TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/17 W264 2187403-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.07.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

17.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W264 2187403-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Islamische Republik Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.2.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005 (AsylG) sowie

§§ 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal und teilweise schlepperunterstützt mit dem Reiseziel "Frankreich" in Umgehung der Grenzkontrollen nach Europa und traf am 30.3.2016 im Bundesgebiet ein, wo er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, am 1.1.1999 in Kabul geboren worden zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören und muslimischen Glaubens zu sein. Er habe vier Jahre die Grundschule besucht, sei Sportler und habe acht Geschwister, welche mit seinen Eltern nach wie vor in Afghanistan leben würden.

Zu seinem Fluchtgrund führte er aus, dass er in Afghanistan um sein Leben fürchte. Dort sei Krieg und verschiedene Gruppen würden die Leute umbringen und ihnen die Kinder wegnehmen. Wenn er zurückkehre, würden die Terroristen ihn töten. Sie hätten ihn bereits mit dem Messer am Arm aufgeschnitten.

2. Zum Zwecke der Altersfeststellung wurde die Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens in Auftrag gegeben und ergab dieses zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 30.3.2016 ein Mindestalter von 18,71 Jahren.

3. Im Fremdakt liegt eine Vorfallensmeldung der Unterkunft des Beschwerdeführers ein (Übertretung der Hausordnung). Darin wird festgehalten, dass dieser am 18.7.2016 völlig betrunken in die Unterkunft zurückgekommen sei und schreien und um sich schlagend mit Selbstmord gedroht habe. Er habe immer wieder versucht, seinen Kopf gegen den Boden zu schlagen und sei eine Einweisung erfolgt

4. Am 31.1.2018 erfolgte die Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA), wo der Beschwerdeführer auf die Wohnsitzbeschränkung gemäß § 15c AsylG aufmerksam gemacht wurde und das ihm ausgehändigte Informationsblatt von ihm unterzeichnet wurde. Auf die Frage, ob seine bisher im Verfahren gemachten Angaben richtig wären, antwortete der Beschwerdeführer:

"Es wurde geschrieben, dass ich zweimal in Ungarn wegen meinen Fingerabdrücken behandelt wurde, es war aber nur einmal."

Der Beschwerdeführer gab an, drei Jahre in Afghanistan zur Schule gegangen zu sein. Er habe dort nur das Lesen, nicht jedoch das Schreiben gelernt. Als Beruf gab er an, Sportler zu sein. Sein Vater habe die Familie versorgt. Er sei Landwirt und der Beschwerdeführer hätte ihm auch dabei geholfen. Seine Familie sollte sich noch immer in Afghanistan aufhalten, er habe jedoch nichts mehr von ihnen gehört.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab er an, dass er an einem Sportwettkampf teilgenommen habe. Er habe diesen auch gewonnen und sein Kontrahent sei verletzt worden. Während des Kampfes habe der Kontrahent einen Bruch an der Hand erlitten. Nach diesem Sportwettkampf seien dessen bewaffneten Freunde zum Beschwerdeführer gekommen und hätten ihn geschlagen und ihn an der Hand verletzt. Ein Freund des Beschwerdeführers habe auf diese Personen geschossen und zwei davon verletzt. Dieser Freund habe zwei weitere Freunde herbeigerufen und seien sie mit dem Beschwerdeführer in einem Fahrzeug weggefahren. Der Beschwerdeführer sei ohnmächtig gewesen und habe er sich, als er aufgewacht sei, in einem Haus in Kabul befunden. Die Freunde seines Kontrahenten seien zum Beschwerdeführer nach Hause gegangen und hätten seinen Vater und seine Brüder gefoltert. Sein Vater sei dann zum Standesamt gegangen und hätte sich eine Bestätigung darüber holen wollen, dass der Beschwerdeführer nicht Teil dieser Familie sei. Karim, der Freund hingegen, der ihn ursprünglich aus der Situation mit seinem Kontrahenten befreit habe, hätte ihn in weiterer Folge mit vorgehaltener Waffe gezwungen, bei dem Art Mafia-Club, dem dieser angehören würde, mitzumachen. Karim habe gesagt, der Beschwerdeführer könne nicht von ihnen weggehen. Beispielsweise hätten sie einmal einen Wechselstubenbesitzer ausgeraubt. "Karim sagte, während des Raubüberfalls wurden wir bestimmt von Kameras, welche dort installiert waren, beobachtet. Seine Freunde sollten auf mich aufpassen, da ich Angst hätte und ihnen deshalb Schwierigkeiten bereiten könnte." Ein anderes Mal sei geplant gewesen, das Kind des mit zwei Leibwächtern bewachten Polizeikommandanten in Kabul zu entführen. Nach einiger Zeit sei es dem Beschwerdeführer gelungen an ein kleines Nokia Handy zu gelangen. Er habe einen Freund, der früher ebenfalls bei diesem Club gewesen sei und sich mittlerweile im Iran aufhalte, kontaktiert und habe ihm dieser den Kontakt zu einem Schlepper hergestellt. Mit Hilfe dieses Schleppers habe er vom Quartier dieses Mafia-Clubs fliehen können. Sieben Wächter habe es gegeben, aber ein Tor auf der Hinterseite sei nicht bewacht gewesen und zu diesem mit einer Kette gesicherten Tor sei der Beschwerdeführer gegangen, um auf den Schlepper zu warten. Im Wachturm hätte es einen Wächter gegeben, welcher den Beschwerdeführer übersehen hätte. Die Kette habe der Beschwerdeführer mit einem Schraubenzieher öffnen können. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass er entweder von dem Club oder von seinem ehemaligen Kontrahenten getötet werde. Er habe den Schlepper mit dem Geld, das er von Karim für die Tätigkeiten im Mafia-Club "als Anteil" erhalten habe, bezahlt. Er sei "gezwungen gewesen" das Geld iHv 7.000 US-Dollar zu nehmen, so der Beschwerdeführer. Der Schlepper habe ihn über Pakistan in den Iran gebracht. Zwischen Pakistan und dem Iran habe sich das Fahrzeug, in dem der Beschwerdeführer war, überschlagen. Einige Personen seien verletzt worden und sei er in ein anderes Fahrzeug umgestiegen. Von dort sei über die Türkei nach Europa gereist.

Während der Einvernahme zeigt der Beschwerdeführer seine Verletzungsspuren auf seinem rechten Oberarm und auf seinem rechten Handgelenk und gab an, diese von einer Messerattacke durch Freunde seines Kontrahenten am Kampftag davon getragen zu haben.

Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass er auch von der afghanischen Regierung gesucht werde, da er an Unternehmungen dieser kriminellen Gruppierung beteiligt gewesen sei.

Über Befragen, warum sein Vater den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht hätte, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies getan hätte, der Vater seines ehemaligen Kontrahenten jedoch in der Regierung arbeiten würde.

Über Befragen, warum der Beschwerdeführer Afghanistan gleich verlassen habe und nicht in ein anderes Gebiet, beispielsweise Herat oder Mazar-e-Sharif, gegangen sei, gab er an, dass er es sich überlegt hätte, da jedoch sein Kontrahent von der Regierung sei, habe er sich gedacht, dass er nirgendwo eine Chance haben würde. Er würde ihn daher auch überall finden können. Außerdem habe er Angst vor dem Freund und dem Mafia-Club gehabt, die ihn ursprünglich vor seinem Kontrahenten und dessen Freunde am Kampftag gerettet hätten. Warum dieser am Kampftag überhaupt da war und auf die anderen geschossen habe, sei ihm jedoch ein Rätsel.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung, besuche zwei Mal die Woche einen Deutschkurs und trainiere jeden Tag vier Stunden in einem Sportverein. In Österreich möchte der Beschwerdeführer gerne als Profi-Sportler weiter machen, wolle der Gemeinschaft dienen und nicht zulassen, dass jemandem ein Haar gekrümmt werde.

Als Beweismittel legte er diverse Fotos von seinem Leben in Österreich, eine Bestätigung der VHS über den Besuch eines Deutschkurses/Alphabetisierungskurses, eine Unterstützungserklärung des Vereins XXXX Salzburg und der DSA XXXX vor.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.2.2018 wurde dieser Antrag unter Spruchpunkt I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und unter Spruchpunkt II. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Zudem wurde unter den Spruchpunkten III. bis VI. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Verein für Menschenrechte Österreich, fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, und beantragte unter anderem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Inhaltlich brachte er darin vor, dass die Würdigung seines Vorbringens als unglaubwürdig nicht nachvollziehbar sei. Er halte seine Aussagen vollinhaltlich aufrecht. Blutrache werde in Afghanistan zwischen allen Volksgruppen praktiziert. Darüber hinaus sei er dem Risiko einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt. Der Beschwerdeführer sei mit 21 Jahren im wehrfähigen Alter und würden laut den UNHCR Richtlinien junge Männer als Zielgruppe radikaler Gruppierungen betreffend Zwangsrekrutierung genannt. Die belangte Behörde habe es unterlassen sich mit dem gesamten individuellen Vorbringen des Beschwerdeführers sachgerecht auseinanderzusetzen. Die belangte Behörde hätte dem Beschwerdeführer zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen, da das Leben des Beschwerdeführers aufgrund von regelmäßigen militärischen Operationen in Kabul gefährdet wäre. Regierungsfeindliche Aufständische würde in Kabul regelmäßig Orte wie zB Moscheen angreifen und sei dadurch wiederum die Zivilbevölkerung vom innerstaatlichen Konflikt betroffen.

7. Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 27.2.2018 vorgelegt.

8. Die belangte Behörde übermittelte am 22.3.2018 dem Bundesverwaltungsgericht folgende Dokumente der deutschen Bundespolizei, welche im verwaltungsgerichtlichen Akt einliegen:

-

Mitteilung der Polizeistation Gemünden am Main vom 5.3.2018

-

Tatblatt der Polizeistation Gemünden am Main vom 18.2.2018

-

Zeugeneinvernehmung der Zugbegleiterin XXXX vor der Polizeistation Gemünden am Main vom 19.2.2018

-

Anlaufbescheinigung der Polizeistation Gemünden am Main vom 18.2.2018

-

Beschuldigtenvernehmung der Polizeistation Gemünden am Main vom 18.2.2018

-

Kopien über vom BF mitgeführte Gegenstände (Ladegerät, Bargeld, Fahrkarte Deutsche Bahn), polizeilich angefertigte Fotos des Beschwerdeführers

-

Polizeibericht der Bundespolizeiinspektion Bexbach vom 20.2.2018, wonach der Beschwerdeführer am 20.2.2018 wegen fehlendem Pass und Visum nach versuchter unerlaubter Einreise mit dem Reisezug von Deutschland in die Republik Frankreich von der dortigen Polizei zurückgewiesen und dem BPOLR Saarbrücken Goldene Brem überstellt wurde. Demnach gab der Beschwerdeführer an, dass er Österreich verlassen und nach Frankreich wolle. Nach Österreich wolle er keineswegs zurück, da er dort abgelehnt worden sei und wolle er dorthin keinesfalls freiwillig zurückgehen.

-

Anlaufbescheinigung der Bundespolizeiinspektion Bexbach vom 20.2.2018, wonach der Beschwerdeführer verpflichtet wird, sich unverzüglich an die für ihn zuständige Aufnahmeeinrichtung / Ausländerbehörde Landesverwaltungsamt Zentrale Ausländerbehörde in Lebach zu begeben

-

Vermerk der Bundespolizeiinspektion Bexbach, wonach der erste Eurodac Treffer betreffend den Beschwerdeführer von Bulgarien stamme und das Saarland dorthin nicht abschiebe, werde er nach Lebach weitergeleitet

-

Ermittlungsbericht der Polizeistation Gemünden am Mail vom 3.3.2018, wonach der Beschwerdeführer angegeben habe, sein Reiseziel sei Frankreich und er zunächst in polizeiliche Gewahrsame genommen und am 18.2.2018 um 23.40 Uhr aus der Gewahrsam der Polizeiinspektion Würzburg-Land entlassen wurde. Am 20.2.2018 habe der Beschwerdeführer versucht die deutsche Grenze in Richtung Frankreich zu überqueren und sei zurückgewiesen worden. Nochmals sei dem Beschwerdeführer eine Anlaufbescheinigung mit dem Ziel "Ausländerbehörde Landesverwaltungsamt Zentrale Ausländerbehörde in Lebach" ausgehändigt worden und habe dieser die Ausländerbehörde nicht aufgesucht und sei der Aufenthalt "derzeit nicht bekannt" und "Es ist aber anzunehmen, dass er sich weiterhin illegal in Deutschland oder Frankreich aufhält".

9. Mit E-Mail vom 6.3.2018 teilte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass der Beschwerdeführer mit 1.3.2018 aufgrund Unbekannten Aufenthaltes aus der Grundversorgung des Landes Salzburg entlassen worden sei. Ein am 26.3.2018 erstellter Auszug aus dem ZMR ergab, dass der Beschwerdeführer nach wie an der Adresse

XXXX , 5020 Salzburg gemeldet ist.

10. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine mündlichen Verhandlung für den 6.7.2018 an und wurde die Ladung (RSa-Sendung) mit dem Vermerkaufkleber "zurück return PLZ 1030 CN 15" und dem Vermerk auf der Rückseite des Kuverts: "laut Auskunft 5 Monate im Ausland" dem Bundesverwaltungsgericht retourniert.

Aufgrund aufrechter Meldung (HWS) an der Adresse XXXX , 5020 Salzburg (ZMR-Auszug 18.5.2018) wurde dem Beschwerdeführer die Ladung neuerlich mit RSa-Brief per Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist 24.4.2018 zugestellt und dieser mit dem Vermerkaufkleber "X nicht behoben. Unclaimed" dem Bundesverwaltungsgericht rückgemittelt.

Die Zustellung an den Rechtsvertreter Verein Menschenrechte Österreich erfolgte im ERV.

11. Der Rechtsvertreter wurde mit Erledigung vom 14.6.2018 aufgefordert, infolge der Unzustellbarkeit durch den Beschwerdeführer dem BVwG innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung Mitteilung über Folgendes zu machen:

a) Besteht Kontakt zwischen Ihnen und dem / der oben Genannten?

b) Ist Ihnen eine ladungsfähige Adresse / Telefonnummer des / der oben Genannten bekannt? Bejahendenfalls ist diese dem BVwG mitzuteilen bzw wird ersucht, das BVwG über den Verbleib des / der oben Genannte / Genannten zu informieren.

c) Ist das Vertretungsverhältnis weiterhin aufrecht oder wurde die do. Vollmacht zurückgelegt?

12. Per Telefax vom 29.6.2018 übermittelte der Rechtsvertreter dem Gericht die Mitteilung über die Niederlegung der Vollmacht.

13. Am 6.7.2018 wurde die öffentliche mündliche Verhandlung eröffnet und erschien der Beschwerdeführer nicht. Die Verhandlung wurde anberaumt, da der Beschwerdeführer in seinem Beschwerdeschriftsatz eine solche beantragte, um "seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen persönlich und unmittelbar schildern zu können und glaubhaft zu machen".

Der Beschwerdeführer erschien nicht. Via Google wurde der Name des Beschwerdeführers abgefragt und konnte in Erfahrung gebracht werden, dass der Beschwerdeführer eine Facebook-Seite betreibt. Auf dieser stammt der letzte Eintrag vom 4. Juni. Dieser Eintrag in der Sprache Dari wurde vom Dolmetsch übersetzt und lieferte keinen Hinweis auf den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers.

Die Verhandlung wurde geschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am 30.3.2016 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach dem Asylgesetz erstbefragt und am 31.8.2018 wurde er persönlich bezüglich seines Antrags auf internationalen Schutz vor der belangten Behörde angehört.

Sowohl die Niederschrift über die Erstbefragung als auch die Niederschrift über die persönliche Anhörung vor dem BFA liefern vollen Beweis und wurde gegen diese beiden Urkunden in der Beschwerde keine Einwendungen zu deren Richtigkeit erhoben.

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens davon aus, dass die Identität des Beschwerdeführers mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit feststeht. Der Sachverhalt erscheint vor dem Hintergrund des bisherigen Ermittlungserfahrens geklärt und nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ergaben sich für das Gericht keine ergänzenden Fragen an den Beschwerdeführer. Die Verhandlung wurde ausgeschrieben, da eine solche vom Beschwerdeführer zum Zwecke des persönlichen Fluchtvortrags vor einem unabhängigen Richter beantragt wurde.

Es geht das Gericht von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers wird festgestellt:

1.1.1. Der BF reiste als Volljähriger unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.3.2016 den Antrag auf internationalen Schutz.

Das ursprüngliche Zielland des Beschwerdeführers war Frankreich.

1.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist ein junger Erwachsener (geb. XXXX ) im erwerbsfähigen Alter. Er ist ledig, hat keine Sorgepflichten und ist gesund.

1.1.3. Der BF stammt aus Kabul. Er ist Tadschike und bekennt sich zum islamischen Glauben (Sunnit) und hat Dari als Muttersprache.

Der BF hat in seinem Herkunftsstaat die Schule besucht und Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft des Vaters erworben.

Das Ausmaß der Schulausbildung sowie der Arbeitserfahrung kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer hat bis zu seiner Ausreise sein Leben im Herkunftsstaat zugebracht.

1.1.4. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich.

Der Beschwerdeführer verfügt über Familienangehörige in Kabul (Eltern und Geschwister).

Der Beschwerdeführer hat auch Verwandte in Ghazni.

Der Beschwerdeführer hält zu keinem seiner Familienmitglieder oder Verwandten Kontakt.

1.1.5. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht mehr aufhaltig.

1.1.6. Der BF lebte in Österreich von der Grundversorgung und scheinen ihn betreffend keine Vorbemerkungen im österreichischen Strafregister auf.

1.1.7. Der Beschwerdeführer war in Österreich im Sportclub XXXX Salzburg im Boxsport aktiv. Der Beschwerdeführer besuchte einen Kurs "Deutsch für Asylwerbende - Alphabetisierung 1".

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Verfolgungsvorbringen betreffend eine Gefährdung seiner Person in Afghanistan kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Narben des Beschwerdeführers am rechten Oberarm und am rechten Handgelenk gewaltsam durch die Hand Dritter / eines Dritten zugefügt wurden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer zu einer besonders gefährdeten Gruppe iSd UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchende vom 19.4.2016 zählt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan Mitglied einer mafia-ähnlichen Bande ("Mafia-Club") war.

Der Beschwerdeführer war nie Mitglied einer Partei.

Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsland nie an Demonstrationen teilgenommen.

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsstaat niemals wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt oder bedroht.

Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan nicht vorbestraft.

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Herkunftsstaat niemals wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Sunniten verfolgt oder bedroht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan Probleme mit den Behörden, der Polizei oder einem Gericht gehabt hätte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat durch Dritte und / oder die Regierung verfolgt oder bedroht worden wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat wird festgestellt:

Es konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Eine Gefährdung der Person des Beschwerdeführers seitens Dritter oder seitens des Staates im Falle der Rückkehr nach Afghanistan kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich zuletzt in Europa aufgehalten hat bzw dass jeder afghanische Staatsangehörige, welcher aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers (Kabul) anbelangend ist mit Hinweis auf den aktuellen Länderbericht idF 29.6.2018 festzuhalten, dass militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul regelmäßig stattfinden und ein neuer Sicherheitsplan ausgearbeitet wurde, um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern.

Kabul-Stadt wurde als relativ sicher erachtet und war von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt.

Kabul ist von Österreich aus über den Luftweg sicher erreichbar.

Für den Beschwerdeführer bestehen aber neben Kabul-Stadt auch andere innerstaatliche Fluchtalternativen: Mazar-e Sharif oder Herat.

Herat ist trotz militärischer Operationen und Angriffen von Regierungsfeinden eine relativ entwickelte und relativ friedliche Provinz im Westen des Landes, wo unter anderem Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden und wo auch Tadschiken leben.

Herat ist von Österreich aus über den Luftweg sicher erreichbar.

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh und ist Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

Mazar-e Sharif ist von Österreich aus über den Luftweg sicher erreichbar.

Der 19jährige Beschwerdeführer ist erst seit März 2016 in Österreich. Der sich zum sunnitischen Glauben bekennende Beschwerdeführer ist jedoch einer der in Afghanistan gängigen Sprachen (Dari) mächtig und verbrachte seine Lebenszeit von Geburt an bis zur Ausreise nach Europa im Herkunftsstaat Islamische Republik Afghanistan. Es ist daher davon auszugehen, dass der in Afghanistan sozialisierte Beschwerdefüher bei Rückkehr in Afghanistan vor der Ausreise bestandene Kontakte zur Kernfamilie in Kabul und allenfalls zu seinen Verwandten in Ghazni reaktivieren wird können und so soziale Anknüpfungspunkte (wieder-)erwerben kann. Bei der Wiederansiedelung kann ihm Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan oder von den Rückkehrprogrammen der afghanischen Regierung Unterstützung geleistet werden.

1.4. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat Afghanistan wird - fußend auf Auszügen aus der Fassung des Länderberichts vom 29.6.2018 und den nachstehend genannten Quellen - festgestellt:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Konkrete Informationen zu Zahlen und Tätern können dem Subkapitel "Regierungsfeindliche Gruppierungen" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre viertel-jährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Weiterführende Informationen zu den regierungsfreundlichen Gruppierungen können dem Kapitel 5. "Sicherheitsbehörden" entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten