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50/04 Berufsausbildung;Norm
BAG 1969 §30 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der P in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 10. Mai 1999, Zl. 34.050/12-III/A/3/99, betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 30 Abs. 1 BAG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 10. Mai 1999 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gemäß § 30 Abs. 2
lit. e Berufsausbildungsgesetz (BAG) den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausweitung der Anzahl der Ausbildungsplätze der besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtung gemäß § 30 BAG hinsichtlich der in näher bezeichneten Standorten insgesamt beantragten 127 Ausbildungsplätze ab. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, der gemäß § 31 Abs. 2 lit. d BAG zur Erstattung eines Gutachtens befasste Bundes-Berufsausbildungsbeirat habe in seiner 305. Beiratssitzung am 31. Juli 1998 folgende minderheitliche Stellungnahme der Arbeitnehmerkurie abgegeben:
"Die Arbeitnehmerkurie spricht sich für die Ausweitung der Ausbildungsbewilligung in dem von der P beantragten Umfang aus. Die Situation am Lehrstellenmarkt ist österreichweit nach wie vor durch einen erheblichen Überhang an Lehrstellensuchenden gekennzeichnet. Wenngleich regional in den einzelnen Bundesländern diesbezüglich Unterschiede bestehen dürften, lässt sich aufgrund der bisher erstellten Prognosen und erhobenen Daten erkennen, dass über die im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung im Rahmen des Auffangnetzes für Jugendliche vorgesehenen zusätzlichen Ausbildungsmöglichkeiten weitere Ausbildungsplätze erforderlich sein werden, um den ohne Lehrstelle gebliebenen Jugendlichen eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Demnach werden zusätzlich qualifizierte Lehrstellen für ausbildungswillige Jugendliche noch dringend benötigt und sind diese solange erforderlich, als die Wirtschaft nicht die erforderlichen qualifizierten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Es ist davon auszugehen, dass die P aufgrund ihrer Organisation und Ausstattung sowie der bis dato erbrachten Ausbildungsleistungen Gewähr für eine qualifizierte Berufsausbildung bietet. Ebenso ist darauf zu verweisen, dass den Angaben des Antragstellers folgend, die Finanzierung der Ausbildungseinrichtung sichergestellt ist."
Die minderheitliche Stellungnahme der Arbeitgeberkurie habe folgenden Wortlaut:
"Für eine Ausweitung der Bewilligung um weitere 205 Ausbildungsplätze lässt sich keinesfalls ein Bedarf der Wirtschaft feststellen. Gerade in den angesprochenen Lehrberufen des Metall- und Elektrobereiches ist es in den letzten Jahren zu einer markanten Rücknahme der Ausbildung, vor allem in industriellen Lehrwerkstätten, gekommen. Diese ist ihrerseits wieder auf einen rückläufigen Fachkräftebedarf durch strukturelle Veränderungen in der Industrie bedingt. Weiters werden diese Berufe bereits sehr stark in Einrichtungen gemäß § 30 des Berufsausbildungsgesetzes ausgebildet. Daraus folgt weiters, dass in naher Zukunft aus diesen Einrichtungen eine erhebliche Zahl von Jugendlichen als Nachfragende auf dem Arbeitsmarkt auftreten werden. Die Arbeitsmarktchancen für Absolventen einer solchen Ausbildung können daher derzeit nicht positiv beurteilt werden. Nicht zuletzt stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Zulässigkeit der vorliegenden rechtlichen Konstruktion. § 30 Abs. 1 des Berufsausbildungsgesetzes schließt ja aus, einem Lehrberechtigten eine solche Bewilligung zu erteilen. Sinn dieser gesetzlichen Bestimmung ist es sicherlich, Lehrberechtigte daran zu hindern, dass sie ihre eigene Lehrlingsausbildung in selbstständigen Ausbildungseinrichtungen auslagern. Es ist daher die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, dass auch im ggst. Fall versucht wird, die Ausbildung von Lehrlingen der ÖBB in die Privatstiftung zu verschieben. In Wien war jedenfalls 1997, somit nach Gründung der Privatstiftung, ein Rückgang bei den Lehranfängern der ÖBB festzustellen. Ende 1996 standen 122 Lehrlinge im 1. Lehrjahr bei den ÖBB in Ausbildung, Ende 1997 waren dies nur mehr 97. Von den anderen oben geäußerten Bedenken abgesehen, wäre daher zumindest sicherzustellen, dass seitens der ÖBB die eigene Lehrlingsausbildung zumindest auf dem Niveau von 1997 gehalten wird."
Auf Grund der unterschiedlichen Beurteilung durch die beiden Kurien des Bundes-Berufsausbildungsbeirates seien die gemäß dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 91/1998, eingerichteten Landesprojektgruppen zur Behandlung des Antrages, insbesondere zur Prüfung des regionalen Bedarfes, eingeladen worden. Auf Grund eines Beschlusses der OÖ Landesprojektgruppe vom 9. Oktober 1998 und der Zusage der ÖBB vom 2. Juli 1998, die Finanzierung für die Ausbildung der Jugendlichen über 3 1/2 Jahre hindurch zu tragen, sei mit Bescheid vom 2. November 1998 die Bewilligung zur Ausbildung von 53 Jugendlichen in Oberösterreich an näher bezeichneten Standorten erteilt worden. Gleiches sei mit Bescheid vom 4. November 1998 für die Ausbildung von 25 Jugendlichen in Niederösterreich geschehen. Hinsichtlich der in den restlichen Standorten beantragten Ausbildungsplätze seien im Ermittlungsverfahren die Lehrlingsstellen der Wirtschaftskammern und die auf Grund des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes eingerichteten Landesprojektgruppen mit der Frage des Bedarfes gemäß § 30 Abs. 2 lit. e BAG befasst worden. Weder die Lehrlingsstellen noch die Landesprojektgruppen hätten den Bedarf nach zusätzlichen Ausbildungsplätzen in den beantragten Lehrberufen und Standorten bestätigt. Auch die einschlägigen Daten des Arbeitsmarktservice (Stand: Ende März 1999) ließen im Hinblick auf die beantragten Standorte und Lehrberufe kein derart gravierendes Ungleichgewicht zwischen offenen Lehrstellen und Lehrstellensuchenden erkennen, die die Bewilligung einer besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtung erforderlich machen würden. Nach einer Mitteilung des Kabinetts der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales, wonach die von der Beschwerdeführerin zur Ausbildung beantragten Personen von den ÖBB aufgenommen worden seien und im Rahmen eines regulären Lehrverhältnisses ausgebildet würden, habe der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. Jänner 1999 eingeladen, den gegenständlichen Antrag zurückzuziehen, was jedoch abgelehnt worden sei. Für die Bewilligung einer besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtung müssten die Voraussetzungen gemäß § 30 Abs. 2 lit. a bis e BAG kumulativ vorliegen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sei auf Grund des dargestellten Ermittlungsverfahrens zum Schluss gekommen, dass der Bedarf und damit die Voraussetzung des § 30 Abs. 2 lit. e BAG nicht gegeben sei. Hiebei seien insbesondere die Interessen der Lehrstellensuchenden und der einschlägigen regionalen Wirtschaft berücksichtigt und analysiert worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 lit. a bis e BAG eine Bewilligung zu erhalten. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde gehe offenbar davon aus, dass die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 lit. a bis d BAG erfüllt seien. Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Bedarfes im Sinne des § 30 Abs. 2 lit. e leg. cit. habe sich die belangte Behörde zu Unrecht auf die minderheitliche Stellungnahme der Arbeitgeberkurie des Bundes-Berufsausbildungsbeirates berufen, wonach der Fachkräftebedarf rückläufig sei. Darauf stelle das Gesetz nämlich nicht ab. Es müsse nach der zitierten Gesetzesstelle ein Bedarf nach einer selbstständigen Ausbildungseinrichtung bestehen, nicht aber ein Bedarf nach ausgebildeten Fachkräften. Dass aber ein Bedarf nach einer selbstständigen Ausbildungseinrichtung gegeben sei, lasse sich widerspruchsfrei aus den Stellungnahmen beider Kurien des Bundes-Berufsausbildungsbeirates entnehmen. Aus der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides sei erkennbar, dass sehr wohl ein Übergewicht von Lehrstellen Suchenden gegenüber offenen Lehrstellen bestehe, sonst wäre die belangte Behörde nicht veranlasst gewesen, von einem "derart gravierenden Ungleichgewicht" zu sprechen. § 30 Abs. 2 lit. e BAG erfordere jedoch lediglich einen "Bedarf nach einer selbstständigen Ausbildungseinrichtung", nicht aber einen besonderen oder einen gravierenden Bedarf. Die belangte Behörde hätte daher lediglich zu prüfen gehabt, ob ein (schlichter) Bedarf nach einer derartigen Ausbildungseinrichtung besteht. Soweit der belangten Behörde bei der Beurteilung der fraglichen Tatbestandsvoraussetzung ein Ermessen zukomme, habe sie dieses daher willkürlich und nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt. Warum zwar in den Bundesländern Niederösterreich und Oberösterreich ein entsprechender Bedarf an weiteren Ausbildungsplätzen gegeben sei, in sämtlichen anderen beantragten Standorten hingegen nicht, gehe aus den von den belangten Behörde dargelegten Beweisergebnissen nicht hervor. Hinsichtlich dieser Standorte habe die belangte Behörde keine schlüssigen Beweisergebnisse erhoben, zumindest aber auf Grund solcher Beweise keine den Spruch des Bescheides tragenden Feststellungen getroffen. Auf Grund der getroffenen Feststellungen hätte die belangte Behörde zum Schluss gelangen müssen, dass ein Bedarf im Sinne des § 30 Abs. 2 lit. b BAG gegeben sei.
Gemäß § 30 Abs. 1 BAG bedarf das Ausbilden von Personen in einem Lehrberuf in besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtungen, die weder von einem Lehrberechtigten geführt werden, noch Schulen oder im § 29 BAG angeführte Anstalten sind, einer Bewilligung.
Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist die Bewilligung gemäß Abs. 1 zu erteilen, wenn die in den lit. a bis e angeführten Voraussetzungen (kumulativ) erfüllt sind, wobei die Voraussetzung des § 30 Abs. 2 lit. e BAG gegeben ist, wenn für die Wirtschaft und die Lehrstellenbewerber ein Bedarf nach einer selbstständigen Ausbildungseinrichtung besteht und die Ausbildung von Lehrstellenbewerbern im betreffenden Lehrberuf in betrieblichen Lehrverhältnissen nicht gewährleistet ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. ist bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ein Bundes-Berufsausbildungsbeirat zu errichten, der aus 12 Mitgliedern mit beschließender Stimme und aus 2 Mitgliedern mit beratender Stimme besteht.
Nach § 31 Abs. 2 lit. d BAG obliegt dem Beirat die Erstattung von Gutachten im Verfahren (unter anderem) über die Erteilung und Entziehung einer Bewilligung zur Ausbildung von Personen in besonderen selbstständigen Ausbildungseinrichtungen.
Nach dem Abs. 7 dieser Gesetzesstelle ist für das Zustandekommen von Beschlüssen des Beirates Stimmeneinhelligkeit erforderlich; kommt keine Stimmeneinhelligkeit zustande, so hat der Vorsitzende dies dem Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie (nunmehr: für wirtschaftliche Angelegenheiten) mitzuteilen und dieser Mitteilung die übereinstimmende Ansicht von mindestens vier bei der Beschlussfassung anwesenden Mitgliedern (Ersatzmitgliedern) mit beschließender Stimme als deren Stellungnahme anzuschließen.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in Auslegung dieser zuletzt zitierten Bestimmung in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen sie die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Aufl., I, § 69, E 19, zitierte hg. Judikatur).
Um diesem Erfordernis im vorliegenden Fall nachzukommen, hätte es der Darlegung jenes konkreten Sachverhaltes bedurft, zu dem die belangte Behörde auf Grund des von ihr geführten Ermittlungsverfahrens gelangt ist, und aus dem die belangte Behörde den rechtlichen Schluss zog, es sei ein Bedarf im Sinne des § 30 Abs. 2 lit. e BAG nach den in Rede stehenden Ausbildungseinrichtungen nicht gegeben.
Zwar sieht § 31 Abs. 2 lit. d BAG vor, dass der bei der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft eingerichtete Bundes-Berufsausbildungsbeirat im Verfahren über die Erteilung einer Bewilligung im Sinne des § 30 Abs. 1 BAG ein Gutachten abzugeben hat, welches zweifellos auch die Frage des Bedarfes im Sinne des Abs. 2 lit. e dieser Gesetzesstelle zu umfassen hat, doch ist im vorliegenden Fall ein derartiges Gutachten mangels der im § 31 Abs. 7 BAG geforderten Stimmeneinhelligkeit nicht zustande gekommen. Bloße Minderheitenvoten der im Bundes-Berufsausbildungsbeirat vertretenen Kurien vermögen ein derartiges Gutachten nicht zu ersetzen. Ebenso handelt es sich bei den im angefochtenen Bescheid genannten Stellungnahmen der Lehrlingstellen der Wirtschaftskammern und der auf Grund des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes eingerichteten Landesprojektgruppen um bloße Meinungsäußerungen dieser Stellen ohne rechtliche Verbindlichkeit, die behördliche Feststellungen über jenen konkreten Sachverhalt, auf Grund dessen die Frage des Bedarfes im Sinne des § 30 Abs. 2 lit. e BAG beurteilt werden kann, nicht ersetzen können.
Da somit die Begründung des angefochtenen Bescheides jenen Sachverhalt nicht erkennen lässt, auf Grund dessen die belangte Behörde zu dem rechtlichen Schluss gekommen ist, es sei ein Bedarf im Sinne des § 30 Abs. 2 lit. e BAG nicht gegeben und damit dem Verwaltungsgerichtshof jede sachliche Grundlage für die ihm obliegende nachprüfende Kontrolle fehlt, musste der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. Dezember 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999040163.X00Im RIS seit
20.11.2000