht die Ausübung der (umfassenden) Informations- und (spärlichen) Mitbestimmungsrechte der Minderheitsgesellschafter einen gewissen Aufwand. Doch ist diese genau das: die Ausübung von Rechten! Gegen ihre mißbräuchliche Ausübung besteht ohnedies gesetzlicher Schutz (§1295 Abs2 ABGB), was bleibt ist ihre berechtigte Ausübung – und das öffentliche (!) Interesse an einem Gesellschafterausschluß kann wohl kaum damit begründet werden, daß Gesellschafter die Befugnisse ausüben, die ihnen das Gesetz einräumt [Torggler, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesellschafter-Ausschlußgesetzes 2006 (11/SN-363/ME XXII. GP) S. 4]. Das ist ein Zirkelschluß, mit dem alles und nichts begründet werden kann.

c) Letztlich wird in den Materialien zwar auf den 'Mehrpersonenaufwand' hingewiesen, den die Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern erzeugen soll; es bleibt aber im Dunkeln, worin dieser Aufwand bestehen und welche Ausmaße er haben soll. Ein GmbH-Minderheitsgesellschafter (der sich nicht obstruktiv verhält – aber dafür gibt es bereits gesetzliche Vorsorge, nämlich §1295 Abs2 ABGB), verursacht überhaupt keinen nennenswerten Aufwand – und ganz sicher erreicht ein solcher 'Mehrpersonenaufwand' keine volkswirtschaftlich spürbaren Dimensionen, die das öffentliche Interesse tangieren würden [Torggler aaO S. 3].

Im Ergebnis besteht kein öffentliches Interesse daran, den grundlosen Gesellschafterausschluß aus einer GmbH zu erlauben. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Gründe mögen bei einer AG (insb. bei einer börsennotierten nach einer Übernahme) ihre Berechtigung haben, bei der GmbH erweisen sie sich bei näherer Betrachtung als Leerformeln. Der Versuch, das Interesse des Mehrheitsgesellschafters in ein öffentliches umzudeuten, muß scheitern – jedes behauptete 'öffentliche' Interesse führt letztlich doch wieder zum Interesse des Mehrheitsgesellschafters. Natürlich kann man mit Alleineigentum ungebundener verfahren als mit Miteigentum – das begründet aber kein öffentliches Interesse daran, dem Mehrheitseigentümer gesetzlich zu ermöglichen, die Minderheitseigentümer aus ihrem Eigentum zu drängen.

Mit der gleichen Argumentation von Effizienz und Kosten müßte man sonst etwa auch den Kündigungsschutz des MRG beseitigen, wenn in einem (nicht abzubrechenden) Zinshaus nur noch 10% der Fläche vermietet und der Rest bestandfrei ist – denn der Eigentümer hätte natürlich viel weitergehende Möglichkeiten, müßte er auf keine Bestandrechte mehr Rücksicht nehmen (und er könnte am Immobilienmarkt 'wettbewerbsfähiger und reaktionsschneller' agieren). Dennoch käme niemand auf die Idee, daß derartiges im 'öffentlichen Interesse' liegen könnte.

Es hat schon einen Grund, daß sich die Literatur über das öffentliche Interesse am Gesellschafterausschluß aus der GmbH nobel zurückhaltend ('nur in relativ geringem Maß ausgeprägt' [Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG; Kalss/Zollner, Squeeze-out S. 37], 'eher schwach' [Gall/Potyka/Winner, Squeeze-out S. 38]) bis eindeutig ablehnend ('gar kein öffentliches Interesse' [Torggler aaO S. 5]) äußert.

1.4.2 Verhältnismäßigkeit

Eigentumsbeschränkungen sind nur dann nicht verfassungswidrig, wenn sie verhältnismäßig sind. Sie müssen also im öffentlichen Interesse liegen (was sie in casu nicht tun – dazu oben 1.4.1), und zur Erreichung ihres Ziels geeignet sein (was überschießende Eingriffe idR sind, weswegen auf dieses Kriterium nicht weiter eingegangen wird). Des weiteren müssen sie zur Erreichung des Ziels erforderlich und adäquat sein; die beiden letztgenannten Voraussetzungen sind, wie in Folge ausgeführt wird, im vorliegenden Fall nicht erfüllt (zur Erforderlichkeit sogleich 1.4.2.1, zur Adäquanz unten 1.4.2.2).

1.4.2.1 Erforderlichkeit

Eine Eigentumsbeschränkung ist erforderlich, wenn sie das gelindeste Mittel zur Erreichung des im öffentlichen Interesse gelegenen Zieles bildet – also von mehreren möglichen Mitteln jenes ist, das die Grundrechtsposition am [W]enigsten einschränkt. Spätestens an diesem Punkt wird die Einbeziehung der GmbH in das GesAusG jedenfalls verfassungswidrig. Denn auch, wenn man ein öffentliches Interesse anerkennen wollte (oben 1.4.1), so gäbe es zahlreiche weniger eingriffsintensive Möglichkeiten zur Erreichung der vom Gesetzgeber genannten Ziele; [VfGH VfSlg 19.515/2011], alles über einen Kamm zu scheren (börsennotierte und geschlossene Aktiengesellschaften, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, bereits existente und noch zu gründende Gesellschaften) ist keinesfalls erforderlich. Im einzelnen:

a) Um den 'Aufwand' zu verringern, den das Informationsrecht der Gesellschafter verursacht, würde es ausreichen, dieses von der Rspr entwickelte Recht gesetzlich zu konkretisieren (und etwa festzulegen, in welche Unterlagen der Gesellschafter mit welchem Aufwand zu welcher Zeit Einsicht nehmen darf und welche Auskünfte ihm erteilt werden müssen).

b) Geht es um rechtsmißbräuchliche Anfechtungsklagen, so könnten die ohnedies bereits bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten über §1295 Abs2 ABGB hinaus erweitert oder die Minderheitenklagerechte reformiert werden [Badenberg, Hinreichender Eigentumsschutz der Minderheitsaktionäre beim Rauswurf (Squeeze-out) S. 18].

c) Soll der Gesellschafterausschluß 'lästiger' Gesellschafter möglich sein, so muß er wenigstens ultima ratio bleiben, statt im Belieben des Mehrheitsgesellschafters zu stehen – also etwa als Gesellschafterausschluß aus wichtigem Grund, wie bei Dauerschuldverhältnissen.

d) Der Gesetzgeber könnte dem Minderheitsgesellschafter auch eine Wahlmöglichkeit einräumen, die Anteile des Hauptgesellschafters zu den gleichen Konditionen zu übernehmen, zu denen der Hauptgesellschafter jene des Minderheitsgesellschafters übernehmen will. Eine solche Regelung wird häufig in Gesellschaftsverträgen vereinbart. Sie erwirkt eine gerechte Bewertung (weil der Hauptgesellschafter nicht weiß, ob er zum festgesetzten Preis übernehmen oder abgeben wird), und verhindert, daß ein Gesellschafter seine Anteile verliert ohne eine Möglichkeit zu haben, dies zu vermeiden. Das Ergebnis bleibt das gleiche (die Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Gesellschafters), der Grundrechtseingriff ist aber deutlich gelinder.

e) Auch die Beeinflussung von 'Reaktionsgeschwindigkeit' und 'Wettbewerbsfähigkeit' einer Gesellschaft durch ihre Minderheitsgesellschafter hängt ausschließlich davon ab, wie die Minderheitenrechte gesetzlich ausgestaltet sind (allein die Beseitigung manch formaler Beschlußerfordernisse würde sehr viel mehr dazu beitragen, 'reaktionsschnelle Unternehmensstrukturen' zu schaffen, als die Möglichkeit des Gesellschafterausschlusses in der GmbH).

f) Der Eingriff in die Privatautonomie, der durch die unterschiedslose Anwendbarkeit des GesAusG auch auf bei seinem Inkrafttreten bereits abgeschlossene Gesellschaftsverträge verwirklicht wird, könnte durch entsprechende Übergangsbestimmungen gelinder ausgestaltet werden. Zwar kann die Ausschlußmöglichkeit nach GesAusG gesellschaftsvertraglich abbedungen werden – all jenen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits Gesellschafter waren, hilft das aber nichts; bei bereits bestehenden Gesellschaften müßte die Zweifelsregel daher umgekehrt werden [Torggler aaO S. 6] (sodaß der Gesellschafterausschluß weiterhin unmöglich bleibt, wenn er nicht in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen wird).

g) Letztlich könnte der Gesellschafterausschluß auch einfach auf jenen Bereich beschränkt werden, in dem tatsächlich geringer Streubesitz einen unverhältnismäßigen Aufwand erzeugen kann (und in dem der typische Anleger reine Vermögens- und keine Bestandsinteressen hat): nämlich auf (börsennotierte) Aktiengesellschaften.

Im Ergebnis ist die Möglichkeit des grundlosen Ausschlusses aus einer GmbH daher keinesfalls das gelindeste Mittel zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele. Dem Gesetzgeber stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, diese Ziele auf eine Art und Weise zu erreichen, welche die Grundrechtsposition deutlich weniger einschränkt. Demgegenüber wurde mit der Anwendbarkeit des GesAusG auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung jener Weg gewählt, der den stärksten Eingriff in die Grundrechtsposition verwirklicht: nämlich den gänzlichen Entzug des Eigentums.

1.4.2.2 Adäquanz

Zwischen dem öffentlichen Interesse und der durch den Eingriff verkürzten Grundrechtsposition muß eine angemessene Relation bestehen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn). Der Eingriff muß bei einer Gesamtabwägung zwischen seiner Schwere einerseits und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits verhältnismäßig sein [VfGH VfSlg 16.740/2002]. Nimmt man die Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse (sogleich a.) und dem Interesse des Minderheitsgesellschafters (unten b.) vor, so zeigt sich, daß die Möglichkeit des grundlosen Ausschlusses aus einer GmbH keineswegs verhältnismäßig ist (unten c.):

a.) Öffentliches Interesse

Wie bereits ausgeführt (oben 1.4.1), ist das öffentliche Interesse an der Möglichkeit eines Gesellschafterausschlusses gering bis nonexistent. Das Interesse des Mehrheitsgesellschafters daran, Minderheitsgesellschafter möglichst einfach und billig loswerden zu können, ist zwar evident, aber für die Verfassungskonformität nicht relevant. Nebenbei bemerkt, ist dieses Interesse des Mehrheitsgesellschafters auch nicht schutzwürdig: denn jeder, der sich an einer Mehrpersonengesellschaft – d.h. an einer vertraglichen Zweckvereinigung – beteiligt, weiß, daß eine solche Vereinigung mit anderen Personen zu einem 'gemeinsamen Zweck' nicht ganz ohne Reibungsverluste abgeht [Torggler aaO S. 3]. Dazu kommt noch, daß die Verbandsqualität die Grundlage dafür ist, daß der Gesetzgeber juristischen Personen überhaupt Rechtspersönlichkeit verleiht. Die Einmann-Gesellschaft (und insb. die beherrschte Gesellschaft im Konzern) ist eine systemwidrige Entwicklung, die erst in jüngster Vergangenheit gesetzlich anerkannt wurde. Systematisch ist sie die tolerierte Ausnahme, nicht der anerkannte und von der Rechtsordnung geschützte Regelfall.

b.) Interesse des Minderheitsgesellschafters einer GmbH

Die Interessen des (ausgeschlossenen) Gesellschafters lassen sich in Bestands- und Vermögensinteresse teilen [Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG mwN]. Während das Vermögensinteresse den Wert des Anteils beschreibt, zielt das Bestandsinteresse auf den Erhalt der Beteiligung selbst.

Je geringer das Bestandsinteresse eines Gesellschafters ist, desto eher ist der Ausschluß gerechtfertigt [Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG]. Je eher eine Beteiligung für den Gesellschafter typischerweise 'nur Geld' ist, nur ein Posten in seinem Portfolio, an dem ihn lediglich der Kurs interessiert – desto eher ist es gerechtfertigt, diese Beteiligung zwangsweise gegen Geld umzutauschen (sozusagen 'quasi nur Geld' gegen 'wirklich nur Geld'). Umgekehrt ist ein Gesellschafterausschluß umso weniger gerechtfertigt, je mehr das Interesse des Gesellschafters über das reine Vermögensinteresse hinausgeht. Je eher eine Beteiligung für den Gesellschafter typischerweise 'mehr als nur Geld' ist, sich der Gesellschafter typischerweise nicht nur als Kapitalgeber begreift, sondern als Teilhaber, der das Unternehmen, seine Produkte, seine Werte und seiner Geschichte mitträgt – desto weniger ist es gerechtfertigt, diese Beteiligung zwangsweise gegen Geld umzutauschen (weil 'nur Geld' dem Gesellschafter das, was ihm entzogen wird, nicht ersetzen kann). Das Bestandsinteresse äußert sich aber nicht nur in der ideellen und persönlichen Verbundenheit mit dem Unternehmen, es hat auch handfeste wirtschaftliche Komponenten, die es vom Vermögensinteresse unterscheiden – so kann etwa eine Unternehmensbeteiligung in Zeiten starker Inflation ein Schutz vor Vermögensverlust sein, sie kann (gerade wenn der Gesellschafter mit den Produkten des Unternehmens vertraut ist) besondere Gewinnchancen für die Zukunft bergen, etc.

Das Vermögensinteresse des Gesellschafters drückt sich im Wert der Beteiligung aus, und wird daher durch die Barabfindung geschützt. Deshalb ist die Angemessenheit der Entschädigung ein maßgebliches Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit des Gesellschafterausschlusses [Kalss aaO Rz 2 Vor §1 GesAusG mwN]. Das Bestandsinteresse wird durch die Barabfindung nicht geschützt – der ausgeschlossene Gesellschafter mag zwar Geld erhalten, aber seine Beteiligung ist ihm gegen seinen Willen entzogen worden.

Die Unterscheidung zwischen Vermögens- und Bestandsinteresse ist wesentlich. Denn sie zeigt, warum es einen entscheidenden Unterschied macht, ob das Gesetz den Gesellschafterausschluß nur bei der AG oder auch bei der GmbH erlaubt. Beide Interessen, das Vermögens- und das Bestandsinteresse, sind geschützt [vgl. hiezu die Nachweise bei Torggler aaO Fn 8]. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist das Bestandsinteresse, das nicht durch eine Barabfindung kompensiert werden kann, aber typischerweise viel stärker ausgeprägt als bei Aktiengesellschaften – die Gesellschafterstellung in einer GmbH ist in aller Regel viel weniger reine Vermögensveranlagung als der Kauf einer Aktie an der Börse. Eine GmbH hat zahlreiche personalistische Elemente [Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz3 Rz 4 Allg Einl]; sie hat keinen Streubesitz, unterliegt erschwerten Bedingungen für die Übertragung von Geschäftsanteilen, zeigt oft eine Personalunion von Gesellschaftern und Geschäftsführern, etc. [Vgl. weiterführend Koppensteiner/Rüffler aaO Rz 17 zu §3]. Die GmbH ist zwar auch eine Kapitalgesellschaft wie die AG, aber eben nicht nur; sie verbindet damit viele personalistische Elemente [Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/9] – und dies keineswegs 'nebenbei', sondern weil der Gesetzgeber sie im Rahmen seines Gestaltungsspielraums bewußt personalistis

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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