TE Vwgh Erkenntnis 1999/12/22 99/04/0066

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Veröffentlicht am 22.12.1999
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Index

50/05 Kammern der gewerblichen Wirtschaft;

Norm

WKG 1998 §137 Abs1;
WKG 1998 §138 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde 1.) des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, 2.) der Gewerkschaft der Privatangestellten, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. G u. a., Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 23. Februar 1999, Zl. 38.590/91-III/A/5/98, betreffend Verfahren gemäß § 137 WKG (mitbeteiligte Parteien: 1.) Wirtschaftskammer Österreich in Wien IV, Wiedner Hauptstraße 63, 2.) Wirtschaftskammer Wien in Wien I, Stubenring 8-10, 3.) Bundessektion Gewerbe und Handwerk in Wien IV, Wiedner Hauptstraße 63, 4.) Bundessektion Industrie in Wien IV, Wiedner Hauptstraße 63, 5.) Landessektion Gewerbe und Handwerk für Wien in Wien I, Stubenring 8-10, 6.) Landessektion Industrie für Wien in Wien I, Stubenring 8-10, 7.) W-AG in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 11. November 1997 erhob der Österreichische Gewerkschaftsbund eine Aufsichtsbeschwerde gemäß § 68 Abs. 3 HKG. Begründend führte der Österreichische Gewerkschaftsbund im Wesentlichen aus, die siebentmitbeteiligte Partei besitze eine Berechtigung zur Ausübung des Kraftfahrzeugtechnikergewerbes gemäß § 94 Z. 19 GewO 1994. Mit Bescheid vom 9. Juli 1997 habe die Wirtschaftskammer Wien gemäß § 42 Abs. 4 HKG in Verbindung mit § 7 GewO 1994 festgestellt, dass die siebentmitbeteiligte Partei dieses Gewerbe an den Wiener Standorten nicht in Form eines Industriebetriebes ausübe. Diese gewerberechtliche Zuordnung durch die Wirtschaftskammer Wien sei unrichtig vorgenommen worden. Richtig wäre eine Zuordnung zur Fachvertretung der Fahrzeugindustrie in der Sektion Industrie der Wirtschaftskammer Wien und damit zum Fachverband der Kraftfahrzeugindustrie Österreichs. Aus im einzelnen näher dargelegten Gründen sei davon auszugehen, dass die siebentmitbeteiligte Partei sämtliche Merkmale aufweise, die für einen Industriebetrieb typisch seien und in § 7 GewO 1994 umschrieben würden. Durch die Beibehaltung der Zugehörigkeit zum Gewerbe entstünden den Arbeitnehmern der siebentmitbeteiligten Partei eine Reihe von Nachteilen wie zB im Zusammenhang mit Kündigungsfristen des Arbeitgebers, Mindestentgelten und der Normalarbeitszeit. Schließlich wurde der Antrag gestellt, einen paritätischen Ausschuss gemäß § 68 Abs. 3 HKG einzurichten und diesen mit der Prüfung der ordnungsgemäßen Fachgruppenzuordnung der siebentmitbeteiligten Partei zu befassen.

Da weder der bei der Landeskammer Wien noch der bei der Bundeskammer eingerichtete paritätische Ausschuss innerhalb der gesetzlichen Frist eine einvernehmliche Regelung erzielen konnte, erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Februar 1999, mit dem die Aufsichtsbeschwerde gemäß § 137 des Wirtschaftskammergesetzes 1998 (WKG) abgewiesen wurde. Begründend führte die belangten Behörde im Wesentlichen aus, Voraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Entscheidung sei gemäß § 137 WKG eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes durch eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer. Da dem Österreichischen Gewerkschaftsbund eine derartige Qualifikation zukomme, sei noch zu prüfen gewesen, ob die Fachgruppenzugehörigkeit des von der Aufsichtsbeschwerde betroffenen Kammermitgliedes die Interessen der in seinem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer berühre. Bezüglich der Berührtheit von Arbeitnehmerinteressen sei dem Bericht des Handelsausschusses vom 9. Dezember 1992, 878 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats XVIII.GP, zu entnehmen: "Die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes zieht die entsprechende Kollektivvertragsangehörigkeit des Arbeitgebers nach sich. Durch diese Kollektivvertragsangehörigkeit werden in vielen Fällen durch die Zuordnung eines Kammermitgliedes zu einer Fachgruppe auch Arbeitnehmerinteressen berührt." Aus dieser Formulierung sei zu ersehen, dass der Gesetzgeber selbst nicht in jeder - allenfalls auch unrichtigen - Zuordnung eines Kammermitgliedes Arbeitnehmerinteressen berührt sehe (arg.: in vielen Fällen). Es bedürfe demnach in jedem einzelnen Fall der Prüfung einer tatsächlichen Benachteiligung von Arbeitnehmern. Dass eine aufsichtsbehördliche Entscheidung über die Zuordnung eines Kammermitgliedes nur im Falle der Benachteiligung von dessen Arbeitnehmern zu treffen sei, ergebe sich aus dem Umstand, dass der verfahrenseinleitende Antrag nur von einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer erhoben werden könne. In diesem Sinne hätten aber die Ausführungen des Erstbeschwerdeführers für eine Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde nicht ausgereicht, weswegen er mit Schreiben vom 19. August 1998 unter Einräumung einer Frist von 4 Wochen aufgefordert worden sei, seine Aufsichtsbeschwerde dahingehend zu ergänzen, welche konkreten Benachteiligungen welcher konkreten Arbeitnehmer durch die Zugehörigkeit des verfahrensgegenständlichen Kammermitgliedes zur Innung der Kraftfahrzeugtechniker vorlägen. Mit Schriftsatz vom 17. September 1998 sei eine Gegenüberstellung einiger kollektivvertraglicher Unterschiede vorgelegt worden. Ein Kollektivvertrag stelle indes nur einen Mindeststandard dar, der gemäß § 3 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) sowohl durch Betriebsvereinbarung als auch durch Arbeitsvertrag zu Gunsten der Arbeitnehmer abgeändert werden könne. Daher sage die bloße Gegenüberstellung der Kollektivverträge noch nichts über eine tatsächliche Benachteiligung der Arbeitnehmer des verfahrensgegenständlichen Kammermitgliedes aus. Eine entsprechende Präzisierung der Benachteiligung von Arbeitnehmern durch eine allenfalls unrichtige Fachgruppenzuordnung des Kammermitgliedes, die eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde erst möglich machen würde, sei trotz Aufforderung der Behörde nicht vorgenommen worden. Dies sei jedoch auf Grund der Bestimmungen des ArbVG durchaus möglich gewesen. So stehe dem Betriebsrat gemäß § 89 ArbVG das Recht der Einsichtnahme in die Aufzeichnungen über die Bezüge der Arbeitnehmer zu und ermächtige ihn durch § 90 leg. cit. erforderlichenfalls, bei den zuständigen Stellen außerhalb des Betriebes entsprechende Maßnahmen zu beantragen, worunter jedenfalls auch eine diesbezügliche Informationsweitergabe an den Erstbeschwerdeführer zur inhaltlichen Untermauerung seines Vorbringens zu verstehen sei. Da der Erstbeschwerdeführer trotz der rechtlich und faktisch vorhandenen Möglichkeiten und nach entsprechender Aufforderung keine konkreten Benachteiligungen von Arbeitnehmern innerhalb angemessener Frist bekannt geben habe können, sei von der Aufsichtsbehörde als erwiesen anzunehmen, dass derartige Benachteiligungen nicht vorlägen. Somit sei bereits die Voraussetzung für eine aufsichtsbehördliche Prüfung der vorgenommenen Zuordnung, nämlich das Vorliegen einer Benachteiligung von Arbeitnehmern, nicht gegeben. Deswegen seien Erhebungen im Hinblick auf gewerbliche bzw. industrielle Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit des gegenständlichen Kammermitgliedes nicht mehr zu pflegen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu diese als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den sich aus § 68 Abs. 3 HKG und seit 1. Jänner 1999 in den aus §§ 137, 138 Abs. 2 WKG ergebenden subjektiv öffentlichen Rechten verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringen die Beschwerdeführer zunächst unter Hinweis auf die Entwicklungsgeschichte der Regelung des § 137 WKG vor, es handle sich dabei trotz der gegenteiligen Bezeichnung im Gesetz tatsächlich nicht um ein Aufsichtsverfahren. Sobald nämlich einem Rechtsunterworfenen, der bei der Aufsichtsbehörde Missstände anzeige, in diesem Verfahren eine Parteistellung mit dem Recht auf eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde durch das Gesetz zugebilligt werde, seien die Voraussetzungen des § 8 AVG erfüllt. Die Partei besitze in diesem Fall den Anspruch auf Durchführung eines Verfahrens nach rechtsstaatlichen Normen und auf eine rechtsrichtige Entscheidung. Anders könne auch nicht die Möglichkeit des Rechtszuges an den Verwaltungsgerichtshof gedeutet werden. Im Gegensatz dazu habe der Verwaltungsgerichtshof vor der Novelle zu § 68 HKG entschieden, dass der Handelskammer im Aufsichtsverfahren keine Parteistellung zukomme und sie keine Beschwerdemöglichkeit gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde besitze. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde bedeute die Formulierung in § 137 Abs. 1 bzw. § 138 Abs. 2 WKG "Arbeitnehmerinteressen berühren" nicht, dass eine konkrete Benachteiligung im Sinne einer Anspruchskürzung bestimmter Arbeitnehmer gegeben sein müsse. Es genüge hingegen, wenn durch die unrichtige Fachgruppenzugehörigkeit Arbeitnehmerinteressen nur berührt würden. Da es sich bei der Anwendung des richtigen Kollektivvertrages um eine arbeitsverfassungsrechtliche Frage handle, könne zur Auslegung des Begriffes der Interessenberührung eine Analogie zum ArbVG gezogen werden. Die Bestimmung des § 96 Abs. 1 Z. 3 ArbVG sehe die Zustimmung des Betriebsrates zur Einführung einer Kontrollmaßnahme vor, sofern diese Maßnahme die Menschenwürde der Arbeitnehmer berühre. Darunter würden Maßnahmen verstanden werden, welche die Menschenwürde tangierten, ohne sie schon zu verletzen. Es genüge, dass die Maßnahmen abstrakt geeignet seien, die Menschenwürde zu beeinträchtigen, wobei es auf die juristische Nähe zur Beeinträchtigung ankomme. Ähnlich werde dieser Begriff auch im § 105 Abs. 3 Z. 2 lit. b ArbVG von der Rechtsprechung und Lehre verstanden. Danach sei eine sozial ungerechtfertigte Kündigung dann zulässig, wenn der Betriebsinhaber den Nachweis erbringe, dass die Kündigung durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen seien und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, begründet sei. Voraussetzung hiefür sei nicht der Beweis eines dem Betrieb bereits entstandenen konkreten Nachteils. Als personenbezogener Grund, der die betrieblichen Interessen nachteilig berühre, sei etwa eine Unverträglichkeit gegenüber Mitarbeitern zu werten, die die Leistungsfähigkeit oder die Ordnung des Betriebes gefährde. Der Erstbeschwerdeführer hätte sehr wohl Umstände geltend gemacht, aus welchen zu entnehmen sei, dass durch die unrichtige Fachgruppenzugehörigkeit Arbeitnehmerinteressen berührt würden. Die Interessenberührung ergebe sich schon allein daraus, dass die in Rede stehenden Kollektivverträge unterschiedliche kollektivvertragliche Mindestentgelte festlegten. Auf Grund dessen sei je nach dem die Einwirkungsfähigkeit auf den Arbeitsvertrag gemäß § 3 ArbVG verschieden. Dies bedeute, dass jederzeit durch Vereinbarung das vertragliche Entgelt bis auf das kollektivvertragliche Mindestentgelt der Kollektivverträge des Gewerbes, also unter das höhere Niveau der Kollektivverträge der Industrie, herabgesenkt werden könne. Die Arbeitnehmer würden diesfalls nicht den Schutz des § 3 leg. cit. genießen, sodass der Arbeitgeber insbesondere für neu einzustellende Arbeitnehmer Entgelte unter dem Niveau des richtig anzuwendenden Kollektivvertrages der Industrie zulässig vereinbaren könne. Der Kollektivvertrag der Industrie erschöpfe sich aber nicht nur darin, kollektivvertragliche Mindestentgelte festzusetzen, sondern beinhalte eine ganze Reihe anderer Entgeltkomponenten, die entweder auf dem Ist-Lohn aufbauten oder die zukünftige Entgeltentwicklung regelten. In näher dargelegten Punkten ergebe sich aus dem Kollektivvertrag des Gewerbes eine Schlechterstellung gegenüber jenem für die Industrie. Mit Eingabe vom 17. September 1998 sei auf die Interessenbeeinträchtigung hingewiesen worden. Schon aus der Tatsache, dass es sich um ein Vorbringen zum Auftrag der Behörde handle, konkrete Benachteiligungen bestimmter Arbeitnehmer bekannt zu geben, könne nur geschlossen werden, dass von der aufgezeigten Benachteiligung die Arbeitnehmer der siebentmitbeteiligten Partei betroffen seien. Es könne den Beschwerdeführern nicht unterstellt werden, ein Vorbringen zu erstatten, das nur in einer abstrakten Gegenüberstellung zweier Kollektivverträge bestehe. Insbesondere könne der Hinweis in der Eingabe vom 17. September 1997, dass von diesen Nachteilen alle Angestellten betroffen seien, nur derart verstanden werden, dass damit sämtliche Angestellte der siebentmitbeteiligten Partei gemeint seien, denn die Behördenanfrage habe sich auf eine Benachteiligung von Angestellten dieses Unternehmens bezogen. Es entstehe der Eindruck, dass die belangte Behörde dieses Vorbringen bewusst missverstanden habe, um nicht gegen den Widerstand der siebentmitbeteiligten Partei und der Wirtschaftskammer Wien in der Sache selbst eine Entscheidung treffen zu müssen. Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird aus näher dargelegten Gründen eine Verletzung von Verfahrensvorschriften und mit dem Ziel der Dartuung der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde eine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des § 138 Abs. 2 WKG behauptet.

Gemäß § 137 Abs. 1 WKG ist ein paritätischer Ausschuss gemäß § 140 einzurichten, wenn eine in Betracht kommende kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer eine Aufsichtsbeschwerde in einer Arbeitnehmerinteressen berührenden Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes erhebt. Dieser Ausschuss besteht aus vier Mitgliedern, wobei je zwei von der antragstellenden kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer und von der zuständigen Landeskammer nominiert werden. Den Vorsitz führt in abwechselnder Reihenfolge ein Vertreter der beiden Körperschaften.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist ein solcher paritätischer Ausschuss bei der Bundeskammer einzurichten, wenn der Ausschuss gemäß Abs. 1 nicht innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu einer einvernehmlichen Regelung kommt. Je zwei Mitglieder werden vom Österreichischen Gewerkschaftsbund und der Bundeskammer nominiert.

Zufolge § 137 Abs. 3 WKG hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu entscheiden, wenn der Ausschuss gemäß Abs. 2 nicht innerhalb von weiteren drei Monaten zu einer einvernehmlichen Regelung kommt oder die einvernehmliche Lösung nicht vollzogen wird.

Gemäß § 138 Abs. 1 WKG haben im aufsichtsbehördlichen Verfahren die nach diesem Bundesgesetz errichteten Organisationen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich der Sektionen und Fachvertretungen sowie die betroffenen Organe und Organwalter und das betroffene Mitglied Parteistellung sowie das Recht, gegen aufsichtsbehördliche Bescheide vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle gilt dies auch für die in Betracht kommenden kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitnehmer, wenn in einem aufsichtsbehördlichen Verfahren über die Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes mit mehr als 250 Arbeitnehmern Arbeitnehmerinteressen berührt sind. In diesen Fällen hat die Aufsichtsbehörde zu entscheiden.

Was die Zulässigkeit der Beschwerde betrifft, ist auf die vom Verwaltungsgerichtshof eingeholte Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse zu verweisen, wonach unter den Beitragskonten der siebentmitbeteiligten Partei derzeit 626 Dienstnehmer zur Pflichtversicherung gemeldet sind. Es handelt sich somit bei der siebentmitbeteiligten Partei um ein Kammermitglied mit mehr als 250 Arbeitnehmern. Die Frage ob durch deren Fachgruppenzugehörigkeit Arbeitnehmerinteressen berührt werden, bildet den Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Die Berührung von Arbeitnehmerinteressen ist daher im gegebenen Zusammenhang nicht Voraussetzung der Zulässigkeit der Beschwerde, sondern eine Frage deren Berechtigung.

Die Beschwerde ist somit zulässig, sie ist auch berechtigt.

Gemäß § 137 Abs. 1 WKG ist Voraussetzung für die Einleitung eines aufsichtsbehördlichen Verfahrens über Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft im Sinne dieser Gesetzesstelle, dass es sich um eine "Arbeitnehmerinteressen berührende Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit eines Kammermitgliedes" handelt. Bei Auslegung der vom Gesetz gebrauchten Wendung "Arbeitnehmerinteressen berührende Angelegenheit" ergibt sich (selbst wenn man mit Rücksicht auf die aus dem Gesetz ersichtliche Zielsetzung darin eine Bezugnahme lediglich auf solche Angelegenheiten erblickt, die Arbeitnehmerinteressen negativ beeinträchtigen), schon aus dem reinen Wortlaut, dass darunter nicht nur ein Sachverhalt zu subsumieren ist, der eine tatsächliche Schlechterstellung von Arbeitnehmern im Einzelfall bereits zur Folge hatte, sondern jeder Sachverhalt, der generell geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/04/0069).

Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit dadurch, dass sie in Verkennung dieser Rechtslage es unterließ, auf dem Boden des Vorbringens der Erstbeschwerdeführerin jene Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung zulassen, ob im vorliegenden Fall eine Arbeitnehmerinteressen berührende Angelegenheit der Fachgruppenzugehörigkeit im Sinne der so zu verstehenden Bestimmung des § 137 Abs. 1 WKG vorliegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Schriftsatzaufwand betreffende Mehrbegehren war in dem den in der genannten Verordnung genannten Betrag übersteigenden Ausmaß abzuweisen. Das den Zuspruch von Umsatzsteuer betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des Schriftsatzaufwandes in der genannten Verordnung, die auch die Umsatzsteuer umfasst, abzuweisen.

Wien, am 22. Dezember 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999040066.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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