TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/19 W255 2144239-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W255 2144239-1/36E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen Spruchpunkte II., III. und IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2016, Zl. 1119087005-160843709, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 29.03.2017, 20.12.2017 und 05.03.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste am 16.06.2016 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 16.06.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Hazara und schiitischer Muslim sowie in der afghanischen Provinz XXXX , im Distrikt XXXX , geboren zu sein. Als Geburtsdatum wurde XXXX protokolliert. Der BF habe Afghanistan während seines sechsten Lebensjahres verlassen, da sein Vater dort Probleme gehabt habe, und habe anschließend mit seiner Familie (Eltern, Bruder und zwei Schwestern) im Iran, in der Stadt XXXX , gelebt. Der BF habe den Iran verlassen, da er Angst gehabt habe, von den iranischen Behörden in den Krieg nach Syrien geschickt zu werden.

3. Der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beauftragte medizinische Sachverständige, Ass. Prof. Dr. XXXX kam nach Untersuchung des BF zwecks Beurteilung dessen Minder- bzw. Volljährigkeit zum Ergebnis, dass der BF volljährig sei und dessen fiktives Geburtsdatum XXXX laute. Das seitens der Landespolizeidirektion Niederösterreich im Rahmen der Erstbefragung protokollierte Geburtsdatum ( XXXX ) sei aufgrund einer Differenz von 2,85 Jahren nicht mit dem berechneten fiktiven Geburtsdatum vereinbar (Gutachten vom XXXX ).

4. Am 19.12.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Außenstelle Wr. Neustadt (im Folgenden: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Dabei gab der BF zu seinem Gesundheitszustand an, dass ihm während seiner Reise nach Österreich in Griechenland auf den Kopf geschlagen worden sei und ein Teil seines Schädelknochens fehle. Er müsse aus diesem Grund noch einmal operiert und die Schädeldecke geschlossen werden. Der BF kenne sein exaktes Geburtsdatum nicht. Er wisse von seinen Eltern, dass er 15 oder 16 Jahre alt sei. Der BF sei in der Provinz XXXX , im Distrikt XXXX , geboren und im Alter von fünf oder sechs Jahren mit seinen Eltern in den Iran übersiedelt. Dort habe die Familie in der Stadt XXXX gelebt und der BF drei Jahre die Grundschule besucht. Gelegentlich habe der BF mit seinem Vater Mosaiksteine verlegt und in einer Fabrik, in der Mosaiksteine hergestellt worden seien, gearbeitet.

Der BF habe Afghanistan verlassen, da sein Vater Probleme gehabt habe. Der Vater sei dschihadistischer Kommandant gewesen und bedroht worden. Von wem genau, wisse der BF nicht. Er habe keine eigenen Wahrnehmungen darüber, sondern wisse nur, was ihm sein Vater darüber berichtet habe. Der BF wisse auch nicht, welche Tätigkeiten sein Vater als dschihadistischer Kommandant ausgeübt habe. Er sei noch ein Kind gewesen und habe mit seinem Vater kaum darüber gesprochen. Sein Vater habe zu ihm nur gesagt, dass er Feinde in Afghanistan habe und die Feinde die gesamte Familie bedrohen würden. Der BF habe sich noch nie in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif aufgehalten. Er habe auch nicht erwogen, innerhalb seines Herkunftsstaates in ein anderes Gebiet zu übersiedeln, da er damals zu klein gewesen sei, um solche Überlegungen anzustellen. Der BF habe Angst davor nach Afghanistan zurückzukehren, da sein Vater dort Feinde habe, der BF dort nicht aufgewachsen und nicht in die afghanische Gesellschaft integriert sei und in Afghanistan Krieg herrsche.

Der Vater des BF sei vom Iran in den Krieg nach Syrien gezogen und dort gestorben. Die Mutter, der jüngere Bruder (ca. 4 Jahre alt) und die beiden Schwestern des BF (ca. 6 und 8 Jahre alt) würden nach wie vor in XXXX leben.

Der BF besuche in Österreich einen Deutschkurs und spiele Fußball.

Im Rahmen der Einvernahme legte der BF medizinische Unterlagen eines griechischen Krankenhauses und österreichischer Einrichtungen betreffend seine in Griechenland erlittene Schädelverletzung vor (Diagnose: XXXX ) .

5. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 22.12.2016, Zl. 1119087005-160843709, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Dem BF wurde seitens des BFA kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, gegenüber dem BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF aufgrund seiner Altersangaben unglaubwürdig sei. Zudem sei für das BFA nicht nachvollziehbar, warum der BF keine näheren Angaben zur behaupteten Tätigkeit seines Vaters als dschihadistischer Kommandant tätigen habe können und sich dafür nur wenig interessiert habe.

Die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass dem BF derzeit zwar nicht zumutbar sei, in seine Herkunftsprovinz XXXX zurückzukehren, da XXXX zu den eher volatilen Provinzen zähle. Es sei dem BF jedoch zumutbar, nach Kabul zurückzukehren und dort zu leben.

Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan begründete das BFA damit, dass der BF (sinngemäß) kein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich habe.

6. Gegen den unter Punkt I.5. genannten Bescheid des BFA erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Darin brachte der BF im Wesentlichen vor, dass das BFA mangelhaft ermittelt habe. Es hätte sich intensiver mit der Lage von im Iran lebenden Afghanen auseinandersetzen müssen. Weiters habe es das BFA unberücksichtigt lassen, dass der BF der Volksgruppe der Hazara angehöre und ihm schon deshalb eine GFK-relevante Verfolgung drohe. Die Beweiswürdigung des BFA sei mangelhaft, da sich das BFA darauf stütze, dass der BF divergierende Angaben zu seinem Alter getätigt habe, obwohl der BF glaubhaft angeführt habe, sein exaktes Alter nicht zu wissen und sein ungefähres Alter nur von seinen Eltern zu kennen. Zudem sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Vater dem BF nur in beschränktem Ausmaß über seine Tätigkeit für die " XXXX " berichtet habe. Der BF sei insbesondere als Hazara in Afghanistan einer Bedrohung ausgesetzt. Zudem wäre er als Mitglied der sozialen Gruppe (als Sohn seines Vaters, der in Afghanistan verfolgt werde) asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.03.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Dari sowie im Beisein des BF und seines Rechtsvertreters eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Seitens des BFA wurde mit Schreiben vom 05.01.2017 auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Der BF wiederholte im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Sein Name sei XXXX , sein exaktes Geburtsdatum wisse er nicht, er sei afghanischer Staatsangehöriger, Hazara, schiitischer Muslim und im Alter von ca. fünf oder sechs Jahren gemeinsam mit seinen Eltern in den Iran ausgewandert. Sein Vater habe ihm erzählt, dass er wegen einer Bedrohung nicht in Afghanistan bleiben habe können. Der BF wisse nicht viel dazu, nur, dass der Vater ein Kommandant der " XXXX " gewesen und von den Taliban bedroht worden sei. Der BF habe zuvor, vor dem BFA, die Partei " XXXX " nicht erwähnt, da er nicht danach gefragt worden sei. Der BF habe keine weiteren Informationen über die damalige Tätigkeit seines Vaters. Der BF habe im Iran drei Jahre die Schule besucht. Im Iran seien seine beiden Schwestern und sein Bruder zur Welt gekommen. Der BF habe keinen bestimmten Beruf gehabt, sondern als Maler oder Maurer und in einer Plastikfabrik gearbeitet. Der BF sei im Iran den Schikanen der Bevölkerung und der iranischen Regierung ausgesetzt gewesen. Er habe die Schule nicht besuchen und nichts lernen dürfen. Zudem habe die Gefahr bestanden, dass er nach Syrien geschickt werde. Daher habe er den Iran verlassen. Sein Vater sei hingegen nach Syrien gegangen und dort gestorben. Die Mutter, die beiden Schwestern und der Bruder des BF würden nach wie vor im Iran leben. Der BF habe manchmal per Telefon oder Internet Kontakt mit seiner Familie im Iran. Der BF habe sich seit seiner Ausreise aus Afghanistan im Alter von ca. fünf oder sechs Jahren nie wieder in Afghanistan aufgehalten. Der BF glaube, dass zwei Tanten mütterlicherseits in Afghanistan leben, aber er wisse nicht wo. Er wolle nicht nach Afghanistan zurückkehren, da es schwierig sei, in einem Land zu leben, in dem man nicht aufgewachsen sei und in dem die Sicherheitslage schlecht sei. Der BF kenne die dortige Gesellschaft nicht, es existiere keine Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Hazara seien von Schikanen betroffen, würden täglich angehalten und getötet. Der BF könne sich nicht vorstellen, in einem Land wie Afghanistan leben zu können. Der BF könne auch nicht in Kabul leben, da er dort keinen Menschen kenne. Auch die Sicherheitslage sei in Kabul schlecht. Die Zivilbevölkerung bekomme dort keinen Schutz. Hazara würden in Afghanistan gezielt angegriffen.

Seitens des rechtsfreundlichen Vertreters wurde vorgebracht, dass der BF aus Afghanistan völlig entwurzelt sei und keinen Bezug mehr habe. Auch das UNHCR würde in seinen Richtlinien feststellen, dass die Reintegration von afghanischen Flüchtlingen, die sich lange nicht mehr in Afghanistan aufgehalten hätten, und insbesondere von jenen, die in westlichen Ländern gelebt hätten, besonders schwierig sei. Beim BF komme hinzu, dass er über kein Auffangnetz verfüge und dass die lebensgefährliche Kopfverletzung, die er erlitten habe, möglicherweise weiterer Behandlung bedürfe.

Der BF habe in Österreich einen Deutschkurs besucht, aufgrund seiner vielen Arzt- und Krankenhaustermine sei es aber schwierig gewesen, sich auf den Deutschunterricht zu konzentrieren. Er werde vermutlich im April wegen des Schlages auf seinen Schädelknochen operiert und ein Knochenimplantat eingesetzt. Diesbezüglich legte der BF einen Befund vom 10.11.2016 des Diagnosezentrums XXXX vor, dem ein " XXXX " zu entnehmen ist. Der BF habe in XXXX in einer Gärtnerei mitgeholfen und sich um die Blumen gekümmert. Auch in XXXX gebe es die Möglichkeit, in einer Lebensmittelfirma freiwillig zu arbeiten, aber der BF solle bis zu seiner Operation warten und erst danach dort arbeiten.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde eine gutachterliche Stellungnahme des länderkundigen Sachverständigen Dr. XXXX vom 17.02.2016 (aus dem Verfahren zur Zl. W119 2102332-1) zur Lage der Hazara in Afghanistan in das Verfahren eingebracht. Der BF und sein rechtsfreundlicher Vertreter gaben diesbezüglich keine Stellungnahme ab.

8. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 29.03.2017 wurde gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das Erkenntnis verkündet, die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen, der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 29.03.2018 erteilt. Seitens des BF und dessen rechtsfreundlicher Vertretung wurde nach Belehrung über die Folgen des Verzichts gemäß § 25a Abs. 4a VwGG und § 82 Abs. 3b VfGG ausdrücklich auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet.

9. Mit Schreiben vom 04.04.2017 beantragte das BFA fristgerecht gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG die Ausfertigung des Erkenntnisses.

10. Am 25.04.2017 wurde den Parteien die schriftliche Ausfertigung des am 29.03.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 24.04.2017 zugestellt.

11. Am 06.06.2017 erhob das BFA gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts -

soweit dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm infolge dessen eine Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde - außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Spruchpunkt A.I. des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts (Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) erwuchs in Rechtskraft.

12. Mit Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0205-6, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Spruchpunkten A.II. und A.III. (Zuerkennung des subsidiären Schutzes und Erteilung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit seinen Feststellungen zwar eine schwierige Lebenssituation für den BF im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat - hier: in Bezug auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul - aufgezeigt; dies vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht und im Besonderen betreffend die Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche. Dabei habe das Bundesverwaltungsgericht primär auf das Fehlen ausreichender Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul abgestellt. Die Annahme, im gegenständlichen Fall sei unter Berücksichtigung der den BF betreffenden individuellen Umstände davon auszugehen, es bestünde im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan auch in Kabul die reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK, sei aber eine rechtliche Beurteilung, die in den Feststellungen keine Deckung finde. Eine nähere Begründung, weshalb indes der Gesundheitszustand des BF zu einer anderen Beurteilung zu führen hätte, bleibe das Bundesverwaltungsgericht schuldig.

13. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 20.12.2017 eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, wobei der BF in der Ladung für diese Verhandlung ausdrücklich aufgefordert wurde, alle verfügbaren Beweismittel, insbesondere solche, die seinen gesundheitlichen Zustand betreffen, mitzubringen. Der BF gab an, aufgrund seiner Kopfverletzung nicht gut schlafen zu können. Er habe immer Angst, da er Kunststoff auf der linken Seite im Kopf habe. Er habe Schmerzen und Albträume. Wenn er sehr starke Schmerzen habe, passiere es, dass seine linke Seite gelähmt werde, dann gehe er zum Arzt. Er sei seit der letzten Verhandlung am 29.03.2017 14 bis 15 Tage wegen einer Folgeoperation im Spital in XXXX gewesen und gehe alle zwei bis drei Wochen zur Kontrolle. Nach der Operation sei er die ersten vier bis fünf Wochen ins Spital zur Kontrolle gegangen und danach zu seinem Hausarzt. Der BF legte hierzu Unterlagen vor, denen zu entnehmen ist, dass er am XXXX stationär im Krankenhaus

XXXX aufgenommen wurde, eine für XXXX geplante Operation aus Kapazitätsgründen abgesagt wurde und die Operation laut Stand vom 07.04.2017 am 13.04.2017 durchgeführt werden sollte. Der BF konnte keine aktuelleren Dokumente vorlegen. Er sei am 13.04.2017 erfolgreich operiert worden. Nun habe er Kunststoff in seinem Kopf. Wenn er ausrutsche und sich den Kopf anschlage, könne es passieren, dass der Kunststoff kaputt werde und er noch einmal operiert werden müsse. Es würde sich um keine Dauerlösung handeln. Er könne keinen Sport betreiben und sei Durcheinander im Kopf. Er habe keine Kontrolle über seine Füße und eine Sehschwäche. Er könne keine schwere körperliche Arbeit verrichten. Er könne lesen und schreiben, aber seine Sehstärke habe nachgelassen und seine Konzentration falle ab. Früher habe er Medikamente einnehmen müssen, derzeit nehme er sie nur bei Schmerzen ein.

Die Verletzung am Kopf rühre daher, dass der BF auf seinem Fluchtweg nach Österreich in Griechenland in einem Zelt gewesen sei, als um 3 Uhr sechs Personen mit Taschenlampen gekommen seien und dem BF mit einer Metallstange auf den Kopf geschlagen hätten. Der BF sei bewusstlos geworden und habe viel Blut verloren.

Der BF habe vor zwei Monaten das letzte Mal mit seiner Familie Kontakt gehabt. Seine Familie lebe in XXXX . Seine Mutter arbeite in der Landwirtschaft, in einer Bäckerei und manchmal verkaufe sie etwas. Die Geschwister des BF würden bei der Mutter leben. Ein Bruder sei 6 Jahre alt, eine Schwester 8 und die andere 10. Seine Mutter habe auch zwei Operationen gehabt und ihr hätten Nierensteine entfernt werden müssen.

Der BF habe keine nahen Verwandten in Österreich. Ein Cousin des BF lebe in Österreich, aber der BF stehe nicht in Kontakt mit diesem. Früher habe der BF in Österreich mit Freunden Tennis und Tischfußball gespielt und sei mit ihnen Schwimmen gegangen. Sei er in Wien wohne, sei es schwer Freunde zu finden. Hier sehe er nur seinen Nachbarn am Abend. Der BF teile sich mit einer zweiten Person eine Mietwohnung. Der BF habe morgen die Deutschprüfung auf A1 Niveau. Er habe sich in Österreich bisher nicht ehrenamtlich engagiert.

14. Mit Schreiben vom 27.12.2017 übermittelte der BF dem Bundesverwaltungsgericht Arztbriefe des Landesklinikums XXXX vom 08.04.2017, 20.04.2017, 24.04.2017 und 22.05.2017. Laut Arztbrief vom 08.04.2017 habe der BF Schmerzen in beiden OE, der rechten UR und Schwindelgefühl. Laut Arztbrief vom 20.04.2017 sei der BF nach Durchführung einer "Biomet Kalottenimplantation" und "PEKK Deckel links temporal am 14.04.2017" am 20.04.2017 entlassen worden. Er solle sich schonen und bei Sonneneinstrahlung eine Kopfbedeckung tragen. Laut Arztbrief vom 24.04.2017 sei der BF zwecks Nahtentfernung ins Landesklinikum gekommen. Es gehe ihm subjektiv gut und er berichte über keine Ceflaeea, Epilepsie oder Lähmungen. Es hätten keine sensomotorischen Ausfälle auf der HNN, keine Paresen, keine Pyramidenzeichen, kein Meningismus und keine Extremitäten festgestellt werden können. Laut Arztbrief vom 22.05.2017 habe sich der BF aufgrund seiner im April 2017 unterzogenen Operation einer Kontrolle unterzogen. Dem BF gehe es subjektiv gut und er sei voll orientiert und ansprechbar.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 05.03.2018 eine weitere öffentliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF zu Beginn an, dass es ihm heute gut gehe, es ihm ab und zu aber psychisch nicht gut gehe. Er nehme Parkemed gegen Kopfschmerzen. Er könne manchmal auch nicht einschlafen, wenn er sich auf die linke Schläfe lege, weil er dann Schmerzen habe. Er betreibe keinen Sport, da ihm schnell schwindlig werde und er sein Gleichgewicht nicht halten könne. Er könne ganz leichte Gewichte haben, aber sobald sie schwerer würden, würde es im Kopf des BF ziehen. Er konsultiere etwa alle 1,5 Wochen seinen Arzt Dr. XXXX und zwar wegen der Kopfschmerzen.

Dr. XXXX , jener Arzt, bei dem der BF laut eigenen Angaben regelmäßig in Behandlung stehe, gab als Zeuge nach Entbindung von seiner Verschwiegenheitspflicht durch den BF an, dass der BF das erste Mal am 10.10.2017 zu ihm gekommen sei. Der Grund dafür seien eigentlich verschiedene Beschwerden, wie Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen gewesen. Dr. XXXX habe eine Blutabnahme durchgeführt. Dabei sei eine latente Hyperthyreose herausgekommen. Es handle sich um eine Schilddrüsenunterfunktion. Sonst sei der Befund ok gewesen. Dr. XXXX habe in weiterer Folge ein Ultraschall-Bild von der Schilddrüse gemacht und dann sei alles ok gewesen. Nachdem der BF neuerlich wegen dieser Leiden geklagt habe, habe Dr. XXXX näher hinterfragt, woher die Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und Müdigkeit kommen. Erst dann habe der BF Dr. XXXX von der Schädelverletzung erzählt. Der BF habe ihm davon berichtet, dass der BF 2016 in Griechenland von unbekannten Personen geschlagen und dabei am Schädel verletzt worden sei und notoperiert werden habe müssen. Der BF habe Dr. XXXX einen Arztbrief vom Landesklinikum XXXX der Abteilung Neurochirurgie mitgebracht. Seit 10.10.2017 sei der BF ca. zehnmal bei Dr. XXXX in Behandlung gewesen, zuletzt am 20.02.2018 wegen Magenbeschwerden. Der BF nehme derzeit bei Bedarf Parkemed gegen Kopfschmerzen und ein anderes Medikament zwecks Magenschutz. Seit 19.01.2018 nehme der BF zudem Trittico 150g gegen Schlaf- und Angststörungen.

Aus den diversen Dr. XXXX vorgelegten Unterlagen sei für Dr. XXXX ersichtlich, dass der BF ein Schädel-Hirn-Trauma mit Trepanation gehabt habe. Das sei ein Verfahren, wenn eine Hirnblutung da sei, bohre man hinein, um den Innendruck zu entlasten. Das sei beim BF durchgeführt worden. Laut ärztlichem Brief vom 14.04.2017 sei dem BF ein Stück Kunststoff implantiert worden. Das Wort Kalotten-Implantation stehe für diesen Vorgang. Das diene einerseits dem Schutz, könne aber andererseits auch ästhetische Gründe haben. Dem ärztlichen Brief entnehme Dr. SHOKRAN, dass es auch auf Wunsch des BF durchgeführt worden sei. Bei der Operation würde es sich um eine dauerhafte Lösung handeln. Befragt, ob der BF aus Sicht von Dr. XXXX im Alltag aufgrund des Implantats irgendwie beeinträchtigt sei, gab Dr. XXXX an, dass sich der BF beklagt habe, dass er sich Dinge schwerer merke und der Lernprozess nicht wie früher funktioniere, aus Sicht von Dr. XXXX nach Durchführung einer Schädel-CT eigentlich alles ok und unauffällig sei. Dazu legte Dr. XXXX einen Befund vom 17.01.2018 vor.

Befragt, ob der BF aus ärztlicher Sicht Sport betreiben und sich körperlich betätigen könne, antwortete Dr. XXXX , dass zu beachten sei, dass der BF über eine Schilddrüsenunterfunktion, Müdigkeit, Vitaminmangel und eine posttraumatische Belastungsstörung verfüge. Dr. XXXX glaube, dass dieses Trauma und diese Müdigkeit von der posttraumatischen Belastungsstörung stamme. Die Schilddrüsenunterfunktion und die Schädelverletzung seien nicht miteinander bedingt. Das seien ein Zufallsfund gewesen. Eigentlich spreche nichts dagegen, dass der BF Sport betreibe. Dr. XXXX finde sogar, dass dies empfehlenswert sei wegen dem Stressabbau. Auf mögliche Risiken in Zusammenhang mit der Schädelverletzung und dem Kunststoff im Kopf befragt, führte Dr. XXXX aus, dass der BF viel Glück gehabt habe, da man bei so einem Trauma sterben könne. Der BF habe auch Hirnblutungen gehabt. Er habe großes Glück, dass er noch lebe. Dr. XXXX glaube nicht, dass es diesbezüglich noch Folgen geben könnte. Es gebe verschiedene Krankheiten, die eine schlechte Folge haben. Bei einem jungen Mann, der neurochirurgisch gut behandelt werde, sollten aus seiner Sicht grundsätzlich keine negativen Begleiterscheinungen oder speziellen Risiken bestehen. Wenn dauerhafte Schäden auftreten würden, dann unmittelbar nach dem Ereignis. Der BF habe ihm nie davon berichtet, dass er an sehr starken Schmerzen in Zusammenhang mit seiner Schädelverletzung leide, seine linke Seite gelähmt sei und er keinerlei Kontrolle über seine Füße mehr habe. Der BF habe ihm gegenüber am Anfang angeführt, dass er an Sehschwäche leide. Er habe kognitive Einschränkungen bzw. Leiden angemerkt, insbesondere, dass er Konzentrationsprobleme habe. Dr. XXXX habe keine Sehschwäche diagnostizieren können. Er habe auch keine Lähmungserscheinungen feststellen können. Wenn Lähmungserscheinungen aufgetreten wären, dann unmittelbar nach dem Verletzungsvorgang. Es sei aber sehr unwahrscheinlich, dass solche Folgewirkungen mehr als ein Jahr nach der Operation auftreten würden.

Der BF gab schließlich an, dass er mit seiner Mutter telefoniert habe. Sie sei krank und könne nicht regelmäßig arbeiten gehen. Seine Schwestern und sein Bruder würden trotz ihres jungen Alters als Straßenverkäufer arbeiten. Der BF sei im Iran einige Jahre in die Schule gegangen und könne Lesen und Schreiben. Er habe am 21.12.2017 die A1-Deutschprüfung in Österreich bestanden und besuche derzeit den A2-Deutschkurs. Danach wolle er die B-Kurse machen um das B2 Niveau zu erreichen und danach arbeiten zu können.

Auf Vorhalt, dass der BF in Vergangenheit gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht einerseits angegeben habe, dass er aufgrund seiner Schädelverletzung Lähmungsanzeichen und keine Kontrolle über seine Füße hätte, andererseits aber, dass er mit seinen österreichischen Freunden Schwimmen gegangen seien, Tennis und Fußball gespielt hätte, antwortete der BF, dass er zwar beispielsweise mit meinen Freunden Fußball gespielt habe, aber nicht so, wie man es sich normalerweise vorstelle. Dadurch, dass er es zu Hause nicht mehr ausgehalten habe, hätten seine Freunde gesagt, er solle zum Fußball spielen kommen. Er sei nicht so viel oder große Distanzen gelaufen, sondern habe spielerisch mitgemacht. Das sei auf einen kleinen Platz beschränkt gewesen.

Der BF legte eine Patienteninformation des XXXX bezüglich eines für den 08.03.2018 vorgemerkten Termins, einen Kursterminplan "Kompetenzcheck berufliche Integration 1. WB", eine Information des AMS bezüglich eines für den 09.03.2018 vorgemerkten Termins, ein A1-Prüfungszeugnis und eine Teilnahmebestätigung am Seminar "A1 Startpaket Deutsch und Integration 2016-2017" vor.

II. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Zur Person des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

1.1. Der BF führt den Namen XXXX , ist am XXXX im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX , Afghanistan, geboren, übersiedelte im Alter von ca. fünf oder sechs Jahren in den Iran und wuchs im Iran in der Stadt XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise aus dem Iran im Winter 2015/Jänner 2016 lebte, auf. Der BF hat sich seit seinem sechsten Lebensjahr nicht mehr in Afghanistan aufgehalten.

1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim.

1.3. Der BF hat im Iran drei Jahre die Schule besucht und sowohl als Maurer als auch Maler gearbeitet. Zudem hat er diverse Hilfstätigkeiten verrichtet. Er kann Lesen und Schreiben. Der BF spricht Dari, Farsi, ein bisschen Englisch und ein bisschen Deutsch. Der BF hat in XXXX gemeinsam mit seinem Vater, seiner Mutter, zwei Schwestern und einem Bruder gelebt. Der Vater des BF ist kurz vor der Ausreise des BF aus dem Iran Ende 2015/Jänner 2016 vom Iran aus nach Syrien gereist und dort ums Leben gekommen.

1.4. Die Mutter, die beiden Schwestern und der Bruder des BF leben nach wie vor in XXXX . Seine Geschwister arbeiten als Straßenverkäuferinnen, seine Mutter in der Landwirtschaft, in einer Bäckerei und ebenfalls als Straßenverkäuferin. Der BF steht in regelmäßigem Kontakt mit ihnen.

1.5. Der BF verfügt über keine nahen Verwandten in Afghanistan. Zwei Tanten mütterlicherseits des BF leben in Afghanistan. Der BF steht derzeit nicht mit ihnen in Kontakt.

1.6. Der BF verließ den Iran Ende 2015/Jänner 2016 und reiste über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Ungarn nach Österreich, wo er am 16.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.7. Der BF wurde während seiner Flucht vom Iran nach Österreich im März 2016 in Griechenland von unbekannten Personen attackiert und mit einer Metallstange am Kopf verletzt. Der BF erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma. Der BF wurde zunächst in Griechenland und in weiterer Folge in Österreich behandelt. In Österreich wurde ua eine Trepanation durchgeführt und Kunststoff im Kopf eingesetzt. Die Operationen wurden erfolgreich durchgeführt und es bedarf aus heutiger Sicht keiner Folgeoperation. Es handelt sich um Dauerlösungen. Die Bilder, die nach den Operationen im Rahmen einer Computertomographie angefertigt wurden, waren unauffällig und in Ordnung. Der BF darf aus ärztlicher Sicht Sport betreiben. Er leidet nicht an Lähmungserscheinungen. Er leidet nicht an Gefühls- bzw. Wahrnehmungsstörungen. Er leidet nicht an Sehproblemen. Der BF leidet an einer Schilddrüsenunterfunktion, die er derzeit nicht behandeln muss und nicht behandelt. Er nimmt er bei Bedarf Medikamente, wenn er schlecht schläft oder Kopfschmerzen hat.

1.8. Dem BF würde derzeit bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

1.9. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle der Rückkehr nach XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Die Familie des BF wäre bei seiner Rückkehr in der Lage ihn wirtschaftlich zu unterstützen, sollte dies notwendig sein.

1.10. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle der Rückkehr nach XXXX Gefahr liefe, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.11. Der BF kann die Stadt XXXX von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug und sein Heimatdorf, das ca. 50 Minuten mit dem Auto von der Stadt XXXX entfernt, nördlich der Stadt XXXX liegt, auf dem Landweg sicher erreichen.

2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.1. Der BF verfügt über keine Verwandte oder sonstigen nahen Angehörigen bzw. Bezugspersonen in Österreich.

2.2. Der BF hat mehrere Deutschkurse auf A1 Niveau besucht und die Deutschprüfung auf A1 Niveau bestanden.

2.3. Der BF ist in Österreich noch nie einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Er hat Nachbarn gelegentlich im Garten unterstützt. Er ist nicht Mitglied in einem Verein.

2.4. Der BF ist im Rahmen der Grundversorgung in einer Unterkunft für Asylwerber untergebracht. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.

2.5. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.1. bis 2.5. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.6. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 21.12.2017:

1. Neueste Ereignisse - KI vom 21.12.2017 - Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

1.1. Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

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(Grafik: Staatendokumentation gemäß Daten aus INSO o.D.)

1.2. Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017).Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

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1.3. High-profile Angriffe:

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

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(Guardian 7.11.2017)

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

1.4. ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

1.5. Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriff auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

1.6. Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

2. Sicherheitslage

2.1. Allgemeines

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

2.2. Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

2.3. Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

2.4. Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

2.5. Zivile Opfer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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