TE Bvwg Beschluss 2018/7/18 W217 2200933-1

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Veröffentlicht am 18.07.2018
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Entscheidungsdatum

18.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2200933-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (in der Folge: BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 19.10.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am 20.10.2017 durchgeführten Erstbefragung gab der BF an, auf Grund der Kriegssituation in Afghanistan geflohen zu sein. Es gebe keine Sicherheit, in Laghman gebe es die Taliban und die Daesh, die Raketen abwerfen und Bombenanschläge ausüben würden. Da es in seiner Heimatprovinz unsicher gewesen sei, seien sie nach Kabul geflohen. Doch auch dort sei es unsicher, jeden Tag gebe es in der Hauptstadt Bombenanschläge.

Im Rückkehrfalle habe er Angst vor dem Krieg. Sein Vater habe ihn fortgeschickt, weil es in seiner Heimat unsicher sei.

2. Am 02.04.2018 wurde die Untersuchungshaft wegen des Verdachts des Verbrechens des schweren Raubes über den BF verhängt.

3. Bei der am 11.04.2018 abgehaltenen Einvernahme durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) führte der BF zu seinem Fluchtgrund aus, als afghanischer Staatsbürger in der Provinz Laghman in Afghanistan geboren und sunnitischer Moslem zu sein. Er habe 7 Jahre die Schule besucht. Seine Familie sei in Kabul aufhältig. Vor seinem Gefängnisaufenthalt habe er ca. einmal die Woche zu seiner Familie über facebook Kontakt gehabt. Es gehe allen gut. Seine Familie besitze ein Geschäft in Kabul.

Er habe sehr gerne die Schule besucht und sei auch ein guter Schüler gewesen. Die Sicherheitslage sei jedoch in seinem Heimatdorf sehr kritisch gewesen und die Taliban hätten nicht gewollt, dass die Kinder die Schule besuchen. Dann sei die ganze Familie nach Kabul gezogen, wo der BF mit der Schule aufhören habe müssen. Zwei bis drei Monate sei der BF in Kabul geblieben, jedoch arbeitslos und ohne Plan. Daraufhin habe sein Vater gemeint, es sei besser, wenn er gehe. Sein Vater habe die Ausreise bezahlt. Er sei nach Europa gekommen und habe die Schule besuchen und etwas lernen wollen.

In seinem Heimatdorf sei er von den Taliban bedroht worden. Diese hätten überall gesagt, dass man am Dschihad teilnehmen müsse und dass man dann ins Paradies gehen könne. Das hätten sie in der Moschee des Dorfes immer wieder erneut verkündet. Dies habe er von den anderen Dorfbewohnern erfahren, fast jeder habe darüber gesprochen und die Taliban hätten dies fast jeden Tag in der Moschee verkündet. Die letzten drei Monate in Afghanistan habe er in Kabul verbracht. Dort sei er orientierungslos und arbeitslos gewesen. Auf die Frage, ob er die Möglichkeit gehabt hätte in Kabul eine Arbeit zu finden, wenn er sich darum gekümmert hätte, antwortete der BF:

"vielleicht ja, aber ich wollte nicht arbeiten, ich wollte lernen."

Seine Familie habe keine Probleme in Kabul. Er selbst wolle nicht nach Kabul, er wolle nicht Tag und Nacht arbeiten. Vielleicht könne er zwar nach Kabul zurückgehen, aber er wolle das nicht.

3. Mit Verfahrensanordnung vom 22.05.2018 wurde dem BF gemäß § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet wegen Straffälligkeit (§ 2 Abs. 3 AsylG) Verhängung der Untersuchungshaft (§§ 173 ff StPO) mitgeteilt.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18.06.2018, Zl. XXXX, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.) Gleichzeitig wurde der Beschwerde gegen die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Zudem wurde unter Spruchpunkt VIII. festgestellt, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG sein Recht zum Aufenthalt im Beundesgebiet ab dem 22.05.2018 verloren hat und unter Spruchpunkt IX. gemäß 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot über den BF verhängt.

Begründend führte das Bundesamt aus, dass der BF weder eine asylrelevante Bedrohungssituation noch eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung in Afghanistan dargelegt habe. Er selbst habe angegeben, sein Heimatland aufgrund seiner Perspektivlosigkeit verlassen zu haben. Konkrete Bedrohungen habe er der Behörde nicht glaubhaft zu schildern vermocht. Er habe selbst angeführt, dass sich seine Familie in Kabul aufhalte. Sein älterer Bruder habe das Lebensmittelgeschäft des Vaters in Kabul übernommen und seine Familie würde nun in Kabul leben. Weiters würden seine Schwestern in Kabul leben. Er habe nicht plausibel begründen können, weshalb es ihm nicht möglich sein sollte, nach Afghanistan zu seiner Familie zurück zu kehren.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 09.07.2018 Beschwerde, in der vorgebracht wurde, dass die Ermittlungen und Befragungen durch die belangte Behörde mangelhaft gewesen seien. So habe der BF Angst gehabt, für die Taliban kämpfen zu müssen oder er wäre dort gestorben. Auch sei im Zuge der Einvernahme der Eindruck entstanden, dass der BF diverse kognitive Entwicklungsverzögerungen aufweise. Dennoch habe die belangte Behörde keinerlei Ermittlungen durchgeführt und entsprechende Untersuchungen in Auftrag gegeben. Ebenso habe die belangte Behörde nicht ermittelt, ob für den BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und der derzeitigen Verhältnisse in Afghanistan tatsächlich eine innerstaatliche Fluchtalternative existiere. Dem BF eröffne sich in Afghanistan keine innerstaatliche Relokationsalternative. Auch hätte die belangte Behörde aktuelle Länderberichte in der Entscheidung inhaltlich wiederzugeben und sich mit der persönlichen Situation des BF im Hinblick auf die getroffenen Länderfeststellungen auseinanderzusetzen. Die Sicherheitslage habe sich sowohl in Kabul als auch in ganz Afghanistan erheblich verschlechtert. Unter einem wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchpunkt A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der BF macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen geltend, indem er auf den Umstand hingewiesen hat, als Minderjähriger der Gefahr der Rekrutierung und der Entführung durch die Taliban ausgesetzt zu sein.

Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens muss - entgegen der Ansicht des Bundesamtes - prima facie davon ausgegangen werden, dass für den BF ein Gefährdungsrisiko besteht und es sich somit um "vertretbare Behauptungen" handelt. Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2200933.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.08.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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