Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. Ursula Schwarz und Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwälte in 8600 Bruck a.d. Mur, Herzog-Ernst-Gasse 26A, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 22. September 1994, Zl. IVc 7022B-Dr. J/Fe, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 28. Mai 1993 beim Arbeitsamt L. einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung habe das Dienstverhältnis durch fristlose Entlassung geendet.
Am 22. Juni 1993 erklärte der Beschwerdeführer in einer beim Arbeitsamt aufgenommenen Niederschrift, von seinem Dienstgeber gerechtfertigt fristlos entlassen worden zu sein, er habe dagegen keine arbeitsrechtlichen Schritte unternommen und werde solche auch nicht unternehmen; über § 11 AlVG sei er aufgeklärt worden.
Mit Bescheid vom 5. Juli 1993 sprach das Arbeitsmarktservice L. daraufhin aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 11 AlVG für den Zeitraum vom 27. Mai 1993 bis 23. Juni 1993 kein Arbeitslosengeld erhalte. Eine Nachsicht werde nicht gewährt. Nach der Begründung habe das Dienstverhältnis durch das Verschulden des Beschwerdeführers geendet. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
Mit Schreiben vom 5. Juli 1993 wurde dem Beschwerdeführer formlos mitgeteilt, dass er ab 24. Juni 1993 Arbeitslosengeld erhalte; das voraussichtliche Ende seines Anspruches sei der 22. Juni 1994.
In der gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein. Er versuche, seine offenen Ansprüche, wie etwa Kündigungsentschädigung, Abfertigung etc. gerichtlich einzuklagen. Er beantrage die Aufhebung der Sperrfrist und die Zuerkennung von Arbeitslosengeld für die Dauer von 309 Wochen (gemeint wohl: 209 Wochen).
Nach bescheidmäßiger Aussetzung des Verfahrens wurde mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 26. Juli 1994 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice vom 5. Juli 1993 keine Folge gegeben. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer beim Landesgericht für ZRS Graz ein Verfahren betreffend seine offen gebliebenen Ansprüche aus dem früheren Dienstverhältnis anhängig gemacht. Nach einem am 5. Mai 1994 vor dem Landesgericht abgeschlossenen Vergleich sei das Dienstverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem früheren Dienstgeber "einvernehmlich mit 26. Mai 1993 aufgelöst" worden. Der Beschwerdeführer habe sich verpflichtet, einen Betrag von S 10.800,-- an Prozesskosten zu bezahlen. Mit diesem Vergleich seien alle gegenseitigen Ansprüche der Streitteile bereinigt und verglichen worden.
Nach Auffassung der Landesgeschäftsstelle ändere dieser Vergleich nichts an dem Umstand, dass das Dienstverhältnis durch Verschulden des Beschwerdeführers gelöst worden sei, zumal dem beklagten Dienstgeber daraus keinerlei Verpflichtungen erwüchsen. Einer im Vergleichswege festgelegten Beendigung des Dienstverhältnisses "im beiderseitigen Einvernehmen" ohne weiter gehende Folgen könne keine Bedeutung beigemessen werden.
Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
Am 9. August 1994 ersuchte der Beschwerdeführer nunmehr das Arbeitsmarktservice um Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Dauer seines Arbeitslosengeldbezuges.
Mit Bescheid vom 9. August 1994 stellte das Arbeitsmarktservice fest, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 2 lit. b AlVG Arbeitslosengeld für die Dauer von 52 Wochen gebühre. Nach der Begründung habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der Beschwerdeführer in den letzten 15 Jahren insgesamt
5.540 Tage arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung nachgewiesen habe.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei eine der Voraussetzungen für die Gewährung der "Langzeitarbeitslose", dass kein Tatbestand gemäß § 11 AlVG gesetzt worden sei. Da der Beschwerdeführer jedoch einen solchen Tatbestand gesetzt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 11 AlVG erhalten Arbeitslose, deren Dienstverhältnis infolge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig ohne triftigen Grund gelöst haben, für die Dauer von 4 Wochen, gerechnet vom Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld.
Nach § 18 Abs. 1 AlVG wird das Arbeitslosengeld grundsätzlich für 20 Wochen gewährt.
Nach § 18 Abs. 2 lit. b AlVG erhöht sich die Bezugsdauer auf 52 Wochen, wenn in den letzten 15 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 468 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose bei Geltendmachung des Anspruches das 50. Lebensjahr vollendet hat.
Nach der gemäß § 80 Abs. 1 AlVG idF BGBl. Nr. 502/1993 mit 31. Juli 1993 außer Kraft getretenen Bestimmung des § 18 Abs. 2 lit. c AlVG erhöht sich die Bezugsdauer auf 209 Wochen, wenn in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungen von 780 Wochen nachgewiesen werden und der Arbeitslose aa) bei Geltendmachung des Anspruches das 50. Lebensjahr vollendet hat, bb) bei Eintritt der Arbeitslosigkeit seit mindestens 12 Monaten seinen Wohnsitz in einer Region hat, für die eine Feststellung nach Abs. 4 erfolgt ist, cc) vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Arbeitsplatz in einer solchen Region hatte oder in einem Betrieb beschäftigt war, der in einer solchen Region seinen Sitz hatte, und dd) keinen Tatbestand gemäß § 11 gesetzt hat.
Nach dem zitierten § 80 Abs. 1 AlVG werden vor dem Außerkrafttreten dieser Bestimmung geltend gemachte Ansprüche nicht berührt.
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist ausschließlich die Frage strittig, ob der Beschwerdeführer einen Tatbestand gemäß § 11 AlVG gesetzt hat. Unbestritten ist, dass diese Frage im Verfahren nach § 18 Abs. 2 lit. c AlVG eine Vorfrage darstellt.
Nach Auffassung der belangten Behörde wurde diese Frage mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 26. Juli 1994 bejaht, woran die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung gebunden war. Demgegenüber wird in der Beschwerde die Auffassung vertreten, mit dem Bescheid vom 26. Juli 1994 sei lediglich über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 27. Mai bis 23. Juni 1993 abgesprochen worden. Nur der Spruch einer Vorfragenentscheidung binde die Behörde, nicht jedoch die in dem die Vorfrage beurteilenden Bescheid getroffenen Feststellungen oder Gründe.
Mit dieser Auffassung ist der Beschwerdeführer allerdings nicht im Recht. Insbesondere verwechselt er Sachverhalt und Tatbestand.
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 26. Juli 1994 wurde - in Bestätigung des Bescheides des Arbeitsamtes vom 5. Juli 1993 - ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 11 AlVG für den Zeitraum vom 27. Mai 1993 bis 23. Juni 1993 kein Arbeitslosengeld erhalte. Damit wurde im Spruch des Bescheides unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer in Anwendung eines Tatbestandes des § 11 AlVG für den angeführten Zeitraum kein Arbeitslosengeld erhalte. In der Begründung dieses Bescheides wurde sodann näher ausgeführt, dass der Tatbestand einer Beendigung des Dienstverhältnisses aus Verschulden des Beschwerdeführers auf dem vorstehend wiedergegebenen Sachverhalt angewendet wurde.
An den in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der Landesgeschäftsstelle war die belangte Behörde daher bei Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer "einen Tatbestand gemäß § 11 AlVG gesetzt hat", gebunden, weshalb die Gewährung von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 2 lit. c sublit. dd AlVG ("Langzeitarbeitslosengeld") zu Recht verneint worden ist.
Die von der Beschwerde erwähnte Rechtsprechung, wonach eine gesetzwidrige Beurteilung der Vorfrage die Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Entscheidung der Hauptfrage zur Folge hat, betrifft jene Fälle, in denen die Vorfrage selbständig beurteilt wurde; sie gilt jedoch nicht, wenn die Vorfrage bereits rechtskräftig entschieden ist und die Behörde in Bindung daran entschieden hat. Diesfalls kommt eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Hauptsache infolge rechtswidriger Entscheidung der Vorfrage mangels eigener Beurteilung derselben von vornherein nicht in Betracht (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 5. März 1991, Zl. 89/08/0332, und vom 16. Mai 1995, Zl. 95/08/0118).
Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die vorliegende Beschwerde daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1994080281.X00Im RIS seit
18.10.2001