TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/25 W253 2143203-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.07.2018
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Entscheidungsdatum

25.07.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W253 2143203-1/16E

W253 2143201-1/15E

W253 2143206-1/12E

W253 2143209-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Jörg

C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1) XXXX , geb. XXXX auch XXXX , 4) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1) 05.12.2016, Zl. XXXX , 4) 06.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 15.02.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und 1) XXXX , 4) XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird 1) XXXX , 4) XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.07.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Jörg

C. BINDER als Einzelrichter über die Beschwerde von 2) XXXX , geb. XXXX auch XXXX , 3) XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch 4) XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2) 06.12.2016, Zl. XXXX ,

3) 06.12.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 15.02.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und 2) XXXX , 3) XXXX auch XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird 2) XXXX , 3) XXXX auch

XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 25.07.2019 erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Afghanistans und stellten am 21.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers.

2. Im Zuge der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass in Afghanistan immer Krieg gewesen sei, aber seit dem letzten halben Jahr würden die Taliban alle Hazara umbringen. Die Frauen und Kinder hätten keine Sicherheit mehr. Er wolle ein friedliches Leben mit seiner Familie führen. Weiters habe er Angst vor den Taliban.

Die Viertbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass es in Afghanistan nicht sicher sei, ihr Leben sei in Gefahr. Die Taliban würden regieren und viele Hazara töten. Ihr Mann habe gesehen, dass es bei ihnen zu gefährlich sei. Weiters habe sie Angst vor den Taliban.

3. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 05.12.2016 führte der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichsten aus, dass sie vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden seien. Er habe nach 10 bis 15 Tagen durch einen Freund eine Arbeit als Wachmann gefunden. In der Arbeit habe sich ein Vorfall am 11.09.2015 ereignet. Der Sohn des Arbeitgebers sei mit einem Mädchen gekommen und sei dort in das Büro gegangen. Sie hätten laute Musik gehört und laut gelacht. Nach ca. 30 Minuten sei der Arbeitgeber gekommen und in das Büro zu seinem Sohn gegangen. Nach ein bis zwei Minuten habe er die Musik nicht mehr gehört. Dann habe er gehört, wie der Vater mit dem Sohn geschimpft habe. Als er beim Büro vorbeigegangen sei, habe er gesehen, dass der Sohn aus dem Büro rausgelaufen sei. Seine Hand sei voller Blut gewesen. Er habe das Mädchen "blutüberströmt" gesehen. Er sei in das Zimmer gegangen und habe gefragt, was passiert sei. Dann sei er am Hinterkopf getroffen worden und ohnmächtig geworden. Er wisse nicht, was mit dem Mädchen gewesen sei. Nach ca. einer Stunde sei er aufgewacht. Seine Hände und Füße seien gefesselt gewesen. Auf die Frage, warum sie das gemacht hätten, hätten sie ihm geantwortet, dass er erstens das Mädchen gesehen habe und zweitens ein Hazara sei. Der Arbeitgeber sei dann zu seinem Fahrer gegangen und habe zu seinem Sohn gesagt, dass er hierbleiben solle und sie in einer halben Stunde zurück seien. Der Erstbeschwerdeführer habe Durchfall gehabt und habe sich in die Hose gemacht. Es habe zu stinken begonnen. Der Sohn des Arbeitgebers habe ihm dann auf die Schulter geschlagen. Da der Sohn es nicht mehr ausgehalten habe, habe er seine Beine entfesselt - seine Hände seien dabei noch hinter dem Rücken gebunden gewesen - und sei mit ihm gemeinsam hinausgegangen. Dann habe er ihm Wasser mit einem Kübel übers Gesicht geschüttet. Er habe dann gesagt, er stinke noch immer. Er sei dann zu ihm gekommen und habe mit der Hand versucht seinen Gürtel zu öffnen. Der Sohn des Arbeitgebers sei vor ihm gestanden und hinter ihm sei ein Brunnen gewesen. Er habe ihn dann von sich weggestoßen als er seinen Gürtel habe öffnen wollen. Er sei umgefallen und sein Kopf sei auf den Brunnen aufgeschlagen. Er sei dann weggelaufen und nach Hause gegangen.

Die Viertbeschwerdeführerin gab bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass die Taliban alle Hazara töten würden. Weites führte sie aus, als sie zum zweiten Mal vom Iran nach Afghanistan abgeschoben worden seien, habe ihr Mann eine Arbeit gefunden, bei der er ein Gelände bewacht habe. Sie habe ihre Tochter auf die Welt gebracht und sei dann bei ihrer Cousine gewesen. Eines Tages sei ihr Mann plötzlich aufgetaucht. Der Mann ihrer Cousine habe die Tür geöffnet. Sie hätten gesehen, dass seine Hände hinter seinem Rücken zugebunden gewesen seien, er habe sich in die Hosen gemacht gehabt. Sie seien dann zu einer anderen Cousine gefahren. Dort habe er ihr alles erzählt. Der Sohn seines Chefs sei ein bis zweimal in der Woche aufgetaucht. Er habe immer ein Mädchen mitgenommen. Der Erstbeschwerdeführer habe das Mädchen auf dem Boden liegen gesehen, weil er das gesehen habe, hätten sie ihn umbringen wollen.

Weiters gab sie an, dass ihre Kinder (Zweit- und Drittbeschwerdeführer) die gleichen Fluchtgründe geltend machen würden. Ihre Kinder seien gesund.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

5. Mit Verfahrensanordnung vom 06.12.2016 wurde den Beschwerdeführern die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit Schreiben vom 16.12.2016 erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. In dieser finden sich zunächst Ausführungen zum Sachverhalt. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie die belangte Behörde zu dem Schluss komme, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat keiner Diskriminierung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Hazara ausgesetzt seien. Auch hätte sie Ermittlungen dahingehend anzustellen gehabt, ob die im Iran geschlossene Ehe in Afghanistan nicht als gültige Ehe anerkannt sei. Es liege im Verhältnis zwischen dem Erstbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführerin ein Familienverfahren vor. Im Übrigen liege eine mangelhafte Beweiswürdigung vor. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage, die Beschwerdeführer vor der drohenden Verfolgung durch den ehemaligen Chef des Erstbeschwerdeführer zu schützen, weil er gute Beziehungen zur afghanischen Polizei als auch zu den Taliban unterhalte. Daher stehe ihm auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen. Den Onkel, der in XXXX lebe, habe er noch nie gesehen. Weiters handle es sich bei den Beschwerdeführern um Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Ferner führten sie aus, hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und hätte sie den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie den Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Darüber hinaus hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" erteilen müssen, da die Voraussetzungen des § 57 AsylG zum Entscheidungszeitpunkt vorgelegen seien. Auch im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf Grundlage eines mangelhaften geführten Verfahrens und einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung erlassen. Die belangte Behörde habe es unterlassen, Ermittlungen zur Integration in Österreich anzustellen.

Unter einem wurden mehrere Unterlagen vorgelegt.

7. Mit Schreiben vom 15.02.2017 teilten die Beschwerdeführer mit, dass sie die Geburtsdaten des Erstbeschwerdeführer sowie des Zweitbeschwerdeführers berichtigen wollen. Der Erstbeschwerdeführer sei am XXXX geboren. Der Zweitbeschwerdeführer am XXXX .

8. Mit Schreiben vom 20.12.2017 wurden weitere Unterlagen vorgelegt.

9. Am 15.02.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der Beschwerdeführer, ihrer Vertreterin, einer Vertrauensperson und einer Dolmetscherin statt, in welcher die Beschwerdeführer ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt und ihnen Gelegenheit gegeben wurde, diese umfassend darzulegen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden auch weitere Unterlagen vorgelegt. Am Ende der Verhandlung wurde vorgebracht, dass die Viertbeschwerdeführerin in Österreich ein Leben führe, das vom "westlich orientierten" Lebensstil geprägt sei und sie zwischenzeitlich ihre Rechte als Frau in Anspruch nehme wolle, was ihr in Afghanistan nicht möglich sei, ohne gravierende Verfolgungshandlungen befürchten zu müssen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht auf Grundlage der erhobenen Anträge auf internationalen Schutz, den Erstbefragungen und Einvernahmen der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerden gegen die im Spruch genannten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungsinformationssystem fest.

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zu den Beschwerdeführern:

Die Beschwerdeführer führen die im Spruch angeführten Geburtsdaten und die angeführten Namen.

Der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin sind die leiblichen Eltern der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer.

Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige. Die Beschwerdeführer gehören der Volksgruppe der Hazara an. Die Beschwerdeführer sind gesund. Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari.

Der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin gehören der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an.

Der Erstbeschwerdeführer stammt aus XXXX . Im Alter von 3 bis 4 Jahren ist er mit seiner Familie in den Iran gezogen.

Die Viertbeschwerdeführerin wurde in der Provinz XXXX geboren. Mit ungefähr 10 Jahren ist die Viertbeschwerdeführer mit ihrer Familie in den Iran gereist. Nach 4 Jahren wurden sie nach Afghanistan abgeschoben. Nach ca. 6 Jahren ist sie wieder mit ihrer Familie in den Iran ausgereist. Dort hat die Viertbeschwerdeführerin den Erstbeschwerdeführer kennengelernt. Die Viertbeschwerdeführerin hatte keine Aufenthaltsberechtigung, weshalb sie nach Afghanistan abgeschoben wurde. Der Erstbeschwerdeführer begleitete sie. Nach 3 Monaten zogen sie erneut in den Iran um 3 Jahre darauf, wieder nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Der Erstbeschwerdeführer lebte nach den Abschiebungen immer in XXXX . Die Viertbeschwerdeführer beim ersten Mal in der Provinz XXXX und beim zweiten Mal in XXXX .

Der Zweitbeschwerdeführer ist in XXXX geboren. Die Drittbeschwerdeführerin in der Stadt XXXX .

Vor ihrer Flucht nach Österreich lebten die Beschwerdeführer in der Stadt XXXX .

Der Erstbeschwerdeführer hat 4 Jahre eine iranische Schule sowie 4 Jahre eine afghanische Schule besucht und wurde 3 weitere Jahre zu Hause unterrichtet.

Der Erstbeschwerdeführer weist eine mehrjährige Berufserfahrung als Hilfsarbeiter, Tischler und Schneider auf.

Die Viertbeschwerdeführerin verfügt über keine Schul- oder Berufsausbildung und hat sich im Herkunftsstaat um den Haushalt gekümmert. Weiters hütete sie Schafe, hat Futter für die Schafe geholt und den Stall gereinigt.

Die Viertbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführer haben Deutschkurse besucht. Der Erstbeschwerdeführer hat die Prüfung für das Sprachniveau A2 absolviert. Die Erstbeschwerdeführerin hat die Prüfung A1 nicht bestanden. Der Erstbeschwerdeführer nimmt an Fudokan-Karate-Kursen teil. Der Erstbeschwerdeführer arbeitete überdies bei einer Stadtgemeinde in Österreich. Er hat vor, Mitglied beim roten Kreuz zu werden. Der Zweitbeschwerdeführer besucht den Kindergarten. Die Beschwerdeführer werden im Rahmen der Grundversorgung versorgt. Die Beschwerdeführer sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer eine konkrete Verfolgung oder Bedrohung im Falle ihrer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund eines Vorfalls während der Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers als Wachmann im Iran, eine Verfolgung droht.

Weiters kann auch nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern wegen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell, bzw. dass jedem Angehörigen der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer in Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Verfolgung ausgesetzt wären.

Es konnte ebenfalls nicht festgestellt werden, dass die Viertbeschwerdeführerin aufgrund versuchter Zwangsverheiratung einer konkret gegen sie gerichteten psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt war oder sein wird.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Viertbeschwerdeführerin eine Lebensweise angenommen hat, die einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellen würde. Die Viertbeschwerdeführerin ist nicht an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als "westlich" bezeichneten Frauen und Gesellschaftsbild (selbstbestimmt leben zu wollen) orientiert.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:[r1]

Es kann nicht festgestellt werden, dass das Heimatdorf in der Provinz XXXX sicher erreicht werden kann.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Städten XXXX und XXXX Gefahr liefen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Erstbeschwerdeführer ist in der Lage, in XXXX und XXXX am Erwerbsleben teilzunehmen und für den notwendigsten Unterhalt für sich und die Viertbeschwerdeführerin zu sorgen. Der Erstbeschwerdeführer ist ein junger, arbeitsfähiger, gesunder Mann, der auch bereits über mehrjährige Berufserfahrung verfügt. Er hat bereits in der Stadt XXXX gearbeitet, und ist mit den örtlichen Gegebenheiten und dem Arbeitsmarkt in der Stadt XXXX vertraut. Außerdem können der Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise das Auslangen finden. Die Viertbeschwerdeführerin wurde auch bisher stets von männlichen Verwandten, zuletzt vom Erstbeschwerdeführer, versorgt.

Es kann aber nicht festgesellt werden, dass der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan in dem Herkunftsort ihrer Eltern, in XXXX bzw. in der Stadt XXXX bzw. in XXXX und XXXX keinem realen Risiko ausgesetzt wären, in eine solche existenzbedrohende Notlage zu geraten. In Afghanistan sind vor allem Kinder besonders von Unterernährung betroffen. Ungefähr zehn Prozent der Kinder sterben vor ihrem fünften Geburtstag. Bei dem Zweitbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin handelt es sich um Minderjährige im Alter von sieben und drei Jahren, die im Familienverband mit ihren Eltern leben und über kein eigenes Vermögen und keine eigene Möglichkeit der Existenzsicherung verfügen. Bei der Viertbeschwerdeführerin handelt es sich um eine Frau ohne Schul- und Berufsbildung und ohne Berufserfahrung, die bisher von männlichen Angehörigen (zunächst vom Vater, dann vom Erstbeschwerdeführer) versorgt wurde. Der Erstbeschwerdeführer ist zwar ein junger, arbeitsfähiger, gesunder Mann, der auch bereits über Berufserfahren verfügt, und bei dem davon ausgegangen werden kann, dass er für sich selbst und die Viertbeschwerdeführerin sorgt. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass er dort auch eine vierköpfige Familie ernähren kann, wobei besonders ins Gewicht fällt, dass der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin noch Kinder sind, die von Gefahren wie Unterernährung besonders betroffen sind.

Die Eltern des Erstbeschwerdeführers leben im Iran. Ein Kontakt zu den Eltern des Erstbeschwerdeführers kann grundsätzlich hergestellt werden. Zwar schickte der Vater des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin als sie das erste Mal nach Afghanistan abgeschoben wurden Geld. Beim zweiten Mal konnte der Vater des Erstbeschwerdeführers ihnen kein Geld mehr schicken, weil der Erstbeschwerdeführer kein Geld mehr im Iran hatte, das er ihnen schicken konnte.

Zwar lebt ein Onkel des Erstbeschwerdeführers mit seinen Kindern in XXXX , jedoch kennt der Erstbeschwerdeführer ihn nicht und hat auch keinen Kontakt zu ihm.

Die Eltern der Viertbeschwerdeführerin sowie die Geschwister der Viertbeschwerdeführerin leben in der Provinz XXXX in Afghanistan, es konnte nicht festgestellt werden, dass das Dorf in der Provinz XXXX sicher erreicht werden kann.

Auch ein Onkel der Viertbeschwerdeführerin lebt im Heimatdorf, seine Söhne leben im Iran.

Zwei Cousinen der Viertbeschwerdeführerin leben in XXXX . Eine Cousine ist verheiratet und hat drei Söhne, eine Schwiegertochter und eine Tochter. Die zweite Cousine ist verheiratet und hat sechs Töchter und einen Sohn, der im Iran lebt. Eine Cousine hat zwar die Viertbeschwerdeführerin gepflegt als sie ihr zweites Kind bekam, weil die Viertbeschwerdeführerin nicht in die Provinz XXXX konnte. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass eine Pflege bzw. ausreichende Unterstützung jetzt auch noch möglich ist.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Beschwerdeführer einer vierköpfigen Familie Wohnraum zur Verfügung stellen oder sie beim Aufbau der notwendigsten Existenzgrundlage unterstützen können.

1.4. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt [r2]der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 30.01.2018:

[...]

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

[...]

Herat

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani - stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes - verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

Mazar-e Sharif

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

[...]

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

[...]

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

[...]

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

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IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

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Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

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Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden und (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten (Pajhwok o.D.z). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.523.718 geschätzt (CSO 2016)

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

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Im Zeitraum 1.9.2015. - 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren (USDOD 12.2015). Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren (Khaama Press 13.1.2017). Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen (DW 10.1.2017). Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen (BBC News 10.1.2017).

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt (Afghanistan Times 8.2.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 4.1.2017a; Bakhtar News 29.6.2016). Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet (Afghan Spirit 18.7.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 4.1.2017a).

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: UNAMA 6.2.2017).

[....]

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

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Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

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Ghor

Ghor ist 480 km von Kabul entfernt und grenzt an die Provinzen Herat, Badghis, Faryab, Sar-e Pul, Bamyan, Uruzgan, Helmand und Farah. Ghor hat folgende administrative Einheiten: Taiwara, Tolak, Sagher, Pasaband, Dolaina, Shahrak, Dawalatyar, Chahar Sada, Lal-o-Sari Jangle und die Hauptstadt Chaghcharan (Pajhwok o.D.p), heute bekannt als Firozkoh/Feroz Koh (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 701.653 geschätzt (CSO 2016).

Auch wenn Ghor als eine der unterentwickelten Provinzen Afghanistans angesehen wird (IWPR 19.1.2017; vgl. auch: Pajhwok o.D.p), haben

6.131 Frauen einen neun-monatigen Alphabetisierungs- und Ausbildungskurse absolviert. Zusätzlich werden bald 3.600 Frauen und Männer aus zehn verschiedenen Regionen Ausbildungskurse absolvieren (Pajhwok 1.8.2016). Manchmal haben Aufständische sich dem Friedensprozess angeschlossen (Sada-e Azadi 2.3.2016).

Aufgrund unwegsamer Straßen werden Routen in der Provinz Ghor verwendet, um Drogen, aber auch Waffen zu schmuggeln (Pajhwok 15.1.2017).

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghor 125 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Nur in einer Handvoll der 34 Provinzen Afghanistans (wie Balkh, Bamyan, Ghor, Daikundi, Jawzjan und Samangan) stellen die Taliban keine große Bedrohung dar. Die fehlende Mehrheit der Paschtunen erklärt die relative Stabilität dieser Provinzen (Lobe Log Foreign Policy 14.9.2016).

In der Provinz Ghor werden militärische Operationen durchgeführt um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Pajhwok 21.11.2016; Pajhwok 21.10.2016; Pajhwok 23.9.2016; Afghanistan Times 21.8.2016). Es kommt zu Luftangriffen (Xinhua 14.8.2016; Indian TV News 23.8.2016), dabei werden hochrangige Talibanmitglieder der Provinz getötet (Indian TV News 23.8.2016). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen kommen vor (Pajhwok 9.11.2016; Pajhwok 8.8.2016).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

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Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

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Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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