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L94053 Ärztekammer Niederösterreich;Norm
ÄrzteG 1998 §100 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Dr. W Z in K an der D, vertreten durch Mag. Lukas Leszkovics, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gußhausstraße 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Oktober 2017, Zl. LVwG-AV-687/003-2015, betreffend Gewährung der Invaliditätsversorgung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Die Ärztekammer für Niederösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 2015 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung der Invaliditätsversorgung per 1. Dezember 2013 gemäß § 100 ÄrzteG 1998 iVm § 30 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (kurz: Satzung) abgewiesen. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde.
2 Mit Beschluss vom 26. Februar 2016 hob das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den genannten Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurück. In der Begründung wurde im Wesentlichen die Rechtsansicht vertreten, dass die Invaliditätsversorgung nicht nur dann zu gewähren sei, wenn ein die Invalidität feststellender Bescheid eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers vorliege (§ 30 Abs. 1 lit. a der Satzung) oder die Berufsunfähigkeit durch ein von einem gemäß Abs. 4 leg. cit. bestellten Vertrauensarzt erstelltes Gutachten bestätigt werde (§ 30 Abs. 1 lit. b der Satzung), sondern auch bei Vorliegen eines gerichtlichen Vergleichs über die Leistung einer Erwerbsunfähigkeitspension, wie er gegenständlich zwischen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) und dem Revisionswerber abgeschlossenen worden sei. Ausgehend von der gegenteiligen Rechtsansicht habe die belangte Behörde im verwaltungsbehördlichen Verfahren keinerlei Ermittlungen zur Höhe der zustehenden Invaliditätsversorgung (so insbesondere Ermittlungen zur Grundrente und zur Zusatzleistung) getätigt. Diesbezüglich lägen somit "besonders gravierende Ermittlungslücken" vor, sodass sich nahezu das gesamte Ermittlungsverfahren auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht verlagern würde. Daher seien die Voraussetzungen für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG gegeben.
3 Gegen diesen Beschluss erhob die belangte Behörde Revision. Mit Erkenntnis vom 23.3.2017, Ro 2016/11/0016, hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss vom 26. Februar 2016 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte in seinen Entscheidungsgründen zusammengefasst aus, dass gemäß § 30 Abs. 1 lit. a und b der Satzung Voraussetzung für die Gewährung der Invaliditätsversorgung entweder ein die Invalidität feststellender Bescheid eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers oder ein die Berufsunfähigkeit bestätigendes Gutachten des Vertrauensarztes sei, wohingegen ein gerichtlicher Vergleich über die Leistung einer Erwerbsunfähigkeitspension nicht ausreiche (auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses, so auch auf die dort zitierten - und auch für die vorliegende Revision maßgebenden - Rechtsvorschriften wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen).
4 Im fortgesetzten Verfahren legte der Revisionswerber mit Schreiben vom 28. und 29. Juni 2017 den Bescheid der SVA vom 20. Juni 2017 (samt zugehörigem Antrag vom 7. Juni 2017) vor, mit welchem im Spruch unter Bezugnahme auf den erwähnten Vergleich hinsichtlich der Person des Revisionswerbers "festgestellt wird, dass Erwerbsunfähigkeit ab 1.12.2013 besteht" (als Rechtsgrundlage sind die §§ 55, 132, 133 und 133a GSVG sowie § 6 APG angeführt).
5 Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 16. Oktober 2017 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den eingangs erwähnten Bescheid vom 10. Juni 2015 gemäß § 28 VwGVG keine Folge. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.
6 In der Begründung wurde das Verfahrensgeschehen, so auch das zitierte hg. Erkenntnis Ro 2016/11/0016, wiedergegeben, sodann auf die Bindung an dieses Erkenntnis durch Zitierung des § 63 Abs. 1 VwGG verwiesen und ausgeführt, es sei "daher" der Beschwerde keine Folge zu geben gewesen.
7 Gegen dieses (dem Revisionswerber am 19. Oktober 2017 im Wege seines früheren Rechtsvertreters zugestellte) Erkenntnis richtet sich die vorliegende (am 21. November 2017 zur Post gegebene und somit entgegen der in der Revisionsbeantwortung geäußerten Vermutung rechtzeitig erhobene) außerordentliche Revision, in welcher sowohl in der Zulässigkeitsbegründung als auch in den Revisionsgründen geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe (in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes; Hinweis auf VwGH 28.4.2016, 2013/07/0055) nicht auf den im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Sachverhalt abgestellt, weil es auf den vom Revisionswerber vorgelegten Feststellungsbescheid der SVA vom 20. Juni 2017 betreffend das Bestehen der Erwerbsunfähigkeit überhaupt nicht Bedacht genommen habe.
8 Dazu erging die bereits erwähnte Revisionsbeantwortung der belangten Behörde.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision ist aus dem von ihr genannten Grund zulässig und begründet.
11 Gemäß § 30 Abs. 1 lit. a der Satzung ist dann, wenn ein Mitglied des Wohlfahrtsfonds infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen zur Ausübung des ärztlichen und/oder zahnärztlichen Berufs dauernd oder vorübergehend unfähig ist, die Invaliditätsversorgung zu gewähren, "wenn ein die Invalidität feststellender Bescheid eines gesetzlichen Sozialversicherungsträgers vorliegt".
12 Genau dies ergibt sich auch aus den Entscheidungsgründen des zitierten Erkenntnisses VwGH 23.3.2017, Ro 2016/11/0016, sodass es völlig unverständlich ist, wenn das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Bindung an dieses Erkenntnis den genannten Feststellungsbescheid der SVA vom 20. Juni 2017 betreffend das Bestehen der Erwerbsunfähigkeit des Revisionswerbers ignoriert hat.
13 Im zitierten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits ausgeführt, dass die beiden literae des § 30 Abs. 1 der Satzung bei gesetzeskonformer Auslegung nur als Konkretisierung jener Fälle verstanden werden können, "in denen eine Berufsunfähigkeit des Arztes angenommen werden muss". Daher kommt es nur darauf an, ob der Feststellungsbescheid der SVA vom 20. Juni 2017, mit dem die Erwerbsunfähigkeit des Revisionswerbers festgestellt wurde (§ 30 Abs. 1 lit. a der Satzung), in Rechtskraft erwachsen ist, was noch zu klären sein wird. Sollte dies zutreffen, kann (entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Meinung) die Fehlerhaftigkeit dieses Bescheides bzw. das Nichtvorliegen der Erwerbsunfähigkeit des Revisionswerbers nicht mehr ins Treffen geführt werden.
14 Das Verwaltungsgericht hat somit, wie die Revision zu Recht vorbringt, verkannt, dass es auf den im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Sachverhalt (vgl. etwa VwGH 9.9.2015, Ro 2015/03/0032, mwN) und damit auf das Vorliegen des genannten Feststellungsbescheides hätte Bedacht nehmen müssen, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
15 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 30. Juli 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110032.L00Im RIS seit
21.08.2018Zuletzt aktualisiert am
03.09.2018