Entscheidungsdatum
31.07.2018Norm
AlVG §38Spruch
L511 2184959-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Vorsitzende und die fachkundigen LaienrichterInnen Mag. Peter SIGHARTNER als Beisitzer und Mag.a Iris WOLTRAN als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 08.11.2017, XXXX nach Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2018, Zahl: XXXX in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 17.01.2018, Zahl: XXXX gemäß § 28 Abs. 2 und 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt
1. Verfahren vor dem Arbeitsmarktservice [AMS]
1.1. Die Beschwerdeführerin stellte am 05.10.2017 einen Antrag auf Notstandshilfe (Aktenzahl der elektronisch übermittelten Aktenteile [AZ] 4; Ordnungszahl des hg. Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 2).
1.2. Mit Bescheid des AMS vom 08.11.2017, Zahl: XXXX, wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom 05.10.2017 gemäß § 7 iVm §§ 33 Abs. 2 und 38 AlVG mangels Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt keine Folge gegeben (AZ 14).
Begründend wurde ausgeführt, die Betreuung von XXXX [Anm.: Sohn der Beschwerdeführerin, geb. XXXX] sei derzeit nicht geregelt, da er von ihr selbst betreut werde. Damit sei eine Verfügbarkeit am Arbeitsmarkt nicht gegeben.
1.3. Mit Schreiben vom 01.12.2017 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen den oben bezeichneten Bescheid des AMS (AZ 15).
Darin führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, dass sie bei Ansuchen auf Notstandshilfe am 05.10.2017 gewusst habe, dass ihre Mutter aus Frankfurt anreise und die Betreuung ihres Sohnes übernehme. Bei der Abgabe des Antrags am 31.10.2017 habe sie bekanntgegeben, dass ihre Mutter und eine Freundin ihren Sohn betreuen würden, bis dieser einen Platz in einer Krabbelstube bekomme. Die Beschwerdeführerin stehe dem Arbeitsmarkt daher zur Verfügung.
1.4. Im Zuge des vom AMS weitergeführten Ermittlungsverfahrens wurde der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Stellungnahmefrist die Sach- und Rechtsansicht des AMS zur Kenntnis gebracht, wonach die Beschwerdeführerin mehrmals gegenüber dem AMS bzw. dem XXXX (im Folgenden: Institut) angegeben habe, dass die Betreuung ihres Sohnes nicht geregelt sei. Die in der Beschwerde angegeben Freundin sei keine geeignete Betreuungsperson für den Sohn, da diese selbst bis zum 06.11.2017 in Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gestanden sei und seit 07.11.2017 gemäß § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz einem absoluten Beschäftigungsverbot unterliege. Die Mutter der Beschwerdeführerin lebe in Frankfurt und sei nach den Angaben der Beschwerdeführerin nur vorübergehend in Linz gewesen.
Die Beschwerdeführerin wurde aufgefordert bekanntzugeben, wann ihre Mutter bei ihr gewesen sei bzw. ob sie noch in XXXX aufhältig sei und seien die Angaben durch geeignete Nachweise zu belegen (AZ 16).
1.4.1. Telefonisch gab die Beschwerdeführerin am 15.12.2017 (AZ 17) gegenüber dem AMS an, Leistungen erst ab 24.10.2017 beanspruchen zu wollen, da sie bis zu diesem Zeitpunkt Kinderbetreuungsgeld bezogen habe. Am 03.01.2018 (AZ 19) teilte Sie mit, dass Sie nunmehr ab 08.01.2018 eine Kinderbetreuung durch eine Tagesmutter habe. Mit Schreiben vom 05.01.2018 teilte die Beschwerdeführerin dem AMS die Daten mit, an denen ihre Mutter in XXXX aufhältig gewesen sei, und wiederholte, dass ihr Sohn in der nächsten Woche einen Betreuungsplatz bei einer Tagesmutter bekomme, sodass sie einen Kurs besuchen könne (AZ 21).
1.5. Mit Bescheid vom 17.01.2018, XXXX zugestellt am 18.01.2018, wies das AMS im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 01.12.2017 gemäß § 14 VwGVG iVm § 56 AlVG ab (AZ 20).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Freundin der Beschwerdeführerin sei keine geeignete Betreuungsperson, da sie selbst bis zum 06.11.2017 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezogen habe und seit dem 07.11.2017 Anspruch auf Wochengeld habe und einem Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Mutterschutzgesetz unterliege. Hinsichtlich ihrer Mutter habe die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft darlegen können, dass diese die Betreuung des Kindes im Falle einer Beschäftigungsmöglichkeit unmittelbar übernehmen könne.
1.6. Mit Schreiben vom 29.01.2018, beantragte die Beschwerdeführerin fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (AZ 22).
2. Die belangte Behörde legte am 02.02.2018 dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt in elektronischer Form vor (OZ 1 [=AZ 1-22]) und teilte mit, dass die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 05.01.2018 (AZ 21) in der Beschwerdevorentscheidung auf Grund interner Organisationsprobleme nicht berücksichtigt wurde (AZ 1).
2.1. Das BVwG ersuchte das AMS um Vorlage von weiteren Aktenteilen (OZ 2).
II. Zu A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Die Beschwerdeführerin ist Mutter eines am 25.07.2016 geborenen, betreuungspflichtigen Sohnes (AZ 12; OZ 2) und bezog bis einschließlich 24.10.2017 Kinderbetreuungsgeld (AZ 12; OZ 2).
1.2. Am 05.10.2017 stellte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf Notstandshilfe (OZ 2).
1.3. Ab dem 05.10.2017 war die Beschwerdeführerin für einen Krabbelstubenplatz vorgemerkt (AZ 7).
1.4. Am 31.10.2017 gab die Beschwerdeführerin an, dass sie für ihren Sohn zwei Betreuungspersonen habe: ihre Mutter, welche grundsätzlich in Deutschland lebe, sowie ihre Freundin in XXXX (AZ 12).
1.4.1. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist 75 Jahre alt und war von Mitte Oktober bis 29.10.2017, von 02.11 bis 13.11.2017 sowie von 17.11.2017 bis 01.01.2018 in XXXX (AZ 15, 21, 22).
1.4.2. Die Freundin der Beschwerdeführerin stand im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis 06.11.2017 im Leistungsbezug des AMS und unterlag ab 07.11.2017 einem absoluten Beschäftigungsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz (MSchG) (AZ 16).
1.5. Der Beschwerdeführerin wurde vom AMS weder eine Beschäftigung vermittelt, noch stand ein konkreter möglicher Arbeitsantritt im Raum.
1.6. Seit 08.01.2018 bezieht die Beschwerdeführerin Notstandshilfe (OZ 2).
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus denen sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1 [=AZ 1-22]; OZ 2).
2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG insbesondere folgende Unterlagen herangezogen:
* Antragsformular vom 05.10.2017 (OZ 2)
* Bescheid und Beschwerdevorentscheidung des AMS (AZ 14, 20)
* Beschwerde und Vorlageantrag der Beschwerdeführerin (AZ 15, 22)
* Aktenvermerke des AMS vom 05.10.2017 (AZ 6) und vom 18.10.2017 (AZ 10)
* Krabbelstubenplatzvormerkung beim XXXX vom 05.10.2017 (AZ 7)
* Information des IAB Restart an das AMS vom 13.10.2017 (AZ 8)
* Auszüge aus dem Datensystem des AMS (OZ 2)
2.2. Beweiswürdigung
2.2.1. Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus den vorliegenden Auszügen aus dem Verwaltungsakt (AZ 7, 12; OZ 2) und sind im Verfahren unstrittig geblieben.
2.2.2. Die Anwesenheitsdaten der Mutter der Beschwerdeführerin in XXXX ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (AZ 15, 21, 22). Da die Mutter der Beschwerdeführerin 75 Jahre alt ist, erscheint es auch plausibel, dass diese über längere Zeiträume in XXXX verbringen kann, so dass sich insgesamt kein Grund ergibt, diese Aussagen anzuzweifeln.
2.2.3. Dass der Beschwerdeführerin keine konkrete Beschäftigung vermittelt wurde, ergibt sich aus der Gesamtübersicht der Eintragungen im Datensystem des AMS (OZ 2).
3. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
3.1. Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art. 6 EMRK zu beurteilen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR] sieht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung etwa dann für gerechtfertigt an, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry, Appl 28394/95 Rz 37). Art. 47 Abs. 2 GRC gewährleistet ein Art6 Abs1 EMRK vergleichbares Recht auf eine mündliche Verhandlung (VfGH 29.11.2014, B413/2013; EuGH 22.12.2010, DEB, C-279/09 Rz 31, 35). Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC stehen dem Absehen von einer Verhandlung von Seiten des BVwG somit dann nicht entgegen, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und erkennbar ist, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlage nicht erwarten lässt (VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 26.01.2017, Ra 2016/07/0061 RS2 mwN).
3.1.1. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.
4. Rechtliche Beurteilung
4.1.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen (§ 27 VwGVG).
Das Verwaltungsgericht hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§28 VwGVG). Entscheidungen und Anordnungen erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG). Auf nicht verfahrensleitende die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind. § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden (§ 31 Abs. 3 VwGVG).
Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist (§ 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG)). Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle des AMS entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen (§ 56 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl. Nr 609/1977 idgF (AlVG)).
4.1.2. Das AMS hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und der Beschwerdeführer hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro2015/08/0026).
4.2. Stattgabe der Beschwerde
4.2.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe keine Folge gegeben, da die Abweisung der Beschwerde im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung als Erlassung eines mit dem Erstbescheid spruchmäßig übereinstimmenden Bescheides anzusehen ist (vgl. 10.09.2014, 2013/08/0202, VwGH 18.03.2014, 2013/22/0332 mit Verweis auf 19.03.2013, 2012/21/0082 und 08.10.1996, 96/04/0046).
4.2.2. Für einen Großteil der Leistungen des AMS, darunter gemäß § 33 Abs. 2 AlVG auch der Anspruch auf Notstandshilfe, stellt § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG die Grundlage für die Gewährung der beantragten Leistung dar.
4.2.2.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z1 AlVG hat nur Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer (ua) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist (Abs. 2 leg.cit). Eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf eine Person dann, wenn sie sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält (Abs. 3 leg.cit). Die Voraussetzungen des Abs. 3 Z 1 liegen während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld nur dann vor, wenn das Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut wird (Abs. 5 Z 2 leg.cit). Als auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotene, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung gilt ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 20 Stunden. Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr oder behinderte Kinder, für die nachweislich keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, erfüllen die Voraussetzung des Abs. 3 Z 1 auch dann, wenn sie sich für ein Arbeitsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 16 Stunden bereithalten (Abs. 7 leg.cit).
Diese Bestimmungen gelten gemäß § 38 AlVG für die Notstandshilfe sinngemäß.
4.2.3. BezieherInnen von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erfüllen die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit nur dann, wenn sie bereit und in der Lage sind, jederzeit eine sich bietende Arbeitsmöglichkeit zumindest im Umfang der Verfügbarkeitsgrenze tatsächlich aufzunehmen und nicht z.B. durch eine anderweitige Inanspruchnahme (Erwerbstätigkeit, umfangreiche ehrenamtliche Tätigkeit, Pflege naher Angehöriger etc.) oder durch allenfalls bestehende rechtliche Hindernisse daran gehindert sind (vgl. VwGH 17.10.2014, Ro2014/08/0034 und 18.01.2012, 2010/08/0092, mVa Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz, §7 Rz 162/4).
4.2.3.1. Eltern sind zur Obsorge für ihre minderjährigen Kinder rechtlich verpflichtet. Die Erfüllung dieser Pflicht ist bei Fehlen einer anderweitigen Aufsichtsperson für den obsorgepflichtigen alleinerziehenden Elternteil rechtlich und faktisch unausweichlich. Eltern stehen der Arbeitsvermittlung daher nur insoweit zur Verfügung, als das obsorgeberechtigte Kind von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung betreut wird (VwGH 28.10.2015, 2012/10/0206; 21.04.2004, 2004/08/0007 mwN).
4.2.3.2. Der Gesetzgeber hat in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage betreffend § 7 Abs. 5 AlVG (620 BlgNR 21. GP S 74) ausgeführt, dass "[z]um Zeitpunkt der Vermittlung der Nachweis zu erbringen [ist], dass die Betreuung des Kindes von einer anderen geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung bei Arbeitsantritt gewährleistet ist."
4.2.4. Verfahrensgegenständlich hat das AMS der Beschwerdeführerin nie ein konkretes Beschäftigungsverhältnis vermittelt oder einen Auftrag zur Nach(Um)schulung oder zur Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt erteilt, so dass verfahrensgegenständlich auch kein konkreter Arbeitsantritt oder Beginn einer Nach(Um)schulung oder Maßnahme vorliegt, zu dem eine Kinderbetreuung gewährleistet hätte sein sollen.
4.2.5. Für eine eventuelle Vermittlung liegt verfahrensgegenständlich darüber hinaus eine von der Beschwerdeführerin unterzeichnete Erklärung vom 31.10.2017 vor, wonach sie - für den Fall der Vermittlung - auf zwei Betreuungspersonen zurückgreifen könne (AZ 12).
4.2.5.1. Trotz Vorliegens dieser Erklärung geht in der Folge der Bescheid vom 08.11.2017 ohne weitere Begründung davon aus, dass die Betreuung nicht geregelt sei. Erst im Rahmen der BVE führte das AMS aus, dass aus Sicht des AMS die Kinderbetreuung deshalb nicht geregelt sei, weil die Beschwerdeführerin die Kinderbetreuung durch andere Personen im Oktober an mehreren Terminen verneint habe.
4.2.5.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin am 31.10.2017 - dem mit dem AMS vereinbarten Abgabetermin für den Antrag auf Notstandshilfe - bekanntgab, dass sie eine private Betreuung organisiert hatte und darüber hinaus ab 05.10.2017 für einen Krabbelstubenplatz angemeldet war. Dass die Beschwerdeführerin ihr Kind selber betreut und mit diesem in der AMS-Beratung erscheint, solange ihr kein konkretes Beschäftigungsverhältnis vermittelt wurde, schließt die grundsätzliche Verfügbarkeit im Falle der Vermittlung jedoch aus Sicht des Senates nicht aus.
4.2.6. Die vom AMS darüber hinaus vertretene Ansicht, die von der Beschwerdeführerin genannten Personen seien grundsätzlich nicht als Betreuungspersonen geeignet, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.
4.2.6.1. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Mutter der Beschwerdeführerin, dass diese ihren Lebensmittelpunkt in Frankfurt habe und nur auf Besuch nach XXXX komme, ist festzuhalten, dass dies nicht ausschließt, dass die Mutter der Beschwerdeführerin im Falle einer tatsächlichen Vermittlung nicht auch für länger in Österreich bleiben würde, wie dies etwa im gesamten Dezember der Fall war.
4.2.6.2. Soweit das AMS im Hinblick auf die Freundin der Beschwerdeführerin ausführt, dass diese jedenfalls ab 07.11.2017 keine geeignete Betreuungsperson sei, weil sie gemäß § 3 Abs. 1 Mutterschutzgesetz unter einem absoluten Beschäftigungsverbot stand, ist auszuführen, dass sich dem Akt nicht entnehmen lässt, dass die Betreuung des Kindes der Beschwerdeführerin durch ihre Freundin entgeltlich - und damit dem Beschäftigungsverbot unterliegend - erfolgen sollte. § 3 MSchG stellt eine Arbeitnehmerschutzbestimmung für werdende Mütter dar, entbindet diese jedoch nicht von bereits bestehenden Betreuungspflichten. Es vermag daher nicht erkannt zu werden, warum die Freundin keine geeignete Betreuungsperson wäre.
4.2.7. Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin für den Fall einer potentiellen Vermittlung geeignete Betreuungspersonen bekanntgeben, so dass sie der Vermittlung iSd § 7 AlVG grundsätzlich zur Verfügung stand.
4.2.8. Da der Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens aber nur die Zurückweisung des Antrags durch das AMS ist und das BVwG abgesehen davon gegenständlich auch nicht selbst beurteilen könnte, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung von Notstandshilfe vorliegen, ist mit der spruchgemäßen Behebung der rechtswidrigen Zurückweisung vorzugehen (vgl. dazu VwGH 02.06.2016, Ra2016/08/0046).
4.2.8.1. Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dieses Erkenntnis entsprechend der VwGH Judikatur (VwGH 17.12.2015, Ro 2015/08/0026) an Stelle der Beschwerdevorentscheidung vom 17.01.2018, Zahl: XXXX, tritt, so dass das AMS gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet ist, in der betreffenden Rechtssache den der Rechtsanschauung des BVwG entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
4.2.8.2. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe wieder offen und unerledigt ist und nicht erneut gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AlVG mangels geeigneter Betreuungspersonen abgewiesen werden darf.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision:
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 AlVG. Zur Verfügbarkeit von Obsorgepflichtigen insbesondere VwGH 28.10.2015, 2012/10/0206; 21.04.2004, 2004/08/0007 mwN. Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Notstandshilfe, Verfügbarkeit amEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2184959.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.08.2018