Entscheidungsdatum
14.06.2017Norm
AVG §57 Abs2Spruch
G314 2153473-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts XXXX vom 01.03.2017, XXXX, wegen der Einbringung eines Pauschalkostenbeitrags zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
aufgehoben.
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beantragte am 04.04.2016 die Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen XXXX, das die Staatsanwaltschaft Graz am 10.03.2016 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt hatte. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXXvom 02.09.2016, XXXX, wurde der Fortführungsantrag abgewiesen und dem BF gemäß § 196 Abs 2 StPO die Zahlung eines Pauschalkostenbeitrags von EUR 90 aufgetragen. Dieser Beschluss wurde dem BF durch Übergabe an seinen Vertreter am 13.09.2916 zugestellt. Es wurde dagegen kein Rechtsmittel erhoben. Am 28.09.2016 wurde die Rechtskraft der Kostenentscheidung bestätigt.
Mit Lastschriftanzeige vom 07.09.2016 wurde der BF erfolglos zur Zahlung des Pauschalkostenbeitrags aufgefordert. Mit dem im Namen des Präsidenten des Landesgerichts XXXXvon der Kostenbeamtin erlassenen Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 05.10.2016 wurden dem BF der Pauschalkostenbeitrag und eine Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8, insgesamt daher EUR 98, zur Zahlung binnen 14 Tagen vorgeschrieben. Der Zahlungsauftrag wurde dem BF an seinen Vertreter durch Hinterlegung zur Abholung ab 11.10.2016 zugestellt.
Am 24.10.2016 brachte der BF gegen den Zahlungsauftrag per Fax eine ausdrücklich als "Vorstellung" bezeichnete Eingabe ein. Es langte nur die erste Seite dieser Eingabe beim Landesgericht XXXX ein. Der Aufforderung vom 10.11.2016, die restlichen Seiten vorzulegen, leistete der BF nicht Folge.
Am 05.12.2016 legte die Kostenbeamtin dem Präsidenten des Landesgerichts XXXX die Vorstellung des BF zur Entscheidung vor. Dieser wies den BF mit Schreiben vom 09.01.2017 darauf hin, dass die Kostenbeamtin und die Vorschreibungsbehörde gemäß § 6b Abs 4 GEG an den rechtskräftigen gerichtlichen Beschluss vom 02.09.2016 gebunden seien. Obwohl der Zahlungsauftrag als Mandatsbescheid gemäß § 7 Abs 2 GEG außer Kraft getreten sei, sei die Behörde nicht gehindert, in der Sache neuerlich zu entscheiden und den Pauschalkostenbeitrag vorzuschreiben. Der BF wurde aufgefordert, sich dazu binnen 14 Tagen zu äußern. Am 27.01.2017 erstattete der BF eine Äußerung und beantragte, den Mandatsbescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu, den Mandatsbescheid aufzuheben, das ordentliche Verfahren einzuleiten und die Gebühr herabzusetzen, die Angelegenheit dem Verfassungsgerichtshof zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vorzulegen und der Vorstellung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Landesgerichts XXXX die Vorstellung des BF als unzulässig zurück. Grundlage für den Zahlungsauftrag sei die rechtskräftige Kostenentscheidung im Beschluss vom 02.09.2016. Der Zahlungsauftrag entspräche dieser Gerichtsentscheidung. Gemäß § 6b Abs 4 GEG sei die Vorschreibungsbehörde im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg an die Entscheidungen der Gerichte gebunden. Ein Rechtmittel könne nur mit der Begründung erhoben werden, dass die Zahlungspflicht unrichtig bestimmt worden sei oder der Zahlungsauftrag nicht der zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichts entspräche. Würden solche Gründe nicht vorgebracht, sei die Vorstellung zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vom 06.04.2017 mit den Anträgen, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, eine Vorabentscheidung gemäß Art 267 AEUV einzuholen und ein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art 140 B-VG einzuleiten. Die Gerichtsgebühren seien zu hoch und würden daher entgegen Art 6 EMRK den Zugang zum Recht erschweren. Der durch ein Gerichtsverfahren verursachte Aufwand sei nicht proportional zur Höhe des Streitwerts. Die Gerichtsgebühren würden Art 7 und Art 18 B-VG verletzen, weil sie dazu führten, dass die Entscheidung, ein Rechtsmittel zu erheben, nicht (nur) anhand sachlicher Erwägungen getroffen würde. Gerichtsgebühren würden auch anfallen, wenn ein Rechtsmittel ohne inhaltliche Entscheidung aus formalen Gründen zurückgewiesen würde. In Österreich würden die Justizkosten durch Gebühren überfinanziert, was eine "verbotene Steuer" darstelle. Dadurch würden österreichische Staatsbürger von der Inanspruchnahme des Rechts auf einen gesetzlichen Richter ausgegrenzt. Das System der Gerichtsgebühren sei verfassungswidrig, weil die Gebühr unabhängig davon, wie lange das Verfahren dauere und wie aufwändig es sei, bei der Einbringung anfalle. Der Staat könne von Opfern von Straftaten nicht verlangen, die Kosten der Strafverfolgung zu tragen und sie gleichzeitig von einer aktiven Rolle im Verfahren ausschließen. Es sei ein Vorabentscheidungsverfahren bzw. ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten, weil die fehlende Möglichkeit, den Tarif nach dem GGG herabzusetzen, wenn tatsächlich nur eine geringere Leistung erbracht würde, die in keinem Verhältnis zum Aufwand stünde, einen verfassungs- und europarechtswidrigen Eingriff in das Eigentum darstelle.
Außerdem beantragte der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil die Begleichung des geforderten Pauschalkostenbeitrags einen unwiederbringlichen Nachteil mit sich bringen würde und keine öffentlichen Interessen entgegenstünden.
Der Präsident des Landesgerichts XXXX legte - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - die Beschwerde und die Verfahrensakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten und aus dem Gerichtsakt des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche bestehen nicht.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 196 Abs 2 StPO hat das Gericht für einen erfolglosen Fortführungsantrag einen Pauschalkostenbeitrag von EUR 90 aufzutragen. Die Bestimmung des Pauschalkostenbeitrags obliegt dem Richter. Nach Rechtskraft der gerichtlichen Kostenentscheidung ist der rechtskräftig festgestellte Betrag gemäß § 1 Z 4 GEG im Justizverwaltungsweg von der Vorschreibungsbehörde einzubringen (vgl Wais/Dokalik Gerichtsgebühren12 § 1 GEG Anm 4 und § 6a GEG Anm 2; VwGH 25.05.1998, 98/17/0048; 20.11.2002, 2002/17/0269).
Zuständige Vorschreibungsbehörde ist gemäß § 6 Abs 1 Z 1 GEG der Präsident des Gerichtshofs erster Instanz für Beträge aus Grundverfahren bei seinem Gericht oder den ihm unterstellten Bezirksgerichten. Dies ist hier der Präsident des Landesgerichts XXXX. Gemäß § 6 Abs 2 GEG kann er geeignete Bedienstete ermächtigen, Entscheidungen (Mandatsbescheide) auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren im Namen der Behörde zu erlassen (Kostenbeamte). Gegen einen vom Kostenbeamten erlassenen Bescheid ist das Rechtsmittel der Vorstellung (§ 7 Abs 1 GEG) zulässig.
Werden die einzubringenden Beträge nicht sogleich entrichtet (§ 4 GGG) oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung zu enthalten, den Betrag binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 Euro vorzuschreiben.
§ 6b Abs 4 GEG normiert, dass im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden können.
§ 7 GEG mit der Überschrift "Vorstellung und Berichtigung" lautet (soweit hier relevant):
"(1) Wer sich durch den Inhalt eines Mandatsbescheids, der von einem Kostenbeamten
(§ 6 Abs 2) namens der Behörde erlassen wurde, beschwert erachtet, kann binnen zwei Wochen Vorstellung bei der Behörde (§ 6 Abs 1) erheben. [...]
(2) Verspätete und unzulässige Vorstellungen sind von der Behörde zurückzuweisen. Mit der rechtzeitigen Erhebung der Vorstellung tritt der Mandatsbescheid außer Kraft, soweit sich die Vorstellung nicht ausdrücklich nur gegen einen Teil des vorgeschriebenen Betrags richtet. Die Behörde kann erforderlichenfalls Ermittlungen durchführen und hat mit Bescheid auszusprechen, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht besteht; dabei ist sie nicht an die Anträge der Partei gebunden, sondern kann auch über eine weitergehende Zahlungspflicht absprechen. [...] Bescheide nach diesem Absatz dürfen nicht vom Kostenbeamten nach
§ 6 Abs 2 im Namen der Behörde erlassen werden. [...]".
Das Recht, eine Vorstellung zu erheben, steht der vom Mandatsbescheid betroffenen Partei zu. Als Inhalt der Vorstellung ist lediglich erforderlich, dass der Bescheid bezeichnet wird, gegen den sie sich richtet, und dass zum Ausdruck gebracht wird, dass die Partei Vorstellung erheben will. Ein Begehren oder eine Begründung ist nicht erforderlich (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 583 ff; VwGH 19.12.2005, 2005/03/0053).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Der ausdrücklich als Mandatsbescheid bezeichnete Zahlungsauftrag vom 05.10.2016 richtet sich an den BF. Mit Eingabe vom 24.10.2017 erhob der somit dazu legitimierte BF innerhalb der zweiwöchigen Frist eine zulässige Vorstellung dagegen. Auch eine Vorstellung, die sich (wie hier) entgegen § 6b Abs 4 GEG gegen die bereits rechtskräftige Bestimmung eines Pauschalkostenbeitrags gemäß § 196 Abs 2 StPO richtet, ist nämlich zulässig, aber allenfalls inhaltlich nicht begründet (vgl BVwG 09.09.2015, W208 2107591-1). Durch die rechtzeitig erhobene Vorstellung trat der Zahlungsauftrag gemäß § 7 Abs 2 GEG ex lege außer Kraft. Darauf weist der Präsident des Landesgerichts XXXX im Schreiben vom 09.01.2017 zutreffend hin.
Infolge des Außer-Kraft-Tretens des Zahlungsauftrags (Mandatsbescheids) ist kein Verfahren über die Vorstellung anhängig. Der Präsident des Landesgerichts XXXX hätte daher nicht als Vorstellungsbehörde tätig werden dürfen; er war zur Entscheidung über die Vorstellung unzuständig (vgl VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0075 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor Inkrafttreten der Gerichtsgebühren-Novelle 2015 BGBl I 2015/156). Diese Unzuständigkeit der belangen Behörde ist vom BVwG auch dann aufzugreifen, wenn sie in der Beschwerde nicht geltend gemacht wird (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren § 27 VwGVG Anm 4). In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 27 VwGVG iVm § 28 Abs 1, 2 und 5 VwGVG aufzuheben.
Das Außer-Kraft-Treten des Mandatsbescheids und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids bewirken aber nicht, dass damit die betreffende Verwaltungsangelegenheit zu Gunsten des BF abgeschlossen ist. Es steht der Vorschreibungsbehörde vielmehr frei, darüber neuerlich zu entscheiden (vgl VwGH 15.12.2008, 2008/02/0235).
Die Präsidentin des LandesgerichtsXXXX wird daher im fortgesetzten Verfahren auszusprechen haben, ob und inwieweit eine Zahlungspflicht des BF besteht und - wenn die in der Vorstellung vorgebrachten Einwendungen nicht stichhaltig sind - einen neuerlichen Zahlungsauftrag (gemäß § 7 Abs 2 letzter Satz GEG als "Vollbescheid") zu erlassen haben oder - wenn die Einwendungen zutreffen - auszusprechen haben, dass keine Zahlungspflicht besteht (siehe Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren12 § 7 GEG Anm 3). In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die im angefochtenen Bescheid geäußerte Rechtsansicht, die Gesetzmäßigkeit der durch Gerichtsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht dürfe im Verwaltungsverfahren zur Einbringung der Forderung nicht mehr aufgerollt werden, nicht zu beanstanden ist.
Eine rechtzeitige und zulässige Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid, mit dem eine Geldleistung vorgeschrieben wurde, hat gemäß § 57 Abs 2 AVG aufschiebende Wirkung, die nicht ausgeschlossen werden kann (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 586). Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung; diese kann gemäß § 13 Abs 2 VwGVG unter bestimmten Voraussetzungen aberkannt werden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren § 13 VwGVG Anm 4 f). Da hier die aufschiebende Wirkung der Beschwerde nicht ausgeschlossen wurde, kommt eine Zuerkennung nicht in Betracht. Der darauf gerichtete Antrag des BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfällt eine mündliche Verhandlung, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG waren nicht zu beantworten, sodass kein Anlass besteht, die Revision zuzulassen.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, Außerkrafttreten Zahlungsauftrag,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2017:G314.2153473.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.08.2018