TE Bvwg Erkenntnis 2018/4/9 G314 2169731-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.04.2018

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G314 2169731-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2017, Zahl XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom 13.04.2017, XXXX, wegen Vermögensdelikten zu einer achtmonatigen, zur Gänze bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 16.06.2017 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung Stellung zu nehmen. Er erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG gegen den BF ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF und seiner fehlenden Integration am Arbeitsmarkt begründet. Der BF halte sich seit 2006 in Österreich auf. 2010 sei die dauerhafte Unzulässigkeit seiner Ausweisung festgestellt worden. Seit 2011 verfüge er jeweils über befristete Aufenthaltstitel. Die Umstände hätten sich seither entscheidungsrelevant geändert, zumal der BF mittlerweile volljährig sei, sich strafbar gemacht habe und seit 2014 keiner Beschäftigung mehr nachgehe, sondern Sozialleistungen beziehe. Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung und seiner Beschäftigungslosigkeit seien weitere Angriffe gegen fremdes Vermögen wahrscheinlich. Ein dreijähriges Einreiseverbot sei notwendig, um die von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hintanzuhalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, mangelhafter Bescheidbegründung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben, in eventu, Spruchpunkt IV. des Bescheids aufzuheben, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots zu reduzieren, in eventu, den Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er sich rechtmäßig in Österreich aufhalte und in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Verlobten, der österreichischen Staatsangehörigen XXXX, lebe, die berufsunfähig und auf seine Hilfe angewiesen sei. Er habe eine Einstellungszusage und werde im September 2017 in ein Arbeitsverhältnis eintreten. Er sei in Österreich aufgewachsen, spreche sehr gut Deutsch und habe hier ein intaktes Familienleben, in Serbien hingegen keine Bezugspersonen. Die Gefährdungsprognose der Behörde sei lückenhaft und inhaltlich falsch. Eine Rückkehrentscheidung gegen den BF sei auf Dauer unzulässig. Er sehe den Fehler ein, der zu seiner strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, und werde nicht rückfällig werden.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 05.09.2017 einlangten.

Feststellungen:

Der BF kam am XXXX in Serbien zur Welt, wo er bis Juli 2006 lebte. Seine Muttersprache ist Serbisch.

Ab Juli 2006 lebte der BF gemeinsam mit seinem Bruder bei seinem rechtmäßig in XXXX niedergelassenen Vater, dem die alleinige Obsorge für die beiden Kinder übertragen worden war. Der BF besuchte in der Folge in XXXX die Schule. Er beherrscht die deutsche Sprache.

Der BF hielt sich zunächst nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sein erster Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom Juli 2007 wurde Anfang 2008 abgewiesen.

In der Stellungnahme gemäß § 44b Abs 2 NAG (idF BGBl I Nr. 122/2009) vom 11.11.2010 erklärte die Sicherheitsdirektion XXXX, dass eine Ausweisung des BF aufgrund des mehrjährigen inländischen Aufenthalts und der damit verbundenen sozialen Integration, der strafrechtlichen Unbescholtenheit sowie der engen Bindung zu seinem Vater und seinem Bruder im Hinblick auf Art 8 EMRK nicht zulässig sei und keine Bedenken gegen die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bestünden. Dem BF wurde hierauf ein von 01.12.2011 bis 01.12.2012 gültiger Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens erteilt, der in der Folge zunächst bis 02.12.2015 und weiter bis 03.12.2018 verlängert wurde. Am 16.05.2017 beantragte der BF die neuerliche Verlängerung des Aufenthaltstitels.

Der BF war bei einem Autoreinigungsunternehmen in XXXX im Juli 2011 geringfügig beschäftigt und im August und September 2011 als Arbeiter erwerbstätig. Im November 2011 war er bei der XXXX als Angestellter beschäftigt, im Februar 2012 bei der XXXX als Arbeiter. Anschließend war er von Mai 2012 bis Mai 2014 bei der XXXX als Arbeiter erwerbstätig. Im Juli 2014 und von September bis Dezember 2014 bezog er Arbeitslosengeld, danach bezog er bis 06.09.2017 (mit Unterbrechungen) Notstands- bzw. Überbrückungshilfe oder Krankengeld und ging keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Von 07.09. bis 30.11.2017 war er bei XXXX in XXXX als Arbeiter beschäftigt; seither bezieht er wieder Notstands- bzw. Überbrückungshilfe.

Der Verurteilung des BF durch das Landesgericht für XXXX liegt zugrunde, dass er gemeinsam mit einer Mittäterin zwischen 24.10. und 19.11.2014 in acht Angriffen einerseits Mitarbeiter eines Versandunternehmens durch Täuschung über die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit zur Übersendung von Waren im Wert von EUR 1.662 verleitete (wobei es bei Bestellungen über EUR 1.098 beim Versuch blieb, weil das Geld nicht überwiesen und die Waren daher nicht versendet wurden) und andererseits Mitarbeiter einer Bank unter Verwendung von Zahlungsanweisungen, auf denen die Unterschrift des Kontoinhabers gefälscht wurde, zur Überweisung von insgesamt EUR

6.895 von den Konten von zwei Personen verleitete (wobei es hinsichtlich von Teilbeträgen über EUR 6.690 beim Versuch blieb, weil die Überweisungen rechtzeitig storniert wurden) (Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB). Außerdem eigneten sich der BF und seine Mittäterin einen ihrem Konto irrtümlich gutgeschriebenen Betrag von EUR 1.662 mit Bereicherungsvorsatz zu (Vergehen der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB). Im Mai 2015 montierte der BF Alufelgen samt Reifen, die ihm nicht gehörten, von einem Auto ab und bot sie im Internet zum Verkauf an (Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB).

Der BF wurde deshalb - ausgehend von einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe nach dem zweiten Strafsatz des § 148 StGB - zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Es handelt sich um seine erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung. Bei der Strafzumessung wurden das Geständnis, die Unbescholtenheit, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb und die teilweise Schadenswiedergutmachung als mildernd gewertet, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit Vergehen hingegen als erschwerend.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er lebt in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Verlobten XXXX. Von 02.04. bis 14.05.2017 wurde er im Polizeianhaltezentrum XXXX in XXXX angehalten. Der Vater und der Bruder des BF leben ebenfalls im Bundesgebiet. Über weitere familiäre, soziale oder gesellschaftliche Bindungen im Inland verfügt der BF nicht. In Serbien hat er weder Freunde noch Familienmitglieder.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellung, dass der BF in Serbien geboren wurde, beruht auf dem Strafurteil und dem Zentralen Melderegister, wo jeweils XXXX als sein Geburtsort angegeben ist. Die Feststellung, dass seine Muttersprache Serbisch ist, beruht auf seiner Herkunft und auf dem Umstand, dass er bis zu seinem 13. Lebensjahr in Serbien lebte. Deutschkenntnisse des BF können im Einklang mit dem Beschwerdevorbringen festgestellt werden, weil er danach in Österreich die Schule besuchte. Aus dem Strafurteil ergibt sich, dass der Verhandlung kein Dolmetscher beigezogen wurde, was ebenfalls für entsprechend gute Deutschkenntnisse des BF spricht.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF sowie seines Vaters und seines Bruders im Bundesgebiet sowie zum Schulbesuch des BF hier beruhen auf der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion XXXX vom 11.11.2010. Dies steht im Einklang mit dem Zentralen Melderegister (ZMR), nach dem seit 31.07.2006 beinahe durchgehend Hauptwohnsitzmeldungen des BF in XXXX bestanden. Die Abweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels 2008 und die dem BF ab 2011 erteilten Aufenthaltsgenehmigungen werden anhand des Fremdenregisters festgestellt.

Im Strafurteil wird der BF als beschäftigungslos bezeichnet. Seine Erwerbstätigkeiten im Inland sowie der Bezug von Arbeitslosen- und Krankengeld sowie Notstands- bzw. Überbrückungshilfe ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Der BF hat die in der Beschwerde angegebene Erwerbstätigkeit demnach nur knapp drei Monate lang ausgeübt und ist seither wieder ohne Beschäftigung und auf den Bezug von Notstandshilfe angewiesen.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er in einem erwerbsfähigen Alter ist, zuletzt Ende 2017 erwerbstätig war und keine Hinweise auf aktuelle gesundheitliche Einschränkungen oder Probleme hervorgekommen sind.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen. Damit übereinstimmend wird im Strafurteil die Unbescholtenheit des BF als Milderungsgrund berücksichtigt. Es gibt keine Indizien für eine strafrechtliche Verurteilung des BF in anderen Staaten.

Der gemeinsame Haushalt des BF mit XXXX ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen, das durch das ZMR, in dem letztere seit 14.12.2015 als Unterkunftgeberin des BF aufscheint, untermauert wird. Die Anhaltung des BF im Polizeianhaltezentrum 2017 folgt aus der entsprechenden Nebenwohnsitzmeldung laut ZMR und ergibt sich auch aus dem Strafurteil.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich, sodass deren Fehlen festzustellen ist. Ebenso fehlen Beweisergebnisse für in Serbien lebende Bezugspersonen des BF.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Der BF ist als Staatsangehöriger Serbiens Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Er hält sich gemäß § 31 Abs 1 FPG aufgrund des ihm erteilten Aufenthaltstitels nach dem NAG rechtmäßig in Österreich auf.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn setzt daher gemäß § 52 Abs 4 FPG voraus, dass nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG oder § 11 Abs 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, entgegengestanden wäre (Z 1) oder dass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs 1 und 2 NAG) entgegensteht (Z 4). Fallbezogen kommt dafür gemäß § 11 Abs 2 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 NAG in Betracht, dass der (weitere) Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Bei der Prüfung, ob die Annahme einer solche Gefährdung gerechtfertigt ist, muss eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden. Dabei hat die Behörde gestützt auf das der strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Straftat eine Gefährdungsprognose zu treffen. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Darüber hinaus ist unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung am Maßstab des § 9 BFA-VG zu prüfen. Nach dessen Abs 1 ist (ua) die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, die in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingreift, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0198).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann von Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger und Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF hielt sich seit 2006 im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war ab 2011 aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltstitel rechtmäßig.

Die vom BFA erlassene Rückkehrentscheidung ist nicht korrekturbedürftig, weil der weitere Aufenthalt des BF in Österreich aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Vermögensdelinquenz und der aufgrund seiner anhaltenden Beschäftigungslosigkeit anzunehmenden Wiederholungsgefahr die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Die wiederholte Begehung von - zum Teil schweren - Eigentumsdelikten indiziert gemeinsam mit dem Fehlen eines regelmäßigen Einkommens über mehrere Jahre, dass vom BF auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen wird. Er wird einen nachhaltigen Gesinnungswandel hin zu einem rechtstreuen Verhalten erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit unter Beweis stellen müssen. Der Wohlverhaltenszeitraum seit der Begehung der letzten Straftat im Mai 2015 reicht dafür noch nicht aus, zumal dem BF die beabsichtigte Aufnahme einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nur kurzfristig gelungen ist und aufgrund seiner schlechten finanziellen Lage eine neuerliche Vermögensdelinquenz konkret zu befürchten ist. Aktuell kann dem BF somit trotz einer privat und familiär stabilen Situation keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Die Rückkehrentscheidung greift wesentlich in das Privat- und Familienleben des BF ein. Bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass er ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, insbesondere, weil er sich seit vielen Jahren im Bundesgebiet aufhält, hier einen Teil seiner Jugend und seiner Schulzeit verbrachte und mit seiner Partnerin in XXXX zusammenlebt. Seinem Interesse an einer Fortsetzung dieses Privat- und Familienlebens steht das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegenüber.

Der BF ist im Inland zwar sprachlich integriert und hat hier lebende nahe Angehörige (Vater, Bruder); eine nachhaltige Integration am Arbeitsmarkt ist ihm jedoch nicht gelungen. Er lebt vielmehr seit Jahren im Wesentlichen von Notstands- bzw. Überbrückungshilfe und war - abgesehen von einem gut zweijährigen Beschäftigungsverhältnis zwischen 2012 und 2014 - nur kurzfristig erwerbstätig. Es bestehen trotz des Fehlens von Bezugspersonen nach wie vor ausreichende Bindungen zu Serbien, wo der BF bis zu seinem 13. Lebensjahr aufwuchs und einen Teil der Schulzeit verbrachte. Er beherrscht die dort übliche Sprache und ist mit den Gepflogenheiten vertraut. Es wird dem inzwischen erwachsenen BF daher möglich sein, sich ohne größere Probleme wieder in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates zu integrieren. Der Behörde anzulastende überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG wirken sich die vom BF begangenen Straftaten entscheidend zu seinem Nachteil aus, zumal kein einmaliger Vorfall, sondern mehrere Angriffe im Oktober/November 2014 und wieder im Mai 2015 vorliegen. Dies führt zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung, obwohl der BF nur einmal strafgerichtlich verurteilt wurde und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen werden konnte, zumal die Verwendung gefälschter Urkunden zu Betrugszwecken auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen lässt. Dieses gerichtlich strafbare Fehlverhalten des BF bewirkt in Zusammenschau mit der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit und der mangelnden Integration am Arbeitsmarkt eine so gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dass seine stark ausgeprägten privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich zurücktreten müssen.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das BFA bei Abwägung der gegenläufigen Interessen zu dem Ergebnis kam, dass das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib überwiegt. Allfällige damit verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der Rückkehr in den Herkunftsstaat auftreten können, sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen, an der Verhinderung von Vermögenskriminalität und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen. Die Rückkehrentscheidung führt auch nicht zwingend zu einem Abbruch der Beziehungen des BF zu seinen in Österreich lebenden Bezugspersonen, die durch diverse Kommunikationsmittel (z.B. Telefon, Internet, E-Mail) und Besuche im Serbien aufrecht bleiben können. Die Rückkehrentscheidung ist angesichts der Schwere der Verstöße des BF gegen österreichische Rechtsnormen zur Verwirklichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, namentlich der Verhinderung strafbarer Handlungen und des Schutzes der öffentlichen Ordnung, geboten.

In Anbetracht der Eigentumsdelinquenz des BF, der über ihn verhängten Freiheitsstrafe sowie der mit der gewerbsmäßigen Begehung von Vermögensdelikten und der Einkommenslosigkeit verbundenen Wiederholungsgefahr sowie des Umstands, dass der BF erwachsen, gesund und arbeitsfähig ist, haben sich die Umstände seit der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion XXXX vom 11.11.2010 wesentlich geändert, sodass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn trotz seines schützenswerten Privat- und Familienlebens in einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstände zulässig und geboten ist. Eine Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung ergibt sich auch nicht aus § 9 Abs 4 bis 6 BFA-VG, zumal der BF insbesondere nicht von klein auf im Inland aufgewachsen ist und der Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 1 zweiter Fall FPG (rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten) erfüllt ist.

Daher ist die Rückkehrentscheidung laut dem ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs 9 FPG festzustellen, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der Situation in Serbien, das als sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 Z 2 BFA-VG iVm § 1 Z 6 HStV gilt, und der Lebensumstände des BF keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung dorthin unzulässig machen würden. Dies ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Beschwerdevorbringen.

Da die Voraussetzungen für eine Abschiebung des BF nach Serbien vorliegen, erweist sich die Beschwerde gegen den zweiten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids als unbegründet.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Zugleich mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wird gemäß § 55 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt, die grundsätzlich 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids beträgt, wenn nicht der Betroffene besondere Umstände nachweist, die eine längere Frist erforderlich machen.

Da hier keine besonderen Umstände nachgewiesen wurden, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, ist ihm eine Frist von 14 Tagen für seine freiwillige Ausreise einzuräumen. Vor diesem Hintergrund ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs) sowie Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, verbunden werden, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig vom bisherigen Verhalten des Drittstaatsangehörigen. Geht von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit oder ein anderes in Art 8 Abs 2 EMRK genanntes öffentliches Interesse aus, kann gem § 53 Abs 3 FPG ein Einreiseverbot für bis zu zehn Jahre verhängt werden. Dies ist (soweit hier relevant) insbesondere dann der Fall, wenn der Drittstaatsangehörige von einem Gericht rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde (§ 53 Abs 3 Z 1 zweiter Fall FPG).

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden, sondern steht im Ermessen der Behörde (vgl VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen sei eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer schwerwiegenden Gefährdung öffentlicher Interessen gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung und Bestrafung des Betroffenen abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt. Es ist im Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen

(Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; VwGH Ra 2016/21/0289).

In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt hat das BFA zu Recht die Erfüllung des Tatbestands des § 53 Abs 3 Z 1 FPG bejaht. Aufgrund der Verurteilung des BF zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten kann ein bis zu zehnjähriges Einreiseverbot gegen ihn erlassen werden.

Der Behörde ist auch dahin beizupflichten, dass der Aufenthalt des BF eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die ein Einreiseverbot erforderlich macht, zumal er sich gewerbsmäßig schwerer Eigentumsdelinquenz schuldig machte. Aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation ist eine Wiederholungsgefahr anzunehmen, obwohl der BF erstmals strafrechtlich in Erscheinung trat und ihm eine bedingte Strafnachsicht gewährt wurde.

Da das Strafgericht bei der Strafbemessung im unteren Bereich des Strafrahmens blieb und der BF erhebliche private und familiäre Interessen an einem Aufenthalt in Österreich hat, ist die mit drei Jahren deutlich unter der möglichen Maximaldauer gebliebene Dauer des Einreiseverbots nicht korrekturbedürftig. Diese Dauer ist - auch in Anbetracht der dreijährigen Probezeit - dem konkreten Unrechtsgehalt der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe und seinen persönlichen Lebensumständen angemessen. Der Beschwerde ist somit auch in Bezug auf den vierten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids der Erfolg zu versagen.

Eine Beschwerdeverhandlung kann gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Zu Spruchteil B.:

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Diebstahl, Einreiseverbot, Gefährdungsprognose, Gewerbsmäßigkeit,
Interessenabwägung, öffentliches Interesse, Rückkehrentscheidung,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2169731.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten