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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der SO in E, geboren am 27. November 1978, vertreten durch Dr. Harald Humer, Rechtsanwalt in 4070 Eferding, Stadtplatz 26, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 27. Oktober 1998, Zl. 205.651/0-VIII/23/98, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien, stellte am 21. September 1998 einen Antrag auf Gewährung von Asyl. Aufgrund ihrer Angabe anlässlich der vom Bundesasylamt durchgeführten Ersteinvernahme, sie habe sich vor ihrer Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten, wurde ihr vorgehalten, Asylwerber seien während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt, dies nach Art. 14 bis 16 des neuen Asylgesetzes Nr. CXXXIX/1997. Dieses Gesetz (insbesondere dessen Art. 61 Abs. 1 und Art. 6) sehe auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. September 1998 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde u.a. ausgeführt, nach den Vorhalten, darunter auch zur Rechtslage in Ungarn, sei davon auszugehen, dass "Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt" seien und ihnen Schutz vor Abschiebung im oben ausgeführten Umfang zukomme.
Die dagegen erhobene Berufung wurde vom unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 27. Oktober 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Der unabhängige Bundesasylsenat begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin dort Schutz vor Verfolgung finden könne, wobei er auf die Ausführungen der Behörde erster Instanz verwies und sich diesen anschloss.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die von der belangten Behörde bekannt gegebene Tatsache, dass die Beschwerdeführerin am 21. Dezember 1998 nach Ungarn "zurückgestellt" wurde, danach für zwei Monate in ihre Heimat zurückgekehrt und in der Folge über Albanien und Italien neuerlich nach Österreich eingereist ist, wo sie keinen neuen Asylantrag stellte, bewirkt weder, dass die Beschwerdeführerin nicht zur Erhebung der gegenständlichen Beschwerde berechtigt gewesen wäre, wie dies die belangte Behörde vermeint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Mai 1996, Zl. 95/20/0101), noch die Gegenstandslosigkeit der anhängigen Beschwerde.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt § 4 Abs. 2 AsylG für die Zurückweisung eines Asylantrages wegen Drittstaatsicherheit voraus, dass die Asylbehörden im Einzelfall zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284).
Weiters gilt für die Berufungsbehörde nach dem gemäß § 67 AVG auch von ihr anzuwendenden § 60 leg. cit., dass in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und darauf gestützt die Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung der Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargelegt werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1044 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Berufungsbehörde die ungarische Rechtslage festzustellen und darzulegen gehabt hätte, auf Grund welcher Überlegungen sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die von ihr ermittelte ungarische Rechtslage derart beschaffen sei, dass rechtlich gemäß § 4 Abs. 2 AsylG zu folgern sei, Asylwerber seien während des Asylverfahrens (wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Verwaltungsgerichtshof darunter das gesamte Asylverfahren einschließlich des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens versteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird), was von der belangte Behörde aber offen gelassen wurde) in Ungarn "zum Aufenthalt berechtigt". Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid jedoch nicht gerecht. Die belangte Behörde begnügt sich im entscheidenden Punkt ihrer von der Behörde erster Instanz übernommenen Begründung, nach der Feststellung, seit dem 1. März 1998 stehe in Ungarn das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 in Geltung, das die einschlägigen Fragen des Flüchtlingsrechts regle, mit den Sätzen:
"Des weiteren sind Asylwerber während des Verfahrens in Ungarn zum Aufenthalt berechtigt (vgl. Art. 14 bis 16 des obgenannten Gesetzes)"
sowie
"Schließlich sieht das Gesetz Nr. CXXXIX/1997 auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gegeben wäre (vgl. insbesondere Art. 61 Abs. 1 und Art. 61 Abs. 6 leg. cit.)".
Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus der weiteren Bescheidbegründung wird allerdings der genaue Inhalt der zitierten Gesetzesbestimmungen deutlich. Wie die belangte Behörde zu ihrer rechtlichen Beurteilung gelangte, die - von ihr im Einzelnen gar nicht dargestellte - ungarische Rechtslage sei so beschaffen, dass Asylwerber "während des Verfahrens" - wobei die belangte Behörde nicht eindeutig sagt, was sie darunter versteht - in Ungarn im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG "zum Aufenthalt berechtigt" und vor Abschiebung geschützt seien, entzieht sich daher einer Nachprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0313).
Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben
dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.
Wien, am 22. Dezember 1999
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999010152.X00Im RIS seit
02.07.2001