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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs1 Z2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/17/0104 E 6. August 2018Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 31. Jänner 2018, RM/7100002/2018, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Finanzamt Wien 4/5/10; mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 Zur Vorgeschichte wird zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2017, Ro 2016/17/0003, verwiesen: Anlässlich einer Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz hatten Organe des Finanzamtes 4/5/10 verschiedene Gegenstände vorläufig beschlagnahmt; im Zuge der Beschlagnahme war die Kassenlade im Beisein des Inhabers des Lokals geöffnet und der gesamte Kasseninhalt den Geräten entnommen worden. Gegen die Beschlagnahme des Geldes war in der Folge eine Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich erhoben worden, die dieses Verwaltungsgericht in Verneinung seiner Zuständigkeit mit Beschluss zurückgewiesen hatte. Mit dem hg. Erkenntnis vom 22. November 2017 wurde die gegen diesen Zurückweisungsbeschluss erhobene Revision abgewiesen und mit näherer Begründung ausgeführt, dass zur Entscheidung über eine solche Maßnahmenbeschwerde das Bundesfinanzgericht (BFG) zuständig sei.
2 Die Maßnahmenbeschwerde wurde daraufhin vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich dem Bundesfinanzgericht übermittelt.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erklärte das BFG die Beschlagnahme des aus den Glücksspielautomaten entnommenen Geldbetrags in der Höhe von EUR 801,-- als rechtswidrig, verpflichtete die belangte Behörde zum Aufwandersatz und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
4 Es stellte fest, dass bei einer von der belangten Behörde durchgeführten Kontrolle zwei Glücksspielgeräte vorläufig beschlagnahmt worden seien. Nach der vorliegenden Bescheinigung seien zunächst die Geräte - mitsamt dem darin befindlichen Geld - beschlagnahmt worden. Erst in der Folge sei im Beisein des Lokalinhabers der Kasseninhalt entnommen worden. Rechtlich argumentierte das BFG dahingehend, dass der in der Folge über die vorläufige Beschlagnahme ergangene Beschlagnahmebescheid die vorläufige Beschlagnahme des Geldes grundsätzlich nicht decke, da das Geld aus den Geräten separat in Verwahrung genommen worden sei. Zudem sei der Geldbetrag im Beschlagnahmebescheid nicht erwähnt und damit die Beschlagnahme nicht bestätigt. § 55 Abs. 3 GSpG enthalte nach seinem Wortlaut keine Berechtigung dafür, die einem Glücksspielgerät entnommenen Bargeldbeträge separat in Verwahrung zu nehmen, weshalb keine gesetzliche Grundlage für die mit der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde bekämpfte Handlung vorgelegen habe. Die "Wegnahme des Bargeldes" sei daher rechtswidrig.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Amtsrevision des Bundesministers für Finanzen (BMF) mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der u.a. die Verspätung der Revision behauptet wird, und beantragte Aufwandersatz.
6 Da der BMF nach Zustellung des Erkenntnisses am 21. Februar 2018 die außerordentliche Revision am 26. März 2018 per Fax erhoben hat, erweist sich diese als rechtzeitig gemäß § 26 Abs. 1 VwGG.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - d.h. ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor. Eine Beschlagnahme ist nur solange mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfbar, bis die Behörde einen Beschlagnahmebescheid erlässt (vgl. VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003).
9 Im vorliegenden Fall haben nach den Feststellungen des BFG Organe der belangten Behörde zwei näher genannte Geräte vorläufig beschlagnahmt; in der Folge erging ein Beschlagnahmebescheid.
10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die Beschlagnahme des Glücksspielapparates nach § 53 GSpG den Automat samt seinem Inhalt und somit auch das darin befindliche Geld (vgl. VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003).
11 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes wurden zunächst die zwei Geräte mitsamt dem darin befindlichen Geld beschlagnahmt und wurde erst in der Folge nach dem Ausspruch der vorläufigen Beschlagnahme der Kasseninhalt entnommen.
12 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits anlässlich dieser Maßnahmenbeschwerde im Erkenntnis vom 22. November 2017 ausgeführt hat, deckt in einem solchen Fall der in der Folge über die vorläufige Beschlagnahme ergangene Beschlagnahmebescheid auch die vorläufige Beschlagnahme des Geldes (vgl. erneut VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003, Rn. 17).
13 Aus diesem Grund war aber ab Erlassung des Beschlagnahmebescheides die selbstständige Bekämpfung der vorläufigen Beschlagnahme durch Erhebung einer Maßnahmenbeschwerde unzulässig (vgl. erneut VwGH 22.11.2017, Ro 2016/17/0003, Rn. 18). Die dennoch erhobene Maßnahmenbeschwerde wäre daher - vom zur Entscheidung über die Maßnahmenbeschwerde zuständigen BFG - zurückzuweisen gewesen.
14 Indem das BFG über die Maßnahmenbeschwerde jedoch inhaltlich entschieden hat, anstatt sie zurückzuweisen, hat es eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihm nicht zukam. Es hat daher das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes belastet (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2014/17/0023).
15 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des BFG aufzuheben.
16 Der mitbeteiligten Partei steht bei diesem Ergebnis gemäß § 47 Abs. 3 VwGG kein Anspruch auf Kostenersatz zu. Wien, am 6. August 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018170100.L00Im RIS seit
24.08.2018Zuletzt aktualisiert am
22.10.2018